Drucksache Nr. 2636/2020 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der SPD-Fraktion zum Tätigkeitsspektrum der Antidiskriminierungsstelle (ADS) im Zeitraum 01.01.2017 bis heute
in der Ratssitzung am 26.11.2020, TOP 2.1.

Inhalt der Drucksache:

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2636/2020 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der SPD-Fraktion zum Tätigkeitsspektrum der Antidiskriminierungsstelle (ADS) im Zeitraum 01.01.2017 bis heute
in der Ratssitzung am 26.11.2020, TOP 2.1.

Die Antidiskriminierungsstelle ist die kommunale Beratungsstelle für alle Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie hat den Auftrag, sich auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) innerhalb des hannoverschen Stadtgebiets gegen Ungleichbehandlung zu engagieren. Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung erleben viele Menschen in ihrem Alltag und dies ist ein ernstzunehmendes Problem und Realität in unserer gesellschaftlichen Mitte. So kann vermutet werden, dass die Zahl der Menschen, die bei der städtischen ADS einen Fall von Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus melden nur das Hellfeld abbildet – und das Dunkelfeld weitaus größer ist.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1. Wie viele Personen haben sich auf welchem Weg an die ADS gewandt und wie haben sich die Fallzahlen über den Zeitraum 01.01.2017 bis heute entwickelt?

2. Mit welchen Akteuren arbeitet die ADS zusammen und welche Schwerpunkte lassen sich für diese Zusammenarbeit nennen?

3. Welche Zielgruppen können über die Bildungsarbeit der ADS – und der Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus (SDR) – erreicht werden, welche Programme lassen sich hier besonders hervorheben und wie wird die ADS gemeinsam mit der SDR in der Zukunft diese Bildungsarbeit unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten?


Lars Kelich
Fraktionsvorsitzender

Text der Antwort

Frage 1: Wie viele Personen haben sich auf welchem Weg an die ADS gewandt und wie haben sich die Fallzahlen über den Zeitraum 01.01.2017 bis heute entwickelt?

Die Fallzahlen der Antidiskriminierungsstelle sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.
Im Jahr 2017 verzeichnete die ADS 102 Fälle, 2018 122 Fälle und 2019 171 Fälle. Im laufenden Jahr 2020 gab es bisher 252 Beratungsanfragen (Stand 13.11.2020). Die Ratsuchenden wenden sich per Mail, Telefon und/oder persönlich an die Sozialarbeiter*innen, häufig auch über mehrere Kommunikationswege bei einem Fall, daher liegt keine Statistik dazu vor, wie viele Personen sich auf welchem Wege an die ADS gewandt haben.

Die erste Kontaktaufnahme erfolgt überwiegend telefonisch und per E-Mail. Beratung wurde überwiegend persönlich angeboten, findet aber pandemiebedingt zunehmend auch telefonisch statt.

Frage 2: Mit welchen Akteuren arbeitet die ADS zusammen und welche Schwerpunkte lassen sich für diese Zusammenarbeit nennen?

Netzwerkarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der ADS. Die ADS ist stadtintern, landesweit sowie bundesweit in Netzwerken tätig.

Die ADS der LHH ist 2019 für den Bereich Kommunen in den Beirat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes berufen worden. Laut § 30 Abs. 1 AGG berät der Beirat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der Vorlage von Berichten und Empfehlungen an den Deutschen Bundestag und unterbreitet hierzu eigene Vorschläge. Zudem beraten die Kolleg*innen der ADS des Bundes die LHH in einzelnen Fällen. Diese Zusammenarbeit wurde somit 2019 intensiviert. Die ADS der LHH ist außerdem seit 2019 gemeinsam mit anderen kommunalen Antidiskriminierungsstellen Teil einer Vernetzung zu „Strategien kommunaler Antidiskriminierungsstellen in Deutschland“. Hier bringen die Berater*innen der ADS Hannover ihre Erfahrungen ein und erhalten wichtige Hinweise und Impulse aus anderen Kommunen.

Die ADS kooperiert aktiv mit der Bundesgeschäftsstelle des Vereins ISL e.V. - Selbstbestimmt Leben in Deutschland zum Schwerpunkt Behinderung und Menschenrechte.

Auf Landesebene bringt sich die ADS der LHH in den Aufbau niedersachsenweiter Antidiskriminierungsstrukturen und der Ausbildung von Antidiskriminierungs-Berater*innen ein, hier kooperiert sie mit dem Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd).

Auch die Kooperation mit lokalen Akteur*innen konnte in den vergangenen Jahren ausgeweitet und gestärkt werden, so etwa mit dem niedersächsischen Flüchtlingsrat (Schwerpunkt Menschenrechte in Unterkünften) und dem AStA der Leibniz-Universität (Aufbau einer AD-Beratung für Studierende und Zusammenarbeit in Einzelfällen).

Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bilden Sichtbarmachung und Nachweis rassistischer Diskriminierung in Hannover (Kooperation mit der Fakultät für Soziale Arbeit an der Hochschule Hannover).

Bedarfsgerecht kooperiert die ADS mit Selbstorganisationen; Betroffene werden für ergänzende Unterstützung an passende Organisationen verwiesen.

Innerhalb der Landeshauptstadt Hannover bestehen Netzwerke und regelmäßige Kooperationen mit den Gleichstellungsbeauftragten und der Beauftragten für Menschen mit Behinderungen. Die ADS ist beratendes Mitglied in der AGG-Beschwerdekommission der LHH und Teil der Arbeitsgruppe zu sexueller Belästigung.

Frage 3: Welche Zielgruppen können über die Bildungsarbeit der ADS – und der Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus (SDR) – erreicht werden, welche Programme lassen sich hier besonders hervorheben und wie wird die ADS gemeinsam mit der SDR in der Zukunft diese Bildungsarbeit unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten?

Neben der Beratung, welche besonders bei der ADS den Aufgabenschwerpunkt darstellt, ist die Präventions-, Aufklärungs- und Bildungsarbeit ein wichtiger Bestandteil des Sachgebiets Demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gegen Rechtsextremismus. Das Sachgebiet ist verwaltungsintern und -extern Anlaufstelle für die Themen demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Zielgruppen durch vergangene Veranstaltungen waren u.a. Nachwuchskräfte der LHH Hannover (Workshop zum Thema sexuelle Belästigung), die Polizei, Personalrät*innen, die Personal- und Organisationsentwicklung der LHH, FSJler*innen, queer refugees, Integrationslots*innen, Stadtteilmütter*väter, die Landesstelle Jugendschutz, der Förderkreis der LHH (mit SDR), das Netz gegen Rassismus und die Fakultät V der Hochschule Hannover.

Die SDR erreicht durch Projekte wie u.a. Rathaus live, Schule ohne Rassismus, Weltkindertag, Kinderkonferenzen und Pimp your town die Zielgruppe Schulen und fördert die demokratische Bildung.

Die SDR fungiert zudem als Geschäftsstelle des Runden Tisches für Gleichberechtigung und gegen Rechtsextremismus und ist daher gut mit weiteren Organisationen dieses Themenfeldes vernetzt. Durch die Offensive gegen Antisemitismus und den dazugehörigen Expert*innenkreis gilt dies auch für das Thema Antisemitismus. Im Expert*innenkreis wird auch über zukünftige pädagogische Maßnahmen gesprochen, die Zielgruppen hierfür werden gemeinsam und bedarfsgerecht ausgewählt. Auch durch weitere Netzwerke wie dem KPR oder der Beteiligung an der Expert*innengruppe Demokratie des LIP 2.0 wird Expertise und somit auch Bildungsarbeit in unterschiedliche Netzwerke und Prozesse der Stadt Hannover gestreut.

Auch 2021 wird sich die SDR wie in den vergangenen Jahren wieder an den Internationalen Wochen gegen Rassismus mit Themenschwerpunkten Dekolonialisierung und Rassismus beteiligen.

Auch in Zukunft werden weiterhin Betroffene, Multiplikator*innen und Fachkräfte über diverse Wege wie Beratung, Veranstaltungen, Fortbildungen und Materialien angesprochen. Obengenannte Projekte und Netzwerke werden weitergeführt.

Das Themenfeld Schule soll ab 2021 verstärkt in den Fokus der ADS rücken. Hier bestehen Kontakte zu Schüler*innen, gemeinsame Überlegungen zu einem Projekt AD-Beratung für Schulen in Hannover werden angestellt.

Zu dem Themenfeld Antidiskriminierung soll ein methodischer Koffer als Weiterbildungsmöglichkeit und als Wissensmanagement entwickelt werden. Zunächst geplant als internes Instrument für den Fachbereich Soziales soll zudem eine Handreichung über Diskriminierung und das AGG erstellt werden.

Das Sachgebiet Demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gegen Rechtsextremismus wird auch wie in den vergangenen Jahren an dem Bundesförderprogramm Demokratie Leben als Partnerschaft für Demokratie teilnehmen. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf den Themen Antidiskriminierungsarbeit, Demokratiestärkung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Aufgrund der zurzeit pandemiebedingen Sicherheits- und Hygienebedingungen werden für das Jahr 2021 liegt der Arbeitsschwerpunkt auf Onlineangeboten sowie Kleingruppenangeboten, um Planungssicherheit zu gewinnen.