Informationsdrucksache Nr. 2464/2014:
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Inhalt der Drucksache:

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2464/2014
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Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

1. Rechtliche Grundlagen der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF)

In Artikel 2 (i) der am 29. April 2004 vom Rat der Europäischen Union beschlossenen Richtlinie Nr. 2004/83/EG („Qualifikationsrichtlinie“) 1 werden unbegleitete Minderjährige definiert als:



„Drittstaatsangehörige oder Staatenlose unter 18 Jahren, die ohne Begleitung eines gesetzlich oder nach den Gepflogenheiten für sie verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen, solange sie nicht tatsächlich in die Obhut einer solchen Person genommen werden; hierzu gehören auch Minderjährige, die ohne Begleitung zurückgelassen werden, nachdem sie in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist sind.“

Es handelt sich also nicht um Minderjährige, die Staatsbürger von EU-Staaten sind, sondern um Kinder bzw. Jugendliche aus Nicht-EU-Staaten.

Geregelt sind die Verantwortlichkeiten der Staaten für diesen Personenkreis in folgenden Abkommen:
- Internationales Abkommen zum Schutz von Minderjährigen,
- der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK),
- dem Haager Minderjährigenschutzabkommen von 1961,
- der UN-Kinderrechtskonvention (KRK).


Die Begleitung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) erfolgt in Hannover im Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst durch den Fachdienst UMF. Es stehen dort 2,07 Planstellen für die Beratung und Betreuung des Personenkreises zur Verfügung.





Inobhutnahme

Die UMF kommen auf ihrem Fluchtweg entweder gezielt nach Hannover und werden hier bei Verwandten oder Bekannten der Herkunftsfamilien aufgenommen oder sie werden von der Polizei auf der Durchreise aufgegriffen oder melden sich selbst bei der Polizei. Sie sind dann durch den Fachdienst UMF in Obhut zu nehmen.
Die Inobhutnahme erfolgt in der Regel in Einrichtungen der Jugendhilfe oder den speziellen Inobhutnahme-Einrichtungen in der Stadt Hannover. Aufgrund der derzeitig hohen Fallzahlen und nicht ausreichender Inobhutnahme-Kapazitäten in Hannover werden UMF zurzeit auch in auswärtigen Einrichtungen in Obhut genommen. Aufgrund der Residenzverpflichtung bedeutet dies Abstimmungsbedarf mit den Ordnungsbehörden.
In der aktuellen Entwicklung zeigt sich, dass die Zahl der Minderjährigen mit familiären Ressourcen in Hannover eher rückläufig ist. Häufig werden Durchreisende aufgegriffen, die andere Ziele in Europa haben.

Hilfe zur Erziehung

Im Anschluss an die Inobhutnahme erfolgt in der Regel eine Hilfe zur Erziehung in stationärer Form. Durch die Fachstelle UMF erfolgt nach der Inobhutnahme die Unterbringung in einer stationären Jugendhilfemaßnahme. Die Umwandlung der Inobhutnahme in eine Jugendhilfe gemäß § 34 SGB VIII gelingt in Hannover nicht immer zeitnah, da stationäre Plätze für UMF in hannoverschen Einrichtungen knapp sind.


In der stationären Jugendhilfemaßnahme liegt der Schwerpunkt der Unterstützung darin, die Minderjährigen mit entsprechenden Sozialkompetenzen, Sprachkenntnissen und Beschulung zu fördern, Gesundheitsfragen zu klären und ggf. das Asylverfahren zu initiieren bzw. den Status zu klären. In letzter Zeit wird festgestellt, dass die familiären Ressourcen bei Bekannten oder Verwandten der Herkunftsfamilien weniger tragfähig sind als früher. Es kommt dadurch häufiger auch bei solchen Konstellationen zu einer Aufnahme in einer stationären Jugendhilfemaßnahme. Es ist zu beobachten, dass sich traumatische Erfahrungen in ihrem Ausmaß häufig erst nach einer Eingewöhnungsphase der Jugendlichen in den Wohngruppen zeigen. Die Mitarbeiter werden dann mit Symptomen wie körperlichen Beschwerden, Schlafstörungen und Angstzuständen konfrontiert. In der Hilfe geht es dann darum, der Verfestigung der Symptome im Sinne einer seelischen Behinderung entgegenzuwirken.

Mit dem 18. Lebensjahr endet die Hilfe zur Erziehung. Eine „Verselbstständigung“ von UMF erfolgt zur Volljährigkeit, dies kann in eigenem Wohnraum oder auch in einer Gemeinschaftsunterkunft erfolgen. Die Beendigung der Jugendhilfemaßnahme erfolgt nicht immer genau zur Volljährigkeit. In einigen Fällen wird die Hilfe zur Sicherung des erreichten Entwicklungsstands auch über das 18. Lebensjahr hinaus im Rahmen einer Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII befristet fortgesetzt.

Vormundschaften

Die UMF reisen allein, ohne erziehungsberechtigte Personen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Es ist insofern immer eine Vormundschaft für die UMF einzurichten.


Die Vormundschaft wird in der Regel durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachstelle UMF geführt. In einzelnen Fällen ist es möglich, eine Vormundschaft später auf den oder die Verwandte/n oder Bekannte/n der Herkunftsfamilien zu übertragen, bei dem der/die UMF lebt. In einzelnen Fällen, bei denen die Wahrnehmung der Vormundschaft durch den Fachbereich Jugend und Familie nicht zielführend ist, wird die Vormundschaft durch das Familiengericht im Ausnahmefall auch auf einen Vormundschaftsverein übertragen. Durch den Vormund erfolgt an Eltern statt z.B. die Antragstellung im Asylverfahren und ähnliche Angelegenheiten. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit.

Altersfestsetzung

Es kommt immer wieder vor, dass UMF ohne gültige Ausweispapiere, also auch ohne Altersnachweis einreisen. Die bisher beschriebenen Regelungen gelten ausschließlich für minderjährige Flüchtlinge, so dass es notwendig ist, das Alter festzusetzen, wenn keine aussagekräftigen Dokumente vorgelegt werden können. Bei dieser Altersfestsetzung erfolgt eine Einschätzung durch die Fachkräfte auf der Grundlage der Angaben und der Schilderungen der/des UMF sowie einer persönlichen Inaugenscheinnahme. Wenn dabei Zweifel am Alter bleiben, also dadurch nicht festgestellt werden kann, ob die Person minderjährig oder volljährig ist, wird eine Einschätzung bei insoweit erfahrenen Fachärzten eingeholt. Wird im Rahmen des Verfahrens zur Altersfestsetzung die Volljährigkeit festgestellt, wird diese Person dem allgemeinen Verfahren zur Unterbringung von erwachsenen Flüchtlingen zugeführt.




2. Allgemeine Entwicklung

Die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge, die in Hannover ankommen oder aufgegriffen werden, ist in den letzten Jahren wieder stark angestiegen, nachdem die Zahl bis 2009 eher abgenommen hatte.



Derzeit werden in dem Fachdienst 130 minderjährige Flüchtlinge betreut. Es handelt sich dabei um Kinder und Jugendliche, sowohl um Mädchen als auch Jungen. In der Altersgruppe zwischen 5 und 7 Jahren sind es 6 Jungen und Mädchen, zwischen 7 und 13 Jahren sind es 20 Jungen und Mädchen. Die Hauptgruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist in der Altersgruppe zwischen 14 und 17 Jahren.


Die aktuelle Statistik ist in der Anlage 1 beigefügt.


Während der vergangenen Jahre haben die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge stets auch die weltweiten Krisenherde widergespiegelt. Die Länderschwerpunkte, aus denen die minderjährigen Flüchtlinge derzeit kommen, sind der arabische Raum, Afghanistan, Syrien und Irak sowie der afrikanische Kontinent.

Resümee

Aufgrund der erheblichen Steigerungen der Flüchtlingszahlen ab 2012 ist im kommenden Jahr eine weitere Stelle für die Beratung und Betreuung des Personenkreises der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eingerichtet worden. Auch sind darüber hinaus in Hannover weitere Platzkapazitäten für die Inobhutnahmen und die stationären Unterbringungen der Flüchtlinge entstanden.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das beschriebene Angebot richtet sich grundsätzlich an beide Geschlechter, an einzelne UMF sowie an die Familien, die zur Aufnahme eines/einer UMF bereit sind. Den Problematiken der einzelnen Personengruppen, die sich aus der Flüchtlings- und Exilsituation ergeben, wird in der Beratung und Begleitung Rechnung getragen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.2 
Hannover / 04.11.2014