Informationsdrucksache Nr. 2602/2020:
Sachstandsbericht des Konzeptes „Suchtkranke in der Innenstadt“

Inhalt der Drucksache:

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2602/2020
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Sachstandsbericht des Konzeptes „Suchtkranke in der Innenstadt“

Die öffentlichen Orte und Plätze in der Innenstadt bieten neben den gewerblichen und kulturellen Angeboten auch Menschen einen Treffpunkt, die unter multiplen Problemen wie eine oder mehrere Formen der Suchterkrankung, Wohnungs- und Obdachlosigkeit, sowie psychiatrischen Auffälligkeiten leiden. Die Netzwerke der haupt- und ehrenamtlichen Personen, die in den Bereichen Sucht-, Drogen- und Obdachlosenhilfe tätig sind, leisten eine wichtige und sehr gute Arbeit, um diese Menschen mit Essen, Bekleidung, Schlafsäcken, Hygieneartikeln und anderen Dingen des täglichen Bedarfes zu helfen.

Darüber hinaus bedarf es weiterer Hilfsansätze für die suchtkranken Menschen in der Innenstadt. Der Rat der Stadt Hannover hat dafür der Verwaltung in der Drucksache H-0471/2019 den Auftrag erteilt, dazu Konzepte vorzulegen und mit Trägern ins Gespräch zu kommen. Für das Haushaltsjahr 2019 wurde für die konkrete Arbeit 50.000€ und für das aktuelle Jahr eine Summe von 200.000€ zur Verfügung gestellt.

Diese finanziellen Mittel wurden, wie in den Beschluss-Drucksachen 1904/2019 und 0672/2020 nachzulesen ist, für folgende Schwerpunkte ausgegeben:


- Die gesundheitliche Situation vieler Menschen, die sich rund um den Hauptbahnhof bzw. in der Innenstadt aufhalten, ist neben der Suchterkrankung auf vielfältige Wiese prekär. Von diesen Menschen besitzen mehr als die Hälfte überhaupt keinen Versicherungsschutz. Lediglich 15 bis 20% der Personen haben einen regelmäßigen Kontakt zum Gesundheitssystem. Auch die Suchterkrankung ist ein Grund, dass andere körperliche und seelische Beeinträchtigungen in den Hintergrund treten und sich mitunter zu einer chronischen Erkrankung entwickeln. Nach Einschätzung des Pflegepersonals sind mindestens die Hälfte der angetroffenen Personen als chronisch krank zu bezeichnen. Aufgabe dieser aufsuchenden, ambulanten Pflege ist die Erstversorgung, zum Beispiel mit Verbänden, Pflastern etc. Mit dem sich dadurch aufbauenden Vertrauensverhältnis wird versucht, die Menschen zur Inanspruchnahme weiterer medizinischen Hilfsangebote wie dem Zahnmobil oder der Straßenambulanz zu motivieren. Seit Beginn des Projektes sind zwei Mitarbeiter*innen dreimal die Woche für jeweils drei Stunden dazu im Dienst. Dieses Angebot wird sehr gut wahrgenommen. Die Betroffenen kennen die Tage und Routen der Pflegekräfte und versuchen mitunter durch die Unterstützung selbst organisierter Dolmetscher*innen ihre Leiden zu beschreiben. Für das pflegerische Angebot werden in diesem Jahr 45.000€ für Personal- und Sachkosten ausgegeben. Ein erster Erfahrungsbericht des Trägers SIDA e.V. Hannover ist mit Stichtag 01. September dieser Informationsdrucksache beigefügt.

- In der Regel bestimmen der Suchtdruck und die Beschaffung finanzieller Mittel dafür den zeitlichen Ablauf der Suchtkranken. Dadurch verschieben bzw. vermischen sich häufig auch Tages- und Nachtrhythmen. Deshalb ist die Schaffung von Tagesstrukturen so wichtig. Dabei geht es nicht um die Rund-Um-Versorgung mit Essen und anderen Dingen. Tagesstruktur im Sinne dieses Konzeptes bedeutet die Vermittlung einzelner Angebote, um nicht nur in den Tag hineinzuleben, sondern selbst etwas Struktur hinein zu bringen. Außerdem ist unter dem Begriff die Aktivierung kleinerer eigener Initiativen und das Angebot sinnvoller Beschäftigungen zu verstehen.


Aus diesem Grund sind dazu zwei Projekte ins Leben gerufen worden. Bereits seit 2019 hat das Neue Land dazu mehrere Angebote entwickelt. Neben regelmäßigen Themenfrühstücken gibt es Beschäftigungsangebote beim Sozialen Flohmarkt und im Hauswirtschaftsbereich des S.O.S.-Bistros. Im Bistro und beim Bauwagen unter der Raschplatzhochbrücke wurden zusätzliche Dinge des alltäglichen Lebens wie ein zeitlich befristeter Zugang zum WLAN, Ladestationen für Smartphones und Schließfächer für das Hab und Gut der Suchtkranken eingerichtet. Für das Angebot des Neuen Landes werden in diesem Jahr insgesamt 62.100€ ausgegeben. Auch für dieses Angebot hat das Neue Land einen Erfahrungsbericht verfasst, der in der Anlage nachzulesen ist.

- In die gleiche Richtung der Tagesstruktur geht ein zweites Angebot der Caritas mit einem Café in der Johanssenstraße. An drei Vormittagen pro Woche wird für jeweils drei Stunden ein Frühstücksangebot gemacht, welches als Einstieg in die Beratungs- und Freizeitgestaltung zu verstehen ist. Zusätzlich soll am Nachmittag ein Angebot zur Konsumkontrolle nach dem bundesweit etablierten Konzept KISS ("Kompetenz im selbstbestimmten Substanzkonsum") etabliert werden. Diese notwendige Konzeption ist coronabedingt nicht zur kompletten Umsetzung gekommen. Bei der Raumsuche war Corona noch kein Thema. Jetzt sehen aber die hygienischen Bedingungen für das Café eine Reduktion von 18 auf nur noch sechs Plätze vor. Auch die notwendige Fortbildung für das KISS-Angebot wurde wegen der Pandemie mehrmals verschoben und konnte in den ersten Monaten nicht stattfinden. Ursprünglich waren für dieses Projekt im Jahr 2020 ein Betrag von 47.500 € vorgesehen. Auch hierfür ist ein Erfahrungsbericht angefügt.

- Darüber hinaus wurden finanzielle Mittel in Höhe von bis zu 8.400€ für Fahrkarten bereitgestellt, damit Suchtkranken die Notschlafstellen mit dem ÖPNV erreichen können.

- In der Jahresplanung waren auch bauliche Maßnahmen vorgesehen, um die Aufenthaltsqualität der offenen Drogenszene auf dem Platz an der Fernroder Straße zu verbessern. Dafür sind bauliche Elemente mit Sitzgelegenheiten und einem Schutz vor Regen und Sonne geplant. In einem Netzwerk von der Stadtplanung bis zur Feuerwehr sind sämtliche Beteiligte einbezogen worden. Auch das Amtsgericht wurde über die Planungen persönlich informiert. Sowohl aha, die für die tägliche Reinigung des Platzes verantwortlich ist, als auch die Feuerwehr für die Notwendigkeit eines Rettungsweges haben ihre Zustimmung gegeben. Es gibt zwischen Stadt und Polizei im Rahmen des Konzeptes bahnhof.sicher eine enge Zusammenarbeit. Zu dem Konzept gibt es unterschiedliche Positionen, die erst geklärt werden müssen. Deswegen wird der Bebauungsplan erst einmal ausgesetzt. Für diese Maßnahme sind ca. 37.000€ reserviert.

- Bislang sind die Finanzmittel in diesem Jahr zu 70% verfügbar. Eine Mittelfreigabe in voller Höhe ist derzeit auf dem Antragsweg.

Den Trägern Neues Land e.V., SIDA e.V. und Caritas ist die zeitliche Begrenzung des Projektes zum Ende des Jahres vermittelt worden. Insgesamt leisten die drei Anbieter eine sehr gute Arbeit, die für die Suchtkranken in der Innenstadt auch über dieses Jahr hinaus förderungswürdig sind. Der Verwaltung liegen entsprechende Kalkulationen für eine Verlängerung im nächsten Jahr vor.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das Angebot gilt für Frauen und Männer gleichermaßen

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Dez. III 
Hannover / 03.11.2020