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zu beschließen:
Die Verwaltung wird beauftragt, die in der Drucksache-Nr. 1331/2023 zur Fortführung9 des Verfahrens zum Bebauungsplan Nr. 1536 - Wasserstadt Limmer West genannten Rahmenbedingungen wie folgt zu ändern bzw. zu ergänzen:
3. Vor dem Hintergrund des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden, der stetig wachsenden Einwohner*innenzahl Hannovers und des spürbar zunehmenden Drucks auf den Wohnungsmarkt hat der Rat der Stadt Hannover (vgl. DS 2096/2015) für die gesamte Wasserstadt Limmer eine Bebauungsdichte von 1.600 bis 1.800 Wohneinheiten für angemessen erachtet und beschlossen. Die aktuelle Planung für den 2. Bauabschnitt sieht 1.250 bis 1.350 Wohneinheiten vor. Zusammen mit den 515 Wohneinheiten aus dem 1. Bauabschnitt wird damit die angemessene Bebauungsdichte (über-)erreicht. Im Hinblick auf die Dimensionierung der Infrastruktur, insbesondere der Verkehrs-, Grün-, Erholungs- und Spielflächen, entfallen die geplanten Wohneinheiten (120) in den Altgebäuden und (160 bis 170) im 3. Bauabschnitt. Stattdessen werden diese Flächen im Sinne eines lebendigen Quartiers für kleinteiliges lokales Gewerbe, kulturelle Initiativen, Sport- und Freizeitangebote sowie einen zweiten Mobility Hub genutzt.
Neben der Anzahl der Wohneinheiten ist die Geschossflächenzahl (GFZ) eine wichtige Größe für die städtebauliche Dichte. Sie bestimmt die erlaubte Bebauungsdichte und wird in Bauordnungen oder Bebauungsplänen festgelegt. Für Wohngebiete liegt sie oft zwischen 0,5 und 1,0, wodurch eine moderate Dichte und Grünflächen ermöglicht werden. Für städtische Mehrfamilienhäuser können höhere Werte angemessen sein. Das Baugebiet Kronsberg-Süd liegt mit einer GFZ von 1,5 dichtemäßig im hannoverschen Standard. Dieser Wert sollte beim 2. Bauabschnitt der Wasserstadt nicht oder nur geringfügig überschritten werden.
4. Zusätzlich zu den vorgesehenen Grün- und Freiflächen wird ein Teil der Fassaden begrünt. Fassadenbegrünung trägt zur Reduzierung des städtischen Wärmeinseleffekts und zur CO2-Bindung bei.
5. Das verkehrsplanerische Konzept für die innere Erschließung (u.a. Nachweis von 4,5 Fahrradeinstellplätzen je Wohneinheit überwiegend ebenerdig im Gebäude) wird in veränderter Form weiterverfolgt. Mit Ausnahme für Menschen mit Behinderungen, für den Lieferverkehr und Handwerker werden Pkw-Stellplätze weder im öffentlichen noch im privaten Raum – auch nicht Tiefgaragen – ausgewiesen. Die Stellplätze für private Pkw befinden sich ausnahmslos in Mobility-Hubs. Dort sind zudem Stellplätze für Mietfahrzeuge wie Teilfahrräder, Roller, Räder für Menschen mit Behinderung, Rikschas und Elektroleichtfahrzeuge (LEV) in ausreichender großer Zahl vorhanden. Das verkehrsplanerische Konzept legt den Schwerpunkt auf geteilte Mobilität und rechnet mit mindestens durchschnittlichen acht Kfz für ein Teilauto. Der Stellplatzschlüssel außerhalb der Mobilityhubs wird daher auf Null gesenkt.
6. Um Mieten und Kaufen bezahlbar zu halten, werden zusätzlich zu den Möglichkeiten des seriellen und modularen Bauens als auch das preisgedämpfte bzw. experimentelle Bauen gemäß Gebäudetyp E genutzt. Zudem wird geprüft, inwieweit nachhaltige Materialien und ressourceneffiziente Bauweisen dazu beitragen können, das Soziale mit dem Ökologischen zu verbinden. Darüber hinaus wird auf den Bau kostentreibender Tiefgaragen verzichtet.
7. Unter Beibehaltung des ehemaligen industriellen Charmes entsteht in den historischen Conti-Altgebäuden (oder falls ein Abriss unumgänglich sein sollte auf dem Gelände) ein dynamischer, inklusiver und nachhaltiger urbaner Raum im Sinne eines produktiven Quartiers. Eine Übernahme der historischen Gebäude durch die Stadt Hannover erleichtert diese nachhaltige Nachnutzung. Über den weiteren Umgang mit den Altgebäuden und über die Möglichkeiten des Erhalts wird eine Anhörung durchgeführt. Zudem wird von der Verwaltung geprüft, ob dort ein Modellforschungsprojekt für eine sinnvolle und gesundheitlich unbedenkliche Nachnutzung chemisch belasteter Gebäude realisiert werden kann und inwieweit entsprechende Forschungsmittel des Bundes (BMBau, BMU, BMBF, Bundesstiftung Baukultur, Deutsche Stiftung Denkmalschutz) dafür akquiriert werden können.
Neu 9. Im Sinne des sozialen Zusammenhalts werden die 30 Prozent geförderten Wohnungen über das gesamte Quartier der Wasserstadt Limmer-West gleichmäßig verteilt errichtet. Außerdem soll im Städtebaulichen Vertrag zum Bebauungsplan Nr. 1536 - Wasserstadt Limmer West ein Anteil von 15 Prozent gemeinschaftlicher und genossenschaftlicher Wohnprojekte nach Konzeptverfahren festgeschrieben werden.
Neu 10. Die Wasserstadt Limmer West wird ein klimagerechtes Quartier. Die Neubauten werden im Passivhaus-Standard bzw. alternativ im Effizienzhaus 40-Standard errichtet. Die Häuser produzieren mehr Energie als dem Jahresverbrauch entspricht (rechnerische Plusenergie-Häuser) mit Dach- und/oder Fassaden-PV, PVT (Photovoltaisch-thermische Sonnenkollektoren), Speichermöglichkeiten und einemerneuerbar gespeisten Wärmenetz (ggf. mit Pyrolyse und Geothermie).
Neu 11. Die Wasserstadt Limmer-West wird nach den Prinzipien der Schwammstadt errichtet, d.h. das Regenwasser versickert – sofern wasserrechtlich möglich – vor Ort im Erdboden, wird in Retentionsdächern mit verzögertem Ablauf zurückgehalten bzw. wird in Mulden und Zisternen gespeichert. Folgende Schwammstadt-Elemente nach dem Vorbild der Kronsberg-Wohnquartiere und des Wohnquartiers Herzkamp sollen daher in der Wasserstadt Limmer-West realisiert werden:
- Regenwassermanagement,
- Retentionsdächer mit Schutz- und Speichervlies, Wasserretentionsbox, Kapillarsäulen, Saug- und Kapillarvlies und 14 cm Dachgärtnersubstrat aus 100 % Recyclingmaterial und mit min. 60 ltr./m² Wasserrückhalt,
- Versickerungsmulden und Baumrigolen bzw. Baumbeete,
- Einbau von Sammelzisternen zur Speicherung des überschüssigen Regenwassers und zur Bewässerung der Grünflächen,
- permeable (versickerungsfähige) Verkehrsflächen und Pflaster,
- Minimierung der versiegelten Flächen.
Wir planen und bauen heute für die Herausforderungen von morgen. Dabei gilt es, das gegenwärtig Dringende – bezahlbaren Wohnraum – mit dem Wichtigen – das Einhalten des 1,5 Grad-Ziels – zu verbinden. Mit der Wasserstadt Limmer-West haben wir die Möglichkeit, einen weiteren Leuchtturm für „klimaangepasstes nachhaltiges und sozialgerechtes Wohnen und Leben im Quartier” in Hannover zu errichten. Für die Finanzierung eines Projektes kann nachhaltiges Bauen einen Vorteil darstellen, da viele Banken bereits Zinsvorteile für nachhaltige und energieeffiziente Gebäude anbieten. Dieser Trend wird sich voraussichtlich vor allem durch die Umsetzung der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen und im Rahmen der Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an deutsche Finanzinstitute im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den nächsten Jahren verstärken. Außerdem können Projekte durch eine Zertifizierung mit dem „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ (QNG)3 Förderungen im Rahmen der Bundesförderung Klimafreundlicher Neubau (KFN) erhalten.
Zu 3:
Die Bebauungsdichte hat Auswirkungen auf die Lebensqualität, die Umwelt und die Infrastruktur eines Quartiers. Der aktuelle Druck auf dem Wohnungsmarkt oder die Interessen von Investoren können daher nicht das einzige Kriterium für die Festlegung einer angemessenen Bebauungsdichte sein. Sie muss vor allem darauf abzielen, für die künftigen Bewohner*innen eine nachhaltige und lebenswerte Umgebung zu schaffen, die den örtlichen Bedingungen und Anforderungen gerecht wird. Bei der Bebauung der Wasserstadt sind daher auch ausreichende Frei- und Grünflächen sowie Flächen für Gemeinschafts-, Freizeit- und Sporteinrichtungen sowie für einen zweiten Mobilityhub vorzusehen. Für die Conti-Altbauten bietet es sich aus diesem Grund an, den industriellen Charme und das Prinzip der produktiven, nachhaltigen Stadt zur Grundlage der Planung zu machen und kleinteiligem lokalem Gewerbe sowie Kunst- und Kulturinitiativen Raum zu geben. Denkbar ist z.B. auch eine Nutzung der Vollgeschosse als Serverfarm, deren Abwärme in das Nahwärmenetz eingespeist werden könnte.
Zu 4:
Begrünte Fassaden sind natürliche Klimaanlagen. Sie reduzieren die Wärmeabsorption, was in heißen Sommern die Temperaturen im Gebäude senkt. Sie filtern Schadstoffe aus der Luft und dämpfen den Umgebungslärm. Außerdem schafft dieses grüne Gestaltungselement Lebensräume für Insekten und Vögel, was zur Erhöhung der biologischen Vielfalt in urbanen Gebieten beiträgt.
zu 5:
Das Mobilitätskonzept des 2. Bauabschnitts soll noch stärker als bisher geplant auf den Fahrradverkehr, auf geteilte Mobilität und den öffentlichen Nahverkehr setzen, um so die Voraussetzungen für ein autoarmes Quartier im Sinne der Verkehrswende zu schaffen. Gleichzeitig wird damit auch den Befürchtungen der Anwohnenden vor einer steigenden Individualverkehrsbelastung der Wunstorfer Straße durch Quell- und Zielverkehr aus der Wasserstadt Rechnung getragen.
Zu 6:
Um die Baukosten nachhaltig zu senken, sollten zusätzlich zum seriellen/modularen Bauen, das in 70 Prozent der Gebäude im 2. Bauabschnitt genutzt werden soll, die Möglichkeiten des so genannten Gebäudetyps E genutzt werden. Das einfache oder experimentelle Bauen gibt Bauherr*innen bzw. Investor*innen und Architekt*innen den Freiraum von Maximalstandards abzuweichen. In Bayern (Artikel 63 BayBO) besteht bereits ein solcher Anspruch auf abweichendes Bauen. Bis Ende 2024 will die Bundesregierung nachziehen und in Absprache mit den Bundesländern eine Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E erlassen. In Anbetracht des langen Planungs- und Realisierungszeitraums ist es vorausschauendes Handeln, die neuen Möglichkeiten für kostengünstiges Bauen von vornherein mitzudenken. Auf diesem Wege wird ein Beitrag dazu geleistet, die Bebauung im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld zu ermöglichen und zugleich ein vielfältiges und klimagerechtes Angebot zu gewährleisten.
Zu 7:
Die Frage nach Erhalt oder Zerstörung der Altgebäude bewegt die Öffentlichkeit seit Beginn der Planungen für die Wasserstadt und der Abbruch der Conti-Altgebäude wird von vielen Hannoveraner*innen noch nicht als „alternativlos“ angesehen. Eine abschließende Anhörung und Diskussion über innovative Nutzungsmöglichkeiten und Alternativen hilft eine Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten leben können. Dazu gehört auch, modellhafte Lösungen zur Verbesserung der Nachnutzungspotenziale chemisch belasteter Gebäude zu suchen und zu erforschen. Durch die langjährige Produktion von Reifen und die Verarbeitung von Kautschuk sind die Conti-Gebäude mit der Chemikalie Nitrosamin belastet. Dies trifft auch für andere Industriedenkmäler in Deutschland zu. Die historischen Conti-Gebäude sollten daher als Demonstrations- und Pilotprojekt für eine sinnvolle und gesundheitlich unbedenkliche Umnutzung chemisch belasteter Gebäude verstanden und entsprechend erforscht werden, bevor die über hundert Jahre alten, stadtbildprägenden Gebäude am Stichkanal unwiederbringlich zerstört werden. Eine Übernahme der historischen Gebäude durch die Stadt Hannover erleichtert diese nachhaltige Nachnutzung.
Zu Neu 9.:
Die Art und Weise, wie Städte geplant und entwickelt werden, kann zu einer sozialen Segregation in den Wohngebieten führen. Um dies zu vermeiden und eine integrative Gesellschaft zu fördern, wird in der Wasserstadt eine Zonierung in einkommensstarke und einkommensschwache Haushalte ausgeschlossen und eine inklusive Verteilung der geförderten Wohnungen im gesamten Bauabschnitt sichergestellt.
Zu Neu 10.:
Klimafreundliches Bauen ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Klimakrise. Der Passivhausstandard und der Energiehaus-Standard EH-40 tragen entscheidend dazu bei, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreicht wird. Obwohl energieeffiziente Häuser in der Errichtung möglicherweise etwas teurer sein können (eine entsprechende Studie wird derzeit für das Wohnquartier Herzkamp erarbeitet), können langfristig erhebliche Kosteneinsparungen durch niedrigere Energiekosten erzielt werden. Dies kann dazu beitragen, die Mietkosten insgesamt niedrig zu halten. Generell ermöglichen energieeffiziente Häuser eine bessere Wohnqualität, niedrigere Kosten und eine geringere Umweltbelastung; und bieten den Mieter*innen bzw. Eigentümer*innen langfristig wirtschaftliche und umweltfreundliche Wohnungen. Beispiele für klimagerechtes Bauen und Wohnen sind das Bielefelder Klimaquartier Grünheide oder das Wohnquartier Herzkamp in Hannover-Bothfeld.
Zu Neu 11.
Starkregenereignisse werden aufgrund des Klimawandels häufiger oder intensiver auftreten. Die Erwärmung der Erdatmosphäre kann die Fähigkeit der Luft, Feuchtigkeit zu speichern, erhöhen und so Starkregenereignisse begünstigen. Das Konzept der Schwammstadt zielt darauf ab, Städte widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels und Naturkatastrophen zu machen, indem es nachhaltige Wasserbewirtschaftung und blaugrüne Infrastrukturlösungen in städtischen Gebieten fördert. Dadurch wird die Gefahr von Überschwemmungen reduziert und die Grundwasserversorgung unterstützt.
Retentionsdächer sind zwar aus statischen Gründen mit Mehrkosten verbunden, dafür würde ein Verzicht auf den Anschluss an die Regenwasserkanalisation zu einer erheblichen Kostenreduzierung für das Wohnquartier Wasserstadt West führen. Außerdem könnten die begrünten Dachflächen für die Hausbewohner*innen nutzbar gemacht werden, z.B. mit Hochbeeten für Gemüseanbau und als Freizeitbereich. Vorstellbar wäre auch ein Dach mit Gemüseanbau für ein daneben angesiedeltes Restaurant nach dem Vorbild des Restaurants „Gro Spieserie“ in Kopenhagen. Ein solches Rooftop-Restaurant wäre auch ein Highlight für Hannover.
Mit diesem Änderungsantrag werden auch verschiedene Forderungen aus dem am 20.09.2023 im Stadtbezirksrat Linden-Limmer einstimmig beschlossenen Änderungsantrag Drucksache Nr. 15-1947/2023 aufgegriffen.
Dr. Daniel Gardemin
Dr. Elisabeth Clausen-Muradian
Fraktionsvorsitzende