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Die große Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus SARS-CoV-2 und die Pandemie-Präventionsmaßnahmen haben auch in Hannover zu massiven Einschränkungen im öffentlichen Leben geführt. Die Arbeit des Rates der Landeshauptstadt Hannover und der demokratische kommunalpolitische Meinungsbildungsprozess sind weitgehend zum Erliegen gekommen.
Viele Beschlüsse bzw. Eilentscheidungen (§ 89 NKomVG) werden in nicht-öffentlicher Sitzung vom Verwaltungsausschuss oder vom Oberbürgermeister getroffen. Damit bewegt sich die Landeshauptstadt rechtlich auf sicherem Parkett. Aber: Gemäß Niedersächsischem Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) ist weder der Hauptausschuss noch der Oberbürgermeister das Hauptorgan der Kommune, sondern der Rat (§ 45 Abs. 1 Satz 1 NKomVG).
Die Kommunalverfassung ist darauf ausgelegt, dass die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Ratsmitglieder persönlich in Sitzungen zusammenkommen, um in ihrer Gesamtheit gemeinsam über Angelegenheiten der Kommune zu beraten und zu entscheiden (§§ 65 f. NKomVG). Zudem hat der Rat zur Vorbereitung sachgerechter Entscheidungen gesetzlich mögliche Fachausschüsse (§§ 71 f. NKomVG) gebildet. Die Fachausschüsse und der Rat tagen aus Gründen der demokratischen Transparenz öffentlich, soweit gesetzliche Vorschriften nicht Vertraulichkeit vorschreiben.
Um seine Handlungsfähigkeit zu bewahren und trotzdem die körperliche Unversehrtheit der Mitglieder des Rates soweit wie möglich zu schützen, wurde die Arbeit der Fachausschüsse und des Rates zunächst eingestellt. Elementare Einschränkungen des Beratungsumfanges waren die Folge. Nun soll die Arbeit mit Präsenzsitzungen langsam wieder beginnen.
Ungeachtet der besonderen Schutzvorkehrungen mit Abstandsregeln u.ä.m. wird es krankheits- und quarantänebedingte Ausfälle geben. Zudem haben insbesondere ältere und/oder wegen einschlägiger Vorerkrankungen besonders gefährdete Ratsmitglieder die Furcht, sich während einer Sitzung oder auf dem Weg zu einer Sitzung zu infizieren. Sie gehören zu der Gruppe der Bevölkerung, der besonders empfohlen wird, auf persönliche Kontakte vorübergehend zu verzichten. Insofern wird zumindest ein Teil der Ratsmitglieder unter den gegebenen Umständen die kommunalverfassungsrechtlich vorgesehene Entscheidungsfunktion nach derzeitiger Rechtslage nicht ausüben können.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand wissen, wie lange die Gefährdungen und Einschränkungen noch anhalten müssen und in welcher Form Mitglieder des Rates betroffen sein werden. Auch ist nicht auszuschließen, dass einzelne oder mehrere Ratsmitglieder zwar selbst gesund und arbeitsfähig sind, aber beispielsweise aufgrund von Quarantänemaßnahmen daran gehindert werden, ihr Ratsmandat in Fachausschüssen und in der Ratsversammlung aktiv wahrzunehmen.
In dieser Pandemie-Situation soll - zumindest für die Zeit der allgemeinen Beeinträchtigung durch COVID-19 – das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz so aktualisiert werden, dass einzelne oder alle Ortsrats-, Bezirksrats-, Gemeinderats- und Ratsmitglieder in den niedersächsischen Kommunen an Sitzungen ihrer Ausschüsse und Gremien auch digital teilnehmen können, z.B. per Telefon- oder Videozuschaltung.
Der Niedersächsische Landtag hat angesichts der Corona-Krise in seiner Sitzung am 23. April 2020 mit Annahme der Landtagsdrucksache 18/6298* für sich selbst bzw. für einzelne seiner Mitglieder kurzfristig die rechtliche Grundlage geschaffen, an Sitzungen per Videozuschaltung mit Stimmrecht teilzunehmen.
Was für die Mitglieder des Landtages gilt, muss für Kommunalpolitiker*innen als Basis unserer Demokratie allemal möglich sein.
Bruno Adam Wolf
stellv. Gruppenvorsitzender
* https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_07500/06001-06500/18-06298.pdf
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