Antrag Nr. 2594/2014:
Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. zu Drucks. Nr. 1916/2014 (HSK IX): Reduzierung der ersten Stufe

Informationen:

verwandte Drucksachen:

2594/2014 (Originalvorlage)
1916/2014 (Ursprungsvorlage)

Beratungsverlauf:

Antragsteller(in):

Fraktion DIE LINKE.

Inhalt der Drucksache:

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Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. zu Drucks. Nr. 1916/2014 (HSK IX): Reduzierung der ersten Stufe

Antrag zu beschließen:

Der Rat der Landeshauptstadt möge beschließen:
1. Die erste Stufe des HKS IX wird auf das 3- Jahres-Einsparziel in Höhe von insgesamt 19,5 Mio € reduziert. Das sind insgesamt - 14,8 Mio € ( d.h. -4,3Mio € = ca. 57%) weniger im Vergleich zum Vorschlag der Verwaltung;

2. Das reduzierte Konsolidierungsvolumen verteilt sich auf die folgenden „Blöcke“:

a. Dezernatsquote -4,5 Mio € , das sind 2,66 Mio € p.a. weniger im Vergleich zum Antrag der Verwaltung


b. Restriktive Haushaltsbewirtschaftung 3,16Mio € p.a. weniger im Vergleich zum Antrag der Verwaltung

c. Beteiligungsbeitrag +1,3Mio € p.a. mehr im Vergleich zum Antrag der Verwaltung

d. Optimierung der Geschäftsprozesse 0,45 Mio € p.a. weniger im Vergleich zum Antrag der Verwaltung






Begründung:

1. Allgemeine unterschiedliche Lagebeurteilung: Die Verwaltung rechnet mit einer Plan-Ist-Differenz bei den Gewerbesteuereinnahmen für das Jahr 2014 von ca. 88Mio € und einer zusätzlichen Minderung der Einnahmen aus geringerer Konzessionsabgabe von ca. 14 Mio €.

Beide Jahresendprognosen erscheinen der LINKEN ebenso „volatil“ und aus Unternehmenssicht „gestaltet“ wie die vergleichsweise sehr hohen Plandaten aus dem Vorjahr für 2014.

Deshalb plädieren wir für eine noch vorsichtigere haushaltspolitische Reaktion auf die zweifellos unsicheren Gewerbesteuereinnahmen und warnen vor einer falschen finanzpolitischen Dramatik. An welchem konjunkturellen Punkt die LHH in Relation zum Bundestrend tatsächlich für die Jahre 2015/2016 steht, ist u.E. keineswegs ausgemacht. Eine tiefgreifende Finanzkrise wie 2007-2008 kann heute ebenso überraschend eintreten wie zur damaligen Zeit. Jedoch gibt es genügend Hinweise darauf, dass es sich beim aktuellen „Juglar-Zyklus“ eher um eine „Delle“ als um einen tiefgreifenden konjunkturellen Einbruch handelt. Für den Branchenmix in Hannover sind eher positive konjunkturelle Nachrichten bekannt geworden.

Die sonstigen Sondereffekte, die als Begründung des prognostizierten Gewerbesteuereinbruchs von der Verwaltung genannt wurden, sind weder transparent noch nachvollziehbar, noch einfach hinnehmbar. Sie sind u.E. das Ergebnis einer neuen volatilen Haushalts- und Finanzpolitik, die sich vorrangig an wirtschaftspsychologischen Überlegungen ( Verhinderung eines zu starken Ausgabedrucks) und der „ökonomischen Theorie der Politik“ (vgl. Downs, Olson 1968/1974) mit dem Ziel „Machterhalt der regierenden Parteien“ orientiert. Kurz zusammengefasst: Vor Wahlen wird von jeder Regierung aktive Wirtschaftsförderung betrieben, nach jeder Wahl werden die haushaltspolitischen Grausamkeiten durchgesetzt, die notwendig sind, um am Ende der Legislaturperiode wieder positive, wahlhelfende Stimmung generieren zu können. So gesehen passen die Haushalte der LHH 2013/14 voll ins Bild.

Angesichts der europäischen und internationalen Anstrengungen, die Steuervermeidung/- verkürzung /- gestaltung in der EU, den USA u.a. in Zukunft politisch zu verhindern, liegt die These nahe, dass sich einige international operierende Großunternehmen der LHH und der Region entsprechend steuermotiviert optimal „umstrukturieren“, bevor dies juristisch und politisch nicht mehr haltbar ist.

In diesem Zusammenhang vermissen wir eine entschlossene Aktivität der Verwaltung, diesen Verdacht gegenüber ortsansässigen Großunternehmen überzeugend auszuräumen, z.B. durch eine Initiative im Deutschen Städtetag, dem Land Niedersachsen gegenüber, aber auch direkt beim Bundesfinanzministerium. Denn der Verdacht der Steuerverkürzung wird durch die jüngsten Veröffentlichungen der sog. Luxemburg-Leaks stark unterstützt. Vgl. ICIJ: www.icij.org/project/luxembourg-leaks (10.11.2014)

Aus Sicht der LINKEN im Rat der LHH stehen wir derzeit an einem wirtschaftlichen Wendepunkt mit besonders hoher Volatilität auf hohem Einnahme- und Ausgabeniveau. (ca. 500Mio€ p.a.) In einer solchen Situation empfehlen wir für die Finanzpolitik eine „ruhige Hand“ mit den Schwerpunkten


· der kontinuierlichen Verbesserung aller Verwaltungsprozesse und

· der kontinuierlichen Verbesserung der personellen Effektivität bei

· Verzicht auf kontraproduktive dramatische Einsparzwänge zu Lasten der öffentlichen Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten

Vor diesem Hintergrund sehen wir das von der Verwaltung vorgelegte HKP IX für überzogen und innovationshemmend. Es sagt mehr aus über den Widerstand des Kämmerers gegen Druck nach Mehrausgaben aus den Reihen der Dezernenten, als über die tatsächlichen Einsparpotentiale und die Möglichkeiten zu Mehreinnahmen aus der Sicherung der Mindestverzinsung des Eigenkapitals in den öffentlichen Unternehmen der Landeshauptstadt.
Dies erläutern wir im Folgenden kurz
Übersicht: Alternatives HKP IX
Erläuterungen:

1. Zum Bereich „Dezernatsquote“: In diesem Bereich 1 sind die wesentlichen Einschnitte und spezifischen Zumutungen für die Lebensqualität der Bevölkerung in Hannover enthalten.

Die LINKE sträubt sich nicht generell gegen spezifische Einsparvorschläge innerhalb der Dezernate, sondern erwartet für jeden Einnahme-/Ausgabenvorschlag eine eingehende Begründung inkl. der Auswirkungen auf die Haushaltskassen der unteren Einkommensklassen, der prekär Beschäftigten, Rentner, Alleinerziehenden und Kinder.

a. Die Erhöhung der Bäder-Eintrittsgelder ist unsozial und kontraproduktiv. Sie berücksichtigt nicht die Nachfrageelastizität der Eintrittspreise und wird die Besucherzahl der Bäder weiter absenken. Wir halten maximal die Hälfte der geplanten Erhöhung der Eintrittsgelder für sozial verträglich.

b. Eine Kürzung der Zuwendungen an die Stadtbezirksräte in Höhe der jährlichen Kassenauskehrung ist das verkehrte Signal. Die Bezirksratsbudgets sind ein positiver Schritt in Richtung von Bürgerhaushalten. Sie sollen in voller Höhe erhalten bleiben.

c. Dagegen erwarten wir eine Verdopplung der Einnahmen aus Spielhallenabgaben und der Einzelhandels-Sonntagsöffnungszeiten. Beides sind starke Signale für ein soziales Zusammenleben in der Stadt.

d. Den Wegfall zusätzlicher Urlaubsansprüche und Wechselschichtzulagen bei den Beschäftigen tragen wir nicht mit.

e. Die Reduzierung von Maßnahmen im Bereich Arbeit und Umwelt, der Innovationsförderung, der Qualifizierung, der Beschäftigungsförderung für Flüchtlinge, der Modellförderprojekte LIP etc. halten wir auch dann für falsch, wenn sie über andere Förderhaushalte getragen werden. Diese Bereiche sind die klassischen Förderlinien einer zukunftsfähigen Stadtpolitik

f. Wir fordern eine transparente Neuformulierung der Kitabeitragsstaffel, in der höchstens 50 % der geplanten Mehreinnahmen erzielt werden.

g. Die Kürzung der Zuwendungen an den Stadtjugendring sind kontraproduktiv.Wir fordern „Stärken „ statt „kürzen“. Dies gilt auch für die Streichung einer Personalstelle in der Sozialhilfe-Verwaltung.

h. Sachlich falsch ist die Küchenschließung Rhodenhof. Es entstehen dadurch zusätzliche Kosten im Cateringbereich und es fallen Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche im Bereich Haushaltsnahe Dienstleistungen weg.

i. Eine Erhöhung der Sporthallenmieten im geplanten Ausmaß ( 500tsd.€) ist für die Sportvereine kontraproduktiv, z.T. existenzgefährdend. Eine Indexierung an die allg. Lebenshaltungskosten würde auf eine breitere Akzeptanz stoßen .

j. Entgelte für Medienvormerkung in Büchereien sind kontraproduktiv und vermeiden eine sinnvolle Planungskultur der NutzerInnen.

k. Das intelligente Gebäudeenergiemanagement ist längst überfällig. Wir unterstützen dies ausdrücklich . Ebenso die Einsparungen im Leasing und bei den Geschäftsaufwendungen. Den Kinderbaulandbonus haben wir bereits bei seiner Einführung als Reichenförderung kritisiert. Wir weinen seinem Wegfall keine Träne nach. Ebenso dem Personalabbau bzgl. der aufgehobenen Umweltzone.

l. Die Beteiligungskürzung bei der Klimaschutzagentur sowie die Kürzung im Klimaschutzaktionsprogramm sind völlig unsinnig. Sie ist doch das zentrale Organ der Klimaschutzförderung in Stadt und Region und ist dringender denn je notwendig.

m. Gegen die international beachtete Pflege unserer blühenden Straßenränder legen wir energischen Protest ein.

n. Autofreier Sonntag und Veggy Tag müssen dagegen nicht öffentlich finanziert werden.

o. Für komplett kontraproduktiv bewerten wir die Reduzierung der Fördermittel für BHKWs. Letztere sind doch ein wesentlicher Baustein für die Co2- Minderung in der Stadt und sollte sogar auf 1 Mio € p.a. erhöht werden.

p. Begeistert sind wir von der Einplanung der Eigenkapitalverzinsung der Stadtentwässerung. Jedoch befürchten wir, dass dies nur – im Gegensatz zu den übrigen kommunalen Unternehmen- wegen der Übertragbarkeit auf die Abwassergebühren vorgeschlagen wird. Letztere zahlt das Volk von Hannover.


Wenn also dieser Grundsatz hier gelten soll, wieso nicht bei allen öffentlichen Unternehmen gleichermaßen?

q. Angesichts des Programms 2030 stellen wir den Personalabbau im Bereich Stadtentwicklung/ Stadtplanung in Frage. Ebenso die Kürzung im Interventionsfonds Stadtteilgenossenschaften /Integrative Stadtteilarbeit.

r. Die LED-Aus- und Nachrüstung von Ampeln und Straßenbeleuchtungen haben wir bereits seit Jahren gefordert. Wir begrüßen nun diese längst überfällige Kostenersparnis, die vor allem von städtischen und regionalen Handwerksbetrieben umgesetzt werden sollte.


Summa Summarum ergibt sich bei Akzeptanz unserer Vorschläge ein realistisches Einsparvolumen von 4, 5 Mio € unter Vermeidung aller kontraproduktiven Ausgabenkürzungen und Gebührenerhöhungen.

2. Zum Bereich 2: Restriktive Haushaltsbewirtschaftung.

Die LINKE ist verwundert über die augenscheinliche Resistenz der Verwaltung, nach 8 vorangegangenen Haushaltskonsolidierungsprogrammen immer noch „Biotope der Verschwendung“ in ihren Reihen zu dulden. Möglicherweise handelt es sich jedoch auch nur um eine moralisch-ethische Aufforderung zum Sparen. Für eine solche verständliche Maßnahme würden u.E. jedoch auch ehrliche 1Mio € ausreichen. Wir befürchten nämlich bei einem Übermaß an „Dezernatscontrolling“ klassische Fehlentscheidungen, die zwar kurzfristig an der einen Stelle Kosten mindern, aber an anderer Stelle erhöhte Kosten generieren.

Die Linke fordert deshalb einen jährlichen zusammenfassenden Ergebnisbericht des Dezernatscontrollings , der insbesondere auf die Behinderung bzw. Förderung innovativer qualitativer Maßnahmeschritte eingeht.


3. Zum Bereich Optimierung von Geschäftsprozessen : Die Linke hält diesen Eintritt in eine kontinuierlich organisierte Organisationsentwicklung für unerlässlich. Diese sollte aber nicht gleich bei ihrer Einführung an betriebswirtschaftlichen Kriterien der Kostenersparnis gemessen und diesen unterworfen werden. Vielmehr geht es doch um eine höhere Service-Effizienz für alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und um eine Effizienzsteigerung der internen und externen Kommunikationsprozesse. Hierbei sollten der Personalrat aber auch fachbezogen kundige BürgerInnenvertreter im Verfahren von Planungszellen hinzu gezogen werden.


4. Zum Bereich 3: Vermehrte Einnahmen aus Beteiligungen:

Angesichts der Beteiligungsberichte der LHH in den letzten Jahren ist generell von einer Verselbständigung des Managements gegenüber der öffentlich-rechtlichen „Mutter“ auszugehen. Die LINKE befürchtet, dass sich in den jeweiligen Töchtervorständen und -Aufsichtsräten gegenüber Rat und Verwaltung der Stadt die Meinung verfestigt, die LHH sei eher Großmutter als Mutter- um im Bild zu bleiben. Denn „Großmütter“ beschenken gemeinhin reichlich, ermutigen und lieben in der Regel selbstlos.

So sind wir der Meinung, dass der „Großmutterkonzern Hannover“ viel zu nachsichtig und prinzipienlos seinen Töchtern gegenüber tritt und ihnen z.B. erlaubt, einerseits sinnvolle Fusionsprozesse von externen und teuren Beraterfirmen begleiten zu lassen z.B. UnionBoden und GBH. Hier geht es nicht um peanuts, sondern um Zahlungen in einer Größenordnung der geplanten Erhöhung der Sporthallengebühren.

Andererseits fördern ebenfalls teure Berater eine „Verenkelung“ der öffentlichen Unternehmen in privater Rechtsform im globalen Geschäft und behaupten, im Inland, speziell in Hannover könne man kein Geld mehr verdienen (so z.B. die DMAG und Enercity). Die Gewinnermittlung und damit Gewerbesteuerabführung ist aber gerade in diesen beiden Unternehmen strategisch optimiert und trägt daher zur Volatilität dieser wichtigsten Einnahmeart des öffentlichen Haushalts bei.

Die LINKE fordert, diese „Verenkelung“ wieder auf das Maß zurück zu führen, welches eine gutwillige und kompetente Beteiligungssteuerung erlaubt, die Geschäftsergebnisse auch im Detail zu evaluieren. Das generelle Mindest-Ziel muss dabei eine akzeptable, am Branchendurchschnitt gemessene Mindestverzinsung des öffentlichen Eigenkapitals sein.

Vor diesem Hintergrund fordert die LINKE von den öffentlich kontrollierten, aber auch von den weniger als 50% beteiligten Unternehmen einen zusätzlichen Beitrag in Höhe von jährlich 3 Mio. €. Dies ist u.E. leistbar vor dem Hintergrund einer konjunkturellen Positiventwicklung im Branchenmix der öffentlichen Unternehmen. Hierbei sind auch die unternehmensintern aufgebauten Charity- und Stiftungsstrukturen kritisch zu hinterfragen, die gewinnmindernd in die Jahresergebnis-Rechnung eingehen und sich komplett einer öffentlichen Kontrolle bzw. Einflussnahme entziehen.


Schlussbemerkung: Erst in der Situation eines allgemeinen, dramatischen Konjunktureinbruchs könnten wieder Sparmaßnahmen eingeführt werden, die an die Substanz der öffentlichen Dienstleistungen und Zuwendungen gehen. Die antizipierende Simulation einer solchen Situation bleibt Simulation. Sie ist leicht zu durchschauen und löst im öffentlichen Bewusstsein den Zusammenhang von Spardramatik und Konjunktur auf.
Hannover ist nicht die Bundesrepublik. Solange sich Deutschland im internationalen Wettbewerb am Sparzwang der südeuropäischen Länder sogar noch bereichern kann, die internationalen Krisen weit weg sind und sogar die deutsche Rüstungsindustrie befördern, solange fordern wie eine kommunale Haushalts- und Finanzpolitik der „ruhigen Hand“ als Beitrag zur Daseinsvorsorge für tatsächliche und nicht simulierte Krisenzeiten.

Oliver Förste
Fraktionsvorsitzender