Informationsdrucksache Nr. 1681/2020:
Fahrkartenausgabe an wohnungslose Menschen

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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1681/2020
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Fahrkartenausgabe an wohnungslose Menschen

Aktuelle Rahmenbedingungen

Auf Grund positiver Erfahrungen wurde im Oktober 2019 beschlossen, die Fahrkartenausgabe an wohnungslose Menschen zum Erreichen der Notunterkünfte als Baustein des Winternotprogramms zu verstetigen und 4.500 Euro für das Jahr 2019 und 8.000 Euro für das Jahr 2020 zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Damit stehen / standen für die Versorgung wohnungsloser Menschen folgende Mittel (einschließlich der im Rahmen der Haushaltsberatungen 2019 / 2020 bereitgestellten 5.000 pro Jahr) zur Verfügung:

Januar 2019 bis Dezember 2019: 9.500 € (5.000 € + 4.500 €).
Januar 2020 bis Dezember 2020: 13.000 € (5.000 € + 8.000 €).

Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass die Mittel für 2020 auch für die zweite Jahreshälfte auskömmlich sein werden.

Für die weitere Fortführung der Fahrkartenausgabe hat der Fachbereich Soziales im Rahmen der Anmeldungen zum Haushaltsplan beantragt, Mittel in Höhe von 15.000 € im Jahr 2021 und im Jahr 2022 16.000 € zur Verfügung zu stellen.

Umsetzung
Die Bereitstellung von Fahrkarten über diverse externe und interne Partner*innen hat sich bewährt, um wohnungslosen Menschen den Zugang zu Unterkünften zu erleichtern.
Aus fachlichen und finanziellen Gründen ist die Beschränkung auf ein Winterprogramm (je nach Witterung November bis März) vertretbar.

Die Ausgabe von Fahrkarten soll das „strukturelle“ Problem lösen, dass Menschen Unterkünfte außerhalb der Innenstadt häufig nicht legal (ohne „Schwarzfahren“) erreichen können. Zwar verfügen wohnungslose Menschen teilweise über Einkünfte aus Sozialhilfemitteln, die auch einen Anteil für Mobilität enthalten, jedoch ist ihnen ein wirtschaftliches Haushalten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und ein Vorhalten der erforderlichen Mittel für Fahrkarten aus individuellen Gründen teilweise nicht möglich. Um schwere gesundheitliche Probleme bis hin zum Erfrieren zu vermeiden, ist eine zusätzliche Bereitstellung von Fahrkarten in den kälteren Monaten daher vertretbar.

Bei der Festsetzung der zum Haushalt 2021 / 2022 kalkulierten Mittel ist der Fachbereich von folgenden – leider noch nicht sicher kalkulierbaren Rahmenbedingungen ausgegangen:
· Es kommen keine weiteren Unterbringungsangebote / Sleep Ins der Stadt hinzu, die auf Grund der Lage nur mit dem ÖPNV erreichbar sind (Stadtrandgebiete).
· Die Zahl der Fahrkarten-Nutzer*innen erhöht sich nur gering.
· Die Fahrpreise steigen im Jahr 2022 um maximal 5 Prozent.
· Der Fachbereich Planen und Stadtentwicklung bietet auch in den künftigen Wintermonaten einen Shuttle-Bus zum Sleep In „Alter Flughafen“ an (dieses ist im zuständigen Fachbereich noch nicht abschließend geklärt).

Bericht zu den bisherigen Erfahrungen mit der Ausgabe von Fahrkarten an wohnungslose Menschen

Vorgeschichte / Rahmenbedingungen

Mit den Drucksachen H 0447/2018 und 2597/2019 wurden in den vergangenen beiden Jahren Mittel von insgesamt 17.500 € bereitgestellt. 5.000 € wurden zunächst für eine Fahrkartenausgabe im Rahmen eines Projektes von 02/19 bis 04/19 bewilligt, nach positiven Erfahrungen und Erreichen des beabsichtigten Ziels, wohnungslosen Menschen das Erreichen der Notunterkünfte zu erleichtern, wurden als Baustein des Winternotprogramms weitere 4.500 € für 2019 (11/19 bis 12/19) sowie 8.000 € für 2020 (01/20 bis 03/20 und 11/20 bis 12/20) zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Die im Projekt 02 bis 04/2019 eingebundenen Beratungsstellen und Institutionen, die von wohnungslosen Menschen regelmäßig genutzt wurden und Fahrkarten ausgegeben haben, waren
· die Straßensozialarbeit und die Koordinierungsstelle Osteuropa des Fachbereichs Soziales,
· die für die Unterbringung zuständige Stelle im Fachbereich Planen und Stadtentwicklung,
· der städtische Ordnungsdienst,
· die Beratungs- und Anlaufstelle KOMPASS (Diakonie),
· der Kontaktladen MECKI (Diakonie),
· die Beratungsstelle für Frauen SZENIA (SeWo),
· der Tagesaufenthalt Nordbahnhof,
· die Notschlafstelle „Alter Flughafen“ (Deutsches Rotes Kreuz) und
· die Bahnhofsmission Hannover.

Aufgrund der Erfahrungen aus dem Projektzeitraum wurden die Partner*innen ab 11/2019 erweitert um
· Stellwerk (STEP gGmbH)
· Neues Land e.V.
Diese beiden Institutionen befinden sich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs und werden als Anbieter der Sucht- und Drogenhilfe vielfach als Anlaufstelle vom Personenkreis der wohnungslosen Menschen mit entsprechenden Suchtproblematiken genutzt.

Im vorhergehenden Zeitraum waren die Mittel nicht ausreichend, diese Beratungsstellen einzubinden; durch die Aufstockung/Verstetigung konnte dies nun realisiert werden. Zudem konnte dadurch verstärkt der in der DS 2597/2019 beschriebenen Vereinbarung zwischen dem Fachbereich Soziales und dem Beauftragten für Sucht und Suchtprävention entsprochen werden, aufgrund der großen Schnittmenge der Personenkreise Wohnungslose/Suchtabhängige möglichst Angebote zu entwickeln, die beide Personengruppen nutzen können.

Verfahren bei der Ausgabe der Fahrkarten
Fortgeführt wurde die schon in der Projektphase durchgeführte Ausgabe ohne formelle Prüfung der Bedürftigkeit. Alle Partner*innen haben Fahrkarten ausgegeben, wenn die Betroffenen den Bedarf glaubhaft formuliert haben – gerade um die Niedrigschwelligkeit des Angebotes zu gewährleisten. Dokumentiert wurde, wie viele Fahrkarten wann ausgegeben wurden. Eine namentliche Erfassung war / ist aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht realisierbar. Ebenso entfällt ein Nachweis, dass die Fahrkarten tatsächlich für den genannten Zweck verwendet wurden. Eine derartige Prüfung würde einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeuten und in der Praxis kaum umsetzbar sein. Weiterhin Bestand hat auch die Absprache mit der Üstra, die Fahrkarten zum Preis einer Ausgabestelle zu erwerben. Durch den Preisnachlass betrug der Einzelfahrschein-Preis ab November 2019 2,55 €, ab März 2020 aufgrund der allgemeinen Preiserhöhung 2,65 €.

Shuttlebus und Fahrkarten
Flankiert wurde das Angebot durch den Einsatz eines Shuttlebusses zur Unterkunft „Alter Flughafen“ (nur Hinfahrt) durch den Bereich Unterbringung des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung. Im Projektzeitraum startete das Angebot mit zwei Abfahrten abends in Hauptbahnhofnähe, später zeigte sich, dass eine Fahrt pro Abend ausreichend war.
Für Fahrten zu anderen Notschlafstellen, die nicht fußläufig erreichbar sind, und Menschen, die noch nach der Abfahrt des Shuttlebuses (19 Uhr) zu einer Unterkunft fahren wollen, ist die Ausgabe von Fahrkarten ebenso notwendig, wie für die Rückfahrt von der Unterkunft „Alter Flughafen“ in die Innenstadt.

Der Fachbereich Soziales hat durch die Koordination Wohnungslosenhilfe den bereits im Projektzeitraum verwendeten Flyer über den gesamten Winter regelmäßig aktualisiert und fortgeschrieben, auch im Internet ist der Flyer abrufbar. Neben den allgemeinen Hinweisen zu den Gefahren des Übernachtens auf der Straße wurde insbesondere auf die Notübernachtungsstellen und das Angebot Shuttlebus/Fahrkarten hingewiesen.

Bisherige Erfahrungen und Auswertung der Fallzahlen
Mit Ablauf des Monats März 2020 hat der Fachbereich Soziales eine Zwischenauswertung für den Zeitraum 11/2019 bis 03/2020 vorgenommen. Im genannten Zeitraum wurden 6.367,08 € für die Beschaffung von Fahrkarten ausgegeben. Derzeit gibt es noch ein Restkontingent aus Einkauf durch die Verwaltung und Rückgabe durch die Partner*innen von 317 Stück, die ab November 2020 weiterverwendet werden können. Insgesamt wurden 3.762 Fahrkarten an wohnungslose Menschen verteilt.
Der folgenden Tabelle ist zu entnehmen, dass der überwiegende Teil der Partner*innen mit dem bereitgestellten Anfangskontingent ausgekommen ist. Bei der Bemessung des Anfangskontingents hat sich die Verwaltung an den Erfahrungen der Projektphase orientiert und konnte so größtenteils bedarfsgerecht vorausplanen.

Nachbestellungen gab es nur bei zwei Partner*innen: in geringem Maße beim Stellwerk (nicht Bestandteil im Projektzeitraum) und in größerem Umfang bei der Notschlafstelle „Alter Flughafen“, die aufgrund der hohen täglichen Nutzungszahlen von 80 bis 90 Personen/Nacht und der Lage weit außerhalb der Innenstadt einen entsprechend höheren Bedarf hat. Die Auswertung der Rückgabebögen bei dieser Unterkunft hat ergeben, dass an zwischen 20 und 30% der Übernachtungsgäste Fahrkarten (zumeist für die Rückfahrt in die Innenstadt) ausgegeben werden. Insofern ist die verwendete hohe Anzahl an Fahrkarten nachvollziehbar.



Ausblick
Die Verstetigung (und Erweiterung) des Angebots nach der Projektphase als Unterstützung zum Erreichen der Unterkünfte wurde von allen Partner*innen positiv bewertet und hat sich bewährt. Insbesondere die Kombination von Busshuttle und Fahrkarten hat - wie schon nach der Projektphase ersichtlich - zu einer besseren Annahme der Übernachtungsplätze geführt.

Die ergänzende Anbindung der Partner*innen aus der Drogenhilfe hat eine bessere Zusammenarbeit im Schnittstellenbereich wohnungslose / drogenabhängige Personen ermöglicht.

Das bekannte und im Vorfeld benannte Risiko der nicht zweckentsprechenden Verwendung z.B. durch Veräußerung der Fahrkarten wurde zugunsten der Gewährleistung des niedrigschwelligen Ansatzes in Kauf genommen. Die ausgewerteten Zahlen zeigen aber, dass das Problem in der Praxis wahrscheinlich wenig Relevanz hat.

Der Großteil der Fahrkarten wird in dem am weitesten von der Innenstadt entfernt liegenden SleepIn nur für die Rückfahrt am Morgen ausgegeben und – das ist so auch erkennbar – entsprechend genutzt. Eine missbräuchliche Verwendung (Weiterverkauf etc.) erscheint damit unwahrscheinlich.

Es hat sich deutlich gezeigt, dass durch die Verteilung auf viele Partner*innen und das intensive „Bewerben“ und Informieren durch die Verwaltung mittels Flyer / Internet, die Unterstützung der Betroffenen im Winter zur Inanspruchnahme der vorhandenen Unterbringungsangebote gesteigert wird und so mithilft, Erfrierungen und andere lebensbedrohliche Situationen auf der Straße zu verhindern. Das Angebot soll daher auch über den 31.12.2020 weiter fortgeführt werden.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das Angebot gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Wohnungslose Frauen sind auf der Straße besonders gefährdet und von Gewalt bedroht. Um Hürden für die Nutzung einer Unterkunft möglichst zu minimieren, ist die Ausgabe von Fahrkarten besonders an Frauen eine sinnvolle Option.

Eine Unterkunft speziell für Frauen existiert mittlerweile in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Weitere Angebote sind jedoch nicht fußläufig erreichbar, so dass das Angebot der Fahrkartenausgabe auch für Frauen sinnvoll ist. Daher ist auch das spezielle Beratungsangebot für Frauen (Szenia) der SeWo (Selbsthilfe für Wohnungslose e.V.) Bestandteil der praktischen Umsetzung.

Der Fachbereich Soziales berichtet mit dieser Informationsdrucksache über die Durchführung der bisherigen Fahrkartenausgabe an wohnungslose Menschen und gibt einen Ausblick auf die geplante zukünftige Durchführung.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

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Hannover / 13.08.2020