Drucksache Nr. 0870/2013 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der PIRATEN-Fraktion zu Auswirkungen der Änderungen des Telekommunikationsgesetzes und der Bestandsdatenauskunft auf Bürger und Stadt Hannover
in der Ratssitzung am 25.04.2013, TOP 3.7.2.

Inhalt der Drucksache:

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0870/2013 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der PIRATEN-Fraktion zu Auswirkungen der Änderungen des Telekommunikationsgesetzes und der Bestandsdatenauskunft auf Bürger und Stadt Hannover
in der Ratssitzung am 25.04.2013, TOP 3.7.2.

Mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. hat der Deutsche Bundestag am 21. März 2013 ein Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft beschlossen. In Kraft treten kann dieses Gesetz erst nach Zustimmung des Bundesrates, der voraussichtlich Anfang Mai 2013 darüber entscheiden wird. Die seit 2004 geltenden gesetzlichen Regelungen wurden vom Bundesverfassungsgericht partiell mit Wirkung zum 30. Juni 2013 außer Kraft gesetzt. Das Gericht hat Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.

Die nun von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neuregelungen gehen allerdings über die bisherige Rechtslage hinaus und sollen staatlichen Diensten und Behörden (insbesondere Geheimdienste, Polizei, Bundeskriminalamt und Zoll) einen weitreichenden Zugriff auf Telekommunikationsdaten erlauben. Künftig sollen Ermittlungsbehörden die Inhaber von Telefonnummern und IP-Adressen vollautomatisiert identifizieren können – ganz ohne Richtervorbehalt.

IP-Adressen sind weltweit eindeutige Nummern, die jedem Endgerät mit Verbindung zum Internet zugeordnet werden und mit denen Anschlussinhaber identifiziert werden können. Die Nummer ist meist nicht statisch, sondern wird einem Computer oder anderen mobilen Endgeräten bei der Verbindung zum Internet wechselnd zugewiesen. In diesem Fall spricht man von dynamischen IP-Adressen, die sich z.B. alle 24 Stunden ändern können. Auch die dynamischen IP-Adressen sollen nun zu Bestandsdaten erklärt werden, deren Weitergabe an Ermittlungsbehörden keiner Kontrolle durch einen richterlichen Beschluss unterliegt.

Ein Richtervorbehalt soll nur noch für die Herausgabe von Zugangssicherheitscodes notwendig sein, also für Passwörter, PINs und PUKs. Auch hier gibt es Ausnahmen: für Geheimdienste, sogenannte Eilfälle und Beschlagnahmungen. Zur Übermittlung der Daten soll eine elektronische Schnittstelle eingerichtet werden, über die der Austausch mit den Telekommunikationsanbietern erfolgt. Die Nutzung der Daten soll auch bei kleineren Vergehen wie einer Ordnungswidrigkeit möglich werden.

Eine detaillierte Regelung zur Verwendung der Daten fehlt im Gesetzestext ebenso wie ein definierter Zeitraum, in dem Betroffene über den Zugriff auf ihre Daten informiert werden müssen.

Auch wird die Gesetzesänderung auf Bundesebene landesgesetzliche Änderungen nach sich ziehen.


Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1. Welche konkreten oder potentiellen Auswirkungen wird die Gesetzesänderung bei Inkrafttreten auf Bürgerinnen und Bürger der Landeshauptstadt Hannover haben?

2. Inwieweit kann und wird die Landeshauptstadt Hannover versuchen, im Interesse ihrer Bürger und Bürgerinnen auf die anstehenden Änderungen des Niedersächsischen Polizei- und Verfassungsschutzgesetz Einfluss zu nehmen?

3. Werden sich bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung die Kommunikations- und Arbeitsprozesse in der Zusammenarbeit der Verwaltung mit Ermittlungsbehörden - z.B. bei Ordnungswidrigkeiten - ändern? (Wenn Ja: Welche Arbeitsabläufe müssen wie neu geregelt werden? Wenn Nein: Warum nicht?)







Dirk Hillbrecht
(stellv. Fraktionsvorsitzender)

Text der Antwort

Frage 1: Welche konkreten oder potentiellen Auswirkungen wird die Gesetzesänderung bei Inkrafttreten auf Bürgerinnen und Bürger der Landeshauptstadt Hannover haben?

Das Telekommunikationsgesetz fällt in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Durch den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf wurden neben der Änderung des Telekommunikationsgesetzes Rechtsgrundlagen für die Bestandsdatenauskunft der Strafverfolgungs-, Gefahrenabwehr- und Geheimdienstbehörden des Bundes in den jeweiligen Fachgesetzen geschaffen. Diese betreffen die Verwaltung der Landeshauptstadt nicht.

Perspektivisch kann die Änderung des Telekommunikationsgesetzes eine Änderung der in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Polizeigesetze (insbesondere des Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes) nach sich ziehen, mit welchen den Gefahrenabwehrbehörden Rechtsgrundlagen für die Bestandsdatenauskunft zur Seite gestellt werden können. Es ist hier nicht bekannt, dass die Landeshauptstadt in ihrer Funktion als Gefahrenabwehrbehörde oder bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten jemals auf die Erhebung von Bestandsdaten angewiesen war oder diese angefordert hätte. Daran wird sich aller Voraussicht nach nichts ändern.

Der Verwaltung ist die gesellschaftspolitische Diskussion bekannt, sie vermag aus den
genannten Gründen aber nicht aus fachlicher Sicht zu beurteilen, welche konkreten oder
potentiellen Auswirkungen die Gesetzesänderungen auf Bürgerinnen und Bürger der
Landeshauptstadt haben wird.

Frage 2: Inwieweit kann und wird die Landeshauptstadt Hannover versuchen, im Interesse ihrer Bürger und Bürgerinnen auf die anstehenden Änderungen des Niedersächsischen Polizei- und Verfassungsschutzgesetz Einfluss zu nehmen?

Möglicherweise wird die Landeshauptstadt als Gefahrenabwehrbehörde im Zuge einer potentiellen Änderung des Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vom Land zu den geplanten Änderungen angehört. Das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz betrifft die Landeshauptstadt in ihrer Zuständigkeit nicht.


Frage 3: Werden sich bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung die Kommunikations- und Arbeitsprozesse in der Zusammenarbeit der Verwaltung mit Ermittlungsbehörden - z.B. bei Ordnungswidrigkeiten - ändern? (Wenn Ja: Welche Arbeitsabläufe müssen wie neu geregelt werden? Wenn Nein: Warum nicht?)

Nach unserem Kenntnisstand sind unsere Arbeitsabläufe in Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht betroffen. Dort wird in der Regel über die Polizei oder den Ermittlungsdienst ermittelt. Es wird nicht auf Telekommunikationsdaten zugegriffen, so dass eine richterliche Entscheidung bisher nicht eingeholt werden musste.