Drucksache Nr. 2634/2009:
Neukonzeption der Seniorenwohnanlage Luise-Blume-Stiftung nach DIN 77800

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Sozialausschuss
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
 
Nr.
Anzahl der Anlagen
Zu TOP
 
2634/2009
4
 
BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Neukonzeption der Seniorenwohnanlage Luise-Blume-Stiftung nach DIN 77800

Antrag,

  1. Das Wohnangebot der Altenwohnanlage „Luise-Blume-Stiftung“ wird auf „Betreutes Wohnen nach DIN 77800“ ausgerichtet und die entsprechende Zertifizierung beantragt.
  2. Die Entgelte für künftige Mietverträge richten sich nach Anlage 2 dieser Beschlussvorlage.
  3. Bestehende Mietverhältnisse können im Einvernehmen mit den Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern auf das neue Vertragsmuster (zur Information als Anlage 3 beigefügt) umgestellt werden.
  4. Im Übrigen erfolgt eine Entgeltanpassung für Bestandsverträge gemäß Anlage 4 zu dieser Beschlussvorlage.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Es ergeben sich keine unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer.

Kostentabelle

Es entstehen für den städtischen Haushalt mittelfristig positive finanzielle Auswirkungen, die zurzeit nicht konkretisierbar sind.

Begründung des Antrages


Zielsetzung

Die im Stadtteil Bothfeld gelegene Seniorenwohnanlage „Luise-Blume-Stiftung“ bietet 64 Einzimmer- und 8 Zweizimmerappartements und wird vom Fachbereich Senioren betreut. Um die Qualität dieser Betreuung zu unterstreichen, soll die Zertifizierung nach DIN 77800 – Betreutes Wohnen - ab 2010 erreicht werden. Eine Prä-Zertifizierung ist bereits erfolgt, zur vollen Zertifizierung ist danach in einigen Punkten eine Anpassung des vorhandenen Konzepts an die neue Dienstleistungsnorm erforderlich. Erforderlich ist zudem eine Anpassung der Verträge mit den Bewohnerinnen und Bewohnern.

Das insoweit veränderte Angebot macht zugleich eine Neukalkulation der Entgelte notwendig. Die bislang verlangten Pauschalpreise für Wohnen einschließlich Heizung und Nebenkosten müssen zur Kostentransparenz aufgegliedert werden, zugleich ist insbesondere wegen gestiegener Energiekosten eine Preisanpassung zur Kostendeckung erforderlich. Die letzte Preisanpassung erfolgte zum 01.06.2002. Auch der jetzt gemäß Anlage 1 vorgesehene Endpreis liegt für die Einzimmerappartements in dem Kostenrahmen, welcher bei entsprechendem besonderen Wohnbedarf auch für Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung noch als berücksichtigungsfähig gelten kann (im Betreuten Wohnen bislang stets Einzelfallentscheidungen).

Mit diesem Angebot fügt sich die „Luise-Blume-Stiftung“ gut in eine städtische Gesamtangebotsstruktur ein, indem in räumlicher Nachbarschaft zur stationären Pflege im Willy-Platz-Heim und zum Hausgemeinschaftsmodell des Klaus-Bahlsen-Hauses unterschiedliche Wohn- und Pflegeangebote für ältere Menschen zur Wahl stehen.

Betreutes Wohnen ist eine aktuell besonders gut nachgefragte Wohnform, allerdings ist die Begrifflichkeit bei verschiedenen Anbietern nicht immer einheitlich. Deshalb hat sich dazu die Verwaltung in Abstimmung mit wichtigen Anbietern von Wohnen in Hannover um einen zumindest örtlich greifenden Grundkonsens bemüht. Danach gilt – vereinfacht ausgedrückt - das Angebot von Wohnen + Dienstleistung als „Service-Wohnen“, dagegen ist „Betreutes Wohnen“ als barrierefreies Wohnen + Dienstleistung zu verstehen. Auch mit Verabschiedung der DIN 77800 ist „Betreutes Wohnen“ nicht zu einem umfassend geschützten Begriff geworden, die Qualifizierung ergibt sich erst durch die Bezugnahme auf diese DIN.


Betreutes Wohnen im Sinne DIN 77800

Lange Zeit gab es keine eindeutige und bundesweit geltende Richtlinie für Betreutes Wohnen. Der Begriff „Betreutes Wohnen“ fand sich bis vor kurzem nur im Heimgesetz des Bundes, und zwar in Abgrenzung zur so genannten „heimmäßigen Unterbringung“. Die unterschiedliche und mitunter sogar missbräuchliche Verwendung des Begriffes „Betreutes Wohnen“ war für den Verbraucherrat beim Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) im Jahr 2001 Auslöser, ein Normungsvorhaben aufzusetzen, dessen Ergebnis die jetzt verabschiedete „DIN 77800 - Qualitätsanforderungen an Anbieter der Wohnform 'Betreutes Wohnen für ältere Menschen’“ ist. An diesem Normungsvorhaben waren Expertinnen und Experten aus Verbänden, Hochschulen, Beratungseinrichtungen, kirchlichen Betreuungsorganisationen sowie in diesem Bereich tätigen Dienstleistungsanbietern beteiligt.

Ziel war die Erarbeitung einer als Zertifizierungsgrundlage geeigneten DIN-Norm – und zwar als Dienstleistungs-Norm, nicht als Produktnorm -, um dem Publikum und allen beteiligten Wirtschaftskreisen bundesweit einheitliche, verbindliche Anforderungen, Hinweise und Empfehlungen in Bezug auf diese Wohnform zu geben. Der Charakter der Norm als "Dienstleistungs-Norm" bedeutet, dass nicht bauliche Anforderungen den Schwerpunkt bilden, sondern die unter dem Begriff „Betreutes Wohnen“ zu fassenden komplexen Dienstleistungen. Die Norm wurde im Herbst 2006 vom Normenausschuss verabschiedet. Sie beinhaltet Mindestanforderungen für alle im „Betreuten Wohnen“ relevanten Leistungsbereiche, nämlich bezüglich Standort und Wohnumfeld, Wohnangebot, Dienstleistungen, Vertragsgestaltung, Qualitätssicherung und Transparenz des Leistungsangebotes. DIN 77800 – konformes Betreutes Wohnen ist nur dann gegeben, wenn alle Anforderungen in den erwähnten Leistungsbereichen erfüllt sind.

Die konzeptionellen Anforderungen hinsichtlich der Kriterien:
Standort
Anforderungen an die Immobilie
Gebäude- und Raumkonzept
Wahlleistungen
Notrufkonzept
Beschwerdemanagement
Anforderungen an das Personal (Betreuungspersonen)
waren in der „Luise-Blume-Stiftung“ bereits anfänglich im Sinne „DIN 77800 – Betreutes Wohnen“ erfüllt bzw. konnten zwischenzeitlich angepasst werden.
Dies wurde bereits im Rahmen einer sogenannten „Prä-Zertifizierung“ bestätigt (s. Anlage 1).

Vertragsgestaltung

Ein weiteres wesentliches Kapitel der Norm befasst sich mit Anforderungen an die Vertragsgestaltung. Dies betrifft das Nutzungsverhältnis, also in der Regel den Mietvertrag, genauso wie den Betreuungsvertrag, wenn eine Trennung in unterschiedliche Vertragswerke vorliegt, wie auch einen einheitlichen Nutzungs- und Dienstleistungsvertrag, wie er im Falle der „Luise – Blume – Stiftung“ vorliegt bzw. weiterhin beabsichtigt ist.
Diese Anforderungen sind einerseits formeller Natur, andererseits aber auch materiellen Charakters. Die formellen Anforderungen der Norm an die Vertragsgestaltung dienen primär dem Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer besonderen Situation als ältere Menschen, auch im Hinblick auf mögliche altersbedingt reduzierte intellektuelle Fähigkeiten oder körperliche Handicaps, wie z. B. Sehschwäche. Im Einzelnen betreffen die Anforderungen, welche die Norm stellt, primär Form und Gestalt der Verträge mit Detailanforderungen, gute Lesbarkeit und leichte Verständlichkeit, klare Gliederung und übersichtliche Gestaltung und Transparenz der Vertragsregelungen in Bezug auf die Vertragspartner, die Zuordnung von Leistungen in inhaltlicher Art auf den Leistungserbringer wie auch auf die Leistungskategorien, welche die Norm regelt.

Die materiellen Anforderungen der Norm an die Vertragsgestaltung im Betreuten Wohnen haben ebenfalls primär verbraucherschützenden Charakter. Zunächst muss in dem Vertragswerk geregelt sein, dass sich das Produkt „Betreutes Wohnen“ materiell abgrenzt zur Heimunterbringung. Dies erfordert, dass in der vertraglichen Gestaltung des „Betreuten Wohnens“ – sei es in 2 Verträgen (Miet- und Betreuungsvertrag) oder in einem einheitlichen Vertragswerk (Servicewohnvertrag) – klar geregelt ist, dass das Leistungsangebot des Betreuten Wohnens nur die Komponenten Wohnen und Grundleistungen umfasst und die Bewohnerinnen und Bewohner die absolute Wahlfreiheit bezüglich der Wahlleistungen haben. Überdies müssen die mietvertraglichen und die betreuungsvertraglichen Komponenten untrennbar miteinander verknüpft sein.

Übergreifend erfordert die Norm eine eindeutige Leistungsbeschreibung, die Transparenz bzgl. der Leistungszuordnung und der Vergütungen der Leistungskomponenten beinhaltet. Hierdurch soll auch Klarheit und Transparenz zwischen den Leistungsangeboten unterschiedlicher Anbieter geschaffen werden. Neben diesen allgemeinen Anforderungen beinhaltet die Norm besondere Anforderungen an Miet- und an Betreuungsverträge. Es geht dabei z.B. um die exakte Beschreibung des Nutzungsobjekts, der Preisgestaltung und bzgl. der Grundleistungen wesentlich um die Regelung etwaiger Entgelterhöhungen. Im Hinblick auf die Wahlleistungen fordert die Norm die genaue Bezeichnung möglicher Betreuungsträger und Leistungen, wobei jedoch keine Preisangaben im Vertrag vorgesehen sein müssen (Drittanbieter). Diese Anforderungen haben gravierende Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung im „Betreuten Wohnen“. Einerseits ist die Vertragsstruktur entsprechend zu gestalten und andererseits müssen die Verträge bzw. der – integrierte – Servicewohnvertrag den formellen und materiellen Normanforderungen entsprechen. Eine Vielzahl auch häufig verwendeter Vertragsmuster diverser Anbieter müsste zur Erfüllung der DIN 77800 überarbeitet werden. Unklare und intransparente Vertragswerke ohne klare Leistungsbeschreibungen sind ein Zertifizierungshindernis. Ein „zertifiziertes Vertragswerk“ ist daher ein weiteres Qualitätsmerkmal.
Die für die „Luise-Blume-Stiftung“ bislang verwendeten Vertragsmuster entsprechen ebenfalls noch nicht diesen Normanforderungen und sollen daher entsprechend angepasst werden.

Die Normkonformität des als Anlage 3 zur Information beigefügten Musters wurde im Rahmen der Prä-Zertifizierung bereits in Aussicht gestellt. Um etwaige künftig rechtlich erforderlich werdende Anpassungsbedarfe durch die Verwaltung umgehend umsetzen zu können, wird das Vertragsmuster zur Klarstellung der Abänderbarkeit im Verwaltungsvollzug ausdrücklich nur zur Information und nicht auch zur Beschlussfassung durch den Rat beigefügt.

Der neue Vertrag soll unverzüglich für alle neu einziehenden Bewohnerinnen und Bewohner der „Luise-Blume-Stiftung“ verwendet werden.
Die Kostenkalkulation für die neu abzuschließenden Verträge (siehe Anlage 2) entspricht nach derzeitigem Stand bei flächendeckenden Abschlüssen und nahezu Vollbelegung des Hauses einem insgesamt dann kostendeckenden Entgelt. Kostenveränderungen bei den nunmehr – wenn auch pauschal – gesondert ausgewiesenen Heizkosten und allgemeinen Nebenkosten können durch die Verwaltung zeitnah auf die Mietverhältnisse umgelegt werden.

Da die derzeit vorhandenen Verträge nur einvernehmlich geändert werden können, kann den augenblicklich vorhandenen Bewohnerinnen und Bewohnern das neue Vertragsmuster nur angeboten werden. Wegen der anzupassenden Entgelte ist jedoch kaum mit freiwilliger Zustimmung zu rechnen, so dass eine flächendeckende Verbreitung des neuen Vertragsmusters noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird.

Preisanpassung für bestehende Verträge:

Unabhängig von dem neuen Angebot „zertifizierten Betreuten Wohnen gemäß DIN 77800“ ist ein Bedarf gegeben, die Preise auch für Bestandsverträge anzupassen.
Die letzte Preisanpassung wurde im Jahr 2002 durchgeführt. Eine Gesamtkostendeckung konnte schon damals durch diese Anpassung nicht erreicht werden.
Die Verwaltung hat sich bemüht, durch Umsetzung verschiedener Maßnahmen die Kosten zu reduzieren, allerdings konnte insbesondere die Preisentwicklung im Bereich der Energiekosten nicht aufgefangen werden. Trotz Teilerneuerung der Heizungsanlage mit energiesparender Technik, Einsatz energiesparender Leuchtmittel und Steuerung durch Bewegungsmelder, Beschaffung neuer und energiesparender Waschmaschinen und Trockner sind die Gesamtaufwendungen allein für Energie zwischen 2001 und 2008 um rund 30 % gestiegen.
Zusätzlich waren deutliche Steigerungen im Bereich der Personalkosten eigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch bei eingesetzten Fremdfirmen (z.B. Gebäude- und Fensterreinigung) zu verzeichnen.
Unter Berücksichtigung der von den Stadtwerken „enercity“ angekündigten Preissenkung für Erdgas ist auf Grund der Preiserhöhungen der letzten Jahre und der langen Heizperiode dieses Frühjahres für 2009 eine Kostenerhöhung um rund 20.000 € zu erwarten.

Gerade in den letzten drei Jahren wurde bereits die Wohn- und Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner durch eine Komplettsanierung der Außenfassade incl. Balkone, den Einbau von neuen Lüftungssystemen, die Verlegung moderner Bodenbeläge, eine Neugestaltung der großen Gartenanlage sowie eine umfangreiche Modernisierung der Räume für gemeinschaftliche Aktivitäten gesteigert. Die im Rahmen der Zertifizierung bereits vorgenommenen und fort zu entwickelnden konzeptionellen Anpassungen und Erweiterungen von Angeboten für viele Lebensbereiche kommen den vorhandenen Bewohnerinnen und Bewohnern genauso zu Gute, wie den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern.

Eine Preiserhöhung ist daher gerechtfertigt und geboten.
Um die derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner jedoch finanziell nicht zu überfordern, wird bis zum Erreichen der jeweiligen Neukonditionen eine jährlich gestaffelte Erhöhung der Monatsmiete um jeweils 25,- € für das Einzimmerappartement und um monatlich 35,- € für das Zweizimmerappartement vorgeschlagen (siehe Anlage 4).
Im Verhältnis zu den jetzt vorgeschlagenen Neukonditionen bedeutete dies ein Erreichen des neuen Preisniveaus ab dem Jahre 2015 (oder später bei zwischenzeitlicher Erhöhung der Neukonditionen).
57 
Hannover / 23.11.2009