Änderungsantrag zum Haushalt Nr. H-0318/2021:
Teilhaushalt: 50 Soziales
Produkt: 31541 Soziale Einrichtungen für Wohnungslose

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".

Teilhaushalt: 50 Soziales
Produkt: 31541 Soziale Einrichtungen für Wohnungslose

Antrag,

Auftrag an die Verwaltung (Haushaltsbegleitantrag) bzw. Empfehlung an die Verwaltung

Die Verwaltung wird beauftragt, ein umfassendes Konzept „Masterplan Obdach- und Wohnungslosigkeit“ mit dem festgeschriebenen Ziel, eine Annäherung an “Null Obdachlosigkeit“ auszuarbeiten. Das Konzept soll bis zur Sommerpause 2021 vorgelegt werden. Im Konzept selbst soll den Ratsgremien die notwendigen Kosten inklusive Stellen dargelegt werden. Sollten zur Ausarbeitung verfügbare „Bordmittel“ nicht ausreichen, ist dies den Ratsgremien so schnell wie möglich samt Erläuterung aufzuzeigen.

Das Konzept soll dabei in Austausch mit diversen Akteur*innen der Arbeit mit Betroffenen, Betroffenen selbst sowie der Region Hannover und dem Land Niedersachsen entstehen. Der neu eingerichtete Runde Tisch ist dabei mit zu berücksichtigen und einzubinden.

Entsprechend der aktuellen Lage ist das Konzept in mehrere ineinandergreifenden Abschnitte aufzuteilen: Kurzfristig, Mittelfristig, und Langfristig. Wichtig ist dabei, dass alle Bausteine durch Vernetzung und Kommunikation miteinander arbeiten. Dazu gehört auch die Implementierung von Projekten aus dem Zuwendungsverzeichnis oder ehrenamtlichen Gruppen im Bereich der Obdachlosenhilfe. Ebenfalls muss es für Betroffene, Ehrenamtliche etc. eine zentrale Anlauf- bzw Koordinationsstelle geben.

In allen Maßnahmen sind die unterschiedlichen Bedürfnisse diverser Gruppen mit zu berücksichtigen wie (nicht abschließend!) Menschen aus dem EU-Ausland, Frauen, Jugendliche, Menschen mit Suchtkrankheiten, LSBTIQ*, Besitzer*innen von Tieren (nicht nur Hunde), Menschen mit psychischen Erkrankungen, Menschen mit Behinderungen.

Neben dem übergreifenden Ziel, den Menschen kurz- und langfristig in ein festes Wohnverhältnis vermitteln, soll die Stadt den Menschen im Prozess zeigen, dass die Maßnahmen von Wertschätzung und Respekt vor der Menschenwürde erfolgen, sodass (wo es möglich ist) durch Selbstermächtigung wieder ein eigenständiges Leben geführt werden kann. Ebenfalls soll durch die Bündelung in eine Gesamtstrategie eine Linie herausgearbeitet werden, welche Angebote in Zukunft verstetigt werden sollten und welche durch die neue Strategie nicht mehr benötigt werden. Dabei ist zu vermeiden, dass durch einzelne Träger*innen eine Art „Monopolstellung“ entsteht.

Dieses Konzept kann und soll durch ständige Evaluation durch die Verwaltung und alle involvierten Personen ständig angepasst und um weitere Bausteine und Maßnahmen erweitert werden.

KURZFRISTIG

  • Externe rechtliche Überprüfung der aktuellen Satzung zur Unterbringung
  • Anerkennung, dass Personen, die sich in Hannover aufhalten, ordnungsrechtlich untergebracht werden müssen, auch wenn ihre letzte Meldeadresse nicht in der Landeshauptstadt Hannover verortet war
  • Personen, die eine einzelne Unterbringung in einem Hotelzimmer wünschen, sind auch in diesem ordnungsrechtlich unterzubringen. Sollte die Region Hannover die Kosten nicht mehr tragen, ist den Ratsgremien eine Drucksache mit Folgeoptionen vorzulegen
  • Präventionsmaßnahmen von Wohnungslosigkeit massiv stärken (z. B. rechtliche Rahmen/Hilfsfonds schaffen, Zwangsräumungen aussetzen, Ausweitung von niedrigschwelligen Beratungsangeboten und intensiverer Begleitung)
  • Analyse der aktuellen Situation (aktuelle Zahl an obdach- und wohnungslosen Menschen, mit der Klärung, wie viele davon nicht untergebracht sind; wie hoch ist danach der Bedarf an Wohnungen; an welchen Wohnungsarten bedarf es mehr; Verfügbarkeit und weiterer Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten)
  • Bereitstellung von Räumlichkeiten für Versorgungsstrukturen (Lebensmittel, Kleidung etc.), die allen bzw. auch extremen Wetterlagen oder einer pandemischen Lage angemessen sind

MITTELFRISTIG (ab Winter 2021/22)

  • Prüfung und temporäre Aufstellung mobiler Wohneinheiten auf entsprechender Fläche mit sozialarbeiterischer Unterstützung als Ersatz für die Unterbringung in Hotelzimmern (post-pandemisch)
  • Unterstützung der beschlossenen Drucksache der Regionsversammlung zum Bau eines Hygienezentrums und gemeinsamer Entwicklung. Dabei soll auch das Land Niedersachsen daran erinnert werden, dass es so ein Projekt (finanziell) unterstützen wollte
  • Nach der Analyse der aktuellen Situation gilt es, die aktuellen Not- und Gemeinschaftsunterkünfte auch unter Zuhilfenahme der Einschätzung von Betroffenen zu überprüfen (dabei sind ggf. daraus abgeleitete Umbaumaßnahmen so zu gestalten, dass nur noch Einzelzimmer entstehen, während jedoch die Funktionalität der Notunterkunft Alter Flughafen komplett auf den Prüfstand gehört)
  • Planung von Lagerboxen sowohl in Unterkünften selbst, als auch freie Lagerboxen im innerstädtischen Bereich, in denen Betroffene ihr Hab und Gut unterbringen können
  • Verstärkende Maßnahmen für den Weg aus der Wohnungs- und Obdachlosigkeit:
  • Förderung von städtischen Jobs für obdach- und wohnungslose Menschen sowie Vermittlung an und Zusammenarbeit mit städtischen und regionseigenen Unternehmen (unter Zuhilfenahme des Teilhabechancengesetzes)
  • Prüfung mit dem Ziel, städtische Sozialarbeiter*innen noch zahlreicher einzusetzen (sowohl auf der Straße, als auch in Einrichtungen). Sie sind in die Erarbeitung des Konzepts einzubinden, um ihren Schwerpunkten entsprechend eingesetzt werden zu können.

LANGFRISTIG

  • Abbau der temporären Wohneinheiten, sobald sie nicht mehr benötigt werden
  • Analyse der Angebote und Einstellung nicht mehr benötigter Projekte (zum Beispiel das Projekt Duschbus, der durch die Fertigstellung des Hygienezentrums obsolet sein kann)
  • Wohnungs- und obdachlose Menschen werden in Hannover nur noch in echten Housing-First-Konzepten untergebracht; eine kurzfristige Unterbringung ist innerhalb von 24 Stunden an 7 Tagen die Woche möglich, und innerhalb eines angemessenen Zeitraums wird diesen Menschen ein Platz in einer Housing-First-Wohnung angeboten

Über das Konzept und die Fortschritte ist den Ratsgremien vierteljährlich zu berichten.

Begründung


Vieles wurde gefordert, manchem zugestimmt und einiges wurde nicht ausreichend umgesetzt. Deswegen ist es immer noch Zeit für einen Masterplan gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit. Es wird Zeit, dass wir neue Wege gehen und wegkommen von der ordnungsrechtlichen Pflicht der Unterbringung hin zu einer sozialen Politik der Menschenwürde und Perspektive. Hannover kann als Landeshauptstadt ein so bedeutender Leuchtturm sein – und das können wir auch schaffen, mit einem Umdenken, viel zielgerichteteren Maßnahmen und der Bereitstellung von Finanzmitteln – denn die Folgekosten von einem “weiter so” werden für uns viel größer sein, ganz abgesehen vom moralischen Bankrott. Denn die Bürger*innen haben in den letzten Monaten gezeigt, dass sie kein Verständnis für das aktuelle Vorgehen haben und auch bereit sind, sich ehrenamtlich und finanziell zu beteiligen. Mit diesem Antrag leisten wir diesem Wunsch Folge und entsprechen auch dem Wunsch der Sozialdezernentin, den obdach- und wohnungslosen Menschen mehr zu helfen – vor allem sich selbst zu helfen.

Julian Klippert

Fraktionsvorsitzender