Drucksache Nr. 2794/2020:
Petition „Stoppt die Bagger in der Leine – kein Kraftwerksbau im Fluss!“

Informationen:

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2794/2020 (Originalvorlage)

Beratungsverlauf:

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel
In den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Verwaltungsausschuss
 
Nr.
Anzahl der Anlagen
Zu TOP
 
2794/2020
1
 

Petition „Stoppt die Bagger in der Leine – kein Kraftwerksbau im Fluss!“

Antrag,

die von Frau Britta Stoermer, Ziegeleistraße 12, 3,0519 Hannover, eingereichte Petition „Stoppt die Bagger in der Leine – kein Kraftwerksbau im Fluss!“ (Eingabe Nr. 02 / 2. Halbjahr 2020 vom 15.09.2020) zurückzuweisen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Der Bau einer Wasserkraftanlage sowie der Verzicht darauf betrifft alle Geschlechter gleichermaßen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Begründung des Antrages

Nach § 34 Satz 1 NKommVG hat jede Person das Recht, sich in Angelegenheiten der Landeshauptstadt Hannover mit Anregungen („Petitionen“) an den Rat zu wenden. Der Rat hat durch § 15 Abs. 6 der Hauptsatzung von der Möglichkeit des § 34 Satz 3 NKommVG Gebrauch gemacht, diese Petition dem Verwaltungsausschuss zur Beschlussfassung zu übertragen. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Rates gemäß 58 Abs. 1 und 2 NKommVG besteht nicht.

Frau Stoermer fordert mit der im Namen von 609 Menschen eingereichten Petition, die bauliche Situation in und an der Leine südlich der Döhrener Leineinsel in ihrem derzeitigen Ausbauzustand zu belassen. Die Argumentation ist aus der Anlage ersichtlich.



Die Verwaltung empfiehlt, die Anregung abzulehnen, um nachteilige Folgen für den Klimaschutz zu vermeiden und eine langjährig verfolgte, sinnvolle Planung zu einem beschlussgemäßen Ergebnis zu bringen. Die bestehenden Wehranlagen zur Stauhaltung der Leine in Döhren stehen im Eigentum der Stadt, sie ist auch Inhaberin des Staurechts und hat damit die Verpflichtung zur Hochwasservorsorge in diesem Bereich.
Die derzeitige Anmutung der Leine an der Döhrener Leineinsel entstand durch eine Sanierung der Wehrstufe im Jahr 2004, die die Stadt verantwortete. Es handelt sich um ein Streichwehr und somit eine technische Anlage, die den Abfluss des Leinewassers ganzjährig über eine feste Wehrschwelle zulässt. Zur Stauhaltung der Leine in Döhren gehört außerdem das Schützenwehr unter dem Brückenhaus im Turbinenkanal. Dessen Wehrschützen müssen z. B. bei Hochwasser gezogen werden, um weitere Abflussmöglichkeiten zu schaffen.

Seit den 1990er Jahren ist es das Bestreben der Landeshauptstadt Hannover, an dieser letzten ungenutzten Staustufe der Leine im Stadtgebiet die Wasserkraft als regenerative Energiequelle Strom erzeugen zu lassen. Seit 2007 steht dafür eine Investorin für eine Wasserkraftanlage bereit. Im Jahr 2012 wurde ein Vorvertrag für das spätere Erbbaurecht an den Wehranlagen beiderseitig unterschrieben. Er löste einen Vorvertrag aus dem Jahr 2010 ab, der sich auf einen nicht weiterverfolgten Standort der Wasserkraftanlage im Turbinenkanal bezogen hatte. In diesen Vorverträgen war die Verpflichtung zur Erzeugung einer jährlichen Mindestmenge regenerativen Stroms enthalten, mit der CO2-Emissionen im Baugebiet „In der Rehre Süd“ in Wettbergen kompensiert werden sollten.

In mehreren Planungsschritten und unter Beteiligung von Döhrener Einwohner*innen in einem Nachbarschaftsdialog entstand ein ausgereiftes Vorhaben, das die Investorin im Sommer 2017 der Unteren Wasserbehörde bei der Region Hannover zur Planfeststellung vorlegte.

Das Planfeststellungsverfahren ist so weit vorangeschritten, dass ein Abbruch der städtischen Mitwirkung eine ernstzunehmende Behinderung darstellen würde und darüber hinaus zu hohen Entschädigungsforderungen der Investorin führen kann.

Zugrundeliegende Entscheidungen der Landeshauptstadt Hannover sind
- Ausschreibungen in den 1990er Jahren bis 2002, mit denen der letztlich erfolglose Versuch unternommen wurde, Investor*innen für die Sanierung der maroden Wehrschwelle unter gleichzeitigem Einbau einer Wasserkraftanlage zu finden;

- die Vorverträge mit der jetzigen Antragsführerin im Planfeststellungsverfahren (Drucksachen Nr. 2038/2009, 2620/2009, 0209/2012 E2);

- die Stellungnahme der Landeshauptstadt Hannover im Planfeststellungsverfahren (Drucksache Nr. 2172/2017);

- die Ablehnung eines Antrags im Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel, das Projekt der Wasserkraftanlage zu beenden (Drucksache Nr. 15-1172/2019).
Die von der Petitionsführerin angesprochenen, sehr drastisch dargestellten Auswirkungen des Vorhabens werden inhaltlich im Planfeststellungsverfahren behandelt und ggf. durch Nebenbestimmungen im Planfeststellungsbeschluss geregelt. Die Erkenntnisse aus dem Verfahren können hier nur nachrichtlich wiedergegeben werden:
- Für das Bauen im Flussbett werden auch Baggerarbeiten erforderlich sein. Von einem „Ausbaggern“ im Sinne von Veränderungen der Gewässersohle weit über die Baustelle hinaus kann dabei keine Rede sein. Wichtig ist insbesondere die Erhaltung der Kiesbank unterhalb der Wehrschwelle als Habitat für Kleinlebewesen und für das Laichen und den Aufwuchs bestimmter Fischarten. Die Kiesbank verändert und verlagert sich mit den jeweiligen Wasserabflussmengen und Strömungsverhältnissen, bleibt aber in ihrem Bestand belassen.
- Eine „Vernichtung der Fische“ wird durch die Wasserkraftanlage nicht erfolgen. Tatsächlich geraten gelegentlich Fische, die trotz aller Sicherungsmaßnahmen durch die Rechen gelangen und die verhältnismäßig langsam laufende Turbine passieren müssen, in die Gefahr verletzt oder in seltenen Fällen sogar getötet zu werden. Dies wird aber im Verhältnis zu den sonstigen Gefahren – z. B. durch die natürliche Nahrungskette – in sehr geringem Maße vorkommen. Sich widersprechende Prognosen der von der Investorin beauftragten Fischgutachterin und des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) hinsichtlich der Anzahl geschädigter Tiere werden durch ein von der Planfeststellungsbehörde beauftragtes Gutachten geklärt.
- Bäume und Sträucher, die im Zuge der Baumaßnahmen entfernt werden müssen, werden ortsnah durch Ersatzpflanzungen in größerer Zahl ersetzt.
- Versiegelungen der heute naturnahen Gewässersohle und von Flächen an Land bleiben auf ein Mindestmaß beschränkt. Der vorgesehene Bau einer Aussichtstreppe mit Sitzgelegenheiten geht auf eine Anregung der Stadt zurück.
- Ein besonderes Augenmerk legt die Planfeststellungsbehörde auf den Hochwasserschutz der Leine im Bereich der Döhrener Leineinsel. Den Berechnungen zufolge wird der Hochwasserabfluss durch die baulichen Veränderungen sogar verbessert.
Fazit:

Die Petition verlangt den Abbruch der seit mehr als 25 Jahren kontinuierlichen Verfolgung eines Klimaschutzziels und eines laufenden Verfahrens mit berechtigtem Interesse an der baldigen Entscheidung. Die Stadt als frühe Initiatorin des Vorhabens kann und will ihre zielgerichtete Mitwirkung nicht versagen. Inhaltlich werden alle in der Petition angesprochenen Aspekte im Planfeststellungsverfahren behandelt.

Die Anregung der Petitionsführerin ist abzulehnen.
67.11 
Hannover / 25.11.2020