Drucksache Nr. 3161/2017:
Petition: Keine neue Verbrennungsanlage im Altwarmbüchener Moor

Informationen:

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3161/2017 (Originalvorlage)

Beratungsverlauf:

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Betriebsausschuss für Stadtentwässerung
In den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen
In den Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung
In den Verwaltungsausschuss
 
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3161/2017
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Petition: Keine neue Verbrennungsanlage im Altwarmbüchener Moor

Antrag,

zu beschließen, der Petition des Dr. Ing. Wilfried Zietz, an der Riehe 8, 30916 Isernhagen-Altwarmbüchen nicht zu folgen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Aussagen zur Geschlechterdifferenzierung gemäß Beschluss des Rates vom 03.07.2003 (s. DS 1278/2003) sind im Falle dieser Drucksache nicht relevant, da geschlechterspezifische Auswirkungen nicht ersichtlich sind.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Begründung des Antrages

1.
Der Petent hat auf der Internetplattform „openPetition“ eine Unterschriftensammlung unter dem Titel „Keine neue Verbrennungsanlage im Altwarmbüchener Moor“ initiiert. Dabei wurden bis zum Abschluss der Sammlung im November dieses Jahres 168 Unterschriften gesammelt.
Die Petition nebst den Unterschriftenlisten wurden nach Abschluss der Sammlung an die Region Hannover, die Gemeinde Isernhagen sowie die Landeshauptstadt Hannover ge- sandt:







„Sehr geehrter Herr Regionspräsident Hauke Jagau,
sehr geehrter Oberbürgermeister Stefan Schostok
sehr geehrter Bürgermeister Arpad Bogya,
im Auftrag des Petitionsverfassers übersenden wir Ihnen nach Abschluss der Sammlungsphase die Unterschriftenlisten und 5 Sammelbögen. Im Namen der 168 Unterstützer bitten wir Sie um Beachtung und um Beteiligung der politischen Gremien. Die Unterzeichner stammen überwiegend aus dem der geplanten Anlage angrenzenden Raum. Einige haben auch Ihre Unterzeichnung speziell begründet Die Aktion wurde aber auch international beachtet.

Wir sind froh, dass die Isernhägener Grünen unser Anliegen aufgegriffen haben und den international tätigen Chemiker + Stoffstromexperten Prof. Dr. Michael Braungart zu einem Themenabend eingeladen haben. Daher würden wir uns freuen, wenn an Sie dieser Veranstaltung persönlich teilnehmen oder Ihr Fachleute entsenden würden. Eine Weiterleitung an die politischen Gremien, die mit der Planung befasst sind, würde den Informationsaustausch erleichtern. …

Mit freundlichem Gruß

Siegfried Lemke“

Die Petition hat folgenden Inhalt:
„Der Energieversorger Enercity plant den Bau einer Klärschlammver- brennungsanlage auf dem Gelände des Abfallentsorgers aha. Damit würden neben der vorhanden Müllverbrennungsanlage und den Autobahnen neue Belastungen für die umliegende Bevölkerung entstehen. Wir setzen uns dafür ein, dass Alternativen zur diesem Projekt von neutralen Gutachtern vorgestellt werden. Das Ziel muss eine zukunftsfähige Planung im Hinblick auf die Verwertung von seltener werdenden Nährstoffen sein.

Nach den vorgestellten Daten sollen folgende Jahresfrachten entstehen: Gesamt- staub 600 kg (Feinstaub??)


HCl - Chlorwasserstoff 60 kg (gasförmige organische Chlorverbindungen)
HF – Fluorwasserstoff 30 kg (gasförmige anorganische Fluorverbindungen)
SO2 - Schwefeldioxid 3000 kg (Schwefeldioxid und –trioxid)
NOX - Stickstoffdioxid 10.500 kg (Stickstoffmonoxid und –dioxid)
Hg - Quecksilber 9 kg und seine Verbindungen
CO – Kohlenmonoxid 1500 kg
NH3 - Ammoniak 1500 kg (2,5-facher Wert gegenüber einem Kohlekraftwerk) [1] (bei SCR- oder NSCR-Verfahren)

Dioxine und Furane 1,2 mg (4-facher Wert gegenüber einem Kohlekraftwerk) [1] [1] bei der Präsentation wurden die Werte mit der 17. BImSchV verglichen, die fast durchweg unterschritten wurden. Außerdem wurde mit einem Kohlekraftwerk ver- glichen, weil man aus der Kohle aussteigen will. Diese als irrelevant bezeichneten Schadstofffrachten kommen aber zu Emissionen aus der vorhandenen Müll- verbrennung und anderen Quellen (z.B. Autobahnen) noch hinzu!“





2.
Die Landeshauptstadt Hannover betreibt als abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft zwei Großkläranlagen in einer Größenordnung von rund 1,25 Mio. Einwohnerwerten (EW), in denen das Abwasser der Landeshauptstadt und aus sechs Umlandstädten der Region Hannover gereinigt wird. Durch den Reinigungsprozess auf den Klärwerken Hannover Herrenhausen und Gümmerwald fallen im Klärwerksverbund jährlich ca. 56.000 Tonnen maschinell entwässerter Klärschlamm an, für den die Landeshauptstadt Hannover entsor- gungspflichtig ist.

Die Klärschlammverwertung vollzog sich bisher in der Weise, dass der überwiegende Teil in der Landwirtschaft als Dünger ausgebracht wurde. Ein Teil wurde kompostiert und an- schließend im Landschaftsbau zur Flächenrekultivierung verwendet. Der Rest wurde durch Mitverbrennung z.B. in Kohlekraftwerken oder Zementwerken entsorgt.

Die jetzige (noch) Bundesregierung hatte in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, aus der stofflichen Verwertung des Klärschlammes in der Landwirtschaft auszusteigen und den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor zu recyceln. Dieses Ziel hat sie mit der Neufassung der Klärschlammverordnung umgesetzt, die im Oktober 2017 in Kraft getreten ist.

Danach müssen Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100.000 Einwohnerwerten (EW) in spätestens 12 Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung aus der bodenbezogenen Verwertung von Klärschlamm aussteigen und Maßnahmen zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm oder aus Klärschlammverbrennungsaschen vornehmen. Das bedeutet, die landwirtschaftliche Ausbringung von Klärschlamm oder von Kompost, der Klärschlamm enthält, ist ab 2029 nicht mehr zulässig.

Aufgrund der Festlegung des Verordnungsgebers, den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor zu recyceln, scheidet die Mitverbrennung von Klärschlamm in Kohlekraftwerken, Zementwerken o.ä. aus, da die Rückgewinnung des Phosphors aus der Asche dieser Anlagen nicht möglich ist. Die Mitverbrennung wäre nur dann zulässig, wenn der Phosphorgehalt des Klärschlammes zu gering ist, weil der Phosphor z.B. zu einem früheren Zeitpunkt im Klärprozess aus dem Klärschlamm zurückgewonnen worden ist. Dafür gibt es aber (bisher) kein im Großmaßstab funktionierendes Verfahren.

Durch die Vorgaben des Gesetzgebers kann die Stadtentwässerung Hannover die Entsorgungssicherheit nur dauerhaft gewährleisten, indem sie sich frühzeitig entsprechende Kapazitäten in einer noch zu errichtenden Klärschlammmonoverbrennungsanlage sichert. Sie kann nicht einfach warten, bis sich der Markt gefunden hat und allein darauf vertrauen, ausreichende Kapazitäten für ihren Klärschlamm zu einem späteren Zeitpunkt in irgendeiner Klärschlammmonoverbrennungsanlage zu finden. Diese Handlungsoption wäre grob fahrlässig und würde die Entsorgungssicherheit gefährden, weil die regelmäßig anfallende Klärschlammmenge dafür zu groß ist.

Die Stadtentwässerung Hannover bereitet aus den genannten Gründen eine europaweite Ausschreibung vor, um einen Vertragspartner zu finden, der den anfallenden Klärschlamm zukünftig verordnungskonform in einer Klärschlammmonoverbrennungsanlage verwertet. Diesem Vorschlag zur zukünftigen Klärschlammentsorgung ist der Rat mit einer positiven Entscheidung zur Beschlussdrucksache 1452/2017 gefolgt.





Das Vergabeverfahren wird frühestens Mitte 2018 durchgeführt werden. Die Stadtentwässerung Hannover hat weder Einfluss darauf, wer sich alles an dem anstehenden Vergabeverfahren mit welchem Standort bewerben wird noch auf dessen Ausgang. Es lässt sich nicht vorhersehen, ob Enercity überhaupt den Zuschlag für den Standort Lahe erhalten wird.

Dazu müsste sich Enercity zunächst einmal an dem Vergabeverfahren beteiligen, man müsste seitens Enercity über das Grundstück in Hannover Lahe verfügen können, Enercity müsste tatsächlich das wirtschaftlichste Angebot abgeben und den Zuschlag für den Standort Hannover Lahe erhalten haben. Dieser Standort müsste nicht nur genehmigungsfähig für die Errichtung einer Klärschlammmonoverbrennungsanlage sein, sondern die entsprechende Genehmigung müsste auch tatsächlich erteilt werden.
68 .A
Hannover / 21.12.2017