Antrag Nr. 0736/2023:
Änderungsantrag der CDU-Fraktion zu Drucks. Nr. 0227/2023: Gemeinsamer Antrag der SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Verantwortung zeigen für die Kolonialgeschichte Hannovers – Erarbeitung eines gesamtstädtischen dekolonialisierenden Erinnerungskonzeptes"

Informationen:

verwandte Drucksachen:

0736/2023 (Originalvorlage)
0227/2023 (Ursprungsvorlage)

Beratungsverlauf:

Antragsteller(in):

CDU-Fraktion

Inhalt der Drucksache:

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Änderungsantrag der CDU-Fraktion zu Drucks. Nr. 0227/2023: Gemeinsamer Antrag der SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Verantwortung zeigen für die Kolonialgeschichte Hannovers – Erarbeitung eines gesamtstädtischen dekolonialisierenden Erinnerungskonzeptes"

Antrag

Der Antragstext wird wie folgt geändert:

Die Verwaltung wird damit beauftragt, einen Beirat einzurichten, der die Verbindungen der Stadt Hannover zur Kolonialgeschichte und deren bis heute reichende Auswirkungen aufarbeitet und deren Zeichen in der Stadt hinterfragt. und Handlungsempfehlungen benennt.

Das Erinnerungskonzept soll die gesamte Hannoversche Stadtgesellschaft in die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Folgen des Kolonialismus einbinden. Dafür gilt es, das Thema in Wissenschaft, Bildung und Kultur fest zu etablieren und würdige Formen des Erinnerns und des stadtweiten Diskurses zu entwickeln.

Dazu ist – spätestens im 1. Halbjahr 2023 – begleitend ein Beirat zu gründen. Das Konzept des Beirates soll auf folgende Punkte eingehen:

a) Perspektivwechsel des postkolonialen Erinnerns und Zusammenlebens durch Partizipation der Zivilgesellschaft, insbesondere der BIPoC-Communities (Black, Indigenous, People of Color), und in Folge Entwicklung würdiger Formen und Orte des Gedenkens.

b) Provenienzforschung sowie ggf. Restitution von Sammlungsgegenständen.

c) Vermittlung von Erkenntnissen der Erforschung des Kolonialismus und seiner Folgen in die Gesellschaft.

d) Entwicklung partizipativer Bildungsangebote zur Aufarbeitung des Kolonialismus, des Postkolonialismus und aktuellen Auswirkungen wie Rassismus und der weltweiten Klimagerechtigkeit für alle Altersgruppen.

e) Ausarbeitung von Möglichkeiten, durch kommunale Maßnahmen zum Abbau kolonialer wie rassistischer Strukturen gemäß der EU-Resolution zu Grundrechten von Menschen afrikanischer Herkunft in Europa von 2019 beizutragen.

Der Beirat tagt in der Regel quartalsweise und ist interdisziplinär sowie möglichst geschlechterparitätisch zu besetzen. Die Zusammensetzung des Beirats ist anhand folgender Kriterien vorzunehmen: Wissenschaftlichkeit, Multiperspektivität, Diversität, Repräsentation von BIPoC-Communities sowie Kompetenzen in den Bereichen Antirassismus, Antidiskriminierung, Inklusion und Beteiligung. Die Zusammensetzung ist den Gremien des Rates zur Beschlussfassung vorzulegen.

Der Beirat und dessen Arbeit sind an die städtische Erinnerungskultur angebunden und werden von dieser kooperativ unterstützt. Zudem wird das Sachgebiet der Antidiskriminierungsstelle und der Stelle für Demokratiestärkung einbezogen. Der Beirat kann bei Bedarf externe Expertise hinzuziehen.

Für ein umfassendes Konzept sind folgende Handlungsfelder einzubeziehen: Wissenschaft und Forschung, Politik, Kunst, Kultur und öffentliche Orte (u.a. Museen, Gedenkstätten, öffentliche Erinnerungsorte, Ehrengräber, Straßen und Plätze) Bildung, internationale Kooperationen und Städtepartnerschaften, sowie Wirtschaft und Umwelt.

Über die Empfehlungen des Beirates und Zwischenergebnisse sind die Ratsgremien regelmäßig, mindestens aber einmal im Jahr, zu informieren. Gleichzeitig erfolgt eine Vorstellung der Ergebnisse in den jeweils betroffenen Stadtbezirksräten, die zudem im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im weiteren Verlauf des Verfahrens beteiligt werden. Die erarbeiteten Handlungsempfehlungen werden dem Rat zur Entscheidung vorgelegt.

Über die (Zwischen-) Ergebnisse der Aufarbeitung sind die Ratsgremien sowie die betroffenen Stadtbezirksräte einmal im Jahr zu informieren.

Direkt nach Vorlage der Ergebnisse der Aufarbeitung hat eine offene Bürgerbefragung stattzufinden, durch welche die Bedeutung der Kolonialgeschichte Hannovers für die Bürgerinnen und Bürger sowie der Wunsch nach Veränderungen im Stadtbild eruiert werden.

Nach zwei Jahren erfolgt ein Bericht zu den Zwischenergebnissen, die eine Empfehlung zur weiterführenden Arbeit enthält.

Sachkosten bzw. Aufwandsentschädigungen sind analog zum Beirat „Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten“ (DS 1921/2013 N1) bereitzustellen.

Begründung


Die Kolonialgeschichte Hannovers ist eine hochkomplexe wie sensible Thematik. Eine professionelle Einordnung und Aufarbeitung der Geschichte ist daher von zentraler Bedeutung und begrüßenswert.

Die Entscheidungshoheit über mögliche Schlussfolgerungen bzw. Konsequenzen der Aufarbeitung muss bei den Ratsgremien der Landeshauptstadt Hannover liegen. Es entspricht nicht unserem Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung, wenn ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium, wie ein Beirat, Beschlüsse vorbereitet, die anschließend nur noch abgenickt werden sollen. Zudem bedarf es einer Einbindung der Bürgerinnen und Bürger bei der möglichen Umsetzung kommunaler Maßnahmen, welche aus der Aufarbeitung dieses für Viele in weiter historischer Ferne geglaubten Themas resultieren. Eine offene Befragung der Menschen bei Maßnahmen, wie Straßen- oder Platzumbenennungen, oder Veränderungen an Denkmählern – direkt nach Vorliegen der Aufarbeitung – ist daher unumgänglich. Eine frühzeitige Befragung der Bürgerinnen und Bürger kann Unmut verhindern und Akzeptanz für angemessene Maßnahmen fördern.