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Hannover schmückt sich seit Jahren mit seiner angeblichen Fahrradfreundlichkeit. Trotz steigendem Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen hat sich die Situation für Radfahrer*innen in der Stadt aber nicht wirklich verbessert. Die sogenannten „Fahrradstraßen“ dienen nur als Placebo für die krankmachende Verkehrspolitik der Stadt. Das Aufstellen von wirkungslosen Verkehrsschildern und bunte Bemalen von Straßen als einzige Maßnahmen zur Einrichtung dieser „Fahrradstraßen“ haben geradezu potemkinsche Qualität. Auch die Broschüre des Fahrradbeauftragten ist nichts anderes, als eine bunte Beruhigungspille. Tatsächlich verweigern Verwaltung und Politik immer noch eine veränderte Ampelschaltung an gefährlichen Kreuzungen wie am Industrieweg, sodass es immer wieder zu schweren oder gar tödlichen Unfällen mit Radler*innen kommt.
Dabei hat die StVO-Novelle 2017 ausdrücklich den Radverkehr mit dem motorisierten Verkehr in jeder Hinsicht gleichgestellt. Einzig veraltete Verwaltungsvorschriften, bzw. der Infrastrukturbau nach diesen veralteten Vorschriften, bremst diese Gleichstellung massiv aus.
Die Fahrradfahrer*innen Hannovers fordern endlich Taten statt Worte und nachhaltige Verbesserungen für den Radverkehr, statt weiterhin nur Placebos, Broschüren und schöne Worte - oder sogar zusätzliche Verkehrshindernisse für Radfahrer*innen, wie die im ganzen Stadtgebiet an Kreuzungen und Radwegen aufgestellten, die Sicht behindernden Werbetafeln.
Angesichts des immer bedrohlicher werdenden Klimawandels sei hier noch einmal auf die Schädlichkeit des motorisierten Individualverkehrs für das Klima hingewiesen. Dazu kommen die giftigen Emissionen und der Lärm von Automobilen, was zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit und Sterblichkeit insbesondere in stark belasteten städtischen Gebieten führt. Dazu kommen die vielen Toten und Verletzten als Unfallopfer für den Fetisch Auto nicht nur in den Städten.
Nicht zuletzt hat die massive Ausbreitung des Automobils die eigentlich lebenswerte Struktur unserer Städte zerstört: Spielende Kinder, alte Menschen, Eltern mit Kinderwagen, Mobilitätseingeschränkte und eigentlich alle Fußgänger*innen und Radfahrer*innen werden an den Rand gedrängt. Aus ihrer Perspektive sind die Straßen der Stadt den ganzen Tag über mit raumfressenden gefährlichen, krachmachenden Metallmonstern verstopft, vor denen man immer auf der Hut sein muss. Der in den vergangenen Jahren explodierte Lieferverkehr hat inzwischen dysfunktionale Ausmaße erreicht und harrt ebenfalls einer besseren Lösung. Ein Großteil der öffentlichen Fläche Hannovers ist zurzeit von parkenden Autos bedeckt, die sich dort sinnlos 23 Stunden am Tag die Räder in den Bauch stehen. Auf Kosten der Allgemeinheit wohlgemerkt!
Andere große Städte im In- und Ausland machen es vor: Das aus ökologischen, medizinischen und Platzgründen notwendige Zurückdrängen des motorisierten Individualverkehrs aus der Stadt ist möglich und richtig. Dagegen steht jedoch ein mächtiges Autokartell. Dazu gehören im Land des Volkswagens nicht nur die den Wandel verschlafenden Autokonzerne, sondern über diverse Verquickungen auch ganze Landesregierungen, Betriebsräte, die IG Metall und natürlich die Autoparteien CDU, SPD, FDP und AfD.
Die Macht eines grünen Oberbürgermeisters mit seiner eigenen Fraktion sowie kleineren fortschrittlichen Fraktionen im Rücken ist dagegen eher gering einzuschätzen.
Die langfristige Planung von 13 Velorouten zu beantragen ist nicht fortschrittlich – es ist sogar zu bezweifeln, dass die Umsetzung in den nächsten Jahren konsequent und mit Priorität stattfinden wird, obwohl unter anderem diese Velorouten bereits seit vielen Jahren von Radfahrverbänden gefordert werden. Hannover wartet bis dahin ohne nennenswerte Veränderungen auf die Verkehrswende.
Doch die Zukunft der Städte liegt gewiss nicht im Automobil, einer inzwischen von der Realität überholten veralteten Technik des 20. Jahrhunderts. Deshalb werden wir weiter die dicken Bretter vor den Köpfen der Autobefürworter*innen aufbohren.
Julian Klippert
Fraktionsvorsitzender