Informationsdrucksache Nr. 2636/2003:


Abschlussbericht zum Projekt Neukonzeption der Unterkünfte

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Sozialausschuss
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
An die Damen und Herren der Stadtbezirksräte 01 - 13
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2636/2003
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Abschlussbericht zum Projekt Neukonzeption der Unterkünfte

Informationsdrucksache

1. Rückblick

1988 beschloss der Rat der Landeshauptstadt Hannover mit der Drucksache Nr. 1183/87 eine grundlegende Reform der städtischen Obdachlosenpolitik, es entstand das beispielhafte Programm "Neukonzeption der Unterkünfte". Ausgangspunkt war die unbefriedigende Situation von über 3.000 Menschen im Obdach und die Überlegung, wie dieser Situation begegnet werden kann, da die Versorgung von obdachlosen Menschen mit Mietwohnraum nicht nur humaner, sondern u. a. wegen eines permanent hohen Renovierungsaufwandes und der Betreuungskosten in den Obdachlosenunterkünften auch preiswerter ist.

Zur Umsetzung dieses Konzeptes wurde die "Projektgruppe Neukonzeption Unterkunftsgebiete" eingerichtet. Sie arbeitete dezernatsübergreifend und setzte sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kommunalen Sozialdienstes und des federführenden Fachbereiches Planen und Stadtentwicklung (ehemals Amt für Wohnungswesen).

1989 wurde im Rahmen eines Pilotprojektes in dem Gebiet Oberricklingen mit der Arbeit begonnen. In den Jahren 1990,1992 und 1997 wurde das Projekt auf die Gebiete Sahlkamp, Ledeburg sowie Körtingsdorf ausgeweitet und fand mit den im Jahr 1999 begonnenen Maßnahmen im Unterkunftsgebiet Stöcken nunmehr seinen Abschluss.

1996 wurde mit der Drucksache Nr. 414/96 "Strategien gegen Obdachlosigkeit" der erfolgreiche Verlauf der Neukonzeption dokumentiert und die weitere Vorgehensweise definiert. Langfristig sollte - so die damaligen Ziele - die Zahl von ca. 1.400 obdachlosen Menschen nicht mehr überschritten und die Anzahl der Obdachlosenunterkünfte auf ein Höchstmaß von ca. 750 Wohneinheiten reduziert werden.


2. Sachstand mit Kurzbeschreibung der einzelnen Elemente

2.1 Soziale Sanierung

Wiedereingliederung der obdachlosen Menschen in den Mietwohnbereich

Oberstes Gebot war es, die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner der Gebiete umfassend über das Gesamtkonzept und alle Einzelmaßnahmen in ihrem Gebiet zu informieren und sie möglichst verbindlich an der Umsetzung zu beteiligen. Dies geschah mit dem Ziel, dass sie sich nach Abschluss der Maßnahme mit ihrem neuen Wohnumfeld identifizieren und Verantwortungsbewußtsein für das Wohnen entwickeln.

Zur Unterstützung der Belange der Bewohnerinnen und Bewohner wurden unabhängige Bewohneranwälte beschäftigt und zwar zwischen 1991 und 1998 zwei und für den Zeitraum 1999 bis 2001 nur noch einer für das zuletzt verbliebene Modernisierungsgebiet Stöcken.

Nach den Grundsätzen einer Sozialplanung wurden die Menschen auf die Veränderungen vorbereitet, ihnen wieder Perspektiven aufgezeigt. Durch zusätzliche Programme - wie subventionierte Einstiegsmieten, Regulierung/Stundung/Erlass bestehender Altschulden bei der GBH, der Stadt oder Vermittlung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - wurde der Neuanfang erleichtert.


Mietschuldenregulierung im Zuge der Neukonzeption Unterkünfte

Eine Wohnungsvermietung durch die GBH konnte nur erfolgen, wenn vorhandene Altschulden bei der Vermieterin aus früheren Verträgen teilweise beglichen und entsprechende Vereinbarungen zur weiteren Tilgung auch regelmäßig eingehalten wurden. Diese Vereinbarungen sahen vor, dass der Schuldner vor erneutem Vertragsabschluss 20 % der Altschulden zahlt, die Stadt/Fachbereich Soziales bei Abschluss des Vertrages 50 % übernimmt und die restlichen 30 % vom Schuldner nach dem Bezug der Wohnung getilgt werden.


Gebührenschuldenregulierung

Hierbei handelte und handelt es sich um eine weitere Stabilisierungs- und Entschuldungsmaßnahme, die auch auf die übrigen Unterkunftsbereiche ausgeweitet wurde. Danach wurden und werden demjenigen, der 20 % seiner Gebührenschuld (entstanden bis 31.12.2001) bezahlt hat, 80 % von der Stadt erlassen, wenn bis zum Auszug aus der Unterkunft neben der Tilgung auch die lfd. Unterkunftsgebühr ab Vereinbarungsabschluss regelmäßig gezahlt wurde.


Beschäftigungsinitiative

Von 1990 bis 1999 haben in den Unterkunftsgebieten Oberricklingen, Sahlkamp und Ledeburg insgesamt 56 arbeitslose Bewohner als Bauhelfer im Rahmen von Abeitsbeschaffungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung oder Hilfe zur Arbeit des Fachbereiches Soziales an den Modernisierungsmaßnahmen in "ihrem Gebiet" mitgewirkt. Neben einem gesteigerten Selbstwertgefühl und Verantwortungsbewusstsein erarbeiteten sie sich wieder höhere Leistungsansprüche, vor allem aber auch Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt.

Aufgrund der guten Erfahrungen wurde auch für das Modernisierungsgebiet Stöcken eine Beschäftigungsinitiative eingerichtet. Unter der Leitung des ABM-Stützpunktes Hölderlinstraße hat ein Mieter aus dem ehemaligen Unterkunftsgebiet Ledeburg aufgrund seiner Qualifikation die Arbeit als Bauleiter wahrgenommen, während ein weiterer Bewerber aus dem Gebiet Stöcken als Bauhelfer tätig war.


Intensive Nachbetreuung zur Vermeidung von Rückfällen

Das Projekt "Neukonzeption" ist nicht mit dem Bezug einer Wohnung bzw. dem Abschluss aller baulichen Maßnahmen in den Gebieten beendet. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass diese Menschen auch danach noch eine intensive Betreuung benötigen, um alle Veränderungen langfristig in den Griff zu bekommen. Engste Zusammenarbeit und Abstimmung unter allen Beteiligten (KSD, GBH, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung) soll vor allem erreichen, dass ein Rückfall in die Obdachlosigkeit vermieden wird. Dass im Verlauf der vergangenen Jahre der erneute Verlust der Wohnung wegen Mietschulden bei der GBH nur in rund 15 Fällen nicht verhindert werden konnte macht deutlich, wie wichtig dieses Konzeptelement war und noch ist.


2.2 Bauliche Sanierung / Abbau von Unterkünften

2.2.1 Modernisierungsgebiete

Hierbei sind die Gebiete Oberricklingen, Sahlkamp, Ledeburg, Körtingsdorf und Stöcken gemeint.

Es handelt sich um die größten Unterkunftgebiete, deren Objekte von der GBH in den 20er bzw. 50er Jahren gebaut und an die Stadt zur Unterbringung von obdachlosen Menschen verpachtet wurden. Die Bausubstanz wie auch die Ausstattung der Unterkünfte entsprach nicht mehr dem Unterbringungsstandard. Es hatte sich in diesen Gebieten ein Leerstand entwickelt, der nicht nur mit stagnierenden bis rückläufigen Unterbringungszahlen zu begründen war, sondern auch damit, dass diese Unterkünfte so nicht mehr belegt werden konnten.

Die Objekte wurden modernisiert/saniert und dem heutigen Standard im sozialen Wohnungsbau angepasst oder wegen zum Teil maroder Bausubstanz abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Die fertiggestellten Wohnungen wurden vorrangig den hier lebenden Bewohnerinnen und Bewohnern zur Anmietung angeboten.

In diesen Gebieten sind anstelle von ehemals 994 Unterkünften 820 Sozialwohnungen entstanden, in denen zu einem überwiegenden Teil ehemalige obdachlose Personen leben.


2.2.2 Unmodernisierte Rückgabe geräumter Unterkünfte

Ursprünglich sollten alle Unterkünfte der unter 2.2.1 genannten Obdachgebiete modernisiert bzw. durch Neubau ersetzt werden. Im Laufe der Arbeit hat sich jedoch gezeigt, dass ein Teil der Menschen ins übrige Stadtgebiet ziehen wollte, so dass sie dort mit einer Wohnung versorgt wurden.

Aus diesem Grund wurden einige Objekte unmodernisiert an die GBH als Eigentümerin zur weiteren Verwendung zurückgegeben.

Zu den Rückgabeobjekten zählten u. a. 14 Siedlungshäuser in der Dorpater Str. / Ledeburg und 18 Reihenhäuser sowie das Verwaltergebäude am Kiefernpfad / Sahlkamp. Nachdem keine geeigneten Kaufinteressenten unter den Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Gebiete gefunden werden konnten, ist es der GBH gelungen, alle Objekte an externe Familien mit Kindern zu verkaufen.


2.2.3 Rückgabe bewohnter Objekte und Direktumwandlung in Mietwohnraum

Sechs kleinere Objekte konnten aufgrund der intakten Bausubstanz, des vorhandenen Ausstattungsstandards und der stabilen Bewohnerstruktur im bewohnten Zustand in den Jahren 1996 bis 2001 an die GBH zurückgegeben werden. Es handelte sich um die Objekte: Bülowstr. 2, Keplerstr. 4, Hudeplan 5 u. 7, Paracelsusweg 11-19, Nordring 14-14 D und Geveker Kamp 15,17 u. 19 mit unterschiedlicher Größe (zwischen 6 und 40 Wohneinheiten).

Der überwiegende Teil der hier lebenden Menschen wollte bleiben und erhielt so für die bisherige Wohnung von der GBH einen Mietvertrag. Die restlichen Menschen wurden auf eigenen Wunsch ins übrige Stadtgebiet vermittelt.

Wie in den Modernisierungsgebieten wurden auch hier die Grundsätze nach dem Sozialplan berücksichtigt.

Der Standort Geveker Kamp stellt eine Besonderheit dar, da nur die Häuser Nr. 15, 17 u. 19 an die GBH zurückgegeben wurden, während die Häuser Nr. 9 und 11 weiterhin zur Unterbringung von obdachlosen Menschen und Haus Nr. 13 als städtische Kindertagesstätte genutzt werden. An diesem Standort wurden die Wohnungen vor dem Abschluss von Mietverträgen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern modernisiert. Die Bauarbeiten wurden hausweise durchgeführt, wobei die Bewohnerinnen und Bewohner für die Bauzeit in das jeweilige Nachbarhaus umziehen mussten.


2.3 Gezielte Vermittlung

Wie schon dargestellt, hat die enge Einbeziehung und die konkrete Ansprache der Bewohnerinnen und Bewohner dazu geführt, dass einem Großteil von ihnen eine Wohnung vermittelt werden konnte.

Einige der untergebrachten Personen (überwiegend Langzeitbewohner) sind nicht ohne weiteres vermittelbar, da ein Großteil von ihnen Mehrfachprobleme (unterschiedliche Krankheitsbilder kombiniert mit z. B. finanziellen Problemen) hat. Diese Probleme müssen in einem sehr langwierigen Prozess aufgearbeitet werden. Um auch hier eine Wiedereingliederung zu ermöglichen, wurde ein Gremium (Fachbereich Gesundheit der Region Hannover, KSD, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung u. a.) eingerichtet, das in Form von Einzelfallbesprechungen individuelle Lösungswege für die Menschen erarbeitet.

Die konkrete Ansprache (gezielte Vermittlung) muss weiterhin intensiv fortgesetzt werden, um in dem erheblich reduzierten Unterkunftsbestand kontinuierlich Freiräume für Neuzugänge zu schaffen und um die erreichten Ziele auch dauerhaft halten zu können.


3. Schlussbemerkung

Neben dem Abbau von über 994 Unterkünften und der Errichtung von 820 Sozialwohnungen wurden Wohnumfeldverbesserungen, Errichtung von Blockheizkraftwerken u. ä. vorgenommen.

Dabei sind Baukosten in Höhe von rund 85 Mio. € entstanden, von denen rund 35 Mio. €. aus städtischen Mitteln und 40 Mio. € aus Landesmitteln erbracht wurden, der Rest von
10 Mio. € wurde aus Eigenmitteln der GBH finanziert.

Bei der Unterbringung von obdachlosen Menschen werden dadurch jährlich 1,5 Mio. € an Unterbringungskosten eingespart. Der Zuschußbedarf ist inzwischen auf 3,3 Mio. € im Jahr 2002 gesunken.

2003 - nach 15 Jahren Neukonzeption - sind die eingangs beschriebenen Zielquoten deutlich unterschritten. Heute gibt es 6 Standorte mit 152 Unterkünften, in denen
286 Personen leben und 7 Gemeinschaftsunterkünfte, in denen derzeit 256 Menschen untergebracht sind, so dass insgesamt derzeit 542 Personen in Unterkünften der Stadt leben.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten


Aussagen zur Geschlechterdifferenzierung gemäß Beschluss des Rates sind im Falle dieser Drucksache nicht relevant und werden daher nicht näher ausgeführt.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

 61.4
Hannover / 01.12.2003