Informationsdrucksache Nr. 1103/2006:
Umnutzung des Conti-Geländes in Limmer: Bewertung der Nitrosaminbelastung in der Bausubstanz

Informationen:

verwandte Drucksachen:

1103/2006 (Originalvorlage)

Beratungsverlauf:

  • 08.05.2006: Kommission Sanierung Limmer: zur Kenntnis genommen /nach langandauernder Diskussion Antrag von Herrn Bickmannauf Abbruch der Rednerliste / Abstimmung über den Antrag zur Geschäftsordnung: 7 Ja-Stimmen / 0 Nein-Stimmen / 4 Enthaltungen

Nachrichtlich:

  • Stadtbezirksrat Linden-Limmer
  • Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
  • Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
In die Kommission Sanierung Limmer
An die Damen und Herren des Stadtbezirksrates Linden-Limmer (zur Kenntnis)
An die Damen und Herren des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses (zur Kenntnis)
An die Damen und Herren des Ausschusses für Umweltschutz und Grünflächen (zur Kenntnis)
 
Nr.
Anzahl der Anlagen
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1103/2006
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Umnutzung des Conti-Geländes in Limmer: Bewertung der Nitrosaminbelastung in der Bausubstanz

Informationsdrucksache

In einigen ehemaligen Werksgebäuden auf dem Conti-Gelände in Limmer – insbesondere des alten Excelsior-Bereiches – wurden im Rahmen verschiedener Bausubstanzuntersuchungen u.a. Nitrosaminbelastungen festgestellt. Nach Erstellung eines umfangreichen Gebäudekatasters (vgl. hierzu: Info-DS Nr. 1492/2005), in dem sowohl die Bausubstanz als auch alle festgestellten Belastungen sowie bautechnisch mögliche Nachnutzungen bewertet wurden, waren vier Gebäude ausgewählt worden, um hier weitergehende Untersuchungen und Bewertungen durchzuführen. Als Grundlage für eine mögliche Nutzung sollte beispielhaft das vorgelegte Konzept der Zunft AG für diese Gebäude dienen. (Die Zunft AG selber hat sich, begründet mit den vorhandenen Gebäudebelastungen am Standort, zwischenzeitlich aus einer möglichen Projektentwicklung in der Wasserstadt Limmer zurückgezogen).

Aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen wurden zur Festlegung des konkreten Leistungsumfangs für eine detaillierte gutachterliche Bewertung sowohl vom Sachgebiet Boden und Grundwasserschutz der Landeshauptstadt Hannover (OE 67.12) als auch der Gesundheitsbehörde der Region Hannover zahlreiche Gespräche mit dem Umweltbundesamt, verschiedenen Forschungsinstitutionen, dem gewerbeärztlichen Dienst sowie VertreterInnen der Gummiindustrie geführt. Außerdem erfolgte eine Internetrecherche.

Der aktuelle Kenntnis- und Diskussionsstand stellt sich danach zusammenfassend wie folgt dar:

  • Bei keiner angefragten Stelle liegen Informationen über eine Fremd-Umnutzung Nitrosamin-belasteter Gebäude oder über erfolgreiche Sanierungsverfahren vor.
  • In einem (unter Leitung der Berufsgenossenschaft Chemie) interdisziplinär besetzten Forschungsvorhaben hat sich als praxistauglich der Einsatz diffusionsdichter Beschichtungsverfahren erwiesen. Vor allem der Einsatz von Spezialtapeten bzw. eines Spezialanstriches werden als zielführendes Mittel genannt. Beide Varianten setzen regelmäßige Kontrollen voraus und bergen die Gefahr von Beschädigungen (Problem der langfristigen Wirksamkeit/Sicherheit). Ob derartig „sanierte“ Gebäude am Markt eine realistische Vermarktungschance haben darf allerdings in Zweifel gezogen werden.
  • Es lassen sich offensichtlich keine allgemein gültigen Schwellenwerte nennen, bei deren Unterschreitung in der Bausubstanz es zu keiner Diffusion von Nitrosaminen in die Raumluft kommen kann. Nach Praxiserfahrungen an konkreten Standorten spielen hier zu viele Randbedingungen eine Rolle.
  • Die angesprochenen Experten haben darauf hingewiesen, dass aus Bausubstanzuntersuchungen wie sie bisher durchgeführt wurden und ggf. weiterer darauf aufbauender Spezialuntersuchungen Werte möglicher Innenraumluftbelastungen abgeleitet werden könnten. Diese theoretisch abgeleiteten Werte müssten einer toxikologischen Bewertung unterzogen werden. Ein völliger Ausschluss des Eindringens von Nitrosaminen in die Raumluft könne bei festgestellten Bausubstanzbelastungen aber nicht erfolgen. Von daher müsse man immer damit rechnen, dass später z.B. wegen Befindlichkeitsstörungen oder beim Auftreten von Krebserkrankungen Messungen durchgeführt und dabei möglicherweise doch höhere Konzentrationen als die abgeschätzten gemessen würden.
  • Es wurde von den Fachleuten darauf hingewiesen, dass bei der vorliegenden Situation neben der Nitrosamin-Problematik auch eine Geruchsproblematik bestünde und man davon ausgehen müsse, dass außer Nitrosaminen auch andere – bisher nicht untersuchte - Stoffe in der Bausubstanz vorhanden sein könnten.
  • Es wurde empfohlen, im Zweifelsfall auf eine sensible Nachnutzung zu verzichten, da die Kosten nachträglicher Sanierung sowie Akzeptanzprobleme nicht absehbar seien.


Aus gesundheitlicher Sicht ist bei einer neu geplanten sensiblen Nachnutzung wie Wohnen oder Büro oder auch z.B. Geschäften und Restaurants wie im Zunft-Konzept vorgesehen sicherzustellen, dass es dauerhaft nicht zu messtechnisch nachweisbaren Raumluftbelastungen im Vergleich zu anderen entsprechend genutzten unbelasteten Gebäuden kommt. Da es für Nitrosamine – abgesehen von arbeitsplatzbezogenen Werten - keinerlei Referenzwerte gibt, gilt hier im Hinblick auf deren krebserregende Wirkungen das Minimierungsgebot. Wenn Emissionen nicht auszuschließen sind, sind entweder gutachterliche Abschätzungen der Raumluftkonzentration oder aber Raumluftmessungen im Rohbau (also mit Abdichtung der Fenster bzw. Luftwechsel wie bei der späteren Nutzung) und ggf. Wiederholungsmessungen (zum Nachweis der Dauerhaftigkeit) erforderlich.

In Anbetracht der obigen Ausführungen bestünde die Möglichkeit, die Machbarkeit sowie die Kosten für einen „Haus-in-Haus-Bau“ prüfen zu lassen. „Haus-in-Haus-Bau“ bedeutet: von einem belasteten Gebäude bleibt nur die äußere Hülle erhalten, alle Decken und Innenwände werden entfernt, das Gebäude wird komplett entkernt, dann wird ein neues Gebäude sozusagen in das alte „hineingestellt“, aber so, das keinerlei Kontakt zwischen alter und neuer Gebäudehülle erfolgt.



Dieses Verfahren würde bei einer kompletten Trennung beider Gebäudehüllen und der Herausnahme aller Innenwände und Geschossdecken eine Möglichkeit darstellen, das direkte Eindringen von Nitrosaminen in die Innenraumluft zu unterbinden – aber nur unter der Voraussetzung, das die Luft zwischen alter und neuer Gebäudehülle abgeführt wird (= Ablüftung zwischen den Hüllen !). Allerdings wurden auch hier Bedenken geäußert, die sich z.B. auf den möglichen Eintrag von nitrosaminhaltigen Stäuben über eine Fensterlüftung bezogen. Die Vermarktbarkeit eines solchen „Haus-in-Haus-Baus“ unter derartigen Rahmenbedingungen muss aber stark in Zweifel gezogen werden.
Alternativ käme eine unsensible Nutzung (= kein dauerhafter Aufenthalt von Personen, keine Lagerung von Lebensmitteln oder geruchsempfindlichen Stoffen) der Gebäude in Frage. Hier stellt sich jedoch ebenfalls die Frage nach dem Bedarf und damit der Vermarktbarkeit eines solchen Gebäudeangebotes an diesem Standort.

Fazit
Wie oben aufgeführt, ist die Ableitung theoretischer Raumluftwerte für Nitrosamine zwar möglich, aber dennoch mit Unsicherheiten und einem Restrisiko behaftet. Wegen ihrer krebserregenden Wirkungen gilt hier das Minimierungsgebot.
Evtl. mögliche bauliche Konstruktionen erfordern einen erheblichen finanziellen Aufwand und sind damit für Investoren wirtschaftlich völlig uninteressant und unrealistisch.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Aussagen zur Geschlechterdifferenzierung gemäß Beschluss des Rates vom 03.07.2003 (siehe Drs. 1278/2003) sind im Falle dieser Drucksache nicht relevant und werden daher auch nicht näher ausgeführt.

Kostentabelle

Nicht betroffen

67.1 /61.17/61.41
Hannover / 08.05.2006