Sitzung Sozialausschuss am 20.01.2020

Protokoll:

verwandte Dokumente

Einladung (erschienen am 14.01.2020)
Protokoll (erschienen am 20.05.2020)
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Landeshauptstadt Hannover - 50.08 - Datum 21.01.2020

PROTOKOLL

31. Sitzung des Sozialausschusses am Montag, 20. Januar 2020,
Rathaus, Hodlersaal

Beginn 15.00 Uhr
Ende 17.40 Uhr

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Anwesend:


Ratsfrau Klingenburg-Pülm (Bündnis 90/Die Grünen)
Ratsherr Alter (SPD)
Ratsherr Albrecht (CDU)
Ratsfrau David (Bündnis 90/Die Grünen)
Ratsherr Döring (FDP) 16.10 - 17.40 Uhr
Ratsherr Hellmann (CDU)
Ratsfrau Iri (SPD)
Ratsherr Jacobs (AfD)
Ratsfrau Jeschke (CDU)
Beigeordneter Machentanz (LINKE & PIRATEN)
Ratsherr Nicholls (SPD)

Beratende Mitglieder:
Herr Fahlbusch 15.00 - 17.00 Uhr
Frau Lenssen
Frau Merkel
Frau Stadtmüller
Herr Ulrichs


Grundmandat:
Ratsherr Förste (Die FRAKTION) abwesend 17.00 - 17.15 Uhr
(vertritt Ratsherrn Klippert) (Die FRAKTION)

Verwaltung:
Stadträtin Beckedorf, Sozial- und Sportdezernentin
Frau Ruhrort, Fachbereich Soziales
Frau Vogt-Janssen, Fachbereich Senioren
Frau Greve, Gesamtpersonalrat
Herr Laue, Sozial- und Sportdezernat
Herr Lüdtke, Bereich Unterbringung
Frau Merzbach, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Frau Proksch, Fachbereich Soziales
Frau Rösch, Fachbereich Soziales
Herr Woike, Sozial- und Sportdezernat, Beauftragter Sucht und Suchtprävention
Frau Hanebeck, Fachbereich Soziales
für das Protokoll

Presse:
Frau Rinas, HAZ, bis 16:25 Uhr
Herr Voigt, NP, bis 16:23 Uhr
Herr Macke, Asphalt-Magazin

Gäste:
Frau Bezirksbürgermeisterin Kupsch (Stadtbezirk Mitte)

Herr Lenzen
Herr Gaenshirt
(beide Neues Land e.V.)

Frau Schröder
Frau Lehnert-Ott
(beide Prisma gGmbH)

Frau Pätzold
Frau Funk
(beide Phoenix e.V. (La Strada))

Herr Köster
Herr Bapat
(beide STEP gGmbH)

Herr Leopold
(Polizeidirektion Hannover)

PD Dr. med. Peter von Wussow

Herr Möller
(Jugendhilfe e.V. – Drob Inn, Hamburg)

Tagesordnung:


1. Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

2. Genehmigung des Protokolls über die 30. Sitzung am 16. Dezember 2019

3. Einwohner*innenfragestunde

4. A N H Ö R U N G gem. § 35 der Geschäftsordnung des Rates zum THEMA: "Quo vadis - welche drogenpolitischen Schritte sind in Hannover in den nächsten Jahren wichtig?"
Eingeladen sind:

Neues Land e.V.
Herr Lenzen

Prisma gGmbH
Frau Schröder und Frau Lehnert-Ott/Frau Kramer

Phoenix e.V. (La Strada)
Frau Pätzold und Frau Funk

STEP gGmbH
Herr Köster und Herr Bapat

Polizeidirektion Hannover
Herr Leopold

PD Dr. med. Peter von Wussow

Jugendhilfe e.V. - Drob Inn
Herr Möller

5. Antrag der Gruppe LINKE & PIRATEN zur Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung für Hannover
(Drucks. Nr. 2903/2019)

5.1. Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zur Drucksache Nr. 2903/2019: Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung für Hannover
(Drucks. Nr. 3309/2019)

6. Antrag der Gruppe LINKE & PIRATEN zur Entwicklung eines Konzeptes zur Verhinderung von Zwangsräumungen
(Drucks. Nr. 3266/2019)

7. Antrag der Gruppe LINKE & PIRATEN zur Entwicklung eines Konzeptes zur Verhinderung von Stromsperren
(Drucks. Nr. 3267/2019)

8. Standortentscheidung: Unterbringung von Personen in der Kleefelder Straße 31
(Drucks. Nr. 3217/2019)

9. Satzung über die Unterbringung Obdachloser und Geflüchteter in der Landeshauptstadt Hannover
(Drucks. Nr. 3321/2019 mit 2 Anlagen)

10. 13. Deutscher Seniorentag in der Landeshauptstadt Hannover – 16.-18.06.2021, HCC
(Informationsdrucks. Nr. 3262/2019)

11. Bericht der Dezernentin







TOP 1.
Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

Ratsfrau Klingenburg-Pülm eröffnete die Sitzung, wünschte allen Anwesenden zunächst ein gutes und erfolgreiches Jahr 2020 und stellte dann die ordnungsgemäße Einladung sowie die Beschlussfähigkeit des Ausschusses fest.

Zur Tagesordnung bat Ratsfrau David darum, den Tagesordnungspunkt 9 (Satzung über die Unterbringung Obdachloser und Geflüchteter in der Landeshauptstadt Hannover, Drucks. Nr. 3321/2019) in die Fraktionen zu ziehen.

Der Sozialausschuss war mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden.


TOP 2.
Genehmigung des Protokolls über die 30. Sitzung am 16. Dezember 2019

Ohne Aussprache.

Einstimmig


TOP 3.
Einwohner*innenfragestunde

Eine Einwohnerin erklärte, ihre Tochter habe das Down-Syndrom. Sie könne einen Arbeitsplatz am sog. 1. Arbeitsmarkt annehmen, wenn sie eine Begleitung (wie sie aus der Schule kenne) hätte. Die Bundesagentur für Arbeit verwehre die Übernahme der Kosten für diese Begleitung mit Hinweis auf das ärztliche Gutachten, das einen Werkstattstatus festgestellt habe. Der Fachbereich Soziales lehne ab, da es sich um den sog. 1. Arbeitsmarkt handele. Sie bitte um die Antwort auf die Frage, an wen sich die Familie nunmehr wenden könne.

Stadträtin Beckedorf wies darauf hin, dass sowohl sie persönlich, als auch ihr Büro bereits mehrfach in Kontakt zur Fragestellerin gestanden habe. Die rechtliche Situation, nach der die Bundesagentur für Arbeit formal zuständig sei, wurde zutreffend geschildert. Dennoch werde geprüft, ob es seitens der Landeshauptstadt Hannover eine Möglichkeit zur Hilfe geben könnte. Hierzu seien das Sozial- und Sportdezernat sowie der Fachbereich Soziales bereits im Austausch. Kurzfristig werde ihr Büro dazu einen Termin mit der Fragestellerin abstimmen.


Die nächsten Fragestellungen betrafen die Standortentscheidung zur Unterbringung obdachloser Personen in der Kleefelder Straße (Tagesordnungspunkt 8, Drucks. Nr. 3217/2019).

Ein Einwohner fragte, ob bei der Standortentscheidung auch der daneben liegende Stadtpark bedacht wurde, in dem sich möglicherweise eine Trinkerszene etablieren könnte? Von der Standortüberlegung hätten die Anwohner erst in der vergangenen Woche aus der Presse erfahren. Diese wünschten sich, dass die Verwaltung zeitnah eine Bürgerversammlung organisiere, um Ängsten begegnen zu können.

Stadträtin Beckedorf sagte, die Drucksache stehe auf der Tagesordnung des heutigen Sozialausschusses. Auch wenn es den Fragesteller sicher nicht zufrieden stellen könne müsse sie darauf hinweisen, dass die Federführung beim Baudezernat liege und bereits am 16.12.2019 im Stadtbezirksrat Mitte sowie am 15.01.2020 im zuständigen Stadtentwicklungs- und Bauausschuss beraten worden sei. Dennoch werde sie das Anliegen an den Herrn Stadtbaurat weiterleiten.


Ein weiterer Einwohner fragte, welche Kriterien die Verwaltung bei der Standortentscheidung im Hinblick auf die Stadtteile zugrunde gelegt habe. Als Beispiele seien zu nennen die Bewohnerstruktur, also ob es sich um ein Gebiet überwiegend mit Mietwohnungen oder mit von den Eigentümern selbst genutzten Immobilien handele, Entfernung zum Öffentlichen Personennahverkehr, zur öffentlichen und privaten Infrastruktur (Versorgungslage). Für Eigentümer sei es ungleich schwerer, mit dem eher negativen Image von Obdachloseneinrichtungen in der Nähe umzugehen als für Mieter, die leichter die Wohnung wechseln könnten. Handele es sich um einen Standort, der die derzeitigen Planungen für Obdachlosenunterkünfte betreffe oder um einen zusätzlichen Standort? Wie viele Plätze sollen an dem Standort geschaffen werden? Können die Bezirke ausgetauscht werden? Mit wie vielen Einsätzen von Polizei, Feuerwehr und Krankentransporten sei bei 100 Plätzen zu rechnen? Über welche Kapazitäten verfügten andere Unterkünfte in der Stadt, bspw. in der Wörthstraße?

Stadträtin Beckedorf sagte, inhaltlich werde sie zu den Fragen nicht Stellung nehmen können; diese aber ebenfalls an den Herrn Stadtbaurat weiterleiten.

(Antwort der Verwaltung:
Die Zahl der von der Landeshauptstadt Hannover unterzubringenden obdachlosen Menschen wird zukünftig weiter steigen. Um diesen Bedarf zu decken ist es notwendig weitere Unterbringungskapazitäten zu schaffen. Bei der Entscheidung für einen neuen Standort werden verschiedene Faktoren berücksichtigt. Dazu gehören zum Beispiel die Fragen, ob es für geeignete Standorte auch entsprechende Angebote gibt und ob es in bestimmten Bereichen bereits entsprechende Einrichtungen gibt. Im Stadtteil Zoo und insbesondere in der Umgebung der Kleefelder Straße gibt es derzeit keine entsprechende Einrichtung. Darüber hinaus hat der Stadtbezirksrat Mitte die Verwaltung aufgefordert im Stadtbezirk Mitte eine neue Einrichtung für Obdachlose zu schaffen. Vor diesen Hintergründen hat die Verwaltung dem Rat ein neues Wohnprojekt für Obdachlose in der Kleefelder Straße vorgeschlagen.

Am Karl-Imhoff-Weg entsteht keine städtische Einrichtung.

Der Stadtverwaltung ist nicht bekannt, dass es im Umfeld von Wohnprojekten zu sicherheitsgefährdenden Vorkommnissen kommt.)


Eine Einwohnerin fragte, wie die Verwaltung verhindern wolle, dass eine Situation ähnlich der am Hauptbahnhof entstehe. Wie könne die Sicherheit von Kindern und anderen Einwohnern rund um die Unterkunft gewährleistet werden?


Stadträtin Beckedorf erklärte, sie sehe keinster Weise, dass die Sicherheit durch Menschen, die um ein Obdach nachsuchten und Hilfe bedürften, automatisch gefährdet sein könnte. Wenn die Stadt ihrer gesetzlichen (und sicher auch menschlichen) Pflicht nachkomme und wohnungslosen Menschen ein Obdach gebe, könne sie nicht nachvollziehen, wie dies ein eher negatives Image haben könne. Sowohl Verwaltung als auch Politik sei daran gelegen, dass diese Einrichtungen gerade nicht mit einem negativen Image behaftet seien.


TOP 4.
A N H Ö R U N G gem. § 35 der Geschäftsordnung des Rates zum THEMA: "Quo vadis - welche drogenpolitischen Schritte sind in Hannover in den nächsten Jahren wichtig?"
Eingeladen sind:

Neues Land e.V.
Herr Lenzen

Prisma gGmbH
Frau Schröder und Frau Lehnert-Ott/Frau Kramer

Phoenix e.V. (La Strada)
Frau Pätzold und Frau Funk

STEP gGmbH
Herr Köster und Herr Bapat

Polizeidirektion Hannover
Herr Leopold

PD Dr. med. Peter von Wussow

Jugendhilfe e.V. - Drob Inn
Herr Möller


Ratsfrau Klingenburg-Pülm begrüßte die anzuhörenden Expertinnen und Experten. Bezüglich der Reihenfolge werde sie Herrn Möller bereits im Anschluss an die Einrichtung Prisma gGmbH das Wort erteilen, da dieser gegen 17.00 Uhr den Zug zurück nach Hamburg erreichen wolle.

Zum geplanten Ablauf der Anhörung wies Ratsfrau Klingenburg-Pülm darauf hin, dass zunächst jedem*r Vortragenden, wie bereits in der Einladung durch die Verwaltung mitgeteilt, 5 Minuten Redezeit zur Verfügung stehe. Alle Gäste trügen nacheinander vor, dann schließe sich eine Runde mit gezielten Nachfragen durch die Mitglieder des Ausschusses an. Insbesondere auf die Einhaltung der Redezeit werde sie strikt achten, damit die Aufmerksamkeit der Zuhörenden gleich hoch bleiben könne.


Herr Lenzen sagte, er dürfe bereits seit 27 Jahren in der christlichen Drogenarbeit für das Neue Land e.V. mitarbeiten und mitleben; zur Zeit im Haus der Hoffnung in Ahlem in der Nachsorgeeinrichtungen für ehemals Drogen- und Medienabhängigen. Die Frage nach der Zukunft der Drogenhilfe empfinde er als sehr spannend. In den Jahren, die er bereits begleiten durfe, seien insgesamt gute und vielfältige Strukturen, sowohl abstinenz-als auch toleranzorientiert und sich idealerweise ergänzend, gewachsen. Andererseits seien die Entwicklungen in der offenen Drogenszene alarmierend. Zu hinterfragen sei auch, ob in den letzten Jahren nicht die versorgenden Hilfemaßnahmen in der Innenstadt die ausstiegsorientierten in den Hintergrund gedrängt hätten.

Für die kommenden Jahre könnten dabei vier Punkte wichtig sein: Motivationsarbeit, Nachsorge und Tagesstruktur, Entwicklung im Gesundheitssystem, Runder Drogentisch.

Das Neue Land e.V. suche seit vielen Jahren sowohl mit haupt- als auch ehrenamtlichen Kräften sowie ehemals drogenabhängigen Mitarbeitern die verschiedenen Szeneplätze auf. Der Erfolg liege in der langjährigen und kontinuierlichen Motivations- und Beziehungsarbeit mit dem Ziel, den Ausstieg aus der Sucht erreichbar werden zu lassen. Durch die Versorgungsangebote und die Substitution sei für Viele ein Leben in und mit der Sucht möglich; der Leidensdruck lasse daher teilweise nach. Umso wichtiger sei es, die aufsuchende Sozialarbeit und konsumfreie Räume in und um Hannover verstärkt auszubauen.

Nach abgeschlossener erfolgreicher stationärer Therapie kehrten einige Betroffenen nach Hannover zurück und würden hier erneut mit Drogen rückfällig, wenn keine Nachsorgebehandlung oder sinnvolle Tagesstruktur zur Verfügung stehe. Krisensituationen lösten leicht Verhaltens und Drogenrückfälle aus. Das noch vorhandene Suchtgedächtnis könne durch entsprechende Begleitung und Hilfestellung erfolgreich überwunden werden. Allerdings trügen die Rentenversicherungsträger wenig dazu bei. Die Frage nach Ausbau und verbesserter Finanzierung müsse geklärt werden.

Zwar gebe es viele Substitutionsplätze, aber immer weniger psychosoziale Betreuung. Der qualifizierte Drogenentzug habe sich teilweise auf 3 Wochen im Krankenhaus oder einer Entgiftungsstation reduziert. Diese Kombination erschwere einen erfolgreichen Auszug. Gefragt seien innovative und neue Konzepte, um Betroffenen medizinisch und sozialtherapeutisch den Weg aus der Sucht erreichbar zu machen. Das bewährte Konzept der Clearingstation Neues Land e.V. ermögliche den Restentzug und stationär das Warten auf die Therapie und den Kostenantrag. Neben dieser Möglichkeit seien auch ambulante Entgiftungsmöglichkeiten im Rahmen der stationären Wohnungslosenhilfe sowie darüber hinaus zu prüfen.

Der Runde Drogentisch verfüge über viele Teilnehmende sowie ein gut gewachsenes Netzwerk der Drogenhilfe in Hannover. Dies sei weiterzuentwickeln mit Fachgruppen, die sich den verschiedenen problematischen Situationen widmeten, Kooperationen, gemeinsamen Projekten und insbesondere einer besseren Vernetzung zwischen den Dezernaten der Landeshauptstadt. Positiv anzumerken sei, dass die Wohnungslosenhilfe und die Suchthilfe sich einander mehr annäherten.

Ebenfalls für das Neue Land e.V. ergänzte Herr Gaenshirt, für die Zukunft der Drogenhilfe wünsche er sich, dass nicht immer der Eindruck erweckt werde, nur die Harm-Reduction kümmere sich ausreichend um Drogenabhängige nicht jedoch Einrichtungen, die (wie das Neue Land e.V.) christlich und ausstiegsorientiert arbeiteten. Die Einrichtung sei täglich vor Ort bei den Menschen auf der Straße mit deren Elend konfrontiert. Dennoch gehe das Neue Land e.V. davon aus, dass kein Fall hoffnungslos sei. Jede*r solle zum Ausstieg motiviert werden, auch wenn bereits seit 20 Jahren substituiert werde. Diese immer wieder neue Motivation zum endgültigen Ausstieg müsse ihren Niederschlag auch in der Förderung durch die Landeshauptstadt Hannover finden.


Frau Schröder sagte Prisma sei bereits 1989 gegründet worden und seit 2017 eine gGmbH. Prisma sei nicht parteilich, nicht religiös oder weltanschaulich gebunden. Die Arbeit erfolge suchtmittelspezifisch und suchtmittelübergreifend in Beratung, Behandlung und Prävention. Es handele sich um eine lernende Organisation, deren Leitbild sich akzeptierend, aber nicht genussorientiert ausgerichtet habe.

Der Schwerpunkt der Arbeit liege seit Beginn in der Suchtprävention, dazu gebe es seit 2012 die Medienstelle real.life, die sich ebenfalls hauptsächlich mit Prävention beschäftige, sowie betriebliches Gesundheitsmanagement. Darüber hinaus gebe es die allgemeine Beratung Betroffener und Angehöriger, die immer mehr in Anspruch genommen werde, aufsuchende Arbeit für suchtbetroffene Familien, psychosoziale Betreuung Substituierter und in geringem Umfang Vorbereitung auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung.

Es sei durch den Rentenversicherungsträger vorgeschrieben, dass die ambulante Entwöhnungsbehandlung abstinenzorientiert durchzuführen ist. Prisma gGmbH arbeite akzeptierend, aber mit einem gewissen Risikoverständnis. Diejenigen, die sich beraten und behandeln ließen, kämen in den wenigsten Fällen mit dem Entschluss abstinent leben zu wollen. Innerhalb der Einrichtung bestehe der Konsens, bei langjährig Erkrankten, eine lange Motivationsarbeit durchzuführen, die zunächst auf die Reduzierung des Konsums abziele. Erst wenn der*die Abhängige selbst durch immer weitere Einschränkung seines*ihres Konsums zu dem Wunsch komme, abstinent leben zu wollen, werde dieser Schritt mit ihm*ihr gemeinsam gegangen. Die meisten Einrichtungen arbeiteten weder ausschließlich abstinenz- oder akzeptanzorientiert, da immer der Wunsch und Bedarf des*der Klient*in im Vordergrund stehe. Kürzlich habe Prisma gGmbH mit Fortbildungen zu kontrolliertem Konsum begonnen.

Streetwork sei, sowohl in der Obdachlosen- als auch Abhängigenarbeit (die beide eine Schnittmenge aufwiesen) ein gutes und erfolgreiches Mittel. Prisma gGmbH sei dort bisher nicht beteiligt, würde sich aber gerne inhaltlich mit einbringen, insbesondere, was Überlegungen zu kontrolliertem Konsum betreffe.


Herr Möller stellte sich als Leiter des Drob Inn, einer Einrichtung in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofes, ähnlich dem Stellwerk in Hannover, vor. Das Drob Inn gebe es seit 1980 als Beratungsstelle und Kontaktladen. Die Kunden würden in Therapie, Entgiftung und Substitution vermittelt, aber auch niedrigschwellig lebensorientierte Hilfen angeboten. Seit 2003 gebe es das noch immer bestehende Angebot am aktuellen Standort. Die Einrichtung sei an 20 Stunden täglich geöffnet und schließe erst um 5 Uhr morgens. Die Einrichtung werde täglich von ca. 400 Personen aufgesucht, bei ca. 480 Konsumvorgängen. Die medizinische Versorgung wurde im vergangenen Jahr etwa 5.000-mal in Anspruch genommen. Die Szene konzentriere sich auf den Bereich vor der Einrichtung, der Ort sei so sozial verträglich, dass diese Einrichtung bestehen könne. Am Hauptbahnhof und dem vorherigen Standort habe es massive Probleme mit der offenen Drogenszene gegeben. Nachmittags hielten sich durchaus 220-240 Personen an der Einrichtung auf, nachts durchschnittlich zwischen 68 und 80 Personen. Dennoch sei die Beschwerdelage bei nahezu Null, von gelegentlicher Kritik wegen Müll abgesehen. Der Stadtteil selbst sowie der Hauptbahnhof seien seit vielen Jahren quasi szeneleer. Hamburg habe offenbar sowohl ordnungs- als auch gesundheitspolitisch eine gute Lösung gefunden. Gelegentlich kämen offizielle Besucher aus Frankfurt, die an ihrem Hauptbahnhof größere Schwierigkeiten hätten, und sich sehr angetan vom hamburger Beispiel zeigten.

Durch das Drob Inn könnten nahezu alle Personen erreicht werden. Seit 2017 sei ein verstärkter Zuwachs an Geflüchteten zu verzeichnen, so kämen ca. 130 Afghanen regelmäßig in die Einrichtung. Dazu trage auch die Rechtsverordnung Hamburgs (einzig unter den Bundesländern) bei, die eine anonyme Inanspruchnahme von Beratung ermögliche. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund sei mit inzwischen 80 % sehr hoch. Seit 2 Jahren sei vom Land Hamburg videodolmetschen genehmigt und in den Zuwendungsvertag mit aufgenommen worden. Innerhalb von 2 Minuten könne sowohl für die Beratungszimmer als auch bei den Ärzten und der Krankenpflege der medizinischen Versorgung jede Sprache zugeschaltet werden. Darum werde Drob Inn durchaus auch von der Hamburger Polizei beneidet.

Oberhalb von Beratungsstelle und Kontaktladen befinde sich eine teilstationäre Erstversorgungseinrichtung auf Zuwendungsbasis mit 35 Plätzen (Projekt Nox). Es handele sich nicht um eine reine Übernachtungsstätte sondern biete ein Wohnen mit Betreuung an. 5 Plätze davon seien 24-Stunden-Plätze zur Notunterbringung. Früher habe es reine Übernachtungsplätze gegeben, aber diese längere teilstationäre Unterbringung gebe den Menschen die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen und dann auch für Hilfsangebote zugänglich zu sein. Vermittlungen gebe es zur Eingliederungshilfe, die häufig eine Chance auf eine Rehabilitationsmaßnahme biete.


Frau Funk stellte sich als Mitarbeiterin der frauenspezifisch arbeitenden Anlauf- und Beratungsstelle La Strada vor. Der Arbeitsansatz sei sehr niedrigschwellig und akzeptanzorientiert. Besondere Bedeutung komme der Traumasensibilität zu, da viele Frauen Opfer von Gewalt geworden seien, aber auch der Akzeptanz gegenüber Sexarbeit, mit der viele Frauen ihr Geld verdienten.

Aus den bisherigen Erfahrungen sei die Beziehungsarbeit mit den Frauen sehr wichtig, da oft eine große Scheu bestehe, die bestehenden Hilfeangebote überhaupt in Anspruch zu nehmen. Im Hinblick auf die Traumaarbeit werde sehr transparent gearbeitet und die Selbstbestimmung bei der Frau belassen. Auch sie sehe keinen Gegensatz zwischen Akzeptanz- und Abstinenzorientierung; vielmehr handele es sich oft um eine Entwicklung, die, egal zu welcher Entscheidung die Frauen kämen, der Unterstützung bedürfe.

Ein großer Schwerpunkt der Arbeit von La Strada liege in der zugehenden Arbeit, der Streetwork auch abends auf dem Straßenstrich, als auch tagsüber an Szeneorten. In den letzten Jahren habe auch unter den Frauen die Wohnungslosigkeit zugenommen, die Treffpunkte hätten sich immer mehr in den öffentlichen Bereich verlagert, da sie im privaten Bereich fehlten. Es komme immer mehr zu Verdrängungen aus den Bereichen, was zu vermehrten Wünschen nach einem sicheren Rückzugsort in der Öffentlichkeit, aber abseits von Konsumplätzen führe. Inzwischen sei, im Unterschied zu den Anfängen von La Strada, vermehrt zu beobachten, dass sich Frauen auch Schlafplätze im Gegenzug zu sexueller Verfügbarkeit suchten. Eine Verzahnung der Wohnungslosen- mit der Drogenhilfe werde immer notwendiger, da die Bedürfnisse spezieller würden.

Frau Pätzold ergänzte, bei dem niedrigschwelligen Café, das an 4 Tagen insgesamt 20 Stunden geöffnet sei, handele es sich um einen weiteren Schwerpunkt von La Strada. Dieses habe eine Komm-Struktur und biete mit Dusch- und Wäschewaschmöglichkeiten sowie fast täglich einem warmen Essen eine Basisversorgung an, die eine Überlebenshilfe mit dem Ansatz der Schadensminimierung darstelle. Für das Bedürfnis des Cafés reichten die Öffnungszeiten aus, nicht jedoch, um dem Schlafbedürfnis der Frauen gerecht zu werden. Häufig werde zuerst gegessen und geduscht und danach auf den dafür vorgesehenen Sofas geschlafen. Bei 5 Stunden Öffnungszeit und unterstellt, dass die Frau möglicherweise mehrere Nächte lang nicht richtig habe schlafen können sei es nahezu unmöglich, sie nach dieser kurzen Zeit zu wecken. Daher wünsche sich La Strada die Möglichkeit von Ruhebetten, die aufgesucht und dann ohne weitere Verpflichtung wieder verlassen werden könnten.

Darüber hinaus würden die Frauen je nach ihrem Bedarf beraten. Bei der psychosozialen Beratung Substituierter gebe es zwar weniger Neuanfragen, aber die Zahlen seien weiterhin stabil. Einen sehr großen Bedarf gebe es bei der psychiatrischen Versorgung. Die Klientinnen wiesen vermehrt Komorbiditäten auf, zu den Abhängigkeitserkrankungen kämen psychotische Episoden, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, was die Arbeit insgesamt sehr verändere. Die Mitarbeiterinnen von La Strada seien Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen, die in der Drogenhilfe tätig seien, aber nicht psychiatrisch erfahrene Fachkräfte. Gleichzeitig sei zu beobachten, dass es an Versorgung mit ambulanter Psychotherapie fehle und auch die Genehmigung einer stationären Therapie sehr schwierig sei. Oft werde diese Genehmigung zunächst versagt, was für Menschen, die nur über eine geringe Frusttoleranz verfügten, schwer zu ertragen sei.


Herr Köster stellte sich als Leiter der Fachabteilung Beratung der Step gGmbH vor. Zu seinen Aufgaben zähle die Steuerung der Arbeit der Beratungsstellen. Sein ebenfalls anwesender Kollege, Herr Bapat, seit Leiter der Fachabteilung Niedrigschwelligkeit.

Die STEP gGmbH verfüge seit 35 Jahren über Erfahrungen mit der Niedrigschwelligkeit in Streetwork und dem Kontaktcafé. Seit 23 Jahren stehe der niedersachsenweit einzige Konsumraum zur Verfügung. In 2017 seien alle niedrigschwelligen Angebote an einem Standort, dem Stellwerk in der Fernroder Straße, zusammengelegt worden. Im vergangenen Jahr konnten die Öffnungszeiten werktags (einschließlich samstags) ausgeweitet werden, eine weitere Erweiterung auch auf Sonntage sei für dieses Jahr geplant.

Kernauftrag bei Stellwerk gGmbH seien die Grundversorgung und Überlebenshilfe. Auch er sowie seine Kolleg*innen hätten festgestellt, dass sich die Szene inzwischen nachhaltig verändert habe. Dabei spielten 2 zentrale Aspekte eine Rolle. Der Drogenhandel selbst sei inzwischen fest in albanischer Hand. Während früher oft Abhängige dealten um sich ihre Sucht zu finanzieren, seien diese Dealer selbst nicht abhängig und betrachteten den Handel als reines Geschäft. Dadurch hätten sie keine Entzugsproblematik und reagierten auch nicht auf die Ansprache durch die Streetworker. Darüber hinaus sorge der steigende Kokainkonsum für Stress und weitere Dynamisierung in der Szene.

Pro Tag gebe es ca. 70-80 Besucher im Stellwerk mit ca. 85 Konsumvorgängen, die im Stellwerk unter hygienischen Bedingungen erfolgen könnten. Im vergangenen Jahr habe es im Stellwerk selbst 59 Drogennotfälle gegeben, auf die überlebenssichernd reagiert werden konnte.

Die Beratungsstelle Drobs bestehe seit 49 Jahren und sei damit eine der ersten Einrichtungen bundesweit gewesen. Auch dort sei der Zugang niedrigschwellig angesiedelt, um dem Bedürfnis der Kund*innen gerecht werden zu können. Die Präventivarbeit richte sich dabei an verschiedenste Interessent*innen. Schließlich biete die Drobs noch eine offene Sprechstunde, Montag bis Freitag von 13 bis 16 Uhr, an, bei der eine Beratung ohne vorherige Terminabsprache sowie anonym möglich sei. Dabei gebe es pro Öffnungstag ca. 7 Erstberatungen bei insgesamt 1.705 Kontakten der Sprechstunde im Jahr. Im Rahmen von Veranstaltungen konnten ca. 6.700 Personen erreicht werden.

Zur Fragestellung der Anhörung, was kurzfristig und aktuell helfen könne, um die Situation für alle Beteiligten zu verbessern, wolle er über das von den Vorredner*innen bereits Geäußerte hinaus auf die dringend notwendige träger- und hilfebereichsübergreifende Kooperation hinweisen. Neben der Verzahnung von Such- und Wohnungslosenhilfe seien auch die Bereiche Psychiatrie und Jugendhilfe mit einzubeziehen. Hierzu bedürfe es verschiedener Gremien sowie einer Abstimmung über die verschiedenen Angebote. Um das gut ausgebaute Hilfeangebot noch besser zugänglich zu machen, sollten die Möglichkeiten der Digitalisierung verstärkt genutzt werden.

Auch in der Drobs Hannover sei ein Rückgang der absoluten Zahlen bei der psychosozialen Betreuung Substituierter zu verzeichnen, jedoch eine gleichbleibende Zahl bei den Neuaufnahmen. Der Rückgang betreffe die Personen, die schon lange substituiert würden. Das berge ein hohes Risiko, da diese häufig mit Minderjährigen in einem Haushalt lebten und komorbide Störungsbilder aufwiesen. Hintergrund für den Rückgang sei die Veränderung in den Richtlinien zur substitutionsgestützen Behandlung Opiatabhängiger, den sog. „BUB-Richtlinien” (=Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gem. § 135 SGB V). Weitere Informationen werde er der Verwaltung mit der Bitte, sie dem Protokoll beizufügen, überreichen.
(Hinweis der Protokollführung: Siehe Anlage zum Protokoll)


Herr Leopold stellte sich als Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeidirektion Hannover, zuständig für Stadt und Region Hannover, vor. Die Zusammenführung der Hilfeeinrichtungen rund um den Raschplatz habe dazu geführt, dass sich dieser Bereich sowohl für die Trinker- und Drogen- als auch die Obdachlosenszene als täglicher Aufenthaltsort fest etabliert. Auch für Reisende entfalte das vielfältige Angebot eine Magnetwirkung. Trotz der erhöhten Kontrolltätigkeit, die aus dem Projekt „bahnhof.sicher“ mit gemeinsamen Streifen aus Polizei, UESTRA und Stadtverwaltung resultierten, habe keine Verdrängung der in dem Bereich betreuten Personen stattgefunden. Der Personenkreis verhalte sich grundsätzlich kooperativ. Eine Ausnahme bildeten Menschen mit starker Alkoholisierung, die vermehrt aggressiv aufträten, was schließlich zu Platzverweisen führe. Die Verlagerung bei den Dealern zu albanischen Gruppen nehme auch die Polizei wahr. Diese reisten oft als Touristen für 3 Monate ein. Eine Verdrängung der Drogengeschäfte sei nicht erkennbar, da eine Festnahme lediglich dazu führe, dass diese Person sofort durch andere ersetzt werde.

Positiv sei die sehr gute Zusammenarbeit mit den Sozialeinrichtungen und eine Kenntnis der jeweiligen Verpflichtungen der anderen kenne. Dies sei weiter auszubauen. Weitere Schritte, wie eine höhere Reinigungsfrequenz im Bereich Stellwerk sowie einer besseren Ausleuchtung des Platzes begrüße auch die Polizei.

Durch die vielfältigen polizeilichen Kontakte lasse sich ein erhöhter Bedarf an psychosozialer Betreuung erkennen. Teilweise kämen Personen zur Wache, weil sie einen Beratungs- oder Informationsbedarf hätten. Aus Sicht der Polizei sollte diese Betreuung auch auf den Andreas-Hermes-Platz sowie den Vahrenwalder Park ausgeweitet werden.

Das Stellwerk sei absolut geeignet, sowohl von seiner Arbeit als auch der Örtlichkeit. Eine Abtrennung von den Dealern könnte möglicherweise durch eine bessere Ausleuchtung oder räumliche Abtrennung zu erreichen; dies müsse aber vor Ort geprüft und besprochen werden. Weitere Konsumräume außerhalb des Stellwerkes könnten die Situation insgesamt entzerren; in Hamburg sehe man jedoch die Vorteile der Konzentration auf einen Standort.

Für die Zukunft habe die Polizeidirektion Hannover keine Veränderungsvorschläge. Die Situation sei übersichtlich, die Zusammenarbeit habe sich deutlich verbessert, der Dialog sollte weiter gepflegt werden.


Herr Dr. von Wussow stellte sich als Leiter einer medizinischen Versorgungseinrichtung am Siloah-Krankenhaus vor. Einleitend wolle er der Stadt Hannover danken, dass sie sich um diese Patienten kümmere und sagte, es sei von großem Nutzen, dass Oxicodon so verteilt werden könne, wie dies gehandhabt werde.

Besondere Sorge bereiteten ihm junge Frauen mit Kindern. Diese freuten sich um ihre Kinder, kümmerten sich auch, aber ein tägliches Aufsuchen der Praxis zur Substitution fiele ihnen oft schwer. Daher sei ein Procedere entwickelt worden, nach dem die Patientinnen ziemlich schnell auf eine einmal wöchentliche Substitution gebracht würden. Dieses Angebot gehe einher mit einer Reduzierung der Dosis und der Maßgabe, dass, mit Ausnahme von Cannabis, keine weiteren Drogen genommen würden. Dies werde durch konsequente Analyse von Urinproben überprüft. Durch diese schnelle Rücknahme der Dosis werde auch das Selbstbewusstsein gestärkt und die Hoffnung genährt, künftig drogenfrei leben zu können. Dann beginne oft eine schwierige Phase, wenn noch 3-4 ml gegeben werden müssten. Natürlich sei die Jugendhilfe wegen der Kinder häufig involviert, aber solange keine unmittelbare Gefährdung der Kinder absehbar sei, werde nicht eingegriffen. Die psychosoziale Betreuung sei oft fern und nach seiner Kenntnis gebe es keine Stelle, an die sich ein Arzt wenden könne, um für die Patientin eine Alltagsunterstützung anzufragen.

Eine zweite Gruppe sei die von Russlanddeutschen, die arbeiteten und regelmäßig substituiert würden. Auch für diese Gruppe sei es von großem Vorteil, nur einmal in der Woche das Substitut zu erhalten. Auch diese Menschen müssten die Möglichkeit erhalten, abstinent leben zu können. Dazu wäre es sehr wichtig, wenn sie sich mit anderen ehemalig Substituierten treffen könnten um sich gegenseitig zu stärken und neue Beziehungen außerhalb von Drogenkontakten anbieten zu können.


Ratsfrau Klingenburg-Pülm dankte den Gästen für ihre Vorträge sowie dafür, dass es ihnen gelungen sei, sich an die engen Zeitvorgaben zu halten. Dies ermögliche es dem Sozialausschuss, abschließende Fragen zur Vertiefung zu stellen.

Auf Bitten von Ratsherrn Nicholls zu weiteren Ausführungen zur Übernachtungssituation Obdachloser in Hamburg erläuterte Herr Möller, natürlich verfüge auch die Hansestadt über Obdachloseneinrichtungen, Übernachtungsstätten usw. Das Projekt Nox, das dem Beratungs- und Gesundheitszentrum angehöre war ursprünglich eine Übernachtungsstätte. Inzwischen sei diese zu einer 24-Stunden-Einrichtung umgewandelt worden. Es gebe 35 Plätze, auf denen wohnungslose, drogenabhängige Menschen, schlafen und betreut würden. 5 Plätze seien 1-Tages-Plätze, 10 für ca. 1 Woche Aufenthalt und 20 um eine gemeinsame Hilfeplanung zu erstellen. Die Nachtöffnung sei gerade für diese Klientel sehr gut geeignet. Der enorme Vorteil der Einrichtung, der schließlich auch zur Entlastung des Stadtteils geführt habe, sei, eine vollwertige Alternative für einen erlaubten Aufenthalt zu bieten. Selbst an Sonntagen, wenn die Einrichtung geschlossen sei, hielten sich etliche Personen im Umfeld der Einrichtung auf. Dadurch entstehe ausdrücklich kein rechtsfreier Raum. Die Polizei beobachte die Situation und greife, mit Augenmaß, bei Bedarf ein. Niemand, auch nicht die Anlieger, sei an einer Vertreibung der Szene interessiert. Die Situation insgesamt bestehe so schon seit 2003 und könne als Erfolg gewertet werden.

Herr Leopold ergänzte, Menschen, die Hilfe benötigten wendeten sich an die Einrichtungen, die diese gewährten. Er habe Rückmeldungen aus der Wache am Raschplatz erhalten, wonach sich Reisende nach den Hilfeeinrichtungen erkundigten. Mit Zahlen könne er hier leider nicht dienen. Polizeidirektion Hannover begrüße die Einrichtungen außerordentlich und verhalte sich hier ähnlich, wie von Herrn Möller für Hamburg geschildert. Große Alternativen habe er nicht zu bieten; eine Dezentralisierung biete weder für die Hilfesuchenden noch für die Polizei Vorteile.

Frau Pätzold berichtete, dass einige Einrichtungen von Frauen nicht genutzt würden, da sie oft auch körperliche Gewalterfahrungen machen mussten. Sehr gute Rückmeldungen gebe es zur Einrichtung in der Langensalzastraße, bei der stets der Rückzugsraum positiv hervorgehoben wurde. Der von ihr in der Stellungnahme geschilderte Bedarf nach Ruheräumen müsse noch weiter konkretisiert werden. Ein Bereich davon sollte dann ausschließlich Frauen vorbehalten werden. Diese Überlegungen könnten gemeinsam mit anderen Einrichtungen erweitert werden, wenn ein entsprechendes Konzept erarbeitet werde würde.

Herr von Wussow betonte, Kinder müssten so gut irgend möglich geschützt, wenn immer möglich aber bei den Eltern gelassen werden. Abstinenzbehandlungen würden in der Regel stationär durchgeführt; Kinder dürften nicht mitgebracht werden. Wenn dies geändert werden könnte, wäre dies von großem Vorteil. Er wünsche sich bei der Jugendhilfe eine Ansprechstelle, an die sich mit derartigen besonderen Problemen und Bedürfnissen gewandt werden könne, damit möglichst schnell ein Angebot für die Patientinnen zur Verfügung gestellt werden könne.


Ratsherr Förste sagte, auch aus medizinischer und psychiatrischer Sicht werde inzwischen infrage gestellt, ob die Totalabstinenz Ziel sein müsse, oder ob die Suchttoleranz nicht eher anstrebbar sei. Hier scheine sich ein Paradigmenwechsel abzuzeichnen. Er frage sich daher, ob nicht die Drogenverbotspolitik als gescheitert angesehen werden müsse. In Portugal seien auch harte Drogen nur noch eine Ordnungswidrigkeit, dort hätten sich die Verhältnisse nicht verschlimmert.

Herr Lenzen erklärte, jeder Mensch müsse individuell betrachtet werden. Bei einigen seiner Klienten stelle bereits der Wunsch nach kontrolliertem Konsum eine enorme Verbesserung dar. Andererseits erlebe er auch, dass, wenn ehemals Drogenabhängige berichteten, wie sie es geschafft hätten abstinent zu leben, dies für andere eine Initialzündung sei: „Es ist möglich“.

Ratsherr Albrecht erinnerte daran, dass seinerzeit die Konsumräume in Hamburg, Niedersachsen und Hessen aufgrund einer gemeinsamen Initiative eingerichtet worden seien. Es interessiere ihn zu erfahren, ob auf dem Vorplatz gedealt werde und wenn nicht, wo der Handel stattfinde, inwieweit der benachbarte August-Bebel-Platz Sorge bereite oder ob er eventuell als Pufferzone diene. Darüber hinaus frage er, wie die Nachsorge in Hamburg organisiert sei.

Der medizinische Entzug werde heutzutage offenbar in nur noch wenigen Wochen durchlaufen. Als er sich vor über 30 Jahren erstmals mit dieser Thematik befasst habe, dauerte dies noch 6 Monate oder länger. Bei einem derartig kurzen Zeitraum scheine ihm die Nachsorge umso wichtiger zu sein.

Herr Möller bestätigte, dass der August-Bebel-Platz als Pufferzone vorgesehen sei, teilweise aber mitgenutzt werde. Der Vorplatz selbst biete keinen Sonnen- oder Regenschutz, so dass sich die Menschen dann lieber im Park unter den Bäumen aufhielten. Als 2017 der G20-Gipfel in Hamburg stattfand, war die Polizei vornehmlich mit dessen Sicherung befasst. Das habe dazu geführt, dass der Park auch vermehrt für Drogengeschäfte genutzt wurde. Dies habe sich inzwischen wieder normalisiert. Sicher werde auf dem Vorplatz gedealt, jedoch nicht von professionellen Dealer (die gebe es mehr in St. Pauli), sondern von selbst Drogen Konsumierenden. Der Vorplatz soll entsprechend umgestaltet werden, damit der Park wieder seiner eigentlichen Nutzung dienen kann. Das anliegende Museum für Kunst und Gewerbe habe eine Ausstellung zum Thema Social Design durchgeführt, Objekt dessen war der Vorplatz. Aus dieser Ausstellung heraus werde nun durch die Stadt Hamburg Sonnen- und Regenschutz sowie Sitzmöglichkeiten (keine Bänke, die dem Lagern dienen könnten, sondern Einzelsitze), Lichte und möglicherweise ein Trinkwasserbrunnen installiert.

Nox selbst betreibe keine Nachsorge. Die Menschen, die dort unterkämen seien akut drogenkonsumierend. Die Plätze selbst würden am Tresen der Beratungs- und Kontaktstelle vergeben. Die 24-Stunden-Betreuung biete den Vorteil, dass die Menschen erst einmal zur Ruhe kommen könnten, um dann auch für Beratungsgespräche offen zu sein. Die Einrichtung Adaption sei einmalig. Viele Patienten kämen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Jugendhilfe e.V. biete selbst mit der Fachklinik Hamburg-Mitte eine stationäre medizinische Rehabilitation für Drogen- und Suchtmittelabhängige an.

Herr Köster wies darauf hin, dass nach Änderung der BUB-Richtlinie die Ärzte darüber entschieden, ob eine psychosoziale Betreuung erforderlich ist. Er halte es für dringend notwendig, klare Vorgabe dazu zu machen, dass alle Substituierten mit Minderjährigen im Haushalt zusätzlich in die psychosoziale Betreuung eingebunden würden. Die STEP gGmbH prüfe, wenn sie in Kontakt zu diesem Personenkreis stehe, auch in aufsuchender Sozialarbeit das häusliche Umfeld und entscheide, ob zusätzliche Leistungen, wie ambulant betreutes Wohnen erforderlich sei. Dabei werde das Wohnumfeld regelmäßig aufgesucht, um eine, potenziell vorhandene, Kindeswohlgefährdung frühzeitig zu erkennen und dieser entgegenzusteuern.

In diesem Zusammenhang wolle er auf die Leitlinien sowie die Kooperationsvereinbarung in der Landeshauptstadt Hannover zwischen Jugendhilfe und Suchthilfe deutlich hinzuweisen. Diese müsse noch konsequenter in der Umsetzung Beachtung finden. Dies sei auch kurzfristig möglich, um die Situation für Kinder in diesen Haushalten sicherer zu machen.

Für die aufgekommene Frage, wie die zunehmende Digitalisierung akut drogenabhängigen Menschen zusätzliche Unterstützung bieten könne, könne er sich für die Akutversorgung die Entwicklung eines „Meldeportal“ vorstellen, in dem freie Übernachtungsplätze, Entgiftungsplätze oder auch Substitutionsplätze aufgeführt seien. Für die Klienten, die unter enormem Leidensdruck stünden sei es sehr entmutigend und nicht zumutbar, dutzende von erfolglosen Anfragen zu unternehmen. Die Streetworker könnten über ein solches Portal akut hilfebedürftigen Menschen entsprechende Hilfsangebote zuweisen und diese ggf. auch buchen sowie den Kontakt herstellen. Dieses Portal könnte sicher mit wenig Zeitaufwand sehr zeitnah umgesetzt werden. Zusätzlich könnten die Beratungsstellen in das Portal eingebunden werden.

Anknüpfend an die Fragen in der heutigen Einwohner*innenfragestunde sei klar, dass die entsprechenden Hilfenetzwerke viel stärker in die Konzeptionierung von Übernachtungsstätten für Obdachlose eingebunden werden müssten. Aus seiner Sicht reiche nicht das bloße Bett zur Übernachtung, sondern vielmehr sei auch eine qualifizierte Betreuung, die mit der Möglichkeit zu schlafen, kombiniert werde. Darüber hinaus müsse es Tagesschlafplätze sowie dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten mit entsprechender sozialpädagogischer Betreuung, idealerweise auch mit psychiatrischer Unterstützung, um die gesundheitlichen Einschränkungen ebenfalls zu berücksichtigen, notwendig.

Die STEP gGmbH beobachte seit etwa einem Jahr, dass diejenigen, die psychosoziale Unterstützung aufgrund komorbider Störungen benötigten, zunehmend aus dem Hilfeangebot ausschieden, weil es keine Verpflichtung hierzu mehr gebe. Dadurch könnten die in der psychosozialen Beratung Verbliebenen deutlich besser unterstützt werden.

Herr Köster wies darauf hin, dass die akutmedizinische Versorgung (Entgiftung) schon immer zeitlich knapp bemessen gewesen sei. Daran schließe sich die Entwöhnung in teil- oder ambulantstationärer Therapie an. Dies seien die von Ratsherrn Albrecht genannten 6 Monate. Mit der Klinik am Kronsberg könne hier stadtnah Unterstützung angeboten werden. Danach erfolge die ambulante Nachsorge als abstinenzorientierte Fortführung der Entwöhnungsbehandlung, finanziert maßgeblich über den Rentenversicherungsträger. Diese sei deutlich unterfinanziert und damit ein „Zuschussgeschäft“ für die Träger, die es anböten. Nach wie vor gebe es vielfältiges Hilfesystem mit allen Angebote in der Stadt Hannover. Verbesserungswürdig sei der Zugang zu den Maßnahmen, damit diejenigen, die sie benötigten, auch dorthin gelangten.

Herr Dr. von Wussow machte darauf aufmerksam, dass nach dem Suchtmittel unterschieden werden müsse. Während es bei Heroin einen körperlichen Entzug gebe, der, wenn es zügig gehen solle, dringend stationär gemacht werden müsse. Dies seien die genannten maximal 3 Wochen. Zwar sei der (körperliche) Entzug auch ambulant möglich, wobei die Dosis um jeweils 10 % reduziert werde. Der Patient erlebe dabei 2-3 furchtbare Tage, bis sich das Gehirn an die reduzierte Dosis gewöhnt habe. Nach 1-3 Wochen sei dann die nächste Reduzierung möglich. Die ambulante Therapie biete den Vorteil, dass die Patienten in ihrer gewohnten Umgebung feststellten, dass sie mit immer weniger Drogen auskomme; das Selbstwertgefühl steige.

Die Langzeittherapie von 4-6 Monaten habe viel mit dem Gefühlshaushalt der Patienten zu tun. Einer der maßgeblichen Gründe für den Konsum von Kokain oder Heroin sei, dass damit keinerlei negative Gefühle mehr spürbar seien. Dies sei ein so großer Stimulus, dass diese Drogen weiter genommen würden. Selbst Patienten, die aus voller Überzeugung von den Drogen wegkommen wollten, merkten dann, dass die negativen Gefühle, von denen sie dachten, sie seien verschwunden, wiederkämen. Dies sei der sehr mühsame und langwierige Teil der Behandlung. Wenn es dann schließlich geschafft sei, wäre eine Institution, in der ehemals Drogenabhängige sich darüber austauschen, wie sie mit kritischen Situationen oder negativen Gefühlen umgehen könnten.

Zur Fragen von Ratsherrn Jacobs ob es eine Änderung in der Altersstruktur / der Zielgruppen gäbe und wie Prävention sich darauf einrichte, sagte Frau Lehnert-Ott, sie sei bei Prisma gGmbH für die Präventionsarbeit zuständig. Hier würden insbesondere Präventionsangebote von Schulen angefragt. Dabei übersteige die Nachfrage die Möglichkeiten. Darüber hinaus fragten auch immer mehr Betriebe an. Insgesamt sei es sehr sinnvoll, mehr in den Multiplikatorenbereich zu investieren, was den vom Land vorgegebenen Richtlinien zu Suchtprävention entspreche.

Herr Lenzen ergänzte, das Neue Land e.V. erhalte vermehrt Anfragen zu Cannabis an Schulen, da die Schulen die Notwendigkeit erkannt hätten, einen eigenen Handlungsplan mit Möglichkeiten sowohl von Hilfe als auch Sanktion zu entwickeln. Teilweise würden die Schulen von dem Problem geradezu überrollt. Dies betreffe alle weiterführenden Schulformen in öffentlicher wie privater Trägerschaft. Auch beim Neuen Land e.V. übersteige die Nachfrage deutlich die Möglichkeiten, diese bedienen zu können. Seit vielen Jahren seien die Mitarbeitenden in der Innenstadt mit dem Projekt Fresh-Up unterwegs, um Jugendliche aufzusuchen, die Alkohol und Drogen konsumierten. Am Opernplatz gebe es seit langem Gothic-Treffen, mit Teilnehmenden aus dem ganzen Bundesgebiet. Viele der Jugendlichen seien erstaunt, dass es Menschen gebe, die sich Zeit für Gespräche nähmen. Diese Angebote werden gerne in Anspruch genommen. Diese Szene sei aus Sicht des Neuen Landes e.V. sehr wichtig und dürfe nicht vernachlässigt werden.

Frau Stadtmüller bat um Informationen, ob auch ältere Menschen von Drogensucht betroffen seien. Herr Dr. von Wussow erklärte, Süchtige, die nichts gegen ihre Sucht unternähmen, blieben auch im Alter dabei. Dies führe dazu, dass sie immer mehr andere Dinge vernachlässigten und nicht mehr sozial agieren könnten. Viele „Neusüchtige“ seien auch unter Zuwanderern (wozu er ausdrücklich auch Russlanddeutsche zähle) zu finden. In ihren Herkunftsländern seien sie nicht auf derartiges vorbereitet worden.

Herr Bapat ergänzte, das Durchschnittsalter in der offenen Drogenszene betrage etwa 40 Jahre. Was die harten Drogen wie Heroin oder Kokain betreffe, gebe es in den vergangenen Jahren von immer weniger Nachwuchs.

Herr Gaenshirt sagte, in den Anfangsjahren seiner Arbeit in der Drogenszene habe er eine Statistik über die Teilnehmer im Bauwagen gemacht, damals habe ein Heroinabhängiger durchschnittlich 9 Jahre mit dieser Sucht gelebt. Entsprechend war das Klientel jünger. Inzwischen sei die größte Gruppe die der 30-50-Jährigen. Beispielsweise werde in Kürze ein Klient aufgenommen, der 64 Jahre alt sei. Die Altersstruktur spiele inzwischen in den ambulanten Beratungsstellen keine Rolle mehr. Das sei früher anders gewesen, als Klienten nur bis 30/35 Jahre aufgenommen wurden. Teilweise gebe es auch Änderungen im Leben, so dass Menschen erst mit 40 Jahren oder älter begännen, Drogen zu nehmen.

Herr Möller bestätigte, auch in seiner Einrichtung in Hamburg liege das Durchschnittalter bei ca. 40 Jahren. Als er vor 27 Jahren seine Arbeit in dem Bereich aufgenommen habe, seien die Klienten deutlich jünger gewesen. Andererseits gab es mit 180 (inzwischen unter 70) deutlich mehr Drogentote im Jahr. In Hamburg mache man sich verstärkt Gedanken um die immer älter werdenden aktiv Drogenkonsumierenden. Wer lange Drogen konsumiere sei außerdem körperlich deutlich um mehrere Jahre vorgealtert. Es müssten dringend Überlegungen zu Alten- und Pflegeheimen für diese noch aktiv Drogenkonsumierenden angestellt werden. Hamburg habe damit inzwischen begonnen.

Die Anhörung wurde durchgeführt


TOP 5.
Antrag der Gruppe LINKE & PIRATEN zur Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung für Hannover
(Drucks. Nr. 2903/2019)

Beigeordneter Machentanz stellte den Antrag seiner Gruppe vor. Überall im Stadtgebiet seien Leerstände und Umwandelungen von Wohnraum in pensionsartige Räumlichkeiten zu beobachten. Bei dem hohen Bedarf an Wohnraum seien diese Zweckentfremdungen nicht zu tolerieren.

Ratsherr Döring meinte, der von Beigeordnetem Machentanz geschilderte Eindruck könne durchaus zutreffen. Allerdings seien weder bei der Stadtverwaltung noch bei den Mitgliedern des Rates belastbare Daten über das Ausmaß und die regionale Verteilung in der Stadt bekannt. Auch wolle er darauf hinweisen, dass eine Untervermietung, auch über Portale, im Mietvertrag geregelt sein könne. Von einer Rechtswidrigkeit könne dann nicht mehr gesprochen werden, da sich der Hauptmieter regelkonform verhalte. Nicht einmal über eine Wohntraumzweckentfremdungssatzung könne eine Untervermietung in diesen Fällen verhindert werden.

Es gab gute Gründe, die Wohnraumzweckentfremdungssatzung aufzugeben, zumal inzwischen Arbeiten und Wohnen immer mehr verbunden würden. Es sei sicher nicht im Interesse der antragstellenden Gruppe zu verhindern, dass freiberuflich Tätige, wie bspw. IT-Entwickler*innen, ihre Tätigkeit von zuhause ausübten. Auch diese Frage sei im Vorfeld zu klären.

Zunächst müssten Daten darüber vorliegen, in welchem Umfang und in welchen Stadtteilen Wohnraum in Hannover nicht zum Wohnen genutzt werde. Daher plädiere er für die Annahme des Änderungsantrages.

Ratsherr Nicholls wies darauf hin, dass sich die Politik bereits seit einiger Zweit mit der Frage der möglichen Zweckentfremdung von Wohnraum befasse. Der Stadtbezirksrat Nord sei dazu bereits 2017 tätig geworden. Zu dem Zeitpunkt war die rechtliche Grundlage dazu auf Landesebene noch nicht vorhanden. Gleichwohl sei sicher festzustellen, (auch wenn sich die Verwaltung trotz mehrfacher Anfragen nicht im Stande sah, dies mit Daten für einige innenstadtnahe Stadtteile zu belegen,) dass ein Blick auf die einschlägigen Portale den Eindruck hinterlasse, dass Zweckentfremdung von Wohnraum stattfinde. Offenbar würden ganze Gebäude in Ferienwohnungen umgewandelt und führten dazu, dass immer mehr Bereiche von den Besucher*innen als eine Art „Partymeile“ genutzt würden. Ausdrücklich gehe es nicht um Wohnungen, die von den Mieter*innen oder Eigentümer*innen selbst als Büro für ihre freiberufliche Tätigkeit genutzt würden. Es sei bei der Datenerhebung insbesondere eine Methode zu wählen, die die Bürokratie dabei möglichst gering halte. Im Stadtbezirksrat Nord habe es zu dem Thema am
09. September 2019 eine Anhörung gegeben, bei der der Staatsrat des Hamburger Senates sehr hilfreiche Hinweise dazu gegeben habe, wie dies dort gehandhabt werde. Bspw. werde in Abstimmung mit den Portalen eine sog. Wohnraumschutznummer vergeben, anhand derer die Kontrolle entsprechender Angebote (die grundsätzlich zulässig seien) ermöglicht.

Eine Wohnraumzweckentfremdungssatzung sei sicher nicht für das gesamte Stadtgebiet erforderlich, sondern nur für die stark betroffenen Bereiche. Dort allerdings müsse sie zügig umgesetzt werden.

Ratsherr Albrecht sagte, ein Einschreiten sei aus seiner Sicht bereits jetzt möglich, wenn ausgewiesener Wohnraum dauerhaft gewerblich genutzt werde. Dies gäbe das Baurecht her, wenn es in den Bebauungsplänen entsprechende Vorgaben gebe.

Stadträtin Beckedorf zitierte aus § 1, Abs. 1, Satz 1 und 2 des Niedersächsischen Niedersächsisches Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (NZwEWG) vom 27. März 2019: „Gemeinden können für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (Gebiete mit Wohnraummangel), durch Satzung bestimmen, dass Wohnraum nur mit Genehmigung der Gemeinde anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf (Zweckentfremdung). Die Satzung darf nur erlassen werden, wenn die Gemeinde dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit wirtschaftlich und zeitlich vertretbaren Mitteln und in angemessener Zeit abhelfen kann.“

Einstimmig, mit den Änderungen aus Drucks. Nr. 3309/2019


TOP 5.1.
Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zur Drucksache Nr. 2903/2019: Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung für Hannover
(Drucks. Nr. 3309/2019)

Diskussionsbeiträge siehe Tagesordnungspunkt 5.

10 Stimmen dafür, 1 Stimme dagegen, 0 Enthaltungen


TOP 6.
Antrag der Gruppe LINKE & PIRATEN zur Entwicklung eines Konzeptes zur Verhinderung von Zwangsräumungen
(Drucks. Nr. 3266/2019)

Beigeordneter Machentanz begründete den Antrag seiner Gruppe. Nach Angaben der Verwaltung gab es in Hannover in 2018 400 Zwangsräumungen. Es sei deutlich geworden, dass nicht einmal ein Konzept vorliege, bei den Zwangsräumungen seien auch keine Mitarbeiter*innen der Stadt anwesend, um den Menschen in dieser heiklen Situation entgegen kommen zu können. Vor 3 Jahren habe er eine Zwangsräumung miterlebt und hätte gerne mit einem*r anwesenden Mitarbeiter*in gesprochen. Leider sei niemand da gewesen und er habe selbst mit der betroffenen Person das Wohnungsamt aufsuchen müssen.

Es müsse ein Konzept entwickelt werden, um Wohnungslosigkeit durch Zwangsräumungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies sei auch volkswirtschaftlich von Vorteil, da dann kein Geld für die entsprechende Sozialarbeit ausgegeben werden müsse.

Ratsherr Döring wies darauf hin, dass Frau Stadträtin Beckedorf in der Ratsversammlung am 28.11.2019 ausführlichst auf eine Anfrage der Gruppe LINKE & PIRATEN sowie umfangreiche Nachfragen des Herrn Beigeordneten Machentanz zu Zwangsräumungen in der Landeshauptstadt Hannover geantwortet und Konzepte vorgetragen habe. Nahezu die gesamte Fragestunde sei für diesen Fragebereich genutzt worden. Wenn das Ergebnis des Vortrages, in dem die umfangreichen präventiven Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit vorgestellt wurden in dem Ergebnis mündeten, es müsse ein Konzept erstellt werden, halte er dies für befremdlich.

Aus seiner Sicht gebe es keinen Bedarf für diese Anträge, da die Konzepte einschließlich sozialarbeiterischer Maßnahmen bereits vorlägen.

Ratsherr Nicholls erinnerte an eine Anfrage seiner Fraktion zu wohnraumerhaltenden Hilfe, die in der Ratsversammlung am 28.03.2019 ausführlich zur Spannbreite der wohnungserhaltenden Hilfen, die seitens der Landeshauptstadt Hannover erbracht werden, beantwortet worden sei. Die Stelle für wohnungserhaltende Hilfen erhalte vom Amtsgericht Hannover Kenntnis über alle Termine von Zwangsräumungen in der Stadt, unabhängig vom Klagegrund. Jeder Haushalt werde mit einer Postkarte angeschrieben, mit der Bitte, sich zu melden. Es erfolge nicht nur eine Meldung, sondern durchaus mehrere Rückfragen. Im Protokoll über die genannte Ratsversammlung sei nachzulesen, wie dezidiert und auf welchen Ebenen guten Arbeit, auch zur kommunalen Wohnungsvermittlung und ggf. Unterbringung, geleistet werde.

Beigeordneter Machentanz machte darauf aufmerksam, dass er in der Ratsversammlung am 28.11.2019 nachgefragt habe, ob der Verwaltung bekannt sei, wo sich die Menschen ein Jahr nach der Zwangsräumung aufhielten. Dies sei der Verwaltung in den wenigsten Fällen bekannt gewesen. Wenn Menschen in ihrer elementaren Krisensituation eine Postkarte erhielten, sei dies keineswegs ausreichend. Er erwarte, dass sich die Verwaltung bereits zu einem früheren Zeitpunkt kümmere.

Herr Ulrichs sagte, Menschen, denen der Wohnungsverlust drohe, hätten bereits einige Zeit zuvor begonnen, ihre Post nicht mehr zu öffnen. Die kleinen weißen Postkarten, die die Stadtverwaltung versende, könnten schnell übersehen werden. Es sei bekannt, dass aufsuchende Hilfe das zu wählende Mittel sei und nicht eine Aufforderung, zu einer Behörde zu gehen. Die Wohnung gehe verloren, gerade weil es Schwierigkeiten mit Behörden gebe. Sicher sei die Stadt Hannover in ihren Bemühungen bestrebt, Hilfe anzubieten. Ob dies ausreiche, wolle er nicht beurteilen. Eine Postkarte sei jedoch deutlich nicht das Mittel der Wahl, wenn Menschen geräumt würden oder drohten, ihres Wohnraumes verlustig zu werden. Hier müsse aufsuchende Sozialarbeit betrieben werden. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Sozialarbeitende von Zwangsräumung bedrohte Mieter*innen aufsuchten und wie viele Haushalte insgesamt besucht würden.

Herr Lüdtke sagte, bei den Wohnungserhaltenden Hilfe seien 4 Mitarbeitende beschäftigt, die auch Hausbesuche machten, um die Menschen zu erreichen. Sollte jemand persönlich nicht erreichbar sein, werde eine Postkarte hinterlassen, da die Erfahrung gezeigt habe, dass Briefe nicht mehr geöffnet würden, aber eine Postkarte wahrgenommen werden kann, ohne dass diese, wie ein Brief „geöffnet“ werden müsse.

Herr Nicholls zitierte aus der Antwort der Verwaltung zur Anfrage seiner Fraktion zu wohnraumerhaltende Hilfen, nachzulesen im Protokoll über die Ratsversammlung am 28.03.2019: „…Dies führt allerdings auch dazu, dass viele Beklagte in einem Räumungsverfahren ihre Briefe nicht mehr öffnen. Daher werden Postkarten versandt. Erfolgt von dem angeschriebenen Haushalt keine Reaktion, wird ein unangemeldeter Hausbesuch durchgeführt. Sollte niemand angetroffen werden, wird eine Visitenkarte im Briefkasten oder direkt an der Wohnungstür hinterlegt mit der Bitte um Rückruf.“

Er gehe daher davon aus, dass die Verwaltung bereits jetzt einiges unternehme, um die Menschen in ihrer schwierigen Situation zu erreichen.

Ratsherr Albrecht erklärte, die beiden genannten Anfragen in den Ratsversammlungen hätten deutlich gemacht, dass die Verwaltung bereits Konzepte verfolge. Der heutige Antrag, ein Konzept vorzulegen, sei vor diesem Hintergrund überflüssig.

1 Stimme dafür, 10 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen


TOP 7.
Antrag der Gruppe LINKE & PIRATEN zur Entwicklung eines Konzeptes zur Verhinderung von Stromsperren
(Drucks. Nr. 3267/2019)

Beigeordneter Machentanz wies auf die Antwort der Verwaltung zur Anfrage seiner Gruppe in der Ratsversammlung am 28.11.2019 hin, in der die Verwaltung erklärt habe, sei halte die Erstellung eines Konzeptes zu dem Thema nicht für ihre Aufgabe. Dies bedauere er sehr. Zwar habe sich die Anzahl der Stromsperren innerhalb von 5 Jahren halbiert, aber daran sei weiterzuarbeiten; jede einzelne Stromsperre sei eine zu viel.

Ratsherr Döring erinnerte daran, dass Frau Stadträtin Beckedorf in der Ratsversammlung am 28.11.2019 auch ausführlichst auf eine Anfrage der Gruppe LINKE & PIRATEN sowie umfangreiche Nachfragen des Herrn Beigeordneten Machentanz zu Stromsperren geantwortet und die Konzepte zur Verhinderung von Stromsperren vorgetragen habe. Nahezu die gesamte Fragestunde sei für diesen Fragebereich zu Zwangsräumungen und Stromsperren genutzt worden.

Ratsherr Albrecht machte auf den Enercity-Härtefonds, der von Enercity aus eigenem Antrieb installiert und mit eigenen Mitteln ausgestattet sei und dafür sorge, dass Kunden, bei denen eine Sperre der Energie- oder Wasserversorgung eine besondere Härte darstellen würde, aufmerksam. Vor diesem Hintergrund könne er nicht erkennen, dass nicht, oder konzeptionslos gehandelt würde.

1 Stimme dafür, 10 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen


TOP 8.
Standortentscheidung: Unterbringung von Personen in der Kleefelder Straße 31
(Drucks. Nr. 3217/2019)

Ratsfrau David sagte, ihre Fraktion habe sich sehr über diese Drucksache gefreut, insbesondere vor dem Hintergrund der unter Tagesordnungspunkt 4 durchgeführten Anhörung, zumal hier offenbar überlegt werde, Männer und Frauen getrennt voneinander unterzubringen. Sie wünsche sich sehr, dass ein verstärktes Augenmerk auf wohnungs- und obdachlose Frauen gelegt werde, die in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen vermehrt in Erscheinung träten, nachdem ihre Situation früher weniger offensichtlich war.

Ratsherr Albrecht fragte, ob bereits ein Unterbringungskonzept vorliege. Ursprünglich sollte in der heutigen Sitzung die Satzung über die Unterbringung Obdachloser und Geflüchteter in der Landeshauptstadt Hannover (Drucks. Nr. 3321/2019) behandelt werden, in der von verschiedenen Wohnarten und Wohnformen die Rede sei. Es interessiere ihn zu erfahren, ob in der Kleefelder Straße 31 eher ein Wohnprojekt oder ein Wohnheim angedacht sei.

Auch interessiere ihn zu erfahren, wie viele Plätze es geben und wie hoch die Kosten der beschriebenen umfangreichen Umbauarbeiten sein werden.

Herr Lüdtke erklärte, von der Beschaffenheit sei der Standort eher für ein Wohnprojekt geeignet, da alle Bewohner*innen eine eigene, wenn auch kleine, abgeschlossene Wohneinheit habe werden. Allerdings sei ein Wohnprojekt auf 100, ein Wohnheim auf 150 Plätze begrenzt.

Wie in der Drucksache beschrieben, sei der Ankauf getrennt von der Standortentscheidung zu betrachten. Über den Standort solle in öffentlicher Sitzung beraten und entschieden werden. Die vertrauliche Drucksache zu Kauf werde auch die entsprechenden Umbaukosten aufführen, da diese in unmittelbarem Umfang zum Kauf stünden.

Einstimmig


TOP 9.
Satzung über die Unterbringung Obdachloser und Geflüchteter in der Landeshauptstadt Hannover
(Drucks. Nr. 3321/2019 mit 2 Anlagen)

Auf Wunsch der Bündnis 90/Die Grünen in die Fraktionen gezogen


TOP 10.
13. Deutscher Seniorentag in der Landeshauptstadt Hannover – 16.-18.06.2021, HCC
(Informationsdrucksache Nr. 3262/2019)

Ohne Aussprache.

Zur Kenntnis genommen


TOP 11.
Bericht der Dezernentin

Stadträtin Beckedorf sagte, ihr lägen keine Punkte zum Bericht vor.


Ratsfrau Klingenburg-Pülm schloss die Sitzung.


Konstanze Beckedorf Hanebeck
Stadträtin für das Protokoll