Drucksache Nr. 2662/2021:
Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 1881 - Wohnpark Brabrink
Auslegungsbeschluss

Informationen:

Beratungsverlauf:

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
 
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2662/2021
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BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 1881 - Wohnpark Brabrink
Auslegungsbeschluss

Antrag,

1. dem Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 1881 mit Begründung und Umweltbericht zuzustimmen,
2. die öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) zu beschließen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Die Gender-Aspekte wurden geprüft. Geschlechterspezifische Auswirkungen der Planung sind nicht erkennbar.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen für die Stadt Hannover.

Begründung des Antrages

Die Achte World Investment Bauträger GmbH plant auf dem Grundstück westlich der Hildesheimer Straße an der Stadtgrenze nach Laatzen die Entwicklung eines neuen gemischten Wohnquartiers. Geplant ist ein Ensemble aus insgesamt acht Gebäuden, das mit seinen in Höhe und Form differenzierten Baukörpern eine städtische Seite und eine Gartenseite ausbildet. Zwei Baublöcke an der Hildesheimer Straße öffnen das Quartier mit ihrer gemischten Nutzung: Gewerbe, Gastronomie und Kindertagesstätte in den Erdgeschosszonen, darüber Bürogeschosse samt repräsentativem Eingangsbereich sowie Wohnungen. Dahinter schließen sechs kleinere Punkthäuser an, die sich als reine Wohnhäuser zu den Leineauen orientieren.

Der Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel hat am 12. März 2020 die Durchführung der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB beschlossen, die in der Zeit vom 07. Mai 2020 bis 08. Juni 2020 stattgefunden hat. Im Zeitraum vom 9. Februar 2021 bis 11. März 2021 wurde die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gem. 4 Abs. 2 BauGB durchgeführt. In beiden Beteiligungsverfahren gingen mehrere Stellungnahmen ein

Eine Stellungnahme aus der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung ging mit einer als "Petition" bezeichneten Anlage mit 227 Unterschriften ein. Ziel der Petition war es das Bauvorhaben zu stoppen und somit die 24 Grabelandparzellen im Geltungsbereich des Vorhabens zu erhalten. Über die Petition Nr. 01/2021 "Rettet die Kleingartenanlage in der Hildesheimer Straße 432D" hat der Verwaltungsausschuss in der Drucksache DS-Nr. 0454/2021 am 20.05.2021 entschieden dem Inhalt der Petition nicht zu folgen, weil alle Grabelandparzellen bereits gekündigt wurden.



Im Rahmen der Beteiligung wurde auch der Betrieb CG Chemikalien GmbH & Co. KG angeschrieben und beteiligt. Bei dem Betrieb handelt es sich um einen Störfallbetrieb im Sinne des §3 Abs. 5a Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), zu dem Sicherheitsabstände einzuhalten sind, um in einem Störfall die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Der Firmenstandort des Störfallbetriebs liegt in einem über Jahrzehnte gewachsenen städtischen Gebiet mit unterschiedlichen Nutzungen, darunter auch sogenannte Schutzobjekte. Es handelt sich somit um eine gewachsene städtebauliche Gemengelage, die Bereiche der Stadtteile Wülfel und Mittelfeld sowie der Stadt Laatzen betreffen. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans befindet sich ca. 475 Meter westlich vom Störfallbetrieb entfernt.

2018 wurde der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig durch ein Gutachten vom TÜV-Nord, beauftragt durch die Stadt Laatzen und die Landeshauptstadt Hannover, ermittelt. Durch die derzeit dort verwendeten Stoffe würde sich ein angemessener Sicherheitsabstand von 150 Meter zwischen den betroffenen Betriebsbereichen und den schutzwürdigen Nutzungen ergeben. Da dem Betrieb aber eine Genehmigung für die Verwendung des bisher nicht verwendeten Stoffs Acrolein vorliegt, erhöht sich der angemessene Sicherheitsabstand auf 850 Meter.

CG Chemikalien hat am 9. März 2021, vertreten durch die Kanzlei Nahme & Reinicke, Stellung zur Planung genommen. Teil der Stellungnahme sind ein Schreiben vom Ingenieurbüro Müller-BBM und eines von der Kanzlei Köhler & Klett. Während das Ingenieurbüro Müller-BBM Empfehlungen zu möglichen zusätzlichen störfallrelevanten Maßnamen im Plangebiet gibt, stellt die Kanzlei Köhler & Klett Forderungen zum Verzicht auf geplante Nutzungen. Dem gegenüber steht das vom Vorhabenträger beauftragte Sachverständigengutachten der Weyer-Gruppe, welches prüft ob die vorgesehene Nutzung erreicht werden kann bzw. ob entsprechende Kompensationsmaßnahmen erforderlich sind.

Die umfangreichen und komplexen Stellungnahmen von CG Chemikalien, insbesondere die durch das Ingenieurbüro Müller-BBM geäußerten Empfehlungen sowie die sinngemäß gleiche Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamtes sind im Folgenden thematisch gegliedert und zusammengefasst.

Anmerkungen von CG Chemikalien und dem Gewerbeaufsichtsamt


1. Störfallrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens

Es wird dahingehend Stellung bezogen, dass der Bebauungsplan in der Entwurfsfassung nicht den Anforderungen des § 50 S. 1 BImSchG genüge. Danach seien bei "raumbedeutsamen" Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nr. 13 der Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufenen Auswirkungen unter anderem auf überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete sowie öffentlich genutzte Gebäude soweit wie möglich vermieden werden. Der Bebauungsplan mit den geplanten Nutzungen von 165 Wohnungen, Büro- und Gewerbenutzungen sowie einer Kindertagesstätte stelle eine raumbedeutsame Planung im Sinne des § 50 S. 1 BImSchG dar. Weil auf der Grundlage des Bebauungsplans erstmalig schutzwürdige Nutzungen innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands angesiedelt würden, sei schon die Standortwahl für das Vorhaben besonders begründungsbedürftig. Daran ändere auch der pauschale Hinweis auf zahlreich vorhandene Wohn- und Geschäftsbebauung im Umfeld des Betriebsstandorts von CG Chemikalien nichts, da die erstmalige Schaffung einer Gemengelage im Regelfall unzulässig ist, weil ein angemessener Abstand, der bisher eingehalten sei, auch in Zukunft – langfristig – gewahrt bleiben müsse.

2. Sensible Nutzungen / Nutzungsbeschränkungen

Weiter wurde von CG Chemikalien eingebracht, dass sensible wohnliche Nutzungseinheiten, wie z.B. Seniorenresidenzen, größere Wohneinrichtungen für behindertengerechtes Wohnen, nicht anzuraten seien. Auch die Kindertagesstätte ist wegen der Unkalkulierbarkeit des Verhaltens der Kinder und deren mangelnder Einsichtsfähigkeit in Gefahrenlagen abzulehnen. Bei Kindern und Senioren ist die gebotene Mobilität oder Handlungsfähigkeit bei Eintritt einer Störung nicht in jedem Falle gegeben.

Zusätzlich sollte die gewerbliche Nutzung mit Publikumsverkehr durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan ausgeschlossen werden, sofern die Besucher nicht während des Aufenthaltes in der Obhut/Verantwortung einer Person des gewerbetreibenden gebäudeansässigen Unternehmens verbleiben und so im Ereignisfall ihr richtiges Verhalten gesichert werden kann. Konkret wird ein Betreuungsschlüssel von 1:6 vorgeschlagen.

3. Wohnraumkonzept / Flächennutzungsplan

CG Chemikalien sowie das Gewerbeaufsichtsamt hinterfragen, wieso das Plangebiet im Wohnraumkonzept 2025 der Landeshauptstadt Hannover aufgenommen wurde. Aufgrund des Störfallbetriebes hätte die Fläche nicht im Wohnraumkonzept ausgewiesen werden dürfen, weil die angemessenen Sicherheitsabstände nicht eingehalten würden. Damit gehe einher, dass das Wohnraumkonzept in der Begründung des vorliegenden Bebauungsplans nicht herangezogen werden könne. Zudem wird nicht thematisiert, ob das Vorhaben nicht auch auf anderen von der Stadt ermittelten potentiellen Wohnbauflächen verwirklicht werden könnte, die außerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands der CG Chemikalien liegen.


Aussage der Verwaltung zu den Stellungnahmen von CG Chemikalien und dem Gewerbeaufsichtsamt


1. Störfallrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens

Der im TÜV Nord-Gutachten vom November 2018 erstmalig berechnete angemessene Sicherheitsabstand von 850 Meter berücksichtigt als Detailkenntnisse nur die störfallspezifischen Faktoren auf Seiten des Betriebsbereichs, nicht hingegen auf Seiten des Schutzobjektes. Das OVG Lüneburg hat jedoch in jüngster Zeit noch einmal in seinem Beschluss vom 14.04.2021 (1 ME 140/20) betont, dass für die Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstand nicht nur auf Seiten der Anlage, sondern auch auf Seiten des geplanten Vorhabens die für den angemessenen Sicherheitsabstand maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen sind. Die planerische Zuordnung von Flächen unterschiedlicher Nutzungen muss zukunftsorientiert sein und die Entwicklungsmöglichkeiten sowohl des Störfallbetriebes als auch der Kommune berücksichtigen. Die Angemessenheit eines Abstandes kann nicht losgelöst von der bestehenden Siedlungsstruktur betrachtet werden. Vielmehr ist der gebotene Abstand nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Hierzu sei auch noch mal angemerkt, dass es für einen angemessenen Sicherheitsabstand in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch des OVG Lüneburg keine strikten Maßstäbe gibt. Daher kann die Frage, ob der angemessene Sicherheitsabstand durch ein Schutzobjekt eingehalten oder unterschritten wird, von Schutzobjekt zu Schutzobjekt unterschiedlich ausfallen.

Hierzu wurde im Rahmen des Bauleitplanverfahrens im Anschluss an die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ein Sachverständigengutachten durch die Weyer-Gruppe erstellt, um die störfallrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens mithilfe von störfallspezifischen Maßnahmen zu prüfen und insbesondere die Stellungnahme des Störfallbetriebes und des Gewerbeaufsichtsamts vertiefend zu behandeln. Im Gutachten wird plausibel dargelegt, dass ein Unterschreiten des angemessenen Sicherheitsabstands nicht vorliegt. Begründet wird dies damit, dass innerhalb der Gebäude bei geschlossenen Fenstern und ausgeschalteten Lüftungen in einem Dennoch-Störfall keine besonderen Risiken für die Menschen bestehen. Die Risiken können ausgeschlossen werden, wenn innerhalb von 8 - 10 Minuten durch die Menschen innerhalb des Schutzobjekts die dort vorhandenen Gebäude aufgesucht werden können, Fenster geschlossen sowie Lüftungen ausgeschaltet werden. Um die Schutzwirkung zu erreichen, bedarf es bestimmter baulich-technischer Maßnahmen an den Gebäuden. Im Gutachten wird dazu unter anderem empfohlen, die Gebäude zur Störfallseite hin gasdicht auszuführen und eine umgehende Abschaltung der Lüftungsanlagen zu ermöglichen. Ein angemessenes Verhalten der Menschen innerhalb des Schutzobjektes wird in Form von Mitarbeiter*innenschulungen bzw. in Regelungen wie Kauf-, Miet- und Pachtverträgen sowie der Hausordnung gewährleistet werden.

Im Laufe des Verfahrens wurde Kontakt mit der Katatrophenschutzbehörde der Region Hannover aufgenommen. Laut Auskunft derer sind in dem derzeit vorliegenden betrieblichen Gefahrenabwehrplan von CG Chemikalien sowie im externen Gefahrenabwehrplan der Katatrophenschutzbehörde keine Festlegungen zum Einsatz von Acrolein enthalten. Von den Auswirkungen eines Störfalls mit Acrolein bei CG Chemie wären Tausende hier lebende und arbeitende Menschen betroffen. Im Fall der Hannover-Messe kann sich bei großen Veranstaltungen die Zahl der auswärtigen Menschen zudem noch wesentlich erhöhen. Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde müssen deshalb der betriebliche und der externe Gefahrenabwehrplan für den Einsatz des Stoffes aktualisiert werden. Eine zeitnahe Überarbeitung wurde zugesichert.

Entsprechend der aktualisierten Gefahrenabwehrplanung sind die Sicherheitsvorkehrungen anzupassen. U.a. muss eine schnellstmögliche automatisierte Warnung der Bevölkerung (60-120 Sekunden nach Schadenseintritt), die sich zum Zeitpunkt eines Störfalls innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstand befindet, sichergestellt werden. Die Warnung muss im gesamten Sicherheitsabstand deutlich wahrnehmbar sein und dazu auffordern, sichere Innenräume aufzusuchen, Türen und Fenster zu schließen und automatische Lüftungen abzuschalten. Diese Warnung hat zur Konsequenz, dass auch die Bewohnerinnen und Bewohner sowie Nutzerinnen und Nutzer im Plangebiet gewarnt würden und so in die Lage versetzt würden, wie es im Gutachten der Weyer-Gruppe angenommen wurde.

Zum Satzungsbeschluss wird die Begründung zu dem dann erreichten Stand der Gefahrenabwehrplanung ergänzt.

Es kann festgehalten werden, dass die beschriebenen auswirkungsbegrenzenden Maßnahmen in Verbindung mit den zu aktualisierenden Gefahrenabwehrplänen von CG Chemikalien und der Katastrophenschutzbehörde der Region Hannover in diesem Fall eine wirksame Schutzmaßnahme darstellen und aus Sicht der Verwaltung der angemessene Sicherheitsabstand somit gewahrt bleibt. Ein planerischer Konflikt mit dem 475 m entfernten Störfallbetrieb wird vermieden.

Die gemäß gutachterlicher Stellungnahme vorgeschlagenen und vom Vorhabenträger umzusetzenden Maßnahmen wurden im Planungsentwurf eingearbeitet sowie im Durchführungsvertrag fixiert und sind in der Begründung Kapitel 3.3 wiedergegeben.

Selbst wenn man davon ausginge, dass der angemessene Sicherheitsabstand unterschritten würde, wäre das Vorhaben ausnahmsweise zulässig. Solange keine erstmalige Schaffung einer Gemengelage aus Schutzobjekten innerhalb des Sicherheitsabstandes stattfindet und im Einzelfall hinreichend gewichtige nicht störfallspezifische Belange für die Zulassung des Vorhabens vorhanden sind, ist nach der Rechtsprechung die Realisierung weiterer derartiger Vorhaben nicht ausgeschlossen. In Betracht kommen hier insbesondere sozio-ökonomische Belange.

Anders als von CG Chemikalien dargelegt entsteht die Gemengelage nicht erst durch das geplante Bauvorhaben Wohnpark Brabrink, sondern ist über Jahrzehnte entstanden – in völliger Übereinstimmung mit dem öffentlichen Baurecht. Im ermittelten angemessenen Sicherheitsabstand liegen bereits heute zahlreiche Schutzobjekte. Damit ist zweifelsfrei eine Gemengelage gegeben. Das erstmalige Überplanen der Fläche ist kein hinreichender Einwand, um daraus auf das erstmalige Entstehen einer Gemengelage zu schließen.

Der Standort und die geplante Art der baulichen Nutzung ist für das geplante Vorhaben nach einer durchgeführten Alternativenprüfung (Begründung Kapitel 3.2) die städtebaulich denkbar beste Nutzung. Die geprüften alternativen Nutzungen – Gewerbe, Handel, Gemeinbedarfsflächen oder Grünfläche – würden die Gemengelagen verschärfen, die Verkehrsbelastung erhöhen, zentrale Versorgungsbereiche gefährden oder widersprechen den entwicklungsplanerischen Zielen nach den Darstellungen des Flächennutzungsplans und würden nicht der Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes dienen.

Da durch das geplante Vorhaben keine neuen Konflikte begründet oder bestehende Konflikte nicht verschärft werden, ist eine Konfliktlösung in einem nachfolgenden Zulassungsverfahren nicht geboten. Der Störfallbetrieb wird nicht eingeschränkt, die Gemengelagesituation nicht verschärft und die mit der Planung verfolgten städtebaulichen Belange erreicht.

2. Sensible Nutzungen / Nutzungsbeschränkungen

Aus Sicht der Verwaltung bedarf es einer solchen Nutzungseinschränkung nicht, da die Annahme aus dem Gutachten der Weyer-Gruppe sachgerecht wiedergibt, dass die Bewohner*innen, Besucher*innen und sonstige Nutzer*innen – einschließlich der Kitakinder – innerhalb von 8 bis 10 Minuten im Alarmfall die Gebäude im Plangebiet ohne Schwierigkeiten erreichen können. In allen Gebäuden stehen den von einem Alarmfall betroffenen Menschen neben dem Treppenhaus auch Aufzugsanlagen zur Verfügung, so dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen ihre Wohnungen innerhalb des Zeitfensters sicher erreichen können.

Weiterhin werden durch die Festlegung der zulässigen baulichen Nutzungen abschließend solche Nutzungen ausgeschlossen, die eine große Anzahl an Besucher*innen bei geringer Anzahl an geschulten Mitarbeiter*innen beinhalten. Bei der Kindertagesstätte ergibt sich ein ausreichender Betreuungsschlüssel durch das Niedersächsische Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege.

Weiterführende gewerblich einschränkende Festsetzung im Bebauungsplan werden für nicht notwendig erachtet, da im Plangebiet zur Hildesheimer Straße vornehmlich aus Gründen des Verkehrslärmschutzes Dienstleistungsnutzungen geplant sind, die die rückwärtigen Wohnnutzungen schützen.

3. Wohnraumkonzept

Die Verwaltung weist darauf hin, dass das Wohnraumkonzept 2025 Flächen darstellte, die aus planerischer Sicht für eine Wohnnutzung geeignet erschienen. Im Flächennutzungsplan wird das Plangebiet als Mischbaufläche dargestellt. Aufgrund dieser Darstellung konnte bei der Erstellung des Wohnraumkonzepts davon ausgegangen werden, dass sich die Fläche zur Wohnnutzung eignet. Die Zulässigkeit der Wohnnutzung wurde im vorliegenden Bebauungsplanverfahren u.a. unter Berücksichtigung des Betriebs CG Chemikalien geprüft und positiv beschieden. Das Wohnraumkonzept 2025 ist gemäß § 1 Abs. 11 BauGB eine informelle, vom Rat der Landeshauptstadt Hannover beschlossene Planung, die im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigen ist. Der Bebauungsplan wird aufgestellt, da der Eigentümer der Fläche mit Schreiben vom 21.02.2020 die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens nach § 12 BauGB beantragt hat und der Verwaltungsausschuss dem Antrag am 02.04.2020 zugestimmt hat. Die Begründung des Bebauungsplans wurde im Kapitel 3.2 jedoch dahingehend ergänzt, dass eine Prüfung unterschiedlicher Planungen mit verschiedenen Nutzungen des Grundstücks vorgenommen wurde. Diese Prüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die vorgelegte Planung einer Wohnanlage mit Gewerbe und Kindertagesstätte die am Standort verträglichste Planungsvariante ist.


Weitere Stellungnahmen kamen von der Stadt Laatzen, der Industrie- und Handelskammer Hannover, dem Gewerbeaufsichtsamt Hannover und dem BUND sowie aus der Bevölkerung. Die Stellungnahmen sind thematisch gegliedert und zusammengefasst folgend aufgeführt.


Anmerkungen der Stadt Laatzen
Durch das Bauprojekt dürfen die Grundwasserverhältnisse nicht beeinträchtigt werden. Es ist sicherzustellen, dass sich infolge der vorgesehenen Wasserhaltung keine negativen Auswirkungen auf die Wasserstände der nahegelegenen Fischteiche und der über Brunnen stattfindenden Bewässerung der Sport- und Freizeitanlagen auf dem Gebiet der Stadt Laatzen ergeben.

Artenschutzrechtlich sollten die vorgesehenen Baumfällungen fachgutachterlich begleitet und in diesem Zuge insbesondere der erforderliche Ausgleich der Quartiersverluste festgestellt werden.

Bezüglich des durch das Bauvorhaben, dem Baubetrieb und der späteren Nutzung hervorgerufenen zusätzlichen Verkehrs wird auf eine mögliche Belastung hingewiesen, dies gilt insbesonders für den Knotenpunkt Hildesheimer Straße / Auf der Dehne.

Die Lage der Zufahrt zur Tiefgarage wird als problematisch in Hinblick auf den nahegelegenen Knotenpunkt Hildesheimer Straße / Auf der Dehne angesehen. Das Angebot an Einstellplätzen wird den Bedarf nicht decken. Die Hildesheimer Straße als auch umliegende städtische Straßen verfügen über keine Reserven weder für kurzfristiges Halten (z.B. Bring- und Holverkehr für die KITA) als auch für längerfristiges Parken.

Aussage der Verwaltung
Aufgrund der bodenkundlichen und hydrologischen Verhältnisse im Plangebiet ist nach dem Gutachten von GESCO zur Ermittlung der Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Wasserhaltung in der unmittelbaren Umgebung nicht davon auszugehen, dass es im Bereich der Leineaue und der dort vorhandenen Fischteiche zu erheblichen Grundwasserabsenkungen kommt. Die Ergebnisse des Gutachtens wurden im Planverfahren aufgenommen und in der Begründung (Kap. 5.3) eingearbeitet.

Bei den zur Fällung vorgesehenen Bäumen wurden keine Fledermausquartiere nachgewiesen. Eine fachgutachterliche Begleitung wird für infrage kommende Bäume zugesichert.

Im Vorhaben entsteht eine Tiefgarage mit 130 Stellplätzen. Davon ausgehend sind ca. 200 Ausfahrten pro Tag in Richtung Süden zu erwarten. Dieser, durch das Bauvorhaben ausgelöste zusätzliche Verkehr, wird die Verkehrsqualität am entsprechenden Knotenpunkt leicht verschlechtern. Angesichts der momentanen Belastung der Hildesheimer Straße durch 20.000 Kfz/24h im Bereich des Vorhabens ist die planbedingte Zusatzbelastung jedoch vernachlässigbar. Die Erforderlichkeit eines Verkehrsgutachtens sowie eines Verkehrskonzeptes wird als nicht notwendig erachtet.

Aufgrund des Abstandes von rund 150 Metern zwischen der Tiefgaragenzufahrt und dem Knotenpunkt wird die geplante Anordnung der Zufahrt als unproblematisch gesehen. Aufgrund der guten Anbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr und der auf der Hildesheimer Straße verlaufenden Veloroute sowie der im direktem Umfeld fußläufig zu erreichenden Nahversorgung wird die im Vorhaben festgesetzte Anzahl an Stellplätzen als ausreichend bewertet. Für den Bring- und Holverkehr der KITA sind in der Tiefgarage Besucherstellplätze vorgesehen. Längerfristiges Parken ist auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der Hildesheimer Straße sowie in der Straße Am Brabrinke möglich.


Weitere Anmerkungen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Hannover
Die Planung eines so umfangreichen Wohnkomplexes stünde nicht mit den mittelfristigen Planungsabsichten einer Mischbaufläche überein, die grundsätzlich an diesem Standort noch vertretbar wäre. Das Plangebiet liegt am Rand eines großflächigen Gewerbe- bzw. eines Industriegebietes und sei deshalb eine Gemengelage.

Aussage der Verwaltung
Das Plangebiet wird im Flächennutzungsplan als gemischte Baufläche dargestellt.
Auf der gegenüberliegenden Seite entlang der Hildesheimer Straße sind ebenso gemischte Flächen mit dahinterliegenden gewerblichen Flächen dargestellt. Vorgesehen ist sowohl eine gewerbliche Nutzung als auch eine Wohnnutzung. Der Bebauungsplan ist aus den Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt. Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens wurden Fachgutachten erstellt, die das Vorhaben an dem Standort aus gutachterliche Sicht bewertet haben. Störfallgutachten, Lärmgutachten und Geruchsgutachten kommen jeweils zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben an diesem Standort verträglich ist und gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse mit den Festsetzungen des Bebauungsplans gewahrt werden. Zugleich nutzt das Vorhaben die Lagegunst durch die unmittelbare Nähe zum Landschaftsraum der Leine-Aue als attraktives Wohnumfeld.

Anmerkungen der Industrie- und Handelskammer Hannover
Das zu der Planung zugehörige Lärmgutachten wird als plausibel eingestuft, zeigt aber auch auf, dass die Realisierung von Wohnbebauung am vorgesehenen Standort nur mit erheblichen schallschutztechnischen Vorgaben für die Wohnnutzung möglich und zulässig sein wird. Insofern ist es prüfenswert, aufgrund des stark gewerblich geprägten Umfelds, den Planbereich für gewerbliche Ansiedlung zu sichern.


Aussage der Verwaltung
Das Ziel, der Fläche eine Mischgebiet-Nutzung zuzuführen, wurde durch die 2010 beschlossene 197. Änderung des Flächennutzungsplans vorbereitet. Zusätzlich wird das Plangebiet im 2013 beschlossenen "Wohnkonzept 2025" als "Fontainischer Garten" explizit als eine von 150 Potenzialflächen hervorgehoben. Die Schaffung von Planungsrecht für eine rein gewerbliche Nutzung wird auch angesichts der im Umfeld gelegenen unbebauten Gewerbeflächen mit bestehenden Baurechten als nicht zielführend erachtet. Die Begründung des Bebauungsplans wurde im Kapitel 3.2 jedoch dahingehend ergänzt, dass eine Prüfung unterschiedlicher Planungen mit verschiedenen Nutzungen des Grundstücks vorgenommen wurde. Diese Prüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die vorgelegte Planung einer Wohnanlage mit Gewerbe und Kindertagesstätte die am Standort verträglichste Planungsvariante ist.

Anmerkungen vom BUND
Zu möglichen Auswirkungen auf Arten und Lebensräume der nahegelegenen Schutzgebiete gibt es bisher in den Planunterlagen keine Aussagen. Aufgrund der bereits im Plangebiet festgestellten Fledermaus- und Vogelarten sowie der Feuchtlebensräume in der angrenzenden Leinemasch kann davon ausgegangen werden, dass erhebliche Beeinträchtigungen auch im Schutzgebiet nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden können. Hierfür sind weitere Untersuchungen auch außerhalb des Plangebietes durchzuführen. Um erhebliche Beeinträchtigungen auszuschließen, sind insbesondere eine FFH-Verträglichkeitsprüfung sowie eine artenschutzrechtliche Prüfung erforderlich.

Aussage der Verwaltung
Die Anmerkungen zu Auswirkungen auf die umliegenden Schutzgebiete wurden im Planverfahren aufgenommen und im Umweltbericht (Kap. 2.2.7) behandelt. Weiterführende Prüfungen werden aufgrund der Ergebnisse der Bestandsaufnahmen auf der Planfläche als nicht notwendig gesehen.

Anmerkungen aus der Bevölkerung im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung
Baukörper
Bezüglich Höhe der geplanten Gebäude sowie die für die Bebauung vorgesehene Fläche werden Bedenken geäußert.

Verkehr
Es wird erwähnt, das bereits jetzt eine Verkehrsproblematik im weiteren Umfeld erkennbar ist und durch die geplante Bebauung zusätzlich verschärft wird.

Grundwasserabsenkungen
Bei dem Bauvorhaben gibt es Befürchtungen von Eigentümern und Pächtern der umliegenden Teiche, dass eine Grundwasserabsenkung diese Gewässer negativ beeinflusst.

Lichtverschmutzung
Es wird darauf hingewiesen das große Bauvorhaben einen nicht unerheblichen Anteil zur Lichtverschmutzung beitragen und dass das nahegelegene Landschaftsschutzgebiet beeinträchtigt werden könnte

Kaltluftschneise
Es wird gefragt ob die in der Planung erwähnt Kaltluftschneise auch die gegenüberliegende Bebauung berücksichtigt.

Denkmalschutz
Bei zahlreichen Bauvorhaben in der unmittelbar angrenzenden Stadt Laatzen wurden auf derart unberührten Flächen beachtliche archäologische Funde sichergestellt. Die Denkmalschutzbehörde ist daher einzuschalten und eine Bebauung an dieser Stelle nicht sinnvoll.

Aussage der Verwaltung

Baukörper
Hohe Gebäude oder Hochhäuser sind als Wohngebäude seit vielen Jahrzehnten beliebte Wohnformen. Zugleich dienen sie der Reduzierung von Eingriffen in Natur und Landschaft aufgrund der hohen baulichen Dichte bei gleichzeitig vergleichsweise geringem Versiegelungsgrad. Im Planungsprozess wurden mehrere Varianten nach unterschiedlichen Kriterien und insbesondere zur Art und Nutzung geprüft. Für die Planungsalternativen wurden verschiedene Bebauungsvarianten mit unterschiedlichen Positionierungen der baulichen Anlagen und Gebäudehöhen erarbeitet und geprüft. Die ausgewählte Variante stellt einen Kompromiss dar, der alle Belange gerecht abwägt. Mehr Einzelheiten sind in der Begründung im Kapitel 2.5 und 3.2 nachzulesen.

Verkehr
Der durch das Bauvorhaben ausgelöste zusätzliche Verkehr wird die Verkehrsqualität kaum verschlechtern. Angesichts der momentanen Belastung der Hildesheimer Straße durch 20.000 Kfz/24h im Bereich des Vorhabens ist die planbedingte Zusatzbelastung jedoch vernachlässigbar.

Grundwasserabsenkungen
Aufgrund der bodenkundlichen und hydrologischen Verhältnisse im Plangebiet ist nach dem Gutachten von GESCO zur Ermittlung der Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Wasserhaltung in der unmittelbaren Umgebung nicht davon auszugehen, dass es im Bereich der Leineaue und der dort vorhandenen Fischteiche zu erheblichen Grundwasserabsenkungen kommt. Die Ergebnisse des Gutachtens wurden im Planverfahren aufgenommen und in der Begründung (Kap. 5.3) eingearbeitet.

Lichtemissionen
Dem Einwand wird gefolgt und die Planung dahingehend angepasst, dass um Beeinträchtigungen für nachtaktive Insekten möglichst gering zu halten, die Wegebeleuchtung auf dem gesamten Grundstück mit dem notwendigen Minimum der Beleuchtungsstärke ausgelegt wird. Außerdem werden in den Wegebereichen Leuchten verwendet, die nur nach unten gerichtet sind und eine warmweiße Lichtfarbe haben. Die Steuerung der Leuchten wird über Zeitschaltuhren und Präsenzsteuerungen realisiert. So ist gewährleistet, dass die Wegesicherheit erfüllt wird und gleichzeitig keine unnötigen Lichtemissionen entstehen (nachzulesen im Kapitel 2.2.7 des Umweltberichtes).

Kaltluftschneise
Die Kaltluftschneise verläuft entlang der südlichen Grenze des Plangebietes, kreuzt dann die Hildesheimer Straße und verläuft anschließend über das Grundstück des Vorhabens zum Bebauungsplan Nr. 1877 (Autohaus). Auch in diesem Vorhaben wurde eine ausreichend große Schneise für den Kaltluftstrom eingeplant.

Denkmalschutz
Die Denkmalschutzbehörde wurde im Rahmen der Beteiligung der Behörden am Verfahren beteiligt. In einer ersten Stellungnahme wurde nicht darauf hingewiesen, dass mit Bodenfunden zu rechnen ist. Die Untere Denkmalschutzbehörde wird weiterhin am Verfahren beteiligt und in der Bauphase im Falle von Bodenfunden benachrichtigt werden.


Die Stellungnahme des Bereichs Forsten, Landschaftsräume und Naturschutz im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün, der auch die Belange des Naturschutzes wahrnimmt, ist der Drucksache als Anlage 3 beigefügt.

Der beantragte Beschluss ist erforderlich, um das Bebauungsplanverfahren weiterführen zu können.
61.12 
Hannover / 30.11.2021