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Landeshauptstadt Hannover - 50.08 - Datum 06.06.2024

PROTOKOLL

Gemeinsame Sitzung des Sozialausschusses, des Schul- und Bildungsausschusses, des
Ausschusses für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss), des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses, des Jugendhilfeausschusses am Mittwoch, 5. Juni 2024,
Rathaus, Ratssaal

Beginn 15.00 Uhr
Ende 17.46 Uhr

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Anwesend:


Sozialausschuss

Ratsmitglied Klippert (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Ratsfrau Dommel (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Ratsherr Hellmann (CDU)
Beigeordnete Klebe-Politze (SPD)
Video-Konferenz
Ratsfrau Neveling (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Ratsfrau Sankowske (SPD) 17.20 - 17.46 Uhr Video-Konferenz
Ratsfrau Waase (CDU)
Video-Konferenz

Beratende Mitglieder:
Frau Dr. Goesmann
Video-Konferenz
Frau Merkel
Video-Konferenz
Herr Sonnenberg
Video-Konferenz

Grundmandat:
Ratsherr Döring (FDP)
Video-Konferenz
Ratsherr Jacobs (AfD) 15:00 - 16.42 Uhr
Video-Konferenz
Ratsherr Machentanz (SGH)


Stadtentwicklungs- und Bauausschuss

Beigeordnete Dr. Clausen-Muradian (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Ratsherr Albrecht (CDU)
Video-Konferenz
Ratsfrau Dommel (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Beigeordneter Dr. Gardemin (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Ratsherr Hoare (CDU)
Video-Konferenz
Beigeordnete Iri (SPD)

Beratende Mitglieder:
(keine Teilnehmenden)

Grundmandat:
Ratsherr Engelke (FDP)
Video-Konferenz
Ratsherr Machentanz (SGH)
Ratsherr Wippach (AfD)


Ausschuss für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss)

Ratsherr Harrold (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Ratsherr Hoare (CDU)
Video-Konferenz
Beigeordnete Iri (SPD)
Ratsfrau Jochem (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Ratsfrau Neveling (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Ratsfrau Zahl (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)

Beratende Mitglieder:
Herr Dipl.-Ing. Faridi
Video-Konferenz
Herr Dr. Hoppe 15:00 - 17:38 Uhr
Video-Konferenz
Frau Kruse
Video-Konferenz

Grundmandat:
Ratsherr Döring (FDP)
Video-Konferenz
Ratsherr Jacobs (AfD) 15:00 - 16.42 Uhr
Video-Konferenz
Ratsherr Machentanz (SGH)
(in Vertretung für Ratsherrn Zingler)


Jugendhilfeausschuss

Ratsfrau Bax (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Ratsherr Capellmann (CDU)
Herr Deppe 15.00 - 17.10 Uhr
Video-Konferenz
Ratsfrau Kaczmarek (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz
Ratsfrau Kleindienst (SPD)
Video-Konferenz
Ratsherr Metell (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Video-Konferenz 15.00 - 17.00 Uhr
Ratsfrau Sankowske (SPD) 17.20 - 17.46 Uhr
Video-Konferenz
Herr von der Osten 15:00 - 16:03 Uhr
Video-Konferenz
Ratsfrau Zaman (SPD)
Video-Konferenz

Beratende Mitglieder:
Frau Korte-Polier
Video-Konferenz
Herr Pohl
Video-Konferenz

Grundmandat:
Ratsherr Döring (FDP)
Video-Konferenz
Ratsherr Mönkemeyer (Einzelvertreter DIE LINKE.)
Video-Konferenz
Ratsherr Wippach (AfD)


Schul- und Bildungsausschuss

Ratsfrau Zaman (SPD)
Video-Konferenz
Ratsherr Wolf (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Ratsherr Albrecht (CDU)
Video-Konferenz
Ratsfrau Bax (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
Ratsherr Capellmann (CDU)
(vertritt Ratsfrau Chowaniec)
Herr Andre Feind
(vertritt Herrn Popp)
Video-Konferenz
Herr Matteo Feind 15.00 - 17.05 Uhr
(vertritt Frau Chiara Feind)
Herr Hofmann (parteilos)
Video-Konferenz
Beigeordnete Iri (SPD)
(vertritt Ratsherrn Dr. Menge)
Frau Jank 15.00 - 17.05 Uhr
(vertritt Herrn Seeländer)
Ratsfrau Kaczmarek (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
(vertritt Bürgermeisterin Plate)
Video-Konferenz

Ratsfrau Kleindienst (SPD)
Video-Konferenz
Ratsherr Rosenzweig (Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei)
15.00 - 16.45 Uhr

Grundmandat:
Ratsherr Döring (FDP)
(vertritt Ratsherrn Bingemer)
Video-Konferenz
Ratsherr Keller (AfD)
Ratsherr Mönkemeyer (Einzelvertreter DIE LINKE.)
Video-Konferenz


Verwaltung für alle 5 Ausschüsse:
Stadträtin Bruns, Dezernentin für Soziales und Integration
Stadträtin Blasberg-Bense, Dezernentin für Jugend, Familie und Sport
Stadträtin Bender, Dezernentin für Bildung und Kultur

Herr Einbeck, Fachbereich Soziales
Video-Konferenz
Frau Knaubert-Lang, Fachbereich Ada-und-Theodor-Lessing-Volkshochschule
Video-Konferenz
Herr Koop, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe
Frau Stärk, Fachbereich Jugend und Familie
Frau Vogt-Janssen, Fachbereich Senioren
Video-Konferenz
Frau Becker, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe, Antidiskriminierungsstelle
Video-Konferenz
Herr Belitz, Fachbereich Jugend und Familie
Video-Konferenz
Frau Budde, Fachbereich Jugend und Familie
Video-Konferenz
Frau Cünedioglu, Dezernat für Bildung und Kultur
Video-Konferenz
Frau Gallinat, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe
Video-Konferenz
Herr Körber, Fachbereich Senioren
Video-Konferenz
Frau Merzbach, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Video-Konferenz
Frau Meyer, Dezernat für Soziales und Integration
Video-Konferenz
Frau Nagel, Dezernat für Bildung und Kultur
Frau Reus, Fachbereich Soziales
Video-Konferenz
Frau Rösch-Brassovan, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe
Video-Konferenz
Herr Schalow, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung
Video-Konferenz
Frau Schenke, Örtlicher Personalrat Fachbereiche Soziales und Gesellschaftliche Teilhabe
Video-Konferenz
Frau Schiffer, Fachbereich Soziales
Video-Konferenz
Frau Schmidt, Fachbereich Schule
Video-Konferenz
Herr Seiser, Fachbereich Jugend und Familie
Video-Konferenz
Frau Tivadar, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe
Video-Konferenz
Frau Wilhelm, Fachbereich Schule
Video-Konferenz
Herr Wintzer, Fachbereich Schule
Video-Konferenz
Frau Woysch, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe
Video-Konferenz
Frau Zieb, Fachbereich Jugend und Familie
Video-Konferenz
Herr Dickmann, Fachbereich Soziales
Frau Döring, Dezernat für Stadtentwicklung und Bauen
Frau Simpson, Fachbereich Schule
Frau Fritz, Fachbereich Jugend und Familie
Frau Hannig-Schohaus, Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe
Frau Hanebeck, Fachbereich Soziales
alle 6 für das Protokoll


Presse:
Frau Rinas, Hannoversche Allgemeine Zeitung
Video-Konferenz



Gäste:
Dzoni Sichelschmidt
Video-Konferenz

Ralf Küper

Christian Hinrichs M.A.

Tobias Neuburger
(kurzfristige Absage)

Bernd Grafe-Ulke
Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten
Kompetenzstelle gegen Antiziganismus (KogA)

Dr. Dominik Schreiber
Video-Konferenz

Andrzej Bojarski
(kurzfristige Absage)

Dr. Maiko Kahler
Grundschule Saturnring, Garbsen

Galina Lang

Christoph Leucht
Hildegard Lagrenne Stiftung
Video-Konferenz

Kenan Emini und Sandra Goerend
Bundes Roma Verband e:V.

Mario Franz
Nds. Verband deutscher Sinti e.V.

Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen
Sozialwissenschaftlicher Dienst
(hat abgesagt)

Dr. Katja Schröder
Grundschule Gartenheimstraße, Hannover
(hat abgesagt)

Tagesordnung:


1. Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

2. A N H Ö R U N G gem. § 35 der Geschäftsordnung des Rates zum THEMA: "Situation der Bevölkerungsgruppe der Roma und dem Umgang damit in Hannover und anderen deutschen Großstädten und was unsere Kommune davon lernen kann"
Eingeladen sind:

Dzoni Sichelschmidt

Ralf Küper

Christian Hinrichs M.A.

Tobias Neuburger
(kurzfristige Absage)

Bernd Grafe-Ulke
Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten
Kompetenzstelle gegen Antiziganismus (KogA)

Dr. Dominik Schreiber

Andrzej Bojarski
(kurzfristige Absage)

Dr. Maiko Kahler
Grundschule Saturnring, Garbsen

Galina Lang

Christoph Leucht
Hildegard Lagrenne Stiftung

Kenan Emini und Sandra Goerend
Bundes Roma Verband e:V.

Mario Franz
Nds. Verband deutscher Sinti e.V.

Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen
Sozialwissenschaftlicher Dienst
(hat abgesagt)

Dr. Katja Schröder
Grundschule Gartenheimstraße, Hannover
(hat abgesagt)


3. Bericht der Dezernentin

TOP 1.
Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

Ratsmitglied Klippert eröffnete die Sitzung und stellte die ordnungsgemäße Einladung sowie die Beschlussfähigkeit der beteiligten Ausschüsse fest.


Zur Sitzung selbst wies es darauf hin, dass die Mitglieder der beteiligten Ausschüsse, der Verwaltung sowie die Anzuhörenden an der heutigen Sitzung gemäß § 5 der Hauptsatzung der Landeshauptstadt Hannover per Videokonferenztechnik teilnehmen können, sofern die erforderlichen technischen Voraussetzungen vorliegen. Diese Anordnung gelte nicht für die vorsitzende Person des Sozialausschusses.


Die virtuell zugeschalteten Teilnehmer*innen weise es daher zunächst auf folgendes hin:

1. Abstimmungen und Wortmeldungen erfolgen per Handzeichen und werden am Monitor im Ratssaal erfasst.

2. Hinweise zur Datenverarbeitung wurden bereits gesondert übersandt. Es gehe davon aus, dass die Informationen gelesen wurden und das Einverständnis mit der Datenverarbeitung gegeben werde.

Da sich hiergegen keine Einwände erhoben, werde die Sitzung entsprechend in Hybridform durchgeführt.


Weiter erinnerte Ratsmitglied Klippert daran, dass Essen und Trinken im Ratssaal nicht gestattet seien.

Eine Einwohner*innenfragestunde ist in der heutigen Sondersitzung nicht vorgesehen, daher erfolge an dieser Stelle kein Hinweis zur Datenverarbeitung.


Da es zur Tagesordnung keine Änderungswünsche gab, wurde diese in der vorliegenden Form von allen Ausschüssen bestätigt.


TOP 2.
A N H Ö R U N G gem. § 35 der Geschäftsordnung des Rates zum THEMA: "Situation der Bevölkerungsgruppe der Roma und dem Umgang damit in Hannover und anderen deutschen Großstädten und was unsere Kommune davon lernen kann"
Eingeladen sind:

Dzoni Sichelschmidt
(noch keine Rückmeldung)

Ralf Küper

Christian Hinrichs M.A.

Tobias Neuburger

Bernd Grafe-Ulke
Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten
Kompetenzstelle gegen Antiziganismus (KogA)

Dr. Dominik Schreiber

Andrzej Bojarski

Dr. Maiko Kahler
Grundschule Saturnring, Garbsen

Galina Lang
(noch keine Rückmeldung)

Christoph Leucht
Hildegard Lagrenne Stiftung

Kenan Emini und Sandra Goerend
Bundes Roma Verband e:V.

Mario Franz
Nds. Verband deutscher Sinti e.V.
(noch keine Rückmeldung)

Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen
Sozialwissenschaftlicher Dienst
(hat abgesagt)

Dr. Katja Schröder
Grundschule Gartenheimstraße, Hannover
(hat abgesagt)

Ratsmitglied Klippert begrüßte die teilnehmenden Expert*innen für die heutige Anhörung. Es gehe davon aus, dass es im Sinne der beteiligten Ausschüsse sei, zunächst die Autoren der Studie zu hören. Herr Neuburger habe kurzfristig seine Teilnahme absagen müssen, aber Herr Hinrichs habe sich bereit erklärt, für beide zu sprechen.

Vom Ablauf her werden, entgegen den Regelungen der Geschäftsordnung, aus Gründen der Praktikabilität zunächst mehrere Vorträge gehalten, an diese schließe sich eine Fragerunde an. Nachdem alle Anzuhörenden gehört worden seien, gebe es die Möglichkeit für die Mitglieder der Ausschüsse, weitergehende Fragen zu stellen. Für alle Anzuhörenden stehen jeweils 5 Minuten Redezeit für ihre Vorträge zur Verfügung.


Herr Hinrichs machte zunächst darauf aufmerksam, dass er den Zeitrahmen von 5 Minuten nicht werde einhalten können, da er auch den Beitrag von Herrn Neuburger mit übernehme. Er bitte daher um Nachsicht.



Im vergangenen Jahr sei es gelungen, die Studie unter dem Titel „Mechanismen des institutionellen Antiziganismus“ als Buch zu veröffentlichen.


Der Begriff selbst sei aus der Zivilgesellschaft heraus der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1969-er Jahre entstanden und habe über die vergangenen Jahrzehnte ganz viele akademische aber auch zivilgesellschaftliche Verhandlungen erfahren.


In der Öffentlichkeit werde das Thema zumeist im Kontext mit Polizeidienststellen wahrgenommen. Es sehr schwierig, empirische Feldzugänge zur Polizei zu entwickeln. Daher seien dann die genannten Felder ausgewählt worden.


Die Frage war stets, wie institutioneller Rassismus, oder wie hier: institutioneller Antiziganismus funktioniere. Die Basis bildeten 70 Interviews aus 4 verschiedenen Verwaltungsbereichen aus einer westdeutschen Großstadt. In allen Publikationen werde ausschließlich von einer „westdeutschen Großstadt“ gesprochen; diese Feststellung halte er für sehr wichtig. In die Analyse seien ebenso öffentlich verfügbare politische Dokumente, Protokolle und Konzepte als auch die lokale Presseberichterstattung mit eingeflossen.




Herr Sichelschmidt berichtete, auch in Hamburg wurden sich Gedanken zur Verbesserung der Lage der Sinti und Roma gemacht.

An den Schulen gebe es ausgebildete Ausbildungsberater, meist aus der Community stammend, die Kinder und Jugendliche unterstützen. Durch ihre Arbeit an der Schule ergebe sich ein tieferer Einblick auf die Frage, warum die Bildungsebene so schwach sei bzw. kein regelmäßiger Schulbesuch stattfinde. Bekannte Punkte wie soziale Ungleichheit, Migrationshintergrund sowie Digitalisierung und Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen, aber auch Familienstrukturen bei den Roma in Hamburg trugen ihren Teil dazu bei. Daneben sei aber sehr sichtbar geworden, dass Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Sinti und Roma beim Personal an den Schulen ein zusätzliches Hindernis für die Schüler*innen waren sowie die Bildungsbarrieren, die dabei entstanden. Die frühkindliche Entwicklung kam ins Stocken, so dass die Kinder bereits mit geringeren Ressourcen ins Schulleben starteten. Da auch zum Wechsel in die weiterführenden Schulen wenig Basiskompetenzen vorhanden sind, haben diese Kinder keinen erfolgreichen Schulweg vor sich.

Auch diese Punkte wurden in der Strategie zur Verbesserung der Lage der Sinti und Roma in Hamburg besprochen. Dabei wurde berücksichtigt, dass künftig Lösungen zur Bekämpfung der Diskriminierung angegangen mit einer gezielten Bildungsförderung, frühkindlicher Förderung, Medienkompetenz, kultureller Bildung und Stärkung der Familien. Die Veränderung der Familienstrukturen, die sich in der Gesamtgesellschaft vollziehe, komme auch bei den Sinti und Roma an. Viele Zuwander*innen aus Bulgarien und Rumänien, die nach Hamburg kommen, seien mit alleinerziehenden Müttern oder Vätern, die sich oft in noch schlimmerer Situation befänden.

Die Beratung der Sinti und Roma müsse zuvorderst den informellen Bereich erfüllen: Was sind meine Rechte, wo erhalte ich Unterstützung?

Dies seien die wichtigsten Punkte, die im Rahmen Strategie vom Senat besprochen wurden. Ein Gremium wurde gebildet, bestehend aus mehreren Vereinen in Hamburg, und gemeinsam ein strategischer Einsatz u.a. gegen Antiziganismus beschlossen. Die Sensibilisierung und Anerkennung von Ziganismus sei ein weiterer wichtiger Punkt sowie der Einsatz zur Verbesserung in Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Kultur.

Die Grundsätze sind Perspektivwechsel, nachholende Gerechtigkeit, Partizipation, die Schwerpunkte Empowerment, Sicherheit und Teilhabe von Sinti und Roma. Die Initiative für die Gesamtstrategie kam von der Bürgerrechtnachfrage, welche den Hamburger Senat aufforderte, eine umfassende Strategie zu entwickeln. Das Herzstück der Zusammenarbeit sei das neu eingerichtete Gremium, das vom Amt für Arbeit und Integration geleitet werde. Dieses Gremium treffe sich regelmäßig um die Fortschritte der Strategie zu wahren, aber auch zu diskutieren. Im Vorfeld wurden mehrere Hearings und Workshops durchgeführt, in denen die Bedürfnisse und Perspektiven der Sinti und Roma aktiv einbezogen wurden. Die Konstituierende Sitzung des Gremiums habe bereits stattgefunden und bilde die Grundlage für das künftige Arbeiten.

Die genannten Grundpfeiler der Gesamtstrategie (Perspektivwechsel, nachholende Gerechtigkeit, Partizipation) setzten auf Empowerment um die Sichtbarkeit der Sinti und Roma zu erhöhen und damit einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel zu fordern. Die Grundpfeiler sollen mehr sein als reine Schlagworte, sie müssen in allen Aspekten der täglichen Arbeit verwirklicht sein. Die Transformation müsse so tiefgreifend sein, um nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen der Diskriminierung zu benennen. Dies erfordere einen ehrlichen und manchmal auch unbequemen Dialog, eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und den gegenwärtigen Strukturen sowie den Mut, etablierte Formen und Praktiken grundlegend in Frage zu stellen.


Herr Küper stellte sich als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft (AG) Zuwanderung Osteuropa vor, die ursprünglich durch das Regionale Landesamt für Schule und Bildung initiiert worden sei. Dieses, als sein Dienstherr, lege Wert darauf, dass er darauf hinweise, an der heutigen Anhörung rein als Privatperson teilzunehmen.

Die AG sei vor ca. 8-9 Jahren aus der Situation heraus entstanden, dass immer mehr Schulen rückmeldeten, sie stünden vor großen Herausforderungen, dass Kinder neu an den Schulen ankämen, für die sie keine guten Antworten fänden. Daraufhin seien er sowie Herr Dr. Kahler, der ebenfalls zu dieser Anhörung eingeladen sei, damit beauftragt worden, sich diese Situation anzusehen und nach Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen. Diese Versuche der Unterstützung würden auch heute noch angeboten. Dabei seien viele Phasen durchlaufen worden. Auch wenn dies bitter klingen möge, seien die meisten heute angesprochenen Herausforderungen bereits vor Jahren thematisiert sowie an verschiedenen Stellen versucht worden, Lösungsvorschläge zu machen, die in der Praxis nur begrenzt aufgegriffen und realisiert wurden.

Aktuell gebe es weiterhin regelmäßig ca. 4x im Jahr Vernetzungs-/ AG-Treffen. Auf der Ebene von Schulen werden Vertreter*innen von Schulen und Unterstützergremien eingeladen und versucht, diese zu vernetzen.

Konkret biete das regionale Landesamt für Schule und Bildung Unterstützung für Schulen, die sich meldeten, es gebe individuelle Beratungs- und Vernetzungsangebote und auf der Ebene der Netzwerktreffen werde versucht, eine Übersicht über die Unterstützungsmöglichkeiten, die in Hannover für die Community vorhanden sind, zu erstellen. Dies stoße auf ein breites Interesse, da die Angebote bisher sehr unübersichtlich seien. Es gebe gute Fortschritte und er sei zuversichtlich, dass die Übersicht zeitnah fertiggestellt werden könne.



Herr Grafe-Ulke stellte sich für die Stiftung Niedersächsischer Gedenkstellen des seit 10 Jahren laufenden Modellprojektes, gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“ als Projektleiter der Kompetenzstelle gegen Antiziganismus (KogA) vor. Der Schwerpunkt liege auf modularen Programmen, zunächst sehr umfängliche modulare Programme von bis zu 10 Tagen, für berufliche Menschen aus Verwaltung, Behörden und Schulen und damit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen. Herr Tobias Neuburger, der heute seine Teilnahme leider habe absagen müssen, war einer der Kollegen der ersten 4 Jahre, bevor er dann mit Herrn Christian Hinrichs, dem ersten Redner in der heutigen Anhörung, die Studie gemacht habe.

Bereits am Anfang sei klar gewesen, dass es nicht um die Bewusstseinsänderung einzelner Personen, sondern ganzer Institutionen gehen müsse, die ihre Kultur und Struktur ändern sollten.

Als wichtig empfinde er den letzten Halbsatz des Themas der Anhörung „…und was unsere Kommune daraus lernen kann“, da Alle immer Lernende seien und es insgesamt sehr wenig Wissen über Sinti und Roma gebe. Allein der Begriff „Antiziganismus“ sei bei vielen, auch Akademiker*innen, Lehrenden oder Politiker*innen, nicht bekannt. Hier fehle es an einer gesellschaftlichen Debatte, mindestens seit Ende des 2. Weltkrieges.

Die Beteiligung der 5 Ausschüsse an der heutigen Anhörung zeige einen großen Querschnitt, der für das systemische Ineinandergreifen geeignet sei.

In 2019 habe es einen Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gegeben mit dem Tenor „Nur ein Roma-Kind pro Klasse“. Er fordere die Teilnehmenden auf sich vorzustellen, ob ein Satz „Nur ein türkisches/muslimisches/kurdisches/indisches Kind pro Klasse“ denkbar sei. Dieser Satz würde einen Aufschrei hervorrufen, nicht aber, wenn es um Roma gehe. Dazu sei die Reaktion gleich Null. Dies zeige die ganze Problematik der mangelnden Sensibilität und des mangelnden Bewusstseins dafür, was die Problematik eines derartigen Satzes sei.

Die Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten mache Programme, die von der Geschichte bis in die aktuelle Gegenwart reichten. Er würde sich ein bisschen wünschen, dass es in der Stadtgesellschaft, im Land und in der Bundesrepublik insgesamt ein wenig Staatsräson wie beim Antisemitismus gebe. Damit wäre bereits viel erreicht; es sei aber nicht der Fall. Daher könnten sich Sätze wie der genannten verbreiten, ohne dass es dazu Widerspruch gebe. Als Akteure seien Eltern, Nachbar*innen, Schulleitungen und Unterbringungen beteiligt. Schüler*innen würden durch das gesamte Stadtgebiet geschickt, da es mutmaßlich nicht sein könne, dass alle auf eine Schule gingen usw.

Diskriminierung passiere einfach und nicht, weil die einzelnen Menschen böse seien und diskriminieren wollen. Jede*r beteiligte Akteur*in nehme für sich in Anspruch, nicht zu diskriminieren. In der Bildungsarbeit werde das als kumulative Form der Diskriminierung bezeichnet. Diesen Begriff gebe es auch im europäischen Grundrechte-Recht, wenn es um die Frage der Duldung gehe.

Um eine Lösung herbeizuführen sei der bereits genannte Perspektivwechsel notwendig, das erfordere u.a. eine starke Beteiligung der Personen. Darüber hinaus seien Konzepte, nicht einzelne kleine Maßnahmen notwendig. Konzepte für institutionellens Lernen, für inklusiver Entwicklungen in Kommunen die Barrieren abbauen, so dass teilhabe gelingen könne.

Sein Appell wäre daher, politisch Konzepte zu entwickeln, die Teilhabe ermöglichten unter Beteiligung der Selbstorganisationen und von Experten.



Ratsmitglied Klippert bat nun um die ersten Nachfragen an die bisher Angehörten.


Ratsfrau Bax fragte, wie sich die Zunahme der Diagnosen des Förderbedarfs Geistige Entwicklung erklären lasse. Darüber hinaus interessiere es sie zu erfahren, wer gemeint sei, wenn es heiße, die Lösungsvorschläge würden in der Praxis nicht aufgegriffen. Da die Schulen eigenverantwortlich seien, müsse sie davon ausgehen, dass jede Schule für sich selbst Regelungen treffe oder gebe es Konzepte für ganze Kommunen?


Herr Grafe-Ulke berichtete, seine Frau sei Lehrerin an einer Schule für Geistige Entwicklung und er profitiere von ihrem Wissen. Ohne einen wissenschaftlichen Beweis antreten zu können, wolle er aber auf folgendes verweisen: Die Überprüfungen fänden in deutscher Sprache statt, so dass das Ergebnis dann oft Richtung Förderbedarf Geistige Entwicklung gehen könne. Dies betreffe nicht nur Sinti und Roma, sondern treffe bei Migration insgesamt zu.

In der vergangenen Woche habe er mit einem Schulleiter einer Förderschule Geistige Entwicklung gesprochen und dieser habe berichtet, dass er seine Lehrer*innen angewiesen habe, dass diese regelmäßig alle halbe Jahre die Überprüfungen überprüften. Dies sei aber nicht gängige Praxis. Selbst wenn die Einstufung so gewesen sein sollte, sei es enorm schwierig, dort wieder herauszukommen.

Darüber hinaus gebe es die Eigenverantwortlichkeit der Schulen und wenn Mitarbeiter*innenstellen davon abhängig seien, Schüler*innen mit Förderbedarf zu haben, könne sich aus hieraus ein Problem ergeben.

Herr Küper ergänzte, die größte Herausforderung für ihn als Förderschullehrer sehe er darin, dass es keine Kategorie für Kinder gebe, die an Schulen kämen und eine pädagogische Herausforderung darstellten. Dabei gehe es um Überforderung. Leider reagiere das hochinklusive Schulsystem mit Labeling und Etikettierungsressourcen-Dilemmata. Wer Kindern helfen wolle, müsse diese in Kategorien fassen, denn daran hingen wiederum die Personalstunden.

Die AG Zuwanderung Osteuropa habe viele Konzepte entwickelt und anzubieten. Die Vorschläge seien entsprechend an die Zuständigen gelangt und werden sicher an den entsprechenden Stellen noch bearbeitet.

Herr Hinrichs sagte, auch in den Interviews, die im Rahmen der Studie mit Lehrer*innen geführt wurden und den entsprechenden Hintergrundgesprächen am Institut für Sonderpädagogik der Leibniz-Universität sei berichtet worden, dass es die Probleme der Einstufung Förderbedarf geistige Entwicklung bereits seit Jahrzehnten bei Kindern mit Migrationshintergrund gebe. Dies sei ein strukturelles Problem des Systems Schule. Andererseits passe es genau zur Geschichte des Antiziganismus, dass schon immer mit der angeblichen, zugeschriebenen Bildungsferne oder auch kulturellen Rückständigkeit der Menschen argumentiert wurde, um Zugänge zu verwehren.

Herr Sichelschmidt erklärte, er selbst arbeite seit 13 Jahren als Bildungsberater an Schulen, die von Sinti und Roma besucht werden. In erster Linie gehe es nicht um die überproportionale Teilnahme von Sinti- und Romakindern an Förderbedarfsschulen. Es gehe vielmehr um den sachlichen Einsatz der Ressourcen der Bildungsbehörde in den Schulen und die Übernahme von Verantwortung. Noch gebe es keine Evaluierung der Inklusion, womit sich jede Schule und jede Kommune beschäftigen sollte. Wenn die Schulen die Probleme immer nur auf die Schüler*innen und die Familien schieben, zeige sich auch, dass die Schulen keine Konzepte und Lernmöglichkeiten schaffe, so dass die Kinder nicht nur mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf begleitet werden. Der sonderpädagogische Förderbedarf müsse sich aktiv anbieten und nicht nur als Aktionismus dastehen.

Ratsfrau Dommel fragte, ob es in anderen Kommunen Konzepte zum menschenwürdigen und familiengerechten Wohnen gebe. Wenn die Wohnsituation prekär sei, schade die auch dem Erfolg in der Schule. Außerdem habe die Wohnsituation auch Einfluss auf die Integration und Akzeptanz im Viertel.

Ratsfrau Zaman widersprach der Aussage von Herrn Grafe-Ulke, dass ein Satz in der Zeitung „Nur ein Roma-Kind pro Klasse“ unwidersprochen bleibe, während es bei anderen Gruppen sofort eine Gegenwehr auslösen würde. Auch dort gebe es Diskriminierungen. Es gebe Elternvereine, bei denen sich Eltern zusammenschlössen um Wahrnehmungen und Anmerkungen gezielt einzustreuen, damit nicht jede Familie einzeln reagieren müsse und das Gefühl habe, allein zu sein. Sie frage, ob es so etwas auch bei den Sinti oder Roma gebe.

Daran anschließen wolle sie die Frage, inwieweit die Gruppen sich aus eigener Wahrnehmung unterschieden. Sie habe kürzlich eine Veranstaltung mit Sinti besucht und sei dort darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese nicht immer zusammen mit den Roma genannt werden möchten.

Herr Grafe-Ulke erläuterte, es gehe darum ein Bewusstsein zu schaffen. Diese genannte Aussage (von einer Schulleiterin stammend) sei unkommentiert und ungefiltert von der Zeitung als Überschrift übernommen worden. Ein „Ausspielen“ verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sei mit seiner Äußerung nicht gemeint gewesen. Er erwarte aber einen bewussteren Umgang mit Sprache und eine Art Staatsräson. Er wolle dazu deutlich machen, dass die Sinti und Roma im Nationalsozialismus die zweitgrößte Gruppe der Verfolgten mit ½ Million Toten in Europa waren. Er erwarte daher, dass ein wenig mehr Verantwortung übernommen werde.


Herr Dr. Schreiber stellte sich als Mitarbeiter des Regionalen Bildungsbüros in Dortmund vor. Zuvor sei er Projekt-Mitarbeiter am Kommunalen Roma-Integrationszentrum in Hagen gewesen. Dortiger Schwerpunkt sei die Stärkung der Bildungsteilhabe von zugewanderten Roma aus Osteuropa gewesen.

Anknüpfend an das von Herrn Sichelschmidt gesagte wolle er da Konzept der Bildungsberatung hervorgeheben, da er davon überzeugt sei, dass dies in Hannover sehr weiterhelfen könnte. In Hagen, das um einiges kleiner sei als Hannover, finanziell nicht so gut ausgestattet sei (Hagen steht dauerhaft unter Haushaltssicherung) sei es gelungen, das Projekt zu realisieren.

Roma-Bildungsmediation bedeute, dass Roma als Mitglieder der Community eingebettet in multiprofessionelle Teams aus Sozialarbeitenden und Lehrpersonal an Schulen eingesetzt werden, um eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen der Schule und marginalisierten Roma-Familien aufzubauen und Kooperationen zur Identifikation und Beseitigung von Teilhabebarrieren zu schaffen. Wichtig sei dabei, eine feste Grundlage (also nicht Beschäftigung auf Honorarbasis) zu schaffen.

In Hagen war das Modell gewählt worden, städtische Stellen zu schaffen. In Dortmund gab es zeitgleich ein Projekt, das in Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Schulministerium und Stiftungen auf den Weg gebracht wurde, das letztlich in einem Landesprogramm, Vast vasteste genannt, mündete. Die Stellen sind inzwischen bei einem Träger angesiedelt unter dauerhaften Finanzierung aus dem kommunalen Haushalt.

Als nächstes wolle er Empfehlungen, die sich aus der Arbeit ableiteten, geben. Wichtig sei, dass zunächst ein Bewusstsein dafür entstehe, dass es sich nicht um Probleme handele, die aufgrund einer homogenen Roma-Kultur oder Bildungsferne entstehen, sondern aus dem Rassismus innerhalb der Gesellschaft: Diskriminierung, Effekte, Marginalisierung, die seit Jahrhunderten anhält. Wer den Blick nach Rumänien wende, müsse zur Kenntnis nehmen, dass Angehörige der Minderheit seit Jahrhunderten versklavt wurden. Dies seien alles Erfahrungen, die das Bewusstsein der Bevölkerungsgruppe geprägt hätten.

Daneben sei es unabdingbar, dass die Organisationen und Interessenvertretungen der Roma mit einbezogen würden.

Genauso wichtig sei ein Austausch mit anderen Kommunen, insbesondere sei der Kontakt mit dem ostfriesischen Leer empfehlenswert. Dort gebe es ein Projekt, das sich auf deutsche Sinti beziehe, aber von den Landesgesetzen und –strukturen her aufgebaut ist und sich gut auf Hannover übertragen ließe.

Wichtig sei außerdem die Einbeziehung von Schulaufsicht sowie freien Träger*innen und einen Schwerpunkt auf die Schulentwicklung zu legen und das Kollegium in Form von pädagogischen Tagen für das Thema Antiziganismus und die Geschichte der Sinti und Roma zu sensibilisieren.

Als kurze Antwort zu Frage, ob es Informationen zu Konzepten zum Wohnen gebe, ja, das sei in Dortmund und in Berlin gegeben.

Zum AO-SF (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung) -Verfahren gebe es in Nordrhein-Westfalen die Veröffentlichung einer Studie, auch vom Ministerium für Schule und Bildung, die insgesamt die Zuweisung des Sonderbedarfs Geistige Entwicklung zumindest für Nordrhein-Westfalen kritisch in den Blick nehme.



Herr Dr. Kahler stellte sich als Schulleiter einer Grundschule in Garbsen vor; diese Position habe er seit 3 Jahren inne. Im vergangenen Jahr habe seine Schule das Bücherkofferfest gefeiert. In dem Koffer seien Bücher, die in bis zu 10 Sprachen übersetzt seien, enthalten. Die Niedersächsische Kultusministerin habe das Projekt an seiner Schule eingeführt. Es sei auch die Sprache Romanes vorgestellt worden, die nach der Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2022 als Sprache der Sinti und Roma öffentlich verbreitet werden soll.

Bevor er Schulleiter wurde sei er 10 Jahre lang im Regionalen Landesamt für Schule und Bildung als Berater im Sprachbildungszentrum tätig gewesen. 2016 sei angefragt worden, ob sich dieses auch mit dem Thema Roma und Sinti beschäftigen wolle.

Politisch sei es in der Zeit eskaliert und auch in den Medien sei ständig darüber berichtet worden, insbesondere was die als Übergangslösung gedachte Unterbringung am Burgweg betraf. Diese entwickelte sich dann mit Schulabstinenz, Gewalt, Unverständnis usw. Ihm sei von einem Redakteur einer großen Tageszeitung gesagt worden, dass, wenn dann auch noch die Gelben Säcke auf der Straße vor einer Unterkunft liegen, die Hutschnur der Leser*innen überquelle. Dann kämen entsprechend die Artikel in die Zeitung und stünden dann als Herausforderung im Raum.

Für eine Behörde sei es ein eher ungewöhnliches Herangehen, wenn Mitarbeitende in einer Arbeitsgruppe arbeiten und vor Ort alles miterleben können. Die Herausforderungen seinen nicht unbedingt die von der Zielgruppe ausgehenden, sondern die denen man dann gegenüberstand. Er erinnere sich noch an seinen ersten Besuch in der Unterkunft Burgweg. Dort sei ihm eine ziemlich aufgelöste Dame begegnet, die sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt habe und einfach keinerlei Unterstützung erhalte. Herr Küper und er seien dennoch davon ausgegangen, dass sie es schaffen würden, indem sie zunächst mit Sprachförderung in der Unterkunft beginnen.

Es stellte sich dann heraus, dass es so viele Beteiligte gebe, wie AHA, Hochbauamt Bezirksbürgermeister*innen, Tiefbauamt, Polizeidienststellen, Schulamt, Grünflächen usw. Es wurden jedenfalls immer mehr Institutionen, die einzubinden seien, zum Schluss waren es 80. Eigentlich hätte sich jede*r stets mit allen anderen abstimmen müssen. Aus diese Notwendigkeit heraus habe sich die Roma-AG gegründet, da klar war, dass es einer anderen Herangehensweise bedürfe.

Die Hemmnisse seien die Abgrenzung von Arbeitsbereichen, das Einzelkämpfertum, der fehlende „lange Atem“, die Bewertung von Zugewanderten nach 2 Jahren, Gutachten für Sonderbedarf Geistige Entwicklung als „Ausweg“, keine Perspektive, gefolgt von Resignation, gefolgt von Stagnation, gefolgt von Frustration.

Gelingen könne die Überwindung der Graubereiche der Überschneidungen zwischen den einzelnen Beteiligten nur durch einen langen Atem, die Minimierung von Abgrenzungen durch fachübergreifenden Einsatz (Task-Force, Steuerungsgruppe, Sozialarbeit), Handlungsabläufe und Erreichbarkeiten von und für Protagonist*innen zur Verfügung stellen, Behörde/Schule vor Ort mit Mikro-Runden, zu denen jeweils verschiedene Professionen eingeladen werden können, die Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 08.12.2022 zur Vermittlung der Geschichte und Gegenwart von Sinti und Roma deutlicher in Schulen sichtbar machen, die Aussetzung der Bewertung für Zugewanderte über den Zeitraum von 2 Jahre verlängern und wenn Gutachten, dann mit einer neuen Kategorie, z.B. „Trauma“, mehr Fleximodell, wie Teil-Abschlüsse, Teil-Ausbildung, Teil-Studium, Teil-Professionalisierung um eine „Teil-Nahme“ zu ermöglichen.



Frau Lang stellte sich als interkulturelle pädagogische Mitarbeiterin und freiwillige Helferin vor. Dadurch sei es ihr gelungen, einen Zugang zu den Roma-Familien aus Bulgarien zu erreichen, ihr Vertrauen gewinnen sowie eine Brücke zwischen den Familien und Schule zu bauen. Aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit wolle sie sich auf 3 Punkte konzentrieren, die diese Arbeit auszeichne. Die traditionelle Kultur bei den Familien einschließlich Zwangsverheiratung bzw. Verkaufen von Mädchen bedurfte der Aufklärung. Es sei gelungen, diese Praktiken, die in Deutschland eine Straftat darstellen, zu verhindern. Schul-Absentismus konnte durch die Aufklärung vor Ort und die Zusammenarbeit mit den Eltern in den Griff bekommen werden. In Bulgarien gebe es die sog. „U-Untersuchungen“ bei kleinen Kindern nicht, die Familien gingen mit ihren Kindern auch nicht regelmäßig zum Arzt.

Die Begleitung der Familien zu den Untersuchungen habe sich als positiv herausgestellt, da z.B. Fehlsichtigkeiten auf diesem Weg entdeckt werden konnten.

Sie wollte heute die Gelegenheit in der Anhörung nutzen darauf hinzuweisen, wie wichtig es sei, interkulturelle Mitarbeitende in multifunktionellen Teams vor Ort an Schulen oder Kindertagesstätten einzusetzen, da diese eine Brückenfunktion zwischen den Institutionen und den Familien wahrnehmen könnten. Es werde die Sprache der Familien gesprochen und auch könne auf dem Sprachlevel der Familien übersetzt werden. Nicht immer helfe eine bloße Übersetzung der Wörter weiter.


Herr Leucht stellte sich als Mitarbeiter der Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland vor. Die Stiftung sei symbolisch am Tag nach der Einweihung des Denkmals mit dem privaten Vermögen von Sinti und Roma und mithilfe anderer Stiftungen als selbständige Stiftung in 2014 gründet worden. Büros werden in Berlin und Mannheim unterhalten.

Die Förderung von Bildungsbeteiligung sei die Hauptaufgabe der Stiftung und in diesem Rahmen auch der Bildungsansatz mit Schulmediator*innen. Herr Sichelschmidt habe bereits auf die ähnlichen Ansätze mit Schulbegleiter*innen und Bildungsberater*innen hingewiesen, die zwar unterschiedlich ausgestaltet werden, aber insgesamt aus Sicht der Stiftung den wirksamsten Handlungsansatz darstellen, da sie erwachsene, engagierte Personen aus der Community, im Idealfall mit pädagogischer Ausbildung, in das System Schule hereinholen und dort verschiedene Funktionen erfüllen. Dies sei zum einen, und Schulen wünschten sich dies insbesondere, die Verbesserung der Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften. Dies sei sehr wichtig, die Stiftung warne aber davor, auf dieser Stufe stehenzubleiben, da dies noch nicht dabei helfe, die Defizitperspektive und die fokussierte Wahrnehmung von Roma, die Generalisierung und Ethnisierung von Roma als „Problemgruppe“ zu überwinden. Dazu sei ein zweiter Effekt wichtig, den Mediator*innen bei entsprechender Ausbildung und Rahmung auch erfüllen können, nämlich die Kooperation von Eltern und Lehrkräften, um Probleme wie Diskriminierung, Zugangsbarrieren, eine bestimmte Perspektive und ein Mindset auf die anderen Kinder von anderen Schüler*innen und Eltern schrittweise zu erarbeiten und praktische Probleme in den Fokus zu nehmen.

Das funktioniere an verschiedenen Orten sehr unterschiedlich. Teilweise sei dies auf Landesebene organisiert oder auf kommunaler Ebene, mit öffentlichen Mitteln finanziert. Herr Dr. Schreiber sei einer der „Helden“, der dies mit Bordmitteln in einer kleinen Kommune wie Hagen aus der Verwaltung heraus organisiert habe. Hier könnten andere viel lernen, wie eine Kommune mit ganz wenig Geld viel erreichen konnte und die Wirkung entfalten konnte.

Wichtig sei, dass sich darauf verständigt werde, dass es sich nicht um ein Programm handele, das „bildungsferne“ Roma zu Bildung bringe. Diese Perspektive sei bereits Teil des Problems. Zwar gebe es bei Roma, wie auch bei anderen Gruppen, bildungsferne Familien. Hier hebe er aber hervor, dass es dafür Gründe gebe, wie jahrhundertelange Diskriminierung, das führe zu Misstrauen und Angst gegenüber formellen Strukturen. Formelle Bildung und Beschäftigung führten vielleicht zu einer Fokussierung auf informelle Bildung und Beschäftigung, die möglicherweise ethnisiert werde. Genauso schwer wiege auch die gesellschaftliche Perspektive auf Sinti und Roma als Personen, die sich nicht an Regeln halten können, die faul sind, die keine Bildung wollten. Dies habe eine wichtige historische Funktion, die schon 500 Jahre alt sei, aber auch eine wichtige aktuelle Funktion. Über Sinti und Roma zu hetzen bringe einen politischen Zustimmungsprozess in Gang, erzeuge sozialen Zusammenhalt und sei selbst heutzutage noch ein Automatismus, ein eingelerntes, in unserer Gesellschaft eingeschriebenes Verhalten.

Die Einzelwahrnehmung von Müll, Dreck, Schmutz, die sich als Realität präsentiere werde durch die vorhandenen Bilder im Kopf „wie sind Sinti oder Roma“ selektiv wahrgenommen.

Die Hildegard Lagrenne Stiftung schlage daher vor, diese Perspektiven zu überwinden und neue Handlungsoptionen zu entdecken und dabei aus den konkreten Einzellösungen anderer Kommunen in Betracht zu lernen.


Herr Emini stellte sich als Vertreter des Bundes Roma Verband e.V. vor; er engagiere sich seit 2006 auch im Roma Antidiscrimination Network.

Wichtig sei zunächst zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Er spreche für das Spektrum der Roma aus dem Balkan, die seit 30 Jahren in Deutschland lebten und von Anfang an von allem ausgeschlossen waren. Es gab keine Asylanerkennung und nur Duldungen für jeweils 3 Monate, Residenzpflicht, d.h. keine freie Bewegung im Land, Zuweisungen von Wohnungen, was sich später als Problem herausstellte, da die anfangs ausreichend große Wohnung durch Familienzuwachs dann viel zu klein wurde, das bis 2010 geltende Arbeitsverbot und keine Weiterbildung. Die jüngeren Menschen konnten nicht die Schule beenden, eine Ausbildung machen oder studieren, da sie immer unter dem Druck standen, dass ihre Duldung nur für 3 Monate gültig war und jederzeit eine Abschiebung gedroht habe. Für 10/15 Jahre bestand dieser Druck, der sich auch auf die nachfolgende Generation ausgewirkt habe.

All dies wiederhole sich nun für rumänische Roma, die sich seit 2 Jahren in Aufnahmezentren befinden. Von einem Aufnahmezentrum kämen sie ins nächste, es gebe keine Wohnungen für sie und auch keine Unterstützung, welche zu erhalten. Die Aufnahmezentren profitierten davon, da sie hierfür Geld kassierten. Die Kinder könnten nicht die Schule besuchen, es gebe lediglich ein alternatives Coaching mit Kinderspielen usw. Man müsse sich dringend darüber Gedanken machen, wie die Menschen unterstützt werden können.

Die Roma-Selbsthilfeorganisationen müssten in alle allgemeinen Angelegenheiten mit einbezogen werden, also nicht über sie hinweg entscheiden, sondern mit ihnen gemeinsam. Daneben müsse es Sensibilisierungen und Schulungen von Mitarbeitenden von Schulen, anderen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Trägern geben. Personen, die zwar aus Rumänien oder Bulgarien stammten aber nicht zu den Roma gehörten, seien oft ebenfalls mit großen Vorurteilen behaftet, da die Gesellschaften in beiden Ländern seit Jahrhunderten große Diskriminierungen und Rassismen zulasten der Roma lebten. Dies brächten sie nach Deutschland mit und pauschalierten es vom Einzelfall auf die gesamte Gemeinschaft der Sinti oder Roma. Das präge sich dann auch schnell bei der Mehrheitsgesellschaft ein, die dann ebenfalls die Diskriminierungen und Rassismen übernähmen.

Daher sei es immer wieder wichtig zu betonen, dass die Vermittleraufgaben von Roma für Roma wahrgenommen werden würden. Auch in Kombination mit Sozialarbeit sei es denkbar, nur nicht allein, damit habe die Community schlechte Erfahrungen gesammelt. Für 1 ½ Jahre habe es eine Stelle für Roma-Mediatoren gegeben, die Mittel dazu hätten mühsam aufgebracht werden müssen. Es gebe keine Mittel dafür, obwohl diese Position zwischen Eltern und Lehrkräften sehr wichtig wäre. Er könne später noch zu den Erfolgen der Stelle berichten.

Es fehle noch Romanes als Sprache in den Schulen, damit die Vorurteile abgebaut und mehr Sensibilisierung von Kindern und Lehrkräften möglich werde, mehr Dynamisierung in der Schule mit bspw. Wortcafés, damit die Kinder sich besser kennenlernen. Es gebe leider nur wenige Roma-Jugendliche, die trotz Diskriminierung und Ausgrenzung an Freizeit- und Sportaktivitäten teilnähmen. Daher wäre es wichtig, dass in den Roma-Vereinen oder –Verbänden darüber gesprochen werde.

Mehr Unterstützung bei der Suche nach Wohnungen wäre wünschenswert, ebenso das Wissen darüber, was die Roma aus Ex-Jugoslawien in Deutschland erlebt haben. Die Arbeit, die Roma aus Rumänien und Bulgarien verrichteten seien die gleichen wie die, die die Roma aus Ex-Jugoslawien ausübten, obwohl diese bereits seit 30/40 Jahren in Deutschland seien und das nur, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, sich weiterzubilden.



Als Vertreter für den Nds. Verband deutscher Sinti e.V. stellte sich Herr Franz vor. Er dankte dafür, dass die Wichtigkeit der Partizipation und Selbstorganisation hervorgehoben worden sei. Der importierte Rassismus und dessen Aufnahme in die Mehrheitsgesellschaft werde oft nicht diskutiert.

Oft werde von fehlender Bildung gesprochen. Dies könne nicht den Sinti und Roma allein zugesprochen werden, sondern betreffe vor allem die Mehrheitsgesellschaft. Bildung müsse neu geschaffen und systematisch anders aufgebaut werden. Bei der Frage nach Unterschieden zwischen Sinti und Roma müsse man weg vom Schubladendenken. Bereits im 7. Jahrhundert seien beide als Kastensystem aus Indien ausgewandert; bereits damals gab es verschiedene Gruppen, die sich unter einer Sprache verständigt haben. Innerhalb der Gruppen gebe es eine absolute Solidarität, alles was gegen die einen gehe, führe zur Solidarisierung durch die anderen, damit gemeinsam synergetisch ein Ausweg gefunden werde. Dennoch sei es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Solidarität nicht mit Homogenität gleichzusetzen sei. Auch die Mehrheitsgesellschaft sei nicht homogen.

Bei der Zuordnung von Schule und Lernschwäche habe er Ausführungen zur Ethnisierung von Lernschwäche und Delinquenzen vermisst. Sein Verband und auch die Nds. Beratungsstelle arbeiteten seit 40 Jahren an diesem Thema und daher seien sehr viele Fälle bekannt. Im eigenen Familienumfeld habe es ein Kind gegeben, dem seitens der Lehrkräfte und der Schule Lernschwäche attestiert worden sei. Über ein ½ Jahr lang sei dagegen interveniert worden, letztendlich konnte mit den Wirkmechanismen der ziganen Projektion, auf das er an dieser Stelle nicht näher eingehen wolle, erreicht werden, dass die Lehrkraft bestätigt habe, dass eine Fehleinschätzung vorlag. Vor 2 Jahren habe das benannte Kind, nun erwachsen, seine Doktorarbeit in Kunst und Geschichte geschrieben.

Nicht selten fehlt es an Wissen über die gesellschaftliche Herkunftssituation und der daraus resultierenden Prägungen in den Communities. Dazu gehören Wissen über generationsübergreifende Segregation im Bereich Ökonomie, Bildung und soziale Teilhabe. Die oft aus der Not resultierenden Überlebensstrategien und Alltagsbewältigungen erfahren durch die multiplen Barrieren wie sprachliche usw. nur wenige Updatemöglichkeiten und bleiben so teilweise bestehen und konterkarieren den weiteren Weg. Das führt auch dazu, dass migrantische Roma und besonders in den ersten Monaten nicht ausreichende Informationen darüber bekommen, in welchem Maßstab sie hier die Überlebensstrategien im Vergleich zu ihren Herkunftsländern anpassen oder ändern können. Es wäre empfehlenswert, vorhandene kommunalen Strukturen der Selbstorganisation, die langjährige Expertisen auf diesem Gebiet haben, zu nutzen und zu fördern, sowie den Fokus mehr auf Analyse als auf Symptombekämpfung zu legen. Beim Thema Antiziganismus, der Begriff Ziganprojektionismus sei eher zu bevorzugen, da es mehr Facetten abdecke, könne man erfahrungsgemäß nicht mit provisorischen Hilfsprojekten, die tendenziell allein in die Hand mehrheitsgesellschaftlicher Organisationen vergeben werden, nachhaltige, zufriedenstellende Veränderungen erzielen. Es bedürfe vielmehr der Selbstorganisationen auf Augenhöhe, die durch ihre langjährige Praxiserfahrung am nächsten am Thema dran seien. Augenhöhe bedeute aber Gleichberechtigung auf allen maßgebenden Ebenen, also auch auf gesellschaftlicher, sozialer und ökonomischer Ebene.

Es sei nicht so, dass es in Hannover keine gelungenen Vorzeigeprojekte im Bereich der Behörden und Community der Roma als auch der Sinti gebe. Durch das Bekanntwerden der Studie über eine westdeutsche Großstadt mit dem Eingeständnis der Stadt, dass es sich dabei um die Landeshauptstadt Hannover handele und den engagierten Oberbürgermeister, einen Menschen der neuen Generation, dessen es nach 600 Jahren endlich einmal bedurft hätte, habe es auch Reaktionen von Seiten der Region Hannover gegeben. Das Jobcenter Region Hannover wolle gerne eine Kooperation eingehen, um langfristig präventiv zu arbeiten und auch jüngere Menschen in die Arbeit oder Schule zu begleiten.

Eines der wichtigsten Projekte in Hannover sei das Projekt „Meilenstein“, bei dem es sich um ein Kooperationsprojekt der Nds. Beratungsstelle von Sinti und Roma in Hannover und dem Kommunalen Sozialdienst der Landeshauptstadt Hannover handelt. In dem Projekt wirken Menschen aus der Community der Sinti und Roma und der Mehrheitsgesellschaft zusammen, die über zielgruppenspezifisches Wissen, Kulturlebenssituationen sowie Erfahrungen in der sozialen Beratung verfügen. Seit 2019 arbeitet das Team erfolgreich im Bereich der Verbesserung der Lebens- und Beziehungssituationen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien mit Zugehörigkeit zu der Minderheit der Roma und auch der Sinti zusammen. Aufgabe sei es, die Familien bei Bedarf in Erziehungsfragen zu beraten und ihnen einen Zugang zu verschiedenen Institutionen und Behörden zu verschaffen. Das Ziel sei eine frühzeitige Identifizierung schwieriger Erziehungs- und Lebenssituationen bei den Familien um präventiv wirksam zu unterstützen. Dazu gehören Informationen über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme bedarfsgerechter Unterstützungsangebote der Hilfe zur Erziehung durch den Kommunalen Sozialdienst, Aufklärung über Rechtsansprüche gegenüber Institutionen und Behörden, Abbau von Ängsten und gegenseitigen Vorurteilen im Umgang mit den Institutionen Jugendamt und weiteren Behörden und Institutionen. Aufklärung über Rechte und Pflichten von Eltern und Kindern, Begleitung und Unterstützung bei Kontakten zu Behörden und Institutionen, parteiliches Handeln im Interesse von Kindern und Jugendlichen, begleitende Arbeit mit Angehörigen und Unterstützer*innen vom Empowerment, fachliche Unterstützung von Sozialarbeiter*innen und Behördenmitarbeitenden, stetiger Austausch mit Sozialarbeitenden und Behördenmitarbeitenden zur Selbstsensibilisierung für diskriminierende Situationen.

Die methodischen Ansätze seien kultursensible Arbeit in Beratung und Begleitung, Vernetzung und Empowerment. Die Mittler*innen der Sinti und Roma wurden in Fortsetzungsmodulen der Nds. Beratungsstelle der Sinti und Roma in Kooperation mit dem Sozialen Kommunaldienst auf die Anforderungen in Bezug auf die soziale Familienbegleitung vorbereitet und für Aufgaben und Arbeiten im Jugendhilfekontext qualifiziert. Das Fortbildungsprogramm werde regelmäßig angepasst. Das Interesse von Hannover an Bildungsbegleiter*innen war in den letzten Jahren aus Sicht des Verbandes etwas mehr als mittelmäßig. Der Förderungswille sei noch geringer gewesen. Der Verband hoffe, dass sich dies zukünftig ändern werde.


Auf die Frage von Ratsherrn Engelke, ob das Verkaufen von Kindern nicht auch in Bulgarien verboten sei, sagte Frau Lang, natürlich sei dies der Fall. Es gehe aber um die Tradition der Bevölkerungsgruppe, junge Mädchen zu stehlen.

Herr Leucht machte deutlich, dass es sich dabei um Einzelfälle handele, er bitte daher darum, diese nicht zu pauschalisieren, dies helfe dem Thema in keinster Weise weiter. Hier spreche er aus Erfahrungen. Überlegungen, was insgesamt zur Verbesserung der Situation unternommen werden könne, sei sinnvoller. Kommunalpolitisch bringe es überhaupt nichts, diese Einzelfälle, in denen Familien überzogen reagierten, zur Grundlage des Handelns zu machen, es sei denn, der Status Quo solle erhalten werden.

Ratsherr Wolf dankte den Gästen, dass sie an der heutigen Anhörung teilnehmen. Einige seien ihm persönlich noch aus der Arbeit in der Landes AG bekannt. Er freue sich, dass es gelungen sei, so viele Teilnehmende zum Kommen zu motivieren und dass insbesondere auch Menschen aus der Community vertreten seien.

Er erinnerte daran, dass die Sinti und Roma die zweitgrößte Gruppe war, die im 3. Reich vernichtet worden ist. Die Suche nach Gräbern und damit auch Erinnerungen sei im Gegensatz zum Gedenken an jüdische Menschen leider untergegangen. Es habe einige wenige Projekte gegeben, die aber nach und nach aufgegeben worden seien. Das Wissen um die Orte gehe damit verloren. Sie unterliegen aber der Gräberordnung, die eine ewige Betreuung von staatlicher Seite verlange, was auch zugesagt worden sei. Er frage daher, ob es von Seiten der Angehörten Projekte, Möglichkeiten oder Kontakte gebe, wie die jetzt noch bestehenden Gräber, bei denen es sich teilweise um Massengräber handelt, noch finden könne und wie sich ein Gedenken, eine Markierung oder auch Grabpflege gestalten ließe, zumindest in dem Umfang, wie es die Community wünsche.

Die nächste Frage richte sich an Herrn Sichelschmidt: Gibt es in Hamburg Räumlichkeiten für Menschen aus der Community, die dort zusammenkommen und ihre Kultur reflektieren und eine Gemeinschaft entwickeln können? Wenn ja, welche Erfahrungen seien damit gemacht worden?

Die letzte Frage richte sich an Herrn Dr. Schreiber oder Herrn Franz: Die Erfahrungen aus Leer mit den Bildungsmittler*innen aus der Community, die entsprechend ausgebildet worden sind und in ganz Deutschland als Fachleute eingesetzt werden. Wie ist es dazu gekommen?


Herr Franz erklärte, es gebe aus der Community heraus die Möglichkeit, die Standorte alter Gräber zu eruieren. Dies sei aber mit viel Arbeit verbunden und Niedersachsen hänge da noch etwas zurück. In Sachsen-Anhalt, wo der Verband teilweise ebenfalls zuständig sei, werde bspw. ein Mausoleum betreut, das kürzlich für 350.000€ saniert worden sei.

Er könne bestätigen, dass die Arbeit mit dem Verein aus Leer sehr gut gelaufen sei, weil es dort einen Förderungswillen gegeben habe. Die Ausbildung sei über einen längeren Zeitraum gelaufen und habe sich in der Hand der Community mit Zuarbeit von außen befunden. Auch wenn es sich um ein beispielhaftes Projekt handele, sei es nicht das Einzige, das praktiziert werde. Die Bildungsbegleitung gebe es in Niedersachsen schon seit 30 Jahren, allerdings punktuell und immer nur im Ehrenamt. Daher werde es auch nicht so bekannt. Daher sei es erfreulich, dass zumindest dieses eine Projekt so große Beachtung erfahre.

Herr Sichelschmidt antwortete, in Hamburg gebe es mehrere Roma-Organisationen, die auch lokal arbeiteten. Im Rahmen des Ausbildungsprojektes ROMED, das zusammen mit der Hildegard Lagrenne Stiftung durchgeführt wurde, sei festgestellt worden, dass Kooperationen dabei helfen können, deren bestehende Infrastruktur zu nutzen, um bspw. Feste zu organisieren. Eine sehr erfolgreiche Kooperation gebe es seit 12 Jahren mit Kampnagel und Kunst e.V., in dem wir jedes Jahr Theaterfestivals organisieren oder Musikveranstaltungen für Roma, wo diese sich auch treffen, aber u.a. auch in Hamburg-Mitte wo jedes Jahr in St. Pauli zum St. Georgs Tag, wo über hunderte Familien zu den Veranstaltungen kommen. Daneben gebe es vor allem außerschulische Lernorte, wo in Stadtteilen gearbeitet werde, aber sich auch zentral treffen könne. Diese bieten eine sehr gute Möglichkeit, sich zu organisieren, d.h. die Jugendlichen werden unterstützt mit Nachhilfeunterricht, haben aber gleichzeitig die Möglichkeit, an Angeboten der Kooperationspartner teilzunehmen, ob es die Ferienangebote sind oder etwas höhere Angebote wie z.B. kulturelle und Kunstveranstaltungen. Hier werden hochrangige Künstler oder Theaterproduzenten nach Hamburg eingeladen und die Roma-Community hat dann ebenfalls die Gelegenheit, zu Besuch kommen, wie auch die Orte, wo die Mehrheitsgesellschaft da ist, so dass sich auch die Roma mit diesen Orten identifizieren können. Es gibt tatsächlich mehr Möglichkeiten in den letzten Jahren in die Kooperation zu gehen mit existierenden Angeboten und Infrastrukturen der Kooperationspartner. Damit sei viel möglich.

Ratsfrau Zahl sagte, auch in der heutigen Anhörung sei klar geworden, dass es wichtig sei, mit den Betroffenen zu sprechen und nicht über sie, sowie (Hintergrund-)Wissen zu verbreiten. Gerne nehme sie das Angebot in Anspruch, sich weitere Informationen zukommen zu lassen und komme auch gerne mit den Expert*innen ins Gespräch. Wenn hierzu die E-Mail-Adressen der Vortragenden an die Ausschüsse weitergeleitet werden könnten, sei das sehr hilfreich.

Zur Frage von Ratsfrau Zahl, wie es gelungen sei, die von Seiten der Schule festgelegte Lernschwächebescheinigung abzuwenden (ein halbes Jahr für dieses Unterfangen erscheine ihr wirklich sehr viel Zeit), erklärte Herr Franz, die Länge der Zeit erkläre sich auch damit, dass die Art der Bildung, die es hierfür bedürfe, seit hunderten Jahren bei den Sinti nicht vorhanden war. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass die Community bei dieser Bildung etwa 70 Jahre „zurückhänge“. Es musste mühsam, quasi Schicht für Schicht, herausgearbeitet werden, um nicht aus der Schule herausgeworfen zu werden. Nur das Standing in der Politik habe dazu beigetragen, dass man die Familie nicht abwehren konnte. Irgendwann war dann eine gemeinsame Grundlage erreicht, die überhaupt Gespräche miteinander zuließ und eine Reflektierung möglich wurde. Dieser Prozess sei sehr mühsam gewesen.

Insgesamt liege dies inzwischen einige Jahre zurück und man sei dazu übergegangen, diese Erfahrungen zu nutzen, um u.a. gemeinsam mit der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten und Leibniz-Universität Hannover mehr Bildung in die Behördenpolitik sowie die Arbeit der Polizei zu bringen.

Bildung koste Zeit und Geld, hier bedürfe es mehr Unterstützung, damit es mehr Möglichkeiten gebe und solche Fälle nicht mehr passierten.

Ratsfrau Zaman betonte ebenfalls, dass sie eine Einbeziehung der Betroffenen für wichtig halte. Hier gebe es die verschiedensten Möglichkeiten der Partizipation.

Auf die Frage von Ratsfrau Zaman, wie zeitintensiv es sei, Menschen nicht nur in ihrer Sprache, sondern auch mit Berücksichtigung ihres persönlichen Hintergrundes zu betreuen und wie viele Übersetz*innen/Vermittler*innen es bedürfe, um eine entsprechende Erreichbarkeit für die Familien zu gewährleisten, sagte Frau Lang, sie selbst habe seit über 5 Jahren immer Zeitverträge für jeweils 6 Monate von der Landeshauptstadt Hannover erhalten. Diese Situation sei für sie sehr schwierig, aber sie liebe ihre Arbeit und sei daher dabei geblieben. Seit 2 Monaten sei sie nicht mehr interkulturelle Mitarbeiterin. Bis dahin habe sie auf 2 Schulen (einer Weiterführenden sowie einer Grundschule in Mühlenberg) aufgeteilt gearbeitet, einfach, weil der Bedarf so groß sei. Ihrer Meinung nach brauche es mindestens 2 interkulturelle Mitarbeiter*innen, um zumindest die Sprachen abzudecken, die von den meisten Schüler*innen gesprochen werden. Diese Mitarbeitenden könnten dann auch auf Schulen aufgeteilt werden. In ihre Zeit sei auch die Corona-Pandemie gefallen, in der die Zusammenarbeit mit den Familien besonders intensiv war; es habe beide Seiten sehr „zusammengeschweißt“ und es konnte viel erreicht werden. Teilweise, wenn es sich um Notfälle gehandelt habe, hätten die Familien sie auch nachts angerufen. Die Familien suchten nicht nur Hilfe sondern auch Rat und gemeinsam sei überlegt worden, was das Beste wäre. Die Familien kämen nach Deutschland, weil sie sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder wünschten. Gleichzeitig seien die von ihr betreuten Familien wiederum auch Multiplikatoren für andere Familien. Sie selbst betreue über 200 Familien in Mühlenberg.

Herr Leucht erklärte, wie bereits eingangs erwähnt sehe die Hildegard Lagrenne Stiftung eine große Gefahr darin, mit dem Modell der Sprachmittler*innen zu arbeiten, weil es hier sehr einfach sei, die Defizitperspektive zu verstärken. Das funktioniere dann so: Die Schulleitung nimmt Roma als bildungsfern wahr, die Sprachmittler*innen sind für bspw. 10 Schulen zuständig, wenn die bildungsfernen Familien nicht „funktionieren“, werden die Sprachmittler*innen gerufen, diese „reparieren“ oder kommunizieren irgendetwas und dann gehe es weiter nach „Schema F“. Dies biete keinerlei Möglichkeit, Rassismusprobleme an der Schule, Zugangsbarrieren, Mindsets von Lehrkräften oder anderen Schüler*innen zu bearbeiten, sondern verstärke die Wahrnehmung. Daher warne die Stiftung ausdrücklich davor, auch wenn es möglicherweise etwas besser sei, als nichts zu unternehmen. Er warne auch ein bisschen vor der Kulturkreisthese, wer gehört zu welchem, wie sind sie abzugrenzen oder überschneiden sich, Personen aus der Community, die Hochschullehrer*innen oder Professor*innen seien, es handele sich immer auch um eine soziale Frage nach der Herkunft. Wie bereits Herr Emini und Herr Sichelschmidt sagten, ist in Rumänien und Bulgarien ein gesellschaftlich normierter Rassismus wie „die“ Roma seien, noch viel stärker etabliert als in Deutschland.

Nach Erfahrungen der Hildegard Lagrenne Stiftung brauchen auch Personen aus den genannten Ländern dringend Fortbildungen, um einen weniger paternalistischen Blick und mehr einen rassismuskritschen Blick auf die Community zu werfen.

Die Stiftung schlage vor und empfehle, nicht mehr als 2 Schulen pro Person und nicht weniger als ½ Stelle einzurichten. Nur so könnten die Mitarbeitenden auch an den Schulentwicklungsprozessen und den Lehrerkonferenzen teilnehmen, mal beim Unterricht hospitieren, Pausenaufsicht ausüben und nicht nur als „Feuerwehrkräfte“ betrachtet werden, die nur dann kommen, wenn es Probleme gibt um zu beweisen, dass Roma nur Schwierigkeiten machen und jemanden brauchen, damit sie ordentlich funktionieren.

Frau Goerend machte darauf aufmerksam, dass weder Frau Lang noch sie selbst zum Kulturkreis der Roma gehörten. Es sei wichtig, dies zu verstehen. Ihre eigene Aufgabe sei es daher nicht, mit Roma zu arbeiten, sondern mit der Mehrheitsbevölkerung. Roma-Mediator*innen müssten aus der Roma-Community selbst kommen. Die Aufgabe von Menschen aus der Mehrheitsbevölkerung und aus der Roma-Gesellschaft sei es, Vorurteile abzubauen und mit der Mehrheitsbevölkerung zu arbeiten, damit diese sich öffne und verstehe, dass Roma die gleichen Rechte hätten, wie alle anderen in dieser Gesellschaft.

Herr Emini ergänzte, die Anti-Ziganismus-Kommission habe der Auftrag herausgegeben, aus der die Studie entstanden sei. In dieser Studie, die sich auf 600 Seiten von Sozialem über Schule bis hin zu Arbeitsmarkt bis hin zu Diskriminierung und Rassismus befasse, gebe es bereits die entsprechenden Empfehlungen. Er rege daher an, sich mit dieser Studie zu befassen. Deutschland sei sehr vielfältig nur oft gebe es das Problem, dass es an Ressourcen mangele. Oft würden Projekte zu kurzfristig unterstützt, es sei aber notwendig, diese auf Dauer zu etablieren, wenn wirklich nachhaltig Fortschritte erreicht werden sollen.

Ratsfrau Bax stimmte der Aussage, dass miteinander reden hilfreich sei, zu. Nichts desto trotz klappe die Kommunikation nicht immer und wenn dann Probleme auftauchten, werde die Politik eingeschaltet. Sie erinnerte an den Anruf einer Schule, dass dort 12 neue Schüler*innen aufgenommen werden sollten, weil die Familien plötzlich von einer in eine andere Unterkunft umgesiedelt wurden. Die abgebende Schule habe mit es großem zeitlichen Aufwand geschafft, die Schüler*innen sehr gut ins System einzubringen und quasi vom einen auf den anderen Tag müssten diese nun eine andere Schule besuchen. Dies erscheine ihr als selbstgeschaffenes Problem. Die Leitung der neuen Schule müsse nun erneut alle notwendigen Ressourcen zusammenbringen, was nicht notwendig wäre, denn an der abgebenden Schule war dies schon erfolgt. Hier komme nun Herr Dr. Schreiber aus Dortmund ins Spiel, denn ihm scheine es dort zu gelingen, die Verantwortlichkeiten zu bündeln. Sie selbst habe in dem geschilderten Fall versucht herauszufinden, wer denn eigentlich zuständig sei.

In einem Campus haben die Beteiligten am Mühlenberg zusammen die Idee entwickelt, weg vom ethnischen Schubladendenken zu kommen und stattdessen etwas für schulungeübte Kinder zu tun. Den Kindern und ihren Familien sollte dabei zunächst erklärt werden, wie das deutsche Schulsystem funktioniere, wie man im Unterricht mitarbeiten könne usw. Daran werde noch immer gearbeitet. Inzwischen wurde dies allerdings verboten, da es nicht inklusiv sei. Nach ihrer Meinung sei dieses Verbot institutioneller Rassismus.

Herr Dr. Schreiber erklärte, die ihm zugeschriebene Rolle habe er in Dortmund nicht inne. In Hagen sei dies anderes gewesen, insbesondere in Bezug auf Bildungsteilhabe. In Dortmund gebe es seit Dezember 2023 eine Kollegin im Regionalen Bildungsbüro, eingerichtet als kommunale Dauerstelle per Ratsbeschluss, als Handlungsfeldkoordinatorin für die Stärkung von Bildungsteilhabe von Zugewanderten aus Südosteuropa. Dies sei eine Möglichkeit.

Wenn es darüber hinaus um die Zusammenarbeit auch mit freien Trägern, Wohlfahrtsverbänden, Selbstorganisationen, Ehrenamt usw. gehe, gebe es in Dortmund eine seit 10 Jahren bewährte Struktur, die sog. Gesamtstrategie Neuzuwanderung. Hervorgegangen sei sie aus der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Hier werde gerne der Begriff „Wimmelbild“ verwandt. Um es zu verdeutlichen, müsse man sich eine groß angelegte Struktur mit einer Koordinationsebene und einer Sortierung in Handlungsfelder wie Kinder- und Jugendhilfe, schulische Bildung, Gesundheit, Arbeitsmarktintegration, Ehrenamtsarbeit, Einbindung Migrantenorganisation. In den Handlungsfeldern gebe es immer Fachgruppen, es gebe immer eine Doppelspitze mit kommunaler Vertretung und einer Vertretung aus der Zivilgesellschaft koordiniert. Die Verantwortlichkeit und Koordination liege im Sozialdezernat mit einer Verbindung bis in den Verwaltungsvorstand.

Ratsherr Wolf betonte, dass er sich freue, wenn jemand betone, wie sehr er*sie für die eigene Arbeit brenne und diese auch nach Jahren noch gerne ausübe.

Er wies darauf hin, dass die Wichtigkeit des Themas der Anhörung dadurch betont worden sei, dass hierfür eine Sondersitzung mit 5 beteiligten Ratsausschüssen einberufen worden sei.

Vor 7 Jahren seien 2 Stellen für die Peter-Ustinov-Schule beantragt und bewilligt worden für Bildungsmittler*innen, um speziell mit Romakindern zu kommunizieren. Irgendwann sei das wohl im Sande verlaufen, es interessiere ihn daher zu erfahren, was daraus geworden sei, ob davon noch jemand da sei, ob noch etwas aufgearbeitet werden könne und ob es eine Evaluation gebe.

Beigeordnete Klebe-Politze sagte, sie wolle einmal das Positive hervorheben. Sie selbst arbeite seit vielen Jahren im Schulkindergarten und habe dadurch viel mit den Familien zu tun. Sie sei sehr froh, dass die Schulsozialarbeit mehr als verdoppelt wurde, dass Schulen mit besonderen Herausforderungen (mit mehr Personal) eingerichtet wurden. Der Sozialindex sei eingeführt worden, ebenso das Startchancenprogramm werde berücksichtigt bei 50% aller hannoverschen Schulen, vorwiegend an Grundschulen, denn Schulkindergarten bedeute eigentlich schulpflichtige Kinder, dazu Oberschulen und Integrierte Gesamtschulen, aber keine Gymnasien.

Herr Hinrichs nahm Bezug auf das von Ratsfrau Bax Gesagte, nachdem obdachlose Menschen immer wieder anderen Unterkünften zugewiesen würden. Dies sei in der Tat ein großes Thema, denn wenn man sich mit der Biografie der Menschen beschäftige, werde deutlich, dass die Erfahrungen von umgesetzt werden, vertrieben werden oder sich ihrer*seines Wohnortes nicht sicher sein etwas sei, dass intergenerational bei den Familien vorliege. Als kleines Beispiel wolle er folgendes anführen: Er habe ein biografisch-narratives Interview mit einem bulgarischen Mann, der in einer deutschen Stadt obdachlos sei, geführt und dieser erzählte, wie er regelmäßig von einer zur nächsten Unterkunft geschickt werde. Dies brachte er in Beziehung mit dem, was er als Kind in Bulgarien erlebt hatte. Auch dort seien die Behausungen, in denen er mit seiner Familie lebte, regelmäßig zwangsgeräumt worden. Das mache etwas mit Menschen und sei Gift für Integration. Wenn Menschen regelmäßig von Regelinstitutionen ausgeschlossen werden sei es nicht verwunderlich, wenn diese Menschen sich dann nicht immer konform verhielten.

Er wünsche sich, dass es Hannover gelinge, eine rassismuskritische kommunale Praxis in einer rassistischen Gesellschaft zu entwickeln.

Herr Sichelschmidt machte abschließend darauf aufmerksam, dass die Sinti und Roma in Europa eine der größten Minderheiten sei, die keinen Nationalstaat habe. Während der Zeit des Nationalsozialismus seien in Deutschland 95% der Sinti und Roma vernichtet worden, dazu kämen weitere Hunderttausende in anderen europäischen Ländern. Nach dem 2. Weltkrieg wurde den Sinti und Roma in Deutschland weiterhin Unrecht angetan; sie wurden erst 1982 vom Bundestag als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Umso wichtiger sei es, die Sinti und Roma heute zu sehen und die Erinnerungskultur erhalten und gefördert wird.


Abschließend dankte Ratsmitglied Klippert den Expert*innen für ihre Teilnahme und die vielfältigen Informationen und weiterführenden Hinweise.

Im folgenden Tagesordnungspunkt 3 werden die drei anwesenden Dezernentinnen ihre Stellungnahmen abgeben; diese seien im Rahmen der Anhörung für die Verwaltung nicht möglich.

ASozial: Die Anhörung wurde durchgeführt.
ASchuBi: Die Anhörung wurde durchgeführt.
AInternational: Die Anhörung wurde durchgeführt.
ABau: Die Anhörung wurde durchgeführt.
AJHA: Die Anhörung wurde durchgeführt.


TOP 3.
Bericht der Dezernentin

Stadträtin Bruns sagte anknüpfend an das von Herrn Hinrichs Gesagte von einer antirassistischen Verwaltung im Rahmen einer rassistischen Gesellschaft, dass die Herausforderungen da seien. Wer diese nicht benenne und sich ihnen nicht stelle, werde keine Fortschritte machen können. Daher halte es die Verwaltung für gut und richtig, dass die Fragen in der Studie gestellt worden waren. Sie habe wahrgenommen, dass Viele die Fragen nicht beantworten wollten und sich dem Thema nicht stellen wollten. Die Stadt Hannover sei nicht herausragend im Ergebnis und antiziganistisch aufgestellt, sondern befinde sich auf einer Stufe mit anderen Kommunen, die jedoch nicht den Mut hätten, das Thema so offensiv anzusprechen.

Mit der Gründung des neuen Fachbereiches 56 (Gesellschaftliche Teilhabe) in 2022 sei zunächst das Thema der Unterbringung im Vordergrund gestanden. Ein Bereich des neuen Fachbereiches war zuvor dem Baudezernat zugeordnet. Sie sei sehr froh, dass es auch den politischen Willen gegeben habe, den Fachbereich aufzubauen. Das Soziale müsse mit der Einwanderungsstadt Hannover, mit Integrationslots*innen und WIR 2.0 zusammengedacht werden. Aus diesem Grund heiße der Bereich auch nicht mehr „Unterbringung“, allein dieser Begriff wirke sehr diskriminierend, sondern „Wohnen und Leben in der Landeshauptstadt Hannover“. Der neue Fachbereich habe damit einen Perspektivwechsel eingeleitet.

Das Ziel sei die nachholende Gerechtigkeit und Partizipation. Darauf aufbauend stellt die städtische Antidiskriminierungsstelle (als Stabsstelle eingerichtet) das Thema in diesem Jahr mit einer „Offensive gegen die Diskriminierung von Rom*nja und Sinti*zze“ in den Vordergrund.

Flankiert durch die mediale Diskussion und hervorgehoben durch die Diskussionen um die Studie „Mechanismen des institutionellen Antiziganismus“ wurde durch den Fachbereich Gesellschaftliche Teilhabe schon jetzt ein Maßnahmenkatalog entwickelt. Dieser Maßnahmenkatalog diene insbesondere dem Zweck, antiziganistische Deutungsmuster zu erkennen und entgegenzuwirken – dieser Prozess ist fachbereichsübergreifend angelegt.

Wie bereits in der Anhörung hervorgehoben, richte sich dies an die Mehrheitsgesellschaft, um ihr deutlich zu machen, wie die Denkmuster funktionieren und herauszufinden, ob diese sie erkennen könne. Für die Stadt Hannover gelte, dass das Hilfesystem noch weiter geöffnet und somit der Zugang zu bestehenden Hilfe- und Teilhabeangeboten weiter etabliert werden solle nach dem Grundsatz, nicht über die Menschen zu sprechen, sondern mit ihnen gemeinsam.

Im Einzelnen geschieht dies durch:


Stadträtin Bender berichtete, der Bildungsbereich befasse sich bereits seit 2016/2017 mit der Frage im Rahmen der Schulbildungsberatung. Von Herrn Dr. Schreiber sei heute dazu berichtet worden, aber auch Niedersachsen, bspw. in Braunschweig, gebe es eine hervorragende Schulbildungsberatung, die mit unterschiedlichen Akteur*innen, aber auch mit den Communities im Austausch ist und die Bildungsberatung zusammen mit dem Land Niedersachsen aufgestellt hat. Hannover sei zwar noch nicht so weit, sehe es aber als zu erreichendes Ziel, das einen großen Fortschritt bringen werde. Die Vorbereitungen hierzu liefen.

In Hannover gebe es in 5 Unterkünften Brücken zur Bildungsberatung; vielfach sei die Bitte geäußert worden, dies auszubauen, dem wolle die Verwaltung nachkommen, 3 weitere Unterkünfte werden dazukommen. Es gehe dabei um Kooperation und nicht die Frage von „Bildungsferne“. Wie könne mit der Community, aber auch mit den Familien und den Schüler*innen kommuniziert und auf Augenhöhe gearbeitet werden. Dies schließe den Kreis zur Bildungsberatung.

In Nordrhein-Westfalen, darauf hatte Herr Dr. Schreiber Bezug genommen, sei die Situation anders, denn dort übernehme das Land eine gewisse Verantwortung. Dennoch habe auch die Landeshauptstadt Hannover ein eigenes Interesse an einer Verbesserung. Am 03.06.2024 habe die Kompetenzstelle gegen Antiziganismus des Landes Niedersachsen einen Fachtag durchgeführt, an dem die Landeshauptstadt Hannover als Schulträgerin teilgenommen habe. Vereinbart wurde, dass Handlungsempfehlungen erstellt werden sollen. Die Landeshauptstadt Hannover gehe dabei davon aus, dass das Land Niedersachsen seine Verantwortung an dieser Stelle noch mehr wahrnehmen werde, genau wie die Landeshauptstadt Hannover dies in der Frage der Schulbildungsberatung tun werde.

Eines der Ergebnisse des Fachtages war, dass eine Kommunikation mit den Communities auf Augenhöhe erfolge solle; dies werde beim Ausbau der Schulbildungsberatung noch mehr in den Fokus genommen.


Stadträtin Blasberg-Bense erklärte im Hinblick auf den Kinder- und Jugendbereich, Herr Hinrichs habe zu Beginn seines Vortrages vom versperrten Zugang zur frühkindlichen Bildung, also Diskriminierung beim Zugang zur Kita, berichtet. Das habe die Verwaltung, nicht nur mit Blick auf die Studie, sondern auch mit Blick auf die Studie des DeZIM von Frau Dr. Bostancι “Rassismus in der Kita“, selbstverständlich aufgegriffen.

Die Studie wurde bei einer Kita-Leitungsdienstbesprechung vorgestellt. Dabei wurden die Leitungen mit der Studie konfrontiert, allein, weil es bei den Kitas in der Landeshauptstadt Hannover eine sehr diverse Träger*innenlandschaft gebe. Die Verwaltung könne den Zugang zur Kita nicht über sämtliche Träger*innen hinweg regeln, wolle aber damit beginnen, zunächst eine rassismuskritische Haltung bei den Kita-Leitungen zu fördern, um dann gemeinsam mit den Kita-Träger*innen zu überlegen, wie das Problem minimiert werden könne. Zwar gebe es einen Rechtsanspruch, jedoch keine Pflicht zum Kita-Besuch. Es müssten daher andere Wege gefunden werden, um Barrieren abzubauen. Teilweise werde dies schon im Bereich der Sprachförderung gemeinsam mit dem Projekt „Rucksack-Schule“ in den Unterkünften getan. Dies könne allerdings nur ein Anfang sein. Ansatz der Verwaltung sei, die Menschen auf Augenhöhe anzusprechen, Barrieren und Ängste gegenüber staatlichen Strukturen abzubauen und Hilfsangebote niedrigschwellig zu präsentieren. Die besonders benachteiligte Gruppe der Kinder aus Roma-Familien in Unterkünften solle explizit gefördert werden, allerdings nicht exklusiv, um nicht Rassismen zu verstärken.

Im Frühjahr 2024 habe es bereits eine erste Runde mit Herrn Leucht von der Hildegard Lagrenne Stiftung gegeben zu der Frage, wie Bildungsmediation auch für den frühkindlichen Bereich mit implementiert und wie Mediatorinnen (in der Regel handele es sich um Frauen) aus der Community heraus qualifiziert werden können. Die Qualifizierung könne im Idealfall auch für den ersten Arbeitsmarkt, bspw. als Sozialassistenz, erfolgen.

In der offenen Kinder- und Jugendarbeit gebe es in diesem Jahr Qualifizierungsmodule für alle Kolleg*innen zur rassismuskritischen und diskriminierungssensiblen Arbeit. In den offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen haben alle Kolleg*innen verpflichtend das erste Modul durchlaufen, weitere werden folgen. Eines davon beschäftige sich mit Antiziganismus. Wie wichtig das ist, konnte bei der Auftaktveranstaltung festgestellt werden, als ein Kollege, der bereits lange in dem Bereich arbeitet, fragte, was Antiziganismus bedeute. Das habe deutlich gemacht, dass mit noch mehr Informationen für die Beschäftigten gearbeitet werden müsse.

Dies habe deutlich gemacht, und auch in der heutigen Anhörung sei es immer wieder thematisiert worden, dass es sich um eine Bevölkerungsgruppe handele, die immer wieder marginalisiert worden und auch in den „Herkunftsländern“ systematisch von Bildung ferngehalten werde.


Zur Nachfrage aus der Anhörung an die Verwaltung, welche Ergebnisse sich für die Verwaltung aus der Anhörung ergeben, kündigte Stadträtin Bender an, dies für den Schul- und Bildungsausschuss aufzubereiten.

Ratsmitglied Klippert schloss die Sitzung.

Sylvia Bruns Hanebeck
Stadträtin für das Protokoll