Antrag Nr. 15-0673/2012:
Resolution: Vom Berufsverbot Betroffene endlich rehabilitieren!

Inhalt der Drucksache:

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Resolution: Vom Berufsverbot Betroffene endlich rehabilitieren!

Der Bezirksrat Linden-Limmer möge beschließen:
Der Stadtbezirksrat Linden-Limmer fordert die niedersächsische Landesregierung auf endlich entschiedene Konsequenzen gegen den vor 40 Jahren von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen „Radikalenerlass“ zu ziehen und die vom Berufsverbot Betroffenen moralisch, politisch und materiell zu rehabilitieren.
Bis weit in die 1980er-Jahre vergiftete die staatlich betriebene Jagd auf vermeintliche „Radikale“ das politische Klima. Statt Zivilcourage und politisches Engagement zu fördern, wurde Duckmäusertum erzeugt und Einschüchterung praktiziert.
Wegen der Wahrnehmung demokratischer Grundrechte wurden die Betroffenen von behördlichen Stellen drangsaliert und mit dem Entziehen der beruflichen Existenzgrundlage abgestraft. Neben Bespitzelungen und Gesinnungs-“Anhörungen“ mussten sie oftmals jahrelang Gerichtprozesse und auch Arbeitslosigkeit über sich ergehen lassen.
Der Stadtbezirksrat bekräftigt, dass politisch motivierte Berufsverbote, Bespitzelungen und Verdächtigungen keine Instrumente des demokratischen Rechtsstaates sein dürfen. Er fordert von der niedersächsischen Landesregierung, dass dieses unrühmliche Kapitel der deutschen Geschichte abgeschlosssen wird und die Betroffenen vollständig rehabilitiert

Begründung

Die in unserem Stadtbezirk lebenden Lehrer Hans Norden, Rolf Schön (ehem. Bezirksratsherr) und Matthias Wietzer (ehem. Ratsherr) gehören zu den über 200 Betroffenen, die den Aufruf „28. Januar 2012: 40 Jahre Berufsverbot – Betroffene fordern: endlich Aufarbeitung und Rehabilitierung!“ unterzeichnet haben.
Bereits 1984 verurteilte der hannoversche Rat die Berufsverbotspraxis und forderte von der niedersächsischen Landesregierung die sofortige Einstellung der Verfahren und die Rehabilitierung der Betroffenen.
Die Politik der Berufsverbote stehe in krassem Widerspruch zum demokratischen Auftrag des Grundgesetzes, heißt es in der Ratsentschließung.

Die von Dr. Ernst Albrecht (CDU) geführte niedersächsische Landesregierung betrieb die Berufsverbotepraxis mit „rattenhafter Wütigkeit“, urteilte der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Karl Ravens.

Gegenwärtig beschäftigt sich der niedersächsische Landtag erneut mit der Problematik (Entschließungsantrag DIE LINKE). Nachfolgende Zitate stammen aus der Plenarsitzung vom 19.1.2012.

MdL Angelika Jahns (CDU): „Ich bin sehr dankbar – das sage ich an dieser Stelle für unsere Fraktion und sicherlich auch für die FDP -, dass dieser Erlass im Jahr 1990 auch für Niedersachsen aufgehoben wurde.“

MdL Jan-Christoph Oetjen (FDP): „Für mich war es ein Stück weit Neuland und interessant, dass es eine solche Phase gegeben hat ...... Es ist gut, dass es das nicht mehr gibt. Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass so etwas in einer lebendigen und wehrhaften Demokratie eigentlich keinen Platz haben darf.“

MdL Sigrid Leuschner (SPD): „Ich stimme Ihnen im Wesentlichen zu, dass durch den Erlass auch eine Einschüchterung und vielfach auch eine ungerechte Behandlung junger Menschen, die in den öffentlichen Dient wollten, stattgefunden hat und wir diese Schicksale aufarbeiten müssen.“

MdL Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): „Wichtig ist: Über das Berufsverbot in Deutschland darf nicht der Mantel des Schweigens und des Vergessens gebreitet werden. Ich denke, das ist wichtig. Heute ist deutlich geworden, dass wir uns darin einig sind, das jetzt auf den Weg zu bringen. Danke für Ihren Antrag!“

MdL Hans-Henning-Adler (LINKE): „Ausnahmslos wurden den Betroffenen die erlaubte politische Betätigung, die Kandidatur bei Wahlen z.B. zum Studentenparlament, das Unterschreiben eines Friedensaufrufes, die Mitgliedschaft in legalen politischen Parteien, wie z.B. der DKP, aber auch in anderen Organisationen, wie etwa im Sozialistischen Hochschulbund, einer SPD-nahen Studentenorganisation, und die Teilnahme an Versammlungen – beobachtet von der politischen Polizei oder vom Verfassungsschutz - vorgeworfen. Bis zum heutigen Tage ist eine moralische, politische und materielle Rehabilitierung der Betroffenen nicht erfolgt.