Drucksache Nr. 3212/2022 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der SPD-Fraktion: Tätigkeitsspektrum der Antidiskriminierungsstelle (ADS) im Zeitraum 01.01.2022 – 31.12.2022
in der Ratssitzung am 19.01.2023, TOP 5.1.

Inhalt der Drucksache:

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3212/2022 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der SPD-Fraktion: Tätigkeitsspektrum der Antidiskriminierungsstelle (ADS) im Zeitraum 01.01.2022 – 31.12.2022
in der Ratssitzung am 19.01.2023, TOP 5.1.

Die Antidiskriminierungsstelle der Landeshauptstadt Hannover ist die kommunale Beratungsstelle für alle Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie hat den Auftrag, sich auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) innerhalb des hannoverschen Stadtgebiets gegen Ungleichbehandlung zu engagieren. Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung erleben viele Menschen in ihrem Alltag und dies ist ein ernstzunehmendes Problem und Realität in unserer gesellschaftlichen Mitte. So kann vermutet werden, dass die Zahl der Menschen, die bei der städtischen ADS einen Fall von Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus melden nur das Hellfeld abbildet – und das Dunkelfeld größer ist.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

  1. Wie viele Personen haben sich auf welchem Weg an die ADS gewandt und wie haben sich die Fallzahlen über den Zeitraum vom 01.01.2022 – 31.12.2022 entwickelt?
  2. Welche weiteren Akteure kamen in den letzten Jahren dazu und welche Schwerpunkte lassen sich für diese Zusammenarbeit nennen?
  3. Welche Zielgruppen können über die Bildungsarbeit der ADS – und der Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus (SDR) – erreicht werden, welche Programme lassen sich hier besonders hervorheben und wie wird die ADS gemeinsam mit der SDR in 2023 diese Bildungsarbeit unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten?

Text der Antwort

Die Antidiskriminierungsstelle arbeitet nach dem horizontalen Ansatz, d.h. sie berät und bearbeitet Diskriminierungsfälle in allen Lebensbereichen und zu allen Diskriminierungsmerkmalen/Dimensionen – auch über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hinaus, da das AGG beispielsweise den sozialen Status als Anknüpfungspunkt von Diskriminierungen nicht erfasst, diskriminierendes Handeln seitens staatlicher Akteur*innen wie z.B. Polizei nicht abdeckt oder auch Schüler*innen an öffentlichen Schulen nicht schützt.

Frage 1: Wie viele Personen haben sich auf welchem Weg an die ADS gewandt und wie haben sich die Falzahlen entwickelt

Die Antidiskriminierungsstelle verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr 2021, erneut einen Anstieg von 223 auf 245 Beratungsanfragen.
Folgende Diskriminierungsmerkmale wurden am häufigsten gemeldet:
1. Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft oder rassistische Gründe (56%)
2. Diskriminierung aufgrund der Behinderung (15,7%)
3. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechtes (7%)
Bei allen anderen Diskriminierungsmerkmalen blieben die Meldungen jeweils unter 5%. Trotz dessen ist hier anzumerken, dass sich die Meldungen zu Diskriminierungserfahrungen aufgrund der geschlechtlichen Identität verdoppelt haben (auf 4,5%).
Die meisten Diskriminierungserfahrungen wurden in folgenden Lebensbereichen gemeldet:
1. Arbeit bzw. in der Ausbildung (24,9%)
2. Zugang zu Gütern und Dienstleistungen (22%)
3. Bildung (15,9%)
4. Ämter und Behörden (14,3%)

Ratsuchende kommen in die Antidiskriminierungsstelle in der Regel durch eigene Recherchen, Empfehlungen von Bekannten, Verweis durch andere Stellen/Selbstorganisationen/NGOs oder Sozialarbeiter*innen und Hinweise aus den beruflichen Netzwerken der Berater*innen.

Die erste Kontaktaufnahme erfolgte zum größten Teil telefonisch (76%), restliche Meldungen erfolgten überwiegend per E-Mail (22%). Das Beratungsangebot der ADS wird persönlich angeboten, fand jedoch pandemiebedingt zunehmend auch online und telefonisch statt. Form, Ort und Umfang der Beratung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, hier sind Anforderungen an Barrierefreiheit hinsichtlich Sprache, örtlicher Umgebung und Mobilität zu berücksichtigen. Die Beratung der Antidiskriminierungsstelle erfolgt nach den Prinzipien Vertraulichkeit – Parteilichkeit – Anonymität – Kostenfreiheit. Die ADS wird nur im Auftrag der Ratsuchenden aktiv.
Die ADS betont an dieser Stelle, dass die Beratungszahlen der ADS nicht in der Lage sind, Diskriminierungsrealitäten in dieser Stadt umfassend abzubilden. Der ADS ist insofern seit jeher bewusst, dass nicht alle Fälle von Diskriminierungen in Hannover bekannt, gemeldet und dokumentiert bzw. bearbeitet werden und die Dunkelziffer wie in Ihrer Anfrage bereits erwähnt weit höher liegt.
Frage 2: Welche weiteren Akteure kamen in dem letzten Jahr dazu und welche Schwerpunkte lassen sich für diese Zusammenarbeit nennen?

Die ADS steht seit 2022 im Rahmen des WIR 2.0 Prozesse gemeinsam mit dem Sachgebiet Grundsatzangelegenheiten der Einwanderung (56.10) in Kooperation mit dem Schauspielhaus Hannover. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf gemeinsamen Veranstaltungen, um speziell von Rassismus betroffene Gruppen zu stärken. U.a. wurde in Kooperation mit dem Dachverband Generation Postmigration, Anfang Dezember 2022 eine Veranstaltung im Historischen Museum zu Anti-Schwarzen Rassismus durchgeführt.
Die ADS hat 2022 neue Akteur*innen aus der Jugendarbeit dazugewonnen und steht im engen Austausch mit diesen, um in Zukunft gemeinsame Projekte in der Antidiskriminierungsarbeit aufzubauen. Aufgrund der Unterbesetzung der ADS konnte diese Arbeit 2022 leider nicht in vollem Umfang durchgeführt werden. Ein Schwerpunkt für 2023 wird der Austausch und die Begegnung unterschiedlicher Gruppen wie z.B. Akteur*innen aus der queeren migrantischen, der muslimischen, der jüdischen, der Schwarzen und der Sinti*zze und Roma*nja Jugendarbeit untereinander sein.

Frage 3: Welche Zielgruppen können über die Bildungsarbeit der ADS erreicht werden. Welche Programme lassen sich hierbei besonders hervorheben. Wie wird die ADS gemeinsam mit der SDR in 2023 diese Bildungsarbeit unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten.

Was die Zielgruppen betrifft konnte die ADS mit ihrer Bildungsarbeit im Rahmen des WIR 2.0 Prozesses besonders Schüler*innen und Studierende erreichen. Ein Programm, was besonders hervorgehoben werden muss, ist die WIR 2.0 Maßnahme „A-Teams“, welches nun von der ADS koordiniert wird.
Im Rahmen des WIR 2.0 Prozesses hatte die WIR 2.0 AG die Maßnahme „A-Teams“ entwickelt, um im Kontext Bildung die Antidiskriminierungsarbeit zu verbessern. Die Maßnahme ist Ende 2021 vorzeitig als Projekt durch die WIR 2.0 AG Jugend gestartet. Hierbei wurden jeweils zwei Schüler*innen und Studierende aus den Bildungseinrichtungen zu unterschiedlichen Diskriminierungsmerkmalen, Jugendarbeit und gewaltfreier Kommunikation geschult. Ende 2022 erhielten die A-Teams im Rathaus in einer feierlichen Veranstaltung durch den OB ihre Zertifikate.

Aktuell sind an dem Projekt folgende Bildungseinrichtungen beteiligt:
· Ludwig-Windthorst-Schule
· Sophienschule
· Gymnasium Langenhagen
· Gymnasium Goetheschule
· Humboldtschule
· UNI Hannover
· HS Hannover
· Haus der Jugend

Die ADS wird für 2023 ihre Bildungs- und Netzwerkarbeit intensivieren. Folgende Schwerpunkte hat die ADS hierbei schon eingeplant:
· Antidiskriminierungsarbeit im Kontext Bildung
· Offensive gegen Antischwarzen Rassismus (WIR 2.0 Maßnahme)
· Öffentlichkeitsarbeit
· Netzwerkarbeit

Zusätzlich zu der Kernaufgabe der Beratung bei Diskriminierung wird die ADS 2023 verstärkt auch fachbereichsübergreifende Veranstaltungen durchführen. Hinsichtlich der hohen Fallzahlen lassen sich für die Zukunft schwerlich verbindliche Aussagen zur Möglichkeit flächendeckender Bildungsangebote treffen. Mit den bestehenden bzw. im Aufbau befindlichen Kooperationen können strategisch sinnvolle Projekte verwirklicht werden, die der Arbeit der ADS ein Fundament für die Zukunft verschaffen können.
Die Ausrichtung der ADS liegt für 2023 darin, Diskriminierungsschutz bekannt zu machen, potenziell Betroffene zu erreichen und ermutigen und die Sichtbarkeit der ADS zu erhöhen.
Durch die SDR wurden Schüler*innen, Pädagogische Fachkräfte, Multiplikator*innen in Vereinen, Verbänden, Beratungs- und Fachstellen sowie Interessierte und Aktive erreicht. Unter anderem gelang dies über das Bundesprogramm „Demokratie leben“, wobei hierbei Bildungsmaßnahmen im Themenfeld gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus von zivilgesellschaftlichen Trägern durchgeführt wurden.
Im Rahmen der Offensive gegen Antisemitismus wurden einerseits pädagogische Fachkräfte und andererseits Akteur*innen in Polizei und Justiz erreicht und hinsichtlich Antisemitismus sensibilisiert. Die von der LHH geförderte Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus leistet darüber hinaus grundlegende Aufklärungsarbeit zu allen Formen von Antisemitismus und stellt ihre Monitoring-Ergebnisse öffentlich zur Verfügung.

Ein weiterer Schwerpunkt der SDR war und ist die Beteiligung am Netzwerk Schule ohne Rassismus Schule mit Courage. Als aktives Mitglied des Netzwerkes beteiligte sich die SDR an Netzwerktreffen und Tagungen, die mehrmals jährlich stattfinden. Dabei vertrat die SDR die Interessen der Stadt Hannover und engagierte sich als starkes Mitglied an den weiteren Planungen und Diskussionen zur Verbesserung der Arbeit der „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ in Niedersachsen und in Hannover. In Vertretung fürs Kultusministerium führte die SDR eine Titelverleihung (an der Kämmer International Bilingual School) durch. In diesem Rahmen wurden auch nach Bedarf Beratungen mit den Schulen zum Thema „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ durchgeführt. Die SDR ist Teil des großen Netzwerks der Schule ohne Rassismus. Mehr als 30 Titelschulen gibt es jetzt in Hannover.

Öffentlichkeitsarbeit war ein weiterer Baustein der Arbeit der SDR. Dazu gehörte z.B. die erfolgreiche Veranstaltung „Von Hannover bis Teheran“, die im Dez. 2022 in Historischen Museum stattfand oder eine Filmproduktion zum Thema „Geschichte der Migration in Hannover“ und die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus und Migration. Darüber hinaus wurde die Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ der Friedrich-Ebert Stiftung im Rathaus gezeigt.


Derzeit laufen intensive Planungen für das Jahr 2023, wobei im Wesentlichen die noch stärkere Ausrichtung auf Bildungseinrichtungen fokussiert wird. 2023 werden die A-Teams durch ihre peer-to-peer-Arbeit in ihren Bildungseinrichtungen, im Kampf gegen Diskriminierung als niedrigschwellige Anlaufstellen fungieren. Hierbei wird die ADS die A-Teams unterstützen. Darüber hinaus wird die Beteiligung an „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ weitergeführt, sowie die positiv angenommenen Programme „Pimp your Town“ und die Kinderkonferenzen.