Gemeinsame Sitzung Jugendhilfeausschuss, Migrationsausschuss, Schulausschuss am 24.08.2009

Protokoll:

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Niederschrift über die gemeinsame Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses, des Migrationsausschusses und des Schulausschusses am
24.08.2009, 14:00 Uhr, im Hodlersaal des Rathauses, Trammplatz
Ende: 16:35 Uhr



Mitglieder des Jugendhilfeausschusses

A
Stimmberechtigte Mitglieder



Ratsfrau Schlienkamp als Vorsitzende
-
SPD-Fraktion

Herr Albrecht
-
Stadtjugendring Hannover e. V.

(Herr Bode)
-
Arbeitsgemeinschaft der freien
Wohlfahrtsverbände

Frau Böhme
-
Stadtjugendring Hannover e. V.

Herr Bosse
-
Caritasverband Hannover e. V.

Ratsfrau de Buhr
-
SPD-Fraktion

(Ratsfrau Handke)
-
CDU-Fraktion

Ratsfrau Hindersmann
-
SPD-Fraktion

(Ratsfrau Jakob)
-
CDU-Fraktion

Ratsherr Paulun
-
CDU-Fraktion

Bezirksratsherr Pohl
-
CDU-Fraktion

Ratsherr Politze
-
SPD-Fraktion

(Ratsherr Sommerkamp)
-
CDU-Fraktion

(Ratsfrau Tack)
-
SPD-Fraktion

(Herr Teuber)
-
Arbeitsgemeinschaft der freien
Wohlfahrtsverbände

(Ratsherr Dr. Tilsen)
-
FDP-Fraktion

Ratsfrau Wagemann
-
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Herr Werkmeister ab 16:10 Uhr
-
DRK Region Hannover e. V.

Herr Witt
-
Stadtjugendring Hannover e. V.
B
Grundmandat



(Ratsherr Höntsch)
-
Linksbündnis

Ratsherr List
-
Hannoversche Linke
C
Beratende Mitglieder



Frau Broßat-Warschun
-
Leiterin des Fachbereichs Jugend und
Familie

Frau Dalluhn
-
Vertreterin der Kinderladeninitiative Hannover e. V.

Frau David
-
Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch von Mädchen (Violetta)

Frau Feise
-
Vertreterin der Freien Humanisten

Frau Hartleben-Baildon
-
Sozialarbeiterin

Herr Honisch
Stadtjugendpfleger

Frau Klyk
-
Vertreterin der Vertreterversammlung der Eltern und Mitarbeiter hannoverscher Kindertagesstätten und Kinderläden

(Frau Kumkar)
-
Lehrerin

Herr Nolte
-
Vormundschaftsrichter

Herr Pappert
-
Vertreter der ev. Kirche

(Herr Poss)
-
Vertreter der Jüdischen Gemeinde

Herr Richter
-
Vertreter der katholischen Kirche

(Frau Dr. Sekler)
-
Vertreterin der Interessen ausl. Kinder u. Jugendlicher

Mitglieder des Migrationsausschusses

A
Stimmberechtigte Mitglieder



Bürgermeister Strauch
als Vorsitzender
-
SPD-Fraktion

Ratsherr Busse
-
CDU-Fraktion

(Ratsherr Degenhardt)
-
SPD-Fraktion

Ratsfrau Fischer
-
SPD-Fraktion

(Ratsfrau Handke)
-
CDU-Fraktion

Ratsherr Kirci
-
SPD-Fraktion

Ratsfrau Kramarek
-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Bürgermeisterin Lange)
-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ratsherr Meyburg
-
FDP-Fraktion

Ratsfrau Schlienkamp
-
SPD-Fraktion

(Ratsherr Scholz)
-
CDU-Fraktion
B
Grundmandat



(Ratsherr Förste)
-
Linksbündnis

Ratsherr List
-
Hannoversche Linke
C
Beratende Mitglieder



(Herr Bankole)



(Herr Elal)



(Frau Guaqueta-Korzonnek)



(Frau Heine)



(Frau Konopinska)



(Herr Onay)



(Herr Pollice)



Herr Sangaré



(Frau Sediq)



(Frau Dr. Sekler)
-
Vertreterin der Interessen ausl. Kinder u. Jugendlicher

(Herr Vossoughi)


Mitglieder des Schulausschusses

A
Stimmberechtigte Mitglieder



(Ratsherr Degenhardt
als Vorsitzender)
-
SPD-Fraktion

Ratsherr Bindert
-
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ratsherr Blickwede
-
SPD-Fraktion

(Frau Braunholz)
-
Vertreterin der Schülerinnen und Schüler

Ratsfrau de Buhr
-
SPD-Fraktion

Frau Eichholz
-
Vertreterin der Eltern

(Frau Frauendorf-Gieske)
-
Vertreterin der Lehrerinnen und Lehrer

Beigeordneter Klie
-
SPD-Fraktion

Ratsfrau Kramarek
-
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Herr Lochte
-
Vertreter der Eltern

Ratsherr Meyburg
-
FDP-Fraktion

Herr Mokhtari
-
Vertreterin der Schülerinnen und Schüler

Ratsfrau Nerenberg
-
SPD-Fraktion

Ratsfrau Neubauer
-
CDU-Fraktion

(Herr Post)
-
Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer

(Ratsfrau Seitz)
-
CDU-Fraktion
B
Grundmandat



Ratsherr Böning
-
Wir für Hannover (WfH)

(Ratsherr Höntsch)
-
Linksbündnis

(Ratsherr Nikoleit)
-
Hannoversche Linke



Presse



Frau Hilbig
-
Hannoversche Allgemeine Zeitung

Herr Krasselt
-
Neue Presse

Gäste



Frau Latzke
-
Verein für interkulturelle Arbeit in Linden e. V.

Herr Prof. Dr. Pfeiffer
-
Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen e. V. (KFN)

Her Prof. Dr. Pohl
-
Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Leibniz Universität Hannover

Herr Prof. Dr. Scherr
-
PH Freiburg, Institut für Sozialwissenschaften, Abt. Soziologie; Expertengruppe "Offene Jugendarbeit"

Frau Taut
-
Polizeidirektion Hannover, Dezernat 11, Aufgabenschwerpunkt "Jugenddelinquenz und -gefährdung"

Herr Weihrauch
-
Sozialistische Jugend Deutschlands - die Falken





Verwaltung



Herr Berger
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich offene Kinder- und Jugendarbeit

Frau Brehmer
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich Kommunaler Sozialdienst

Herr Cordes
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich Zentrale Fachbereichsangelegenheiten

Frau Deters
-
ÖPR 51

Herr Dienst
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich Zentrale Fachbereichsangelegenheiten

Frau Ebel
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich Jugend- und Familienberatung

Herr Eberhardt
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich offene Kinder- und Jugendarbeit

Herr Jacobs
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich offene Kinder- und Jugendarbeit

Frau Kalmus
-
Büro Oberbürgermeister,
Presseinformation und Öffentlichkeitsarbeit

Frau Mac-Lean
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich offene Kinder- und Jugendarbeit

Herr Rauhaus
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich Kindertagesstätten und Heimverbund

Herr Rohde
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich offene Kinder- und Jugendarbeit

Frau Rudolf
-
Fachbereich Bibliothek und Schule,
Bereich Schulplanung

Frau Schepers
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Bereich offene Kinder- und Jugendarbeit

Frau Teschner
-
Dez. III

Frau Teschner
-
Fachbereich Jugend und Familie,
Planungskoordinatorin

Herr Walter
-
Jugend- und Sozialdezernent

Frau Wilke-Peters
-
ÖPR 51

Herr Brockmann für die Niederschrift
Herr Krömer für die Niederschrift

Tagesordnung:



1. Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

2. Anhörung gemäß § 35 der Geschäftsordnung des Rates der Landeshauptstadt Hannover zum Thema der KFN-Studie "Sind Freizeitzentren eigenständige Verstärkungsfaktoren der Jugendgewalt"
Auflistung der Eingeladenen (s. Anlage)







Tagesordnungspunkt 1

Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

Ratsfrau Schlienkamp eröffnete die Sitzung und begrüßte die Anwesenden.
Als Referentinnen und Referenten begrüßte sie Herrn Prof. Dr. Pfeiffer, Herrn Prof. Dr. Scherr, Herrn Prof. Dr. Pohl, Frau Monika Taut, Frau Marion Latzke, Herrn Jörg Weihrauch und Herrn Torsten Albrecht.
Zum Verfahren wies sie darauf hin, dass das Eingangsreferat von Herrn Prof. Dr. Pfeiffer gehalten werde. Die anschließenden Referate sollten in der Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten.


Tagesordnungspunkt 2

Anhörung gemäß § 35 der Geschäftsordnung des Rates der Landeshauptstadt Hannover zum Thema der KFN-Studie "Sind Freizeitzentren eigenständige Verstärkungsfaktoren der Jugendgewalt?"

Die Referate von Herrn Prof. Dr. Pfeiffer, Herrn Prof. Dr. Scherr, Herrn Prof. Pohl, Frau Taut, Frau Latzke, Herrn Weihrauch und Herrn Albrecht sind der Niederschrift als Anlage beigefügt.

Nachdem Ratsfrau Schlienkamp darum gebeten hatte, sich bei den Fragen kurz zu fassen, äußerte sich Ratsfrau Jakob lobend über die Vorträge, richtete jedoch die Frage an die Experten, wo die Lösungen seien und wie man es erreichen könne, das, was in Hannover bereits geschaffen worden sei, weiter zu verstärken.

Ratsherr Meyburg fragte Herrn Prof. Dr. Pfeiffer, wie er sich eine Ganztagsschule vorstelle.
An die Vertreter der Jugendzentren richtete er die Fragen, wie man in den Einrichtungen von der innerfamiliären Gewalt der Besucher erfahre und welchen Migrationshintergrund die Besucher hätten.

Ratsfrau Wagemann brachte die Wichtigkeit der Anhörung zum Ausdruck und fragte, ob die populistischen Reaktionen auf die Studie bedacht wurden und im Interesse der Herausgeber seien.
Anschließend schilderte sie die Probleme, die es in Hannover mit der Institution Schule gebe und fragte Herrn Prof. Dr. Pfeiffer, warum er die Schule trotz Kenntnis der Landschaft in dieser Weise favorisiere und die Jugendarbeit so diskreditiere.

Herr Prof. Dr. Pfeiffer machte deutlich, dass Kinder aus benachteiligten Familien in Hannover in der Regel nicht in ein Jugendzentrum gingen. Diejenigen, die nicht dort hingingen, seien weniger gewalttätig als diejenigen, die hingingen. Die Mehrheit der Kinder aus dem Drogenmilieu besuche kein Jugendzentrum. Diejenigen, die hingingen, seien zu denjenigen, die auch im Drogenmilieu seien, aber das Jugendzentrum nicht besuchten, mehr gewalttätig. Kinder, die all diese Merkmale aufwiesen und in ein Jugendzentrum gingen, seien gewalttätiger als diejenigen mit den gleichen Merkmalen, die das Jugendzentrum nicht besuchten. Die Frage, warum das so sei, habe zu dem Ergebnis geführt, dass je höher in einem sozialen Kontext die Ballung von Hochbelasteten sei, umso wahrscheinlicher seien Ansteckungseffekte im Negativen.
Um die positiven Wirkungen der Schule aufzuzeigen, erläuterte er, dass vor 10 Jahren noch 50 % der türkischen Kinder auf die Hauptschule gegangen seien. Inzwischen seien es nur noch 31 %. Parallel dazu habe sich das Netzwerk der türkischen Jugendlichen drastisch verändert. Im Vergleich zu München, wo noch 61 % der Schüler zwangsweise die Hauptschule besuchten und wo noch 39 % der Jungen mindestens fünf delinquente Freunde hätten, seien es in Hannover nur noch 18 %. Diese Zahl sei hier so niedrig, weil sie zu 70 % Gesamtschulen, Realschulen und Gymnasien besuchten und auf eine bunte Mischung von Mittelschichtskinder träfen und so in unsere Gesellschaft hineinwüchsen. Daher stimme er mit Herrn Prof. Dr. Scherr darin überein, dass die Hauptschulen abgeschafft werden müssten.
Er habe nichts gegen die Sozialarbeiter. Denen bescheinige er hohes Engagement und Können. Er sage lediglich, wenn eine Einrichtung zu stark von Hochbelasteten besucht werde, entstehe eine nicht mehr aufzuhaltende Eigendynamik. Die Sozialarbeiter könnten sich dann noch so abmühen; sie hätten weniger Chancen, als wenn eine bessere Durchmischung zustande komme. Die Mehrfachtäter seien in Hannover bei den türkischen Jugendlichen, die andere Schulformen besuchten, von 15,2 auf 7,2 % gesunken.
Am Ende wiederholte er, dass es ihm nicht um eine Kritik an Jugendzentren gehe sondern darum, dass die Dynamik der Nutzung dazu führe, dass sie sich einer belasteten Klientel ausgesetzt sähen, mit denen sie nicht mehr unter den herrschenden Rahmenbedingungen präventiv arbeiten könnten.
Hinsichtlich seiner Begeisterung für die Schulen meine er nicht das, was in Hannover passiere. Hier sei er sich mit allen einig, dass mehr passieren müsse. Jedoch habe er in Kanada, Finnland und Neuseeland Schulen besucht, die als "Treibhäuser der Zukunft" bezeichnet würden. Hier sei bis etwa 15:30 Uhr Pflichtunterricht, und danach beginne die Freiwilligkeit. 60 - 70 % würden dieses Angebot nutzen. Deswegen plädiere er für eine andere Vision von Schule. Dass die Gegenwart nicht begeisternd sei, wisse er; jedoch sei sie besser als ihr Ruf.

Herr Prof. Dr. Scherr führte aus, dass es keine Wertemodelle gebe, welche sozialen Belastungsfaktoren direkt oder indirekt zu Kriminalität führten. Es gebe nur viele Mythen. So sei vor kurzem zwingend nachgewiesen worden, dass Lehrlinge nicht seltener Straffällig würden als arbeitslose Jugendliche; sie würden nur seltener verurteilt.
Wenn man glaube, was die Studie behaupte, gäbe es einen dringenden Anlass, eine genaue qualitative Studie zu den sozialen Prozessen in den Jugendzentren und den Schulen zu machen. Danach könne man dann ernsthaft darüber reden. Er wolle die Daten nicht bestreiten, aber viele empirische Studien über Jugendarbeit sagten etwas anderes aus. Sie sagten, dass es hier Prozesse der politischen Bildung und des sozialen Lernens, Prozesse, in denen Jugendliche Konfliktregulierung und Beziehungsaufbau lernten, gebe. Danach müsste Hannover eine eigentümliche Sondersituation sein, die dem Bilde der Jugendarbeit bundesweit so nicht entspreche. Man müsste dann entweder sagen, dass eine Qualifizierung, ein Ausbau der Jugendarbeit erforderlich sei oder man müsse dazu kommen, dass die Einrichtung geschlossen werden müsse.

Herr Weihrauch machte deutlich, dass es eine Reihe erfolgreicher Jugendprojekte gebe. aber auch einige Jugendzentren böten eine ganz interessante Projektarbeit an. Diese Arbeiten sollten vielleicht einmal vorgestellt und ausgewertet werden. Dabei müsse geprüft werden, warum diese Arbeiten so erfolgreich seien, ob sie auf andere Einrichtungen übertragen werden könnten und welches die Strukturprinzipien seien, die diesen Erfolg ermöglichten.
Ein weiterer Punkt sei die Kooperation von Jugendeinrichtungen und Schule. Hier gebe es eine ganze Reihe. Manche Jugendeinrichtungen kooperierten vielleicht noch nicht mit der Schule; hier müsse gefragt werden, warum das so sei. Jedoch vermisse er insgesamt einheitliche Standards, nach denen diese Kooperation ablaufe. Bisher habe es wenig Koordination in diesem Bereich gegeben, jedoch setze er hier auf die Jugendbildungskoordinatoren, die seit dem 01. Januar 2009 ihre Arbeit aufgenommen hätten.
Die Frage, wie man von Gewalt erfahre, sei dahingehend zu beantworten, dass mit den Jugendlichen gesprochen werde. Ein guter Sozialarbeiter werde sich in solchen Fällen auch an andere Stellen, wie Lehrer oder die Polizei wenden. Darüber hinaus erführen die Sozialarbeiter viel, da sie auch im Stadtteil unterwegs und mit anderen Einrichtungen im Gespräch seien.
Es gebe immer wieder einmal problematische ethnische Zusammensetzungen, die sehr homogene Gruppen hervorbrächten. Spätestens dann müsse man durch eine Umstellung der Angebotsstrukturen, durch veränderte Öffnungszeiten oder durch Angebote außerhalb der Jugendeinrichtung reagieren, um wieder eine Entmischung zu erreichen. Das sei oftmals natürlich ein langwieriger Prozess, der auch etwas der Kreativität der Jugendarbeiter geschuldet ist. Ein guter Jugendarbeiter oder eine gute Jugendarbeiterin bemerke es, wenn sich eine Problematik anbahne und werde versuchen, dementsprechend zu reagieren.

Ratsfrau Hindersmann bemerkte zunächst, dass sich die SPD-Fraktion für eine Stärkung der Jugendarbeit einsetze. Sie sei gegen die in der Studie vertretene These. Viel mehr glaube sie, dass Jugendzentren gerade solche Kinder und Jugendlichen noch erreichen könnten.
Sie stellte die Frage, wie die Prognose sei, wenn man von Heute auf Morgen die Jugendzentren schließen würde.
Sie halte die These für unterstützungswürdig, dass bei Schließung der Jugendeinrichtungen die Kinder und Jugendlichen sich auf der Straße oder in anderen problematischen Bereichen befänden.
Die Debatte um die Ganztagsschule halte sie für theoretisch, da diese Frage kommunalpolitisch in den nächsten Jahren nicht entschieden werden könne.

Ratsherr List fragte, wie man Jugendliche erreichen wolle, die sich nicht mehr in Schul- oder Berufsausbildung befänden.
Er widerspreche der in der Studie vorgestellten These und begründete dies mit seiner langjährigen Arbeit in einem unabhängigen Jugendzentrum mit problematischen Jugendlichen. Diese hatten im Jugendzentrum eine Auffangsituation gefunden, und man konnte ihnen helfen, aus ihren schwierigen Situationen herauszukommen.

Bezirksratsherr Pohl schloss sich den Ausführungen von Ratsfrau Hindersmann an und fragte, was getan und verändert werden müsse, damit der in der Studie herausgebildete Zusammenhang künftig nicht mehr auftrete.

Herr Prof. Dr. Pohl meinte, dass bei Schließung der Jugendeinrichtungen die Jugendlichen auf der Straße säßen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde die Kriminalitätsrate ansteigen. Die These, das die Arbeit in den Jugend- und Freizeitzentren, den außerschulischen Bildungseinrichtungen eine präventive Funktion hätten, sei seiner Ansicht nach durch die Praxis bestätigt worden. Das Problem dürfe nicht bagatellisiert werden. Auch müsse die Gesamtaussage der Studie zur Kenntnis genommen werden, dass die Kriminalitätsrate insgesamt gesunken sei.
Eine andere Studie habe festgestellt, dass der Höhepunkt der Kriminalitätsbelastung, wobei es sich um Delikte handele, mit 14 Jahren erreicht sei und danach zurückgehe. Daher sollte man auch ein wenig Gelassenheit an den Tag legen, dass sich das Problem nicht gerade auswachse, aber doch ein vorübergehendes sei. Ferner sei in dieser Studie noch festgestellt worden, dass die Kriminalitätsbelastung von deutschen und ausländischen Jugendlichen zwar deliktspezifisch unterschiedlich, im Volumen jedoch fast gleich sei.
Ein weiterer Aspekt der Debatte sei die Frage, was mit den Jugendlichen auf der Straße geschehen solle. Wolle man ein "sauberes", geschöntes Stadtbild, in dem auch keine Jugendlichen mehr vertreten seien, dann sende man ein Signal aus "Wir wollen euch nicht".
Hinsichtlich der Schule merkte er an, dass diese sich in den letzten Jahren geradezu zu einer Lernfabrik entwickelt habe. Laut einer Umfrage hätten 60 - 70 % aller Schülerinnen und Schüler angegeben, es gehe nicht mehr um die eigene Person, sondern nur noch um die Leistung. Wenn das stimme, würde man, wenn man die Jugendlichen aus den Einrichtungen und von der Straße haben wolle, das Signal aussenden, sie überhaupt nicht mehr zu wollen. Und wenn, dann nur höchst angepasst. Genau das hätten sowohl die Studie des Jugendinstitutes und die Schell-Studie ergeben.

Herr Prof. Dr. Scherr machte deutlich, dass Jugendzentren nicht primär Einrichtungen der Kriminalitätsprävention seien. Wenn ein Jugendlicher gravierende Formen der Delinquenz plane, werde ihn weder ein Lehrer noch ein Sozialpädagoge daran hindern können. Die Frage sei, wo im alltäglichen Leben und in der Biographie Punkte seien, wo Jugendliche ermutigt würden, bestimmte Dinge zu lassen und ihre Energien in eine andere Richtung zu entwickeln. Hier habe Herr Pfeiffer radikal recht: wenn man diese "Traumschulen" hätte mit den pädagogisch optimistischen Lehrern, die allgemeine Menschenbildung ins Zentrum stellten, dann bräuchte man keine Jugendzentren mehr. Nur werde man diese Schulen nicht haben. Da müsste man die Lehrerbildung reformieren, die Schulen reformieren, die Bildungspolitik reformieren und in eine völlig andere Richtung gehen. Heute gehe das auf "learning for the desk", die sollen "pisa-fit" gemacht werden und keine Lebensfreude entwickeln. Und diese lebensfreudigen, ermutigenden Lehrer begegneten ihm auch nicht so oft. Da müsste so viel geschehen und man müsste ganz lange darüber reden. Er glaube nicht, dass man den Jugendlichen einen Gefallen täte, wenn man ihnen die Einrichtungen wegnähme. Mittelfristig werde die Polizei mehr zu tun bekommen. Die Jugendlichen müssten gar nichts Böses machen, sie hingen einfach auf der Straße herum und begingen Gewalttaten aus Langeweile. Von daher seien die Jugendeinrichtungen infrastrukturell wichtig. Im übrigen sei das Personal, was durch die Auflösung der Jugendeinrichtungen gewonnen werden könne, ein Tropfen auf den heißen Stein, denn das Verhältnis von Sozialpädagogen in der Jugendarbeit zu Lehrern sei etwa 1 zu 100. wenn man andere Schulen wolle, solle man dafür kämpfen, da sei er immer dabei. Jedoch mache es keinen Sinn, dies gegen die Jugendarbeit auszuspielen.

Herr Prof. Dr. Pfeiffer betonte nochmals, es sei bekannt, dass benachteiligte Jugendliche in Hannover in der Regel nicht in Jugendzentren gingen. Diese befänden sich nicht auf der Straße und bedrohten auch nicht andere. Sie seien einfach weniger gewalttätig als diejenigen, die in Jugendzentren gingen. Es gebe keinen Grund für die Annahme, dass, wenn Jugendzentren geschlossen würden - was keiner, auch er nicht, fordere - es plötzlich eine Explosion gebe.
Zur Frage der Schule wies er darauf hin, dass er in konkreten Verhandlungen mit dem Kultusministerium stehe, einen Modellversuch zu starten, in dem ein Element sei, dass die Lehrer nur 20 Stunden pro Woche Wissensvermittlung betrieben und 6 Stunden Leidenschaften in den Schülern weckten für ihre eigenen Hobbys. Dann wäre zum Beispiel der Mathelehrer ein Rugbylehrer, und die Biolehrerin würde "Lord of the Dance" auf die Bühne bringen, weil dies ihr Hobby sei. Das könne man im Ausland besichtigen, wie man Lehrer aus ihrer strengen Rolle befreie und wie dadurch Schule plötzlich an Power gewinne und attraktiv werde. Interessanterweise sei ausgerechnet Bayern das zweite Land, was sich für den Modellversuch interessiere, in dem Bewegung einen ganz anderen Stellenwert bekomme als bisher an Schulen, und Musik genauso.
Er habe die Gegenthese, und deswegen lasse er sich nicht darauf ein, was in den Jugendzentren zu tun sei. Da wisse er viel zu wenig, was in diesen Einrichtungen laufe, um sich als Reformer hinzustellen. Vielmehr wolle er um einen Modellversuch bitten, in dem die Sozialarbeiter aus dem nahe gelegenen Jugendzentrum in den Freibereich der Schule, nach Schulende, ihre Power einbringen, um dann mit einer Mischung von Jugendlichen die Verdichtung von Randgruppen zu vermeiden.
Hier liege die Chance der Sozialarbeit, und das sei sein Ziel, dies praktisch zu erproben.
Bei einer Längsschnittanalyse in Schweden seien aus genau den gleichen Gründen, die er ebenfalls festgestellt habe, keine positiven Wirkungen kriminalpräventiver Art in Jugendzentren festgestellt worden.

Frau Taut machte deutlich, dass bereits jetzt Eltern bestimmte Schulen wählten, weil dort neben der klaren Wissensvermittlung auch Alternativen angeboten würden.
Aus der Sicht der Polizei sei es so, dass gerade im Hinblick auf Medien und Alkoholkonsum derzeit sehr viel gemacht werde. Vielleicht ließe sich dass auch auf andere Bereiche übertragen.
Aus ihrer eigenen Erfahrung als Vorstandsmitglied eines Sportvereines wisse sie, dass die Veranstaltungen am Nachmittag wegbrächen, wo die Schulzeiten länger würden. Vielleicht lasse sich hier eine Möglichkeit finden, zu neuen Strukturen zu kommen.
Sie habe die Studie nicht so verstanden, dass alle Jugendzentren abgeschafft werden sollten. Es sei besser, eine bestimmte Klientel befinde sich dort als auf der Straße.

Herr Prof. Dr. Scherr fügte hinzu, Sozialarbeiter wüssten auch, dass es keine zu starke Problemverdichtung geben dürfe. Es werde ja als Teil der Jugendarbeit beschrieben, dass man eine Besucherstruktur hinbekommt, mit der man sinnvoll arbeiten könne.
Man dürfe nicht einfach warten, wer komme, sondern es sei eine aktive pädagogische Aufgabe zu steuern, dass sich zum Beispiel eine Dominanz auflöse. Es handele sich hier um ein Qualitätskriterium für Jugendarbeit, wenn man sage, es ließe sich nur dann Jugendarbeit sinnvoll betreiben, wenn Besuchergruppen vorhanden seien, mit denen noch pädagogisch gearbeitet werden könne.

Herr Sangaré bemerkte, dass angesichts der Diskriminierungen in den hannoverschen Diskotheken versucht worden sei, eine Bildungsarbeit in den Jugendzentren zu organisieren. Man habe jedoch festgestellt, dass hauptsächlich präventive Angebote gemacht würden und dass viele Jugendeinrichtungen ethnisiert seien. Eine Begegnung mit den Jugendlichen der Mehrheitsgesellschaft finde kaum statt. Daher frage er, wie die Gewalt bekämpft werden solle, wenn die Pädagogisierung ohne Kultur und ohne Begegnung mit der Mehrheitsgesellschaft fortgesetzt werde.

Frau Hartleben-Baildon erklärte, für sie ergebe sich aus der Studie die Konsequenz, das Personal in den Jugendzentren auszuweiten und es weiter zu qualifizieren, wobei auch kulturelle Hintergründe eine Rolle spielen müssten.
Des Weiteren sei sie der Ansicht, dass die Lehrerinnen und Lehrer überfordert seien, wenn sie mit den Jugendlichen aus den Einrichtungen arbeiten sollten, da sie ganz anders ausgebildet seien. Es könne hier nicht darum gehen, die Lehrerbildung zu reformieren, da dies auf kommunaler Ebene nicht beeinflussbar sei. Vielmehr müsse es darum gehen, Sozialarbeiter mit gleicher Bildung und Bezahlung sowie mit annähernd gleicher Personenzahl wie die Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen zu schicken.
Wenn die Sozialarbeiter in die Schulen gingen, entspreche dies nicht dem, was Jugendliche wollten. Jugendliche wollten miteinander leben, Verantwortung haben, erproben, erwachsen zu sein. Zwar könnten sie das in der Schule auch, jedoch nicht unter den gleichen Rahmenbedingungen wie in Jugendzentren.
Bei Umfragen, die sie oft durchführe, stelle sich meistens heraus, dass Jugendliche sehr viele Fähigkeiten und Kompetenzen in Jugendeinrichtungen erworben hätten.

Herr Prof. Dr. Pfeiffer erläuterte, dass es auch nach den Beobachtungen seiner Gruppe in einigen, aber nicht in allen Jugendzentren eine ethnische Dominanz gebe. im Übrigen wies er noch einmal auf die Notwendigkeit der Abschaffung der Hauptschulen hin und beschrieb die landsweite Bewegung, die hierzu führen werde.

Herr Albrecht ging nochmals kurz auf die ethnische Dominanz ein und machte deutlich, dass es sich hier um ein Problem handele. Es gehe jedoch auch um die Frage der Gruppenzusammensetzung nach sozialer Herkunft, möglicherweise auch nach Bildungsstandard. So sei auch die Musikschule Hannover eine Einrichtung der Jugendarbeit, und man könnte sich fragen, warum sich gerade hier überwiegend Jugendliche aus dem Bildungsbürgertum ballten.

Zum Abschluss der Anhörung gab Herr Prof. Dr. Scherr die Empfehlung, sich die Jugendarbeit in Österreich anzusehen. Man könne Jugendarbeit auch anders gestalten. Das setze jedoch voraus, dass die Sozialarbeiter den richtigen Arbeitsauftrag hätten und die Mittel dazu vorhanden seien. Es dürfe nicht dazu führen, dass diejenigen, die woanders herausfielen, dann auch in der Jugendarbeit hinausgedrängt würden.

Daraufhin bedankte sich Ratsfrau Schlienkamp bei den Anwesenden und schloss die Anhörung.



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(Walter) Für die Niederschrift:
Stadtrat Krömer