Drucksache Nr. 2468/2006:
Rückgabe eines NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerkes

Inhalt der Drucksache:

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2468/2006
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Rückgabe eines NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerkes

Antrag,

zu beschließen:

Das Gemälde „Römische Campagna“ (1914) – Eigentum der Stadt – von Lovis Corinth, das NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde, wird den Rechtsnachfolgern des ursprünglichen jüdischen Eigentümers zur Rückgabe angeboten.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender-Aspekte werden durch eine Entscheidung entsprechend dem Beschlussvorschlag
nicht berührt.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Begründung des Antrages

Curt Glaser, geb. 1879 in Leipzig, verstorben 1943 in Lake Placid (New York, USA), war bis 1933 Direktor der staatlichen Kunstbibliothek in Berlin. Als Kunstkritiker und Kunstsammler gehörte er zu den bedeutenden Persönlichkeiten des Berliner Kulturlebens. Aufgrund seines jüdischen Glaubens wurde er 1933 nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zunächst in den Ruhestand versetzt und am 27. September aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Gleichzeitig zwang man ihn, seine Dienstwohnung im Dachgeschoss der Kunstgewerbeschule zu räumen. (Kurze Zeit später zog dort die Gestapo-Zentrale ein.)


Glaser floh aus Deutschland und verkaufte einen Großteil seines Eigentums, insbesondere seiner Kunstsammlung, um seine Emigration zu finanzieren. Am 09. Mai 1933 ließ er über die „Internationale Kunst– und Auktionshaus GmbH“ unter anderem das Gemälde „Römische Campagna“ (1914) von Lovis Corinth versteigern. Mit seiner Ehefrau verließ er Deutschland Ende 1933 und kam über die Schweiz, Frankreich und Italien schließlich in die USA, wo er 1943 starb.

Der weitere Weg des Corinth-Gemäldes nach der Versteigerung ist nicht bekannt und auch nicht mehr zu ermitteln.

Die Stadt Hannover erwarb das Bild aufgrund eines Rechtsgeschäftes am 09.12.1949 von einem Berliner Sammler und seiner Frau (beide inzwischen verstorben). Sie ist seitdem Eigentümerin des Werkes, das als Dauerleihgabe zum Bestand des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover gehört.

Nach der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom 14. Dezember 1999 in Verbindung mit den „Grundsätzen der Washingtoner Konferenz im Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ vom 03. Dezember 1998 („Washingtoner Erklärung“) sollen NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter an ihre Eigentümer bzw. Rechtsnachfolger, auch ohne dass ein privatrechtlicher Anspruch gegeben wäre, zurückgegeben werden. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor; er wurde insbesondere durch das Gutachten einer unabhängigen Provenienzforscherin bestätigt.

Für den Entzug des Bildes wurde aufgrund der Alliierten Rückerstattungsregelungen, des Bundesrückerstattungsgesetzes und des Bundesentschädigungsgesetzes in den fünfziger Jahren kein Ersatz geleistet, der hier evtl. zu berücksichtigen wäre.

Nicht zu ermitteln ist, welche Gegenleistung Curt Glaser im Rahmen der Auktion seines Gemäldes für das Werk erhielt. Nach den Gesamtumständen des Falls, insbesondere unter Berücksichtigung seiner erzwungenen Flucht aus Deutschland, wäre es jedoch unbillig, etwaige Verkaufserlöse anzurechnen. Curt Glaser hat mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen auch nur annähernd adäquaten Ersatz für die versteigerten Teile seiner Sammlung erhalten und damit insgesamt einen erheblichen Vermögensverlust erlitten. Er musste dies aber aufgrund der Verfolgungssituation hinnehmen.

Die Erben von Curt Glaser - deren Legitimation und Rechtsnachfolge juristisch zweifelsfrei nachgewiesen wurde - haben über ihre Anwälte in den USA die Rückgabe des Bildes beantragt. Aufgrund der vorstehenden Begründung sollte die Stadt diesem Antrag folgen.

Das Werk hat einen Versicherungswert von ca. 440.000 €.
Dez. IV  / 41
Hannover / 06.12.2006