Informationsdrucksache Nr. 2662/2018:
Adoptionsvermittlungsstelle/Familienersetzende Hilfen/Sachstandsbericht

Inhalt der Drucksache:

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2662/2018
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Adoptionsvermittlungsstelle/Familienersetzende Hilfen/Sachstandsbericht

Einleitung

Mit dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat zum 'Haager Übereinkommen' (Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption) im Jahr 2002 gab es gesetzliche Veränderungen im Bereich Adoption und das Arbeitsfeld hat sich nachhaltig verändert.


Diesem Prozess war eine Studie des Deutschen Jugendinstituts mit der Fragestellung 'Weiterentwicklung der Adoptionsvermittlungspraxis' vorgeschaltet. Die hier erarbeiteten Empfehlungen konnten von den MitarbeiterInnen des Adoptionsdienstes der Landeshauptstadt Hannover begleitet werden.
Besondere Auswirkungen hatten das neue Gesetz zur vertraulichen Geburt (Schwangerschafts-Konfliktgesetz) sowie die Einführung der 'Ehe für Alle' im Jahr 2017.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender-Aspekte werden im Rahmen des Schriftverkehrs bei entsprechenden Ansprachen an Mütter/Väter und deren Kinder berücksichtigt. Die Aufgabe der Fachkräfte ist es, die Beratung während des Verfahrens der Adoption gender- und kultursensibel zu gestalten.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Rechtliche Grundlagen und Aufgabenbereiche der Adoption

· Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ)


· Adoptionsvermittlungsgesetz (ADVermiG)
· Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG)
· §§ 1741-1766 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
· Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und
in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
· §§ 50, 51, 55 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII)
· Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung
der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ)
· Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (SchKG)

Aufgaben der Adoptionsvermittlungsstelle

· Umfassende Beratung der Mutter/Eltern über die Auswirkungen einer Einwilligung
zur Adoptionsfreigabe, Adoptionsformen und das Adoptionsverfahren
· Prüfung von Bewerberinnen und Bewerbern
· Kooperation mit Schwangerenkonfliktberatungsstellen
im Rahmen der vertraulichen Geburt
· Internationale Adoptionen inkl. Erstellung gebührenpflichtiger Sozial-/ Eignungsberichte
· Vermittlung von Kindern
· Stief- und Verwandtenadoptionen (Beteiligung an Familiengerichtsverfahren, § 50 SGB VIII)
· Führung von Personensorgerechtspflegschaften
· Begleitete Akteneinsicht und Beratung Adoptierter, 'Wurzelsuche', § 9b (2) AdVermiG
· Adoptionsbegleitung
· Kooperation mit national tätigen Behörden/Organisationen
· Öffentlichkeitsarbeit
·
Dokumentation der Fallzahlen siehe 'Entwicklung der Aufgaben der Adoption
in Zahlen' (Anlage 1)

Adoption im Wandel

· Fremdadoption

Entgegen der bundesweiten Entwicklung ist in der Landeshauptstadt Hannover ein deutlicher Anstieg der Fremdadoptionen zu verzeichnen (siehe Anlage). Besonders beim Verfahren der vertraulichen Geburt ist zu beobachten, dass Frauen aus dem weiteren Umland sich für eine Adoption in der Landeshauptstadt Hannover entscheiden. Es ist zu vermuten, dass sie mit ihrer Wahl der vermeintlich anonymen Großstadt mehr Abstand zum bekannten Umfeld erreichen möchten.

· Halboffene Adoption

Weiterhin ist eine Entwicklung von der Inkognito-Adoption hin zur halboffenen Adoption zu beobachten. Im Vermittlungsverfahren wird den abgebenden Eltern hierbei in Begleitung einer Fachkraft die Möglichkeit gegeben, die zukünftigen Adoptiveltern im persönlichen Gespräch, unter Einhaltung des Datenschutzes, kennenzulernen. Das Wunsch- und Wahlrecht der abgebenden Eltern findet verstärkt Berücksichtigung, da sie an der Auswahl der zukünftigen Adoptiveltern beteiligt werden. Dies ermöglicht den abgebenden Eltern, aktiv an der Zukunftsgestaltung ihres Kindes beteiligt zu sein und durch verantwortungsvolles Handeln diese schwierige Entscheidung möglichst positiv zu bewältigen. Es zeigt sich, dass diese Vorgehensweise für Adoptivkinder auf ihrem Lebensweg und bei ihrer Identitätsfindung hilfreich ist.

· Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare

Bereits seit einigen Jahren sind gleichgeschlechtliche Paare selbstverständliche Adressatinnen und Adressaten im Adoptionsbereich. Die Landeshauptstadt Hannover hat früh auf diese Thematik reagiert und bereits im Jahr 2014 einen eigenen Verfahrensablauf für diese Adoptionsform entwickelt. Das Ablaufschema 'Adoptionsverfahren bei eingetragenen Lebenspartnerschaften' berücksichtigt die Lebensrealitäten gleichgeschlechtlicher Paare.

In der Vergangenheit wurden vor allem Frauenpaare im Rahmen der sogenannten Stiefadoption beraten. Stiefadoptionen erfolgten in diesem Zusammenhang in der Regel für Kinder, die in bereits bestehenden 'eingetragenen Partnerschaften' geboren und durch Samenspende/Insemination gezeugt wurden. Die Adoptionsvermittlungsstelle hat grundsätzlich nach dem Familienverfahrensgesetz (FamFG) gegenüber dem Familiengericht eine fachliche Äußerung/schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Mit Einführung der 'Ehe für Alle' am 01.10.2017 sind nun auch Fremdadoptionen für diese Zielgruppe möglich. Nach anfänglichem Zögern beobachten wir aktuell ein verstärktes Interesse von Männerpaaren. Lediglich ein Frauenpaar hat sich bisher für den Weg der Fremdadoption entschieden. Ansonsten wird hier nach unserer Einschätzung weiterhin die Insemination favorisiert.

In der inhaltlichen Arbeit bedeutet diese Entwicklung, dass mit den abgebenden Eltern auch über die Möglichkeit der Adoption ihres Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar gesprochen wird. Aktuell gibt es nur einen geringen Anteil abgebender Eltern, der dieser Form der Elternschaft für ihr Kind zustimmt.


· Leibliche Väter im Adoptionsprozess

Auch in diesem Bereich soll es gesetzliche Veränderungen geben. Vorgesehen ist beispielsweise eine Beratungspflicht für abgebende Väter. Somit wäre auch für nicht mit der Mutter verheiratete Väter die Einwilligung zur Adoption grundsätzlich erst acht Wochen nach der Geburt möglich. Besonders für Stiefadoption im Rahmen der Insemination hat dies Bedeutung und wird bereits jetzt häufiger umgesetzt.

Bisher ist die Beratung und Zusammenarbeit mit Vätern im Adoptionsprozess jedoch eher selten, da momentan die rechtliche Belehrung durch einen Notar für deren Adoptionseinwilligung ausreicht.

Gründe dafür sind:

· bereits vor der Geburt beendete Beziehungen
· Gewalterfahrungen der Mütter
· Wunsch von Frauen, den Vater nicht nennen zu wollen
· Samenspender möchten anonym bleiben
· vertrauliche Geburt
· 'Scheinehelichkeit'
· der Vater ist nicht bekannt
Da es für die spätere Identitätsfindung und 'Wurzelsuche' des Kindes jedoch bedeutsam ist, Wissen über 'die gesamte Abstammung' erhalten zu können, wird eine verstärkte Einbindung der Väter angestrebt.

· Vertrauliche Geburt

Seit dem 01.05.2014 gibt es im SchKG die gesetzliche Regelung zur 'vertraulichen Geburt'. Dieses Gesetz soll werdenden Müttern die Möglichkeit geben, 'legal' ihre Anonymität zu wahren, dem Kind jedoch ermöglichen, ab dem 16. Lebensjahr Informationen über seine Abstammung zu erhalten. Die Regelung ermöglicht den werdenden Müttern, ihr Kind sicher in einer Klinik oder bei einer Hebamme zu entbinden und es dort zu lassen. Sie sollen nicht länger in gesetzlichen 'Grauzonen' handeln müssen, indem sie ihr Kind 'heimlich ablegen' oder sich aus Entbindungskliniken 'stehlen'.

Die Beratung zur 'vertraulichen Geburt' wird von dafür zugelassenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen durchgeführt. Diese erstellen den gesetzlich vorgeschriebenen 'Herkunftsnachweis' und informieren die Entbindungsklinik sowie die Adoptionsvermittlungsstelle/Jugendamt. In der Regel ist schnelles Handeln erforderlich, da die Geburt unmittelbar bevorsteht oder bereits stattgefunden hat.

Die Einführung der 'vertraulichen Geburt' hatte einschneidende Veränderungen für die Adoptionspraxis zur Folge. Anders als vom Gesetzgeber beabsichtigt wird die Regelung nicht nur in 'Ausnahmefällen' von werdenden Müttern in Anspruch genommen. 'Vertraulich' und 'anonym' werden verwechselt, die gesetzliche Regelung ist nicht hinreichend bekannt. Für die betroffenen Kinder und Mütter hat dies lebenslange Folgen.

Seit 2014 gab es hier in der Stadt Hannover 19 'vertrauliche Geburten', wobei es sich in 5 Fällen um 'anonyme Geburten' handelte, da das gesetzliche Prozedere nicht eingehalten und kein Herkunftsnachweis mit der Mutter erstellt wurde.

Für die Adoptionsvermittlung ergeben sich verschiedene Risiken, da die bisher in vertrauensvollen Vorgesprächen erhaltenen Informationen zur sozialen Situation der Mütter/Eltern, Gesundheit, Schwangerschaftsverlauf, Wünsche etc. nicht vorhanden sind. Die werdende Mutter erhält keine Beratung zu Alternativen und bleibt oftmals darauf fokussiert, die Schwangerschaft zu verbergen. Erst im Nachhinein wird ihnen die Tragweite deutlich.

Sechs Frauen nahmen ihre Entscheidung zurück. Sie sind dazu bis zum Adoptionsabschluss (i. d. R. nach einem Jahr) berechtigt. Bereits in Adoptivfamilien vermittelte Kinder mussten dort herausgenommen werden und wurden zur Mutter zurückgeführt. Dies ist für alle Beteiligten mit erheblichen emotionalen Belastungen verbunden und bedarf intensiver Begleitung.

Im Vergleich gab es in den vergangenen zwanzig Jahren in Hannover, bis zur Einführung der vertraulichen Geburt, lediglich drei Rückführungen. Demgegenüber stehen fünf Rückführungen seit der Einführung der vertraulichen Geburt im Mai 2014. Hier wird deutlich wie groß die Verunsicherung der betroffenen Frauen ist.

Die Anforderungen an die Adoptivbewerberinnen und -bewerber, insbesondere im Hinblick auf ihre Belastbarkeit, sind mit diesem Verfahren gestiegen. In der Vorbereitung ist dies zu einem wichtigen Aspekt geworden. Die Adoptionsbegleitung ist enger und intensiver erforderlich. Bei gleichzeitig zurückgehenden Bewerberinnen- und Bewerberzahlen sind zukünftig weitergehende Angebote für diesen Personenkreis, z. B. Vorbereitungskurse zu entwickeln.

· Auslands – Adoption

Berührungspunkte der Adoptionsvermittlungsstelle zu ausländerrechtlichen und migrationsrelevanten Aspekten sind vielfältig. Neben dem deutschen Recht ist dabei stets internationales Recht und das Heimatrecht der an einer Adoption Beteiligten zu berücksichtigen.

Internationale Adoptionen von Kindern aus dem Ausland werden von der hiesigen Adoptionsvermittlungsstelle in Zusammenarbeit mit zugelassenen Auslandsvermittlungsstellen und der Zentralen Adoptionsvermittlungsstelle der norddeutschen Bundesländer (GZA) in Hamburg durchgeführt. Es erfolgt z. B. die Erstellung gebührenpflichtiger Sozial-/Eignungsberichte und die Adoptionsbegleitung inkl. regelmäßiger Berichterstattung über die Entwicklung der Kinder für die Herkunftsländer, Stellungnahmen im gerichtlichen Umwandlungsverfahren gem. § 3 AdWirkG.

Festzustellen ist bundesweit, dass Auslandsadoptionen abnehmen und extra dafür zugelassene Auslandsvermittlungsstellen in freier Trägerschaft ihre Arbeit einstellen, u. a., weil die notwendigen Einnahmen ausbleiben.


Gesetzlich sollen auch hier neue Regelungen erfolgen, die voraussichtlich eine Zunahme der Pflichtaufgaben der kommunalen Adoptionsvermittlungsstellen mit sich bringen werden.
· Ausblick

Die beigefügte Broschüre 'Adoption - eine Chance für Sie und Ihr Kind' (Anlage 2) wurde aktualisiert und liegt inzwischen in englischer, türkischer und bulgarischer Sprache vor. Sie informiert umfassend zu sozialen, emotionalen und rechtlichen Aspekten einer Adoption und soll Mut machen, in dieser schwierigen Lebenssituation mit Fragen und Unsicherheiten, eine persönliche und vertrauensvolle Beratung in Anspruch zu nehmen.
Der sogenannte Stiefelternflyer (Anlage 3) dient der Information von Annehmenden, die das mit in der Familie lebende Kind ihres Ehe- oder Lebenspartners adoptieren möchten.
Auch für die Zukunft sind weitere Entwicklungen zu erwarten, langfristig sind Änderungen sowohl im Adoptionsrecht als auch im Adoptionsvermittlungsrecht geplant. Schwerpunkte werden hier bei der Stärkung der Väterrechte und im Bereich der Auslandsadoption gesetzt.

51.2 
Hannover / 13.11.2018