Informationsdrucksache Nr. 1839/2017:
Netzwerk Demenz-aktiv - Menschen mit Demenz mit ihren Fähigkeiten wahrnehmen

Inhalt der Drucksache:

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1839/2017
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Netzwerk Demenz-aktiv - Menschen mit Demenz mit ihren Fähigkeiten wahrnehmen

Vorbemerkung
Seit Bestehen des Netzwerk "Demenz-aktiv" informiert der Fachbereich Senioren die Mitglieder des Sozialausschuss in regelmäßigen Abständen über die Arbeit im Netzwerk. Dies ist z.B. im Zusammenhang mit der Bürgerarbeit, den niedrigschwelligen Betreuungsangeboten, dem Bundesprojekt "Lokale Allianzen für Demenz" und dem Seniorenplan 2016 geschehen. In der vorliegenden Drucksache geht es darum, die Politik über Möglichkeiten zu informieren, Menschen mit Demenz insbesondere mit soziokulturellen Angeboten stärker teilhaben zu lassen.

Die bereits jetzt schon fehlenden (und in Zukunft noch weiter sinkende) Pflege- und Betreuungsressourcen im Bereich der Angehörigenpflege und abnehmende Unterstützung durch nachbarschaftliche Netzwerke fordern zu Handlungsansätzen heraus, die dafür Sorge tragen, Menschen mit Demenz (und ihren Angehörigen) - so lang es eben geht - ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.

Bereits in 2012 hat der Kommunale Seniorenservice Hannover (KSH) im Fachbereich Senioren eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen und hat das stadtweite Netzwerk „Demenz-aktiv“ gegründet.

Demenz ist ein Thema, dem der Fachbereich Senioren der Landeshauptstadt Hannover (LHH) bereits seit gut fünf Jahren besondere Aufmerksamkeit widmet. Dies geschieht vor dem Hintergrund der demografischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Für die LHH werden für die nächsten Jahre auch in der Altersgruppe der 60 Jahre und älter Bevölkerungszuwächse prognostiziert. Besonders hohe Zuwächse werden in der Kohorte der Hochaltrigen (85 Jahre und älter) erwartet. Bis 2025 wird ein Anstieg von 34,4 %, bis 2030 von 47 % zu verzeichnen sein. Bei hochaltrigen Seniorinnen und Senioren ist die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, besonders hoch. Es wird davon ausgegangen, dass jede/r Dritte davon betroffen ist.

Immer mehr Frauen und Männer leben allein. Das ist in vielen Großstädten und auch in Hannover der Fall. Der gleiche Trend zeichnet sich auch bei der Generation 60 + ab. Etwa 57 % der über 60-Jährigen lebt in Single-Haushalten. Das bedeutet, es entfällt beim Eintritt einer beginnenden Demenz die Option der Partnerpflege. Die Angehörigenpflege geht zurück. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Zum einen leben wir in einer mobilen Gesellschaft. Angehörige stehen mitunter nicht zur Unterstützung eines Menschen mit Demenz zur Verfügung, da sie weit entfernt wohnen. Darüber hinaus ist möglicherweise die Pflege und Betreuung eines Menschen mit Demenz nicht möglich, da der/die Angehörige im Erwerbsleben steht. Es werden aber auch Personen alt, die kinderlos sind.

Vernetzt für eine bessere Versorgung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen sorgen
Im Netzwerk „Demenz-aktiv“ sind Wohlfahrts- und Sozialverbände, der Seniorenbeirat, ambulante und stationäre Einrichtungen der Altenhilfe, gerontopsychiatrische Dienste und Einrichtungen, Wohnungswirtschaft, Polizei, Selbsthilfe, Taxiunternehmen etc. vertreten. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, die hannoversche Öffentlichkeit für das Thema Demenz zu sensibilisieren und Aufklärungsarbeit zu leisten, um insgesamt die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in Hannover zu verbessern. Dabei werden Maßnahmen zur Zielerreichung im Netzwerk diskutiert, geplant und mit Partnern umgesetzt. Alle drei Jahre wird der Maßnahmenplan neu justiert.

„Eine Schnecke kommt mit der Zeit, wo sie hinwill“
Beim Thema Demenz Tempo zu machen, ist kontraindiziert. Diese Erfahrung haben die Projektverantwortlichen eines in Linden/Nord im Jahr 2014 gestarteten Projektes mit dem Titel „Socken im Kühlschrank“, das Teil des Bundesprojektes „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ ist, gesammelt. Hier haben sich ehrenamtliche und hauptamtliche MitarbeiterInnen des AWO Ortsvereins Linden-Limmer, der AWO Wohnen und Pflegen gGmbH, der Beratungs- und Begegnungsstätte Lindenbaum, des Betreuungsdienstes Pegalida und des KSH zusammengeschlossen, um Kindern das Thema Demenz nahezubringen. Wenngleich das Vorhaben, Schulen (Grundschulen) anzusprechen, sich als schwierig gestaltete und während der Laufzeit des Modellprojektes nicht umzusetzen war, suchte sich die Gruppe andere Gelegenheiten, um auf Kinder zuzugehen (z. B. Standarbeit auf dem Straßenfest anlässlich der 900 - Jahrfeier in Linden, Lernwerkstatt in einem Hort im Hiltrud-Grote-Weg, Kreativnachmittag mit Hortkindern und Menschen mit Demenz im AWO Pflegezentrum u.v.a. mehr). Dabei wurden folgende Zielstellungen verfolgt:
· Sensibilisierung von Kindern zum Thema Demenz (z. B. Verständnis für die eigenen Großeltern mit Demenz)
· Enttabuisierung des Themas
· Stärkung der Sozialkompetenz
· Erlernen von Wertschätzung und Anerkennung gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen
· Schaffung von Begegnungen im Stadtteil Linden-Nord zwischen Menschen mit und ohne Demenz
· Abbau von Hemmschwellen
· Unterstützung der (Groß-) Eltern, die Probleme haben, Kindern Demenz zu erklären
Jüngst hat sich – und damit ist dann nach langer Zeit doch geglückt, was die Ursprungsidee vom Team „Socken im Kühlschrank“ war - das Gymnasium Linden-Limmer mit allen seinen Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs der fünften Klassen (125 SchülerInnen) in einer Projektwoche vom Team „Socken im Kühlschrank“ über das Thema Demenz informieren lassen. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass über die Projekte mit den Kindern auch Eltern und andere nahestehende Personen erreicht werden.

Menschen mit Demenz rocken
Die Perspektive, mit der das Thema Demenz betrachtet wird, ist oft eine medizinisch-pflegerische. Die Erkrankung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht heilbar. Sie führt zu kognitiven, sprachlichen und lebenspraktischen Ausfallerscheinungen. Doch darf bei all den negativen Konsequenzen, die eine diagnostizierte Demenz mit sich bringt, nicht verkannt werden, dass es sich um einen langwierigen Veränderungsprozess handelt und Menschen mit Demenz in jeder Phase des Prozesses ansprechbar sind (wenn nicht immer auf der kognitiven Ebene, so doch emotional). Es sollte daher auch Berücksichtigung finden, dass Menschen mit Demenz bei allen kognitiven Einbußen Fähigkeiten haben, die sie bei der Alltagsgestaltung und in die Gesellschaft einbringen können.

Daher nahm der KSH das Angebot der Landesarbeitsgemeinschaft Rock gern an, mit Menschen mit Demenz Rockmusik zu machen. Ziel war es, am gemeinsamen Spielen und Singen Freude zu empfinden. Immer mehr Menschen in stationären Einrichtungen der Altenpflege fühlen sich nicht mehr so sehr von Liedern der „Mundorgel“ inspiriert, sondern verbinden mit ihrer musischen Identität Rockgrößen wie The Rolling Stones, Bob Dylan, Joan Baez, Jimmy Hendrix, Led Zeppelin, Creedence Clearwater Revival u. a.

Im Rockprojekt kooperierten folgende Partner: Heinemanhof, Städtisches Altenpflegezentrum, Kompetenzzentrum Demenz im Heinemanhof, Bethel im Norden Gerontopsychatrisches Pflegeheim (Anna-Meyberg-Haus), DIAKOVERE Altenhilfe Henriettenstift (Haus am Leuchtturm), Landesarbeitsgemeinschaft Rock in Niedersachsen e. V. (LAG Rock) sowie der KSH.

Aus den beteiligten Partnerorganisationen wurden acht Menschen mit Demenz (Alter: 50-90) und vier Betreuungspersonen mit zwei TeamerInnen aus dem Rockbereich zusammengebracht, um miteinander zu proben. Die TeamerInnen konnten über die LAG Rock gefunden werden. Ein sogenannter Rockbus fuhr innerhalb des Quartiers Kirchrode die stationäre Einrichtung Heinemanhof an. Dort kamen in geeigneten Räumlichkeiten Menschen mit und ohne Demenz (Teamer der LAG Rock, interessierte Angehörige u. a.) zusammen, um gemeinsam Rockmusik zu hören, zu machen respektive sich nach ihr zu bewegen.

Von Vorteil und Voraussetzung war, dass über die biografischen Daten vom Pflege- und Betreuungspersonal diejenigen Bewohner herausgefiltert werden konnten, die ein Faible für Rockmusik haben bzw. ein Instrument beherrsch(t)en. Unsere Kooperationspartner wählten die Bewohnerinnen und Bewohner sorgfältig aus, um eine möglichst kontinuierliche Teilnahme an den Terminen zu erreichen. Gleichwohl musste die besondere Situation und Tagesform der Menschen mit Demenz Berücksichtigung finden. Eine von vornherein geplante Zielsetzung wie z. B. ein Auftritt in der Öffentlichkeit wurde daher erst einmal vermieden. Das gute Gelingen der jeweiligen Übungsstunden sollte an erster Stelle stehen: Freude und Stolz und Begeisterung am eigenen Tun.

Die Ergebnisse und Rückmeldungen der Teilnehmenden, des Begleit- und Pflegepersonals sind sehr ermutigend. Die TeamerInnen der LAG Rock konnten viele Talente aus den Menschen mit Demenz „hervorlocken“. Schon in der 1. Übungseinheit setzte sich eine 81-jährige Dame ans Schlagzeug und hielt den Rhythmus zu „Marmor, Stein und Eisen bricht“ bis zur letzten Strophe. Ein älterer Herr, der anfangs nicht die Sticks zu halten wusste, bekam nach geduldiger Einweisung ein kraftvolles Drummersolo zustande.

Es fanden im Frühjahr 2016 zunächst zehn wöchentliche jeweils dreistündige Termine statt, die in einer Aufnahmesession im Tonstudio ihren gemeinsamen Höhepunkt und Abschluss vor den Sommerferien fanden: Aufgenommen wurde von Bob Dylan "Knockin' on heavens door". Seitdem wird das Projekt im zweiwöchigen Turnus bei einem Wechsel der Übungsräume in den Einrichtungen fortgesetzt. Auch für BewohnerInnen mit anderen gerontopsychiatrischen Erkrankungen ist eine Teilnahme möglich.

Insgesamt unterstützt das Projekt den auch vom Netzwerk Demenz-aktiv immer wieder reklamierten Blick auf die Potenziale von Menschen mit Demenz. O-Ton-Teilnehmer mit Demenz: "Das macht Spaß mit euch. Wann treffen wir uns wieder." O-Ton-Fachpflegekraft: "Gefühlt scheinen im Rhythmus der Musik die Unterschiede zwischen Menschen mit Demenz und Menschen ohne Demenz wie aufgehoben".

Das hannoversche Rockprojekt hat Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ist in der Publikation von Demenz Support Stuttgart (Titel: Beteiligtsein von Menschen mit Demenz. Praxisbeispiele und Impulse. Mabuse Verlag Frankfurt 2017) als Beispiel gelungener Beteiligung von Menschen mit Demenz beschrieben worden.

Wegweiserkarten für Kirchrode und Linden/Nord
Für die Stadtteile Kirchrode und Linden/Nord sind Wegweiser entstanden. Es handelt sich dabei um Straßenkarten, die alle Angebote für SeniorInnen listen, die für Menschen mit Demenz und deren Angehörige interessant sein könnten. Angebote, die eigens für Menschen mit Demenz vorgehalten werden, sind durch einen Leuchtturm markiert. Die Idee entstand bei einer Veranstaltung im mit Bundesmitteln geförderten Projekt „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz Hannover“. Sie wurde von zwei Vorhabengruppen aus Kirchrode und Linden/Nord aufgegriffen und umgesetzt. Den Hintergrund bilden Ergebnisse einer Befragung von Bürgerinnen und Bürgern und Experten/ Schlüsselpersonen im Stadtteil Kirchrode, die ergab, dass die dort bestehenden zahlreichen Angebote für Menschen mit Demenz offenbar nicht hinreichend bekannt sind.

Die großformatigen Wegweiserkarten, die auf Postkartengröße gefaltet sind, enthalten eine Straßenkarte. Dort sind Symbole für Apotheken, Arztpraxen, Beratungsstellen, Bewegungsangebote, Ergotherapiepraxen, ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser, Orte mit Seniorenangeboten, stationäre und teilstationäre Angebote der Altenpflege etc. angebracht, die auf die entsprechenden Adressen auf der Rückseite der Straßenkarte verweisen. Ferner enthalten die Wegweiserkarten Kommunikationsregeln im Umgang mit Menschen mit Demenz sowie Notfalltelefonnummern. Die Kommunikationsregeln sind auf der Lindener Wegweiserkarte in die türkische und russische Sprache übersetzt. Die Angebotsliste ist unvollständig, weil nicht alle Anbieter ihre Zustimmung für die Listung auf der Wegweiserkarte gegeben haben.

Demenz bewegt (Theater)
Beispielhaft wurde seit 2013 in zwei hannoverschen Stadtteilen intensiv zum Thema „Demenz“ gearbeitet, um eine Verbesserung nachbarschaftlicher Unterstützung zu erreichen. Dabei wurden aktivierende Befragungen, World-Cafés, Ideenwerkstätten und persönliche Ansprachen relevanter Akteure genutzt. Zwar haben sich Stadtteilgruppen herausgebildet, die engagiert an selbstgewählten Vorhaben weiterarbeiten, doch bleibt die Bürgerbeteiligung konstant. Wie bereits erwähnt, wird bei der Kommunikation über das Thema „Demenz“ meist die krankheitsbedingte defizitäre Seite diskutiert. Die Gestaltungskraft, die Menschen mit Demenz aufweisen, wird oftmals eher ausgeblendet. Damit wird einer Tabuisierung des Themas nicht genügend begegnet und Teilhabemöglichkeiten in diesem Bereich nicht ausreichend gefördert. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Notwendigkeit von Teilhabe für alle Bevölkerungsgruppen wird es in Zukunft immer notwendiger werden, mit neuen innovativen Kommunikationsformen zu arbeiten. Künstlerische Mittel wie Theater, Literatur, Musik (gemeinsame Kompositionen & Improvisationen), bildende Kunst (Skulpturen oder Malerei) oder Tanz eignen sich besonders, um Interesse auch an einem „schwergängigem“ Thema zu wecken und Diskurse jenseits bereits erschlossener Expertenkreise zu ermöglichen.

Eine positive Wahrnehmung von Menschen mit Demenz im öffentlichen Raum passiert selten. Ein großes öffentliches Ereignis in Hannover ist der jährlich stattfindende Demenzball von Diakovere in der Tanzschule Bothe. Ein weiteres kulturelles Highlight ist die Zusammenarbeit zwischen dem Landesmuseum und Diakovere, Altenhilfe Henriettenstift, um Menschen mit Demenz Ausstellungsbesuche zu ermöglichen. Auch das Sprengelmuseum bietet seit neuesten Museumsführungen für Menschen mit Demenz an.

Nach einem Jahr Planungs- und Vorbereitungszeit ging am 19.06.2017 das Projekt "Demenz bewegt (Theater) bewegt Demenz“ an den Start. Als Partner konnte die Bühne theater erlebnis gewonnen werden. Mitspielerinnen und Mitspieler werden vom Heinemanhof, Städtisches Pflegezentrum, dem Kompetenzzentrum Demenz im Heinemanhof, Bethel im Norden Gerontopsychiatrisches Pflegeheim (Anna-Meyberg-Haus) sowie der dort angegliederten Altenpflegeschule, DIAKOVERE Altenhilfe Henriettenstift (Haus am Leuchtturm) und Bethel im Norden mit dem Altenzentrum Karl-Flor entsandt. Von der Zielsetzung her geht es darum, in Zusammenarbeit mit dem theater erlebnis bei den Menschen mit Demenz, Erinnerungen zu wecken und sie in Bühnenspiel zu übersetzen. Ferner ist beabsichtigt, bei allen Beteiligten (Menschen mit Demenz, Angehörigen, Pflege- und Betreuungskräften, ehrenamtlich Tätigen und anderen Interessierten) die Freude am gemeinsamen Spiel hervorzurufen oder auszulösen. Insbesondere sollen speziell mit und für hochbetagte Menschen mit Demenz (85 Jahre und älter) geeignete Theaterformen entwickelt und erprobt werden. Am Ende des Projektzeitraums soll ein Theaterstück auf die Bühne gebracht werden.

Um nachhaltig auch in den Sozialraum hineinzuwirken, werden bereits während der Proben Fotoaufnahmen erstellt, die sich nach Ende des Projekts zu einer Ausstellung komponieren lassen. Die Ausstellung soll in öffentlichen Einrichtungen, bei den Netzwerkpartnern im Netzwerk „Demenz-aktiv“ und anderen interessierten Akteuren präsentiert werden. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Hannover (HsH) wird es möglich sein, eine Studie durchzuführen, mit der aufgezeigt werden kann, wie das Theaterspiel auf die Beteiligten wirkt. Zu diesem Zweck werden Studierende des Fachbereichs Soziale Arbeit die Proben teilnehmend beobachten und Interviews durchführen (Menschen mit Demenz, am Spiel Beteiligte, Pflegekräfte, Hausleitung). Finanziert wird das Projekt über Mittel der Lotte-Lettau-Stiftung ergänzt um Eigenmittel des Fachbereichs Senioren.

Wie fühlt sich das an, dement zu sein? – Einsatz des Demenzparcours
Der Parcours "Hands-on Dementia", was so viel bedeutet wie "Demenz praktisch bzw. interaktiv", wurde in Nordrhein-Westfalen im Demenz-Servicezentrum für die Region Bergisches Land von der Sozialpädagogin Monika Wilhelmi konzipiert. Dort wird der Parcours seit 2006 eingesetzt und war auch bislang nur vor Ort ausleihbar. "Hands-on Dementia" wurde auf der Grundlage der Symptome, die bei einer Demenzerkrankung auftreten können, entwickelt. Die Information und das Wissen über die Symptomatik der Demenz werden dabei nicht theoretisch vermittelt, sondern über eigene Erfahrungen. Das Erleben der eigenen Gefühle steht dabei im Mittelpunkt. Die Symptomatik der Demenz und somit das, was Demenzerkrankte täglich erleben, können Menschen, die nicht an einer Demenz erkrankt sind, erfahren, erleben und fühlen. Dies wird im Parcoursdurchlauf an 13 verschiedenen Stationen erreicht (Alltagssituationen wie z.B. Anziehen, Mittagessen, einem Weg in die Stadt finden, Abendessen).

Über den Verein Partizip e. V., der den o. a. Parcours beschafft hat, war es dem KSH über Ausleihe möglich, ihn zu testen und einzusetzen. Zahlreiche MitarbeiterInnen im Fachbereich Senioren, MitstreiterInnen aus dem Netzwerk „Demenz-aktiv“ und Multiplikatorinnen aus Altenpflegeschulen sowie MitarbeiterInnen aus verschiedenen Arbeitsbereichen der Stadtverwaltung im Rahmen einer Veranstaltung zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf, Pflege und Freizeit“ gemeinsam mit dem Bereich Personal- und Organisationsentwicklung haben die Stationen durchlaufen und sie reflektierend als durchweg positiv bewertet. Der Demenzparcours macht über eigene Erfahrungen das Denken und Handeln eines an Demenz erkrankten Menschen erlebbar.

Gesponsert von der Alzheimergesellschaft Hannover, den Diakoniestationen des Diakonischen Werks und dem Fachbereich Senioren konnte der Parcours beschafft werden. Er leistet wertvolle Dienste und ist seit seiner Anschaffung im Oktober 2016 bereits mehr als 20-mal im Einsatz gewesen: Bei Schülerinnen und Schülern der Krankenpflegeschule der Medizinischen Hochschule Hannover, der Altenpflegeschulen in Lehrte und Bethel im Norden in Hannover, Ehrenamtlichen, bei Multiplikatoren in der interkulturellen Seniorenarbeit, bei einer Mitarbeiterfortbildung einer Physiotherapiepraxis, bei Studierenden der HsH u. a. Der Demenzparcours wurde durchweg als sehr positiv beurteilt.

Folgende Rückmeldung als Beispiel:
„Meine Schulung gestern mit 15 Teilnehmern war ein voller Erfolg. Ich hatte 5 Stationen und 5 Gruppen, das war eine optimale Zahl, um alle Stationen noch gut begleiten zu können. Die Teilnehmer gingen alle, selbst Pflegekräfte mit mehr als 20-jährigen Berufserfahrung, gestärkt und mit einem neuen Verständnis aus der Schulung. Sie sagten, sie verstehen die andere Welt jetzt viel besser, jetzt wird ihnen vieles klar, sie haben gemerkt, wieviel Gefühle durch diese Anforderungen entstehen, das spürt man auch bei Demenzerkrankten, sie hatten Gefühle wie: Ärger, Wut, Versagen, Druck, Hilflosigkeit, Ungeduld, sie haben ein verstärktes Mitgefühl für Demenzerkrankte. Sie werden jetzt anders mit ihnen umgehen und ihre Anforderungen ändern.“

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Es erkranken weitaus mehr Frauen als Männer an einer Demenz. Etwa 70 % der Demenzen im höheren Lebensalter entfallen auf Frauen und nur 30 % auf die Männer. Der Hauptgrund dafür liegt in der unterschiedlichen Lebenserwartung. Frauen werden im Durchschnitt einige Jahre älter als Männer und sind deshalb in den höchsten Altersgruppen, in denen das Krankheitsrisiko zunimmt, viel häufiger vertreten. Zusätzlich trägt zur ungleichen Verteilung der Krankheitsfälle bei, dass die Frauen länger mit einer Demenz zu überleben scheinen als die Männer, und dass sie auf den höchsten Altersstufen ein leicht höheres Neuerkrankungsrisiko als die Männer haben. Diese Sachlage ist bekannt. Allerdings spielt sie bei den vorgestellten Projekten und Maßnahmen eine eher untergeordnete Rolle, da es um eine grundlegende Sensibilisierung und um eine wertschätzende und respektvolle Haltung gegenüber Menschen mit Demenz geht – unabhängig von geschlechtlicher Zugehörigkeit.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen, da die Befassung mit dem Thema Demenz inzwischen zum allgemeinen Aufgabenkreis des KSH im Fachbereich Senioren gehört. Eine gesonderte Ausweisung von finanziellen Ressourcen für dieses Thema erfolgt daher nicht.

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Hannover / 03.08.2017