Drucksache Nr. 2446/2007:
Qualifizierung zur Fachkraft für Beteiligungsprozesse mit Kindern und Jugendlichen

Inhalt der Drucksache:

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2446/2007
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Qualifizierung zur Fachkraft für Beteiligungsprozesse mit Kindern und Jugendlichen

Antrag, zu beschließen

zur Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme von haupt- und ehrenamtlichen Fachkräften der Jugendhilfe mit dem Ziel des Aufbaus eines Multiplikatorenpools für Kinder- und Jugendbeteiligung

1. dem Kreisjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt (Rollende Baustelle) und
2. dem Jugendumweltbüro – JANUN e.V. (Linie 21)

eine Zuwendung in Höhe von jeweils bis zu 10.900,00 € zu gewähren.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das Angebot richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendhilfe freier und öffentlicher Träger, die in Folge der Qualifizierung mit Mädchen und Jungen tätig sind. Insofern werden mit dieser Förderung beide Geschlechter erreicht.
Generell gilt für die Gewährung von Fördermitteln zur Durchführung von Beteiligungsprojekten die ausführliche Darstellung des Einbezugs von Mädchen und Jungen mit dem Ziel der Wahrung von Geschlechtergerechtigkeit.

Kostentabelle

Darstellung der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen:
Investitionenin €bei HMK
(Deckungsring)/
Wipl-Position
Verwaltungs-
haushalt;
auchInvestitions-
folgekosten
in € p.a.bei HMK
(Deckungsring)/
Wipl-Position
EinnahmenEinnahmen
Finanzierungsanteile von DrittenBetriebseinnahmen
sonstige EinnahmenFinanzeinnahmen von Dritten
Einnahmen insgesamt0,00 € Einnahmen insgesamt0,00 € 
AusgabenAusgaben
ErwerbsaufwandPersonalausgaben
Hoch-, Tiefbau bzw. SanierungSachausgaben
EinrichtungsaufwandZuwendungen21.800,00 €
Investitionszuschuss an DritteKalkulatorische Kosten
Ausgaben insgesamt0,00 € Ausgaben insgesamt21.800,00 € 
Finanzierungssaldo0,00 € Überschuss / Zuschuss-21.800,00 € 

Begründung des Antrages

Der Ansatz zur Förderung von Beteiligungsprojekten im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit (Haushaltsmanagementkontierung 451.000/ 718000) wurde durch Beschluss des Rates zum Haushalt 2007 um 21.800 € erhöht. In diesem Zusammenhang hat die Verwaltung unter Beteiligung kompetenter Kooperationspartner ein Weiterbildungskonzept zur Steigerung selbstständig durchgeführter Beteiligungsprozesse in Einrichtungen der Jugendhilfe zu realisieren.

Die „Rollende Baustelle“ des Kreisjugendwerks der Arbeiterwohlfahrt und die „Linie 21“ im Jugendumweltbüro JANUN e.V. haben daraufhin gemeinsam ein Konzept vorgelegt, das der Intention des Begleitantrages zum Haushalt 2007 voll entspricht. Beide Träger sind seit 10 Jahren in Hannover im Rahmen der Durchführung von Beteiligungsprojekten tätig. Sie verfügen über die erforderlichen Kompetenzen und sind mit ihren „mobilen Werkstätten für Beteiligung“ von der Fachöffentlichkeit in Hannover und darüber hinaus landesweit anerkannt.

Die Realisierung dieser Qualifizierungsmaßnahmen wird von den Trägern unter Bedingungen durchgeführt, die eng mit der Realität der Beteiligungspraxis und –standards in Hannover verknüpft sind. Dazu wurde ein reales Lernfeld für Beteiligung am Beispiel des Projektes „miniLinden 2007“ erschlossen. Das Curriculum zur Qualifizierung als Fachkraft für Beteiligungsprozesse mit Kindern und Jugendlichen basiert auf diesen Ergebnissen. Es umfasst einschließlich aller Module 175 Stunden, erweitert durch den Praxisanteil. Dieser wird auf Grundlage des Erlernten entwickelt, vorbereitet, durchgeführt, dokumentiert und evaluiert. Die Projektentwicklung und -durchführung wird von den Trägern der Qualifizierungsreihe, dem Jugendumweltbüro Hannover, JANUN und dem Kreisjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt individuell betreut.

Auszug aus dem Konzept der Träger

Inhalte der Qualifizierung:

Modul
Thema
Inhalt
1.
Erschließung Lernfeld „miniLinden 2007“
Systematische Analyse der Praxis im Lernfeld, Überprüfung und Korrektur der Module im Curriculum
2.
Rechte der Kinder auf Beteiligung
Die Kinderrechte und gesetzliche Grundlagen:
Die UN-Kinderrechtskonvention,
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland,
Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII),
Bürgerliches Gesetzbuch,
Lokale Agenda 21,
Baugesetzbuch,
Öffentliches Engagement, Beteiligung und Politik für und mit Kindern und Jugendlichen
3.
Partizipationspädagogik
Partizipationsformen (Alltagsdemokratie, Kinderversammlungen etc.) und
Stufen der Beteiligung, Teilhabe und Mitwirkung, Kriterien für „gute“ Beteiligungsprojekte.
4.
Moderationsmethoden
Grundlagen der Moderationstechniken und -methoden (Metaplan etc.), Beteiligungsprojekte zielgruppengerecht moderieren.
5.
Präsentationsmethoden
Ergebnisse aus Beteiligungsprozessen wirkungsvoll den Entscheidungsträgern (AJHA, Bezirksräte, Politik, Verwaltung, etc.), Kindern und Erwachsenen
präsentieren.
6.
Praxisbeispiele
Gelungene Praxisbeispiele aus anderen Städten als Grundlage und Anregung für die Entwicklung eigener Beteiligungsprojekte.
7.
Exkursionen zu Praxisbeispielen in Hannover
Beispiele für unterschiedliche Beteiligungsprojekte in Hannover, z. B. Bonifatiusplatz, AWO Kita
Ahldener Strasse und Wiehbergstrasse, Kinderrat Buchholz (Roderbruch), Kinderstadt
miniLinden, Kinderstadt Roderbruch, Kinder- und Jugendhaus Hainholz, Spielplatz Prussweg.
8.
Theorie
Für das Gelingen von Kinderbeteiligungsprozessen ist ein Projektmanagement nötig – dazu gehören Methoden der Projektvorbereitung und -planung, Finanzierungsmöglichkeiten für Beteiligungsprojekte zu erschließen, Öffentlichkeits- und Pressearbeit.
9.
Praxis
Es wird jeweils ein Praxisprojekt auf Grundlage des Erlernten entwickelt, vorbereitet, durchgeführt, dokumentiert und evaluiert. Die Projektentwicklung und -durchführung wird individuell betreut.


Das Kreisjugendwerk der AWO und JANUN haben mit der Qualifizierungsmaßnahme im zweiten Halbjahr 2007 begonnen. Das Einverständnis zum vorzeitigen Maßnahmebeginn wurde seitens der Verwaltung erteilt. In Abhängigkeit von den Arbeitgebern der Teilnehmer und Teilnehmerinnen findet die Fortbildung in den Abendstunden, tagsüber oder an den Wochenenden statt.

Zwischenzeitlich haben sich in Hannover Qualitätsstandards durchgesetzt an denen sich die Qualifizierung als Fachkraft für Beteiligungsprozesse mit Kindern und Jugendlichen ebenfalls orientiert:

11 Kriterien für „gute“ Beteiligungsprojekte

Über- und Unterforderung:
Kinder und Jugendliche sollten, wie jeder Mensch, nicht mit Themen und Entscheidungen konfrontiert werden, die sie überfordern bzw. nicht bewältigen können. Sich zur Lösung von Problemen, die eine gesamte Großstadt oder gar den gesamten Globus betreffen, mit Kindern und Jugendlichen zu treffen, macht wenig Sinn. Besser ist es, wenn Kinder und Jugendliche „im Rahmen projektorientierter Verfahren ... an der Gestaltung ihrer unmittelbaren Lebenswelt ... beteiligt werden. Aber auch Partizipation in der Stadt- und Gemeindeentwicklung ist sinnvoll und möglich: Neue Wohngebiete, Sanierung von Stadtteilen, Verbesserung von Verkehrswegen. Dies gilt vor allem auch für die Beteiligung an Bauleitplanungen.“ Würde man denken, Kinder und Jugendliche wären dazu nicht fähig, würde man sie bei weitem unterschätzen und unterfordern. Gleichzeitig würden sie um Möglichkeiten der Beteiligung beraubt.

Freiwilligkeit:
Kinder und Jugendliche sollten und wollen sich freiwillig beteiligen. Nur so kann Spaß und Freude am Tun zustande kommen. Druck und Zwang würden dies verhindern.

Ernstcharakter, Akzeptanz und Umgang:
Erwachsene sollten sich ernsthaft mit Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen und sie akzeptieren, wie sie sind. Hinzu kommt in diesem Fall aber auch, dass sie sich für sie einsetzen und ihnen keine leeren Versprechungen geben, was zu Resignation und Frustration führen würde. Es müssen schon im Vorfeld Verbindlichkeiten, was die (finanzielle und durchgehend partizipative) Realisierung von Projekten betrifft, in der Erwachsenenwelt hergestellt werden.

Kommunikative Kompetenz:
Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben unterschiedliche Bedürfnisse, die sie auch unterschiedlich verbalisieren. Daraus folgt, dass neue Formen der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit gefunden werden müssen, damit sich beide Seiten auch verstehen können. Es gilt also zwischen ihnen zu vermitteln, Fachtermini zu vermeiden und ihre jeweiligen Sprachen für die andere Altersgruppe zu „übersetzen“. Dazu gehört, dass Kinder und Jugendliche so informiert werden müssen, dass sie verstehen und somit wissen, worum es geht. Die Erwachsenen müssen wiederum in ihrer Sprache informiert werden, damit die jeweiligen Beteiligungsprojekte in deren Strukturen durchgesetzt werden können.

Kooperative Kompetenz und Planung:
Da Kinderpolitik immer Querschnittspolitik ist, gilt es bei der Umsetzung von Projekten von Anfang an alle Beteiligten - Kinder und Jugendliche, als auch Ämter, Architekten, Behörden und Politiker – mit einzubeziehen. Denn nur in Kooperation mit allen zuständigen Instanzen können gemeinsame und demzufolge befriedigende Ergebnisse erarbeitet und realisiert werden.

Faktor zeitnahe Umsetzung:
Kinderpolitik - in diesem Fall partizipative Projekte - müssen in einem absehbaren, gerade für jüngere Kinder erfahrbaren Zeitraum initiiert und realisiert werde. „Eine Achtjährige, die über einen Spielplatzumbau mit entschieden und ihn mitgeplant hat, darf die Realisierung nicht erst als Vierzehnjährige erleben.“ Gleichzeitig muss man sich aber der Tatsache bewusst sein, dass dies oftmals entgegengesetzt zu den administrativen und zeitlichen Regeln und Abläufen in den kommunalen Verwaltungseinheiten steht. Hier kommt es also wieder auf Kooperation (auch schon im Vorfeld von Projekten) an.

Zusammensetzung der Zielgruppe und Repräsentativität:
Beteiligungsprojekte sollten auch unerfahrenen Kindern und Jugendlichen offen stehen, damit nicht nur „Elitekinder“ von ihnen profitieren. Die Zielgruppen sind also Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts, aus unterschiedlichen Milieus, unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlichen Schulen und mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Ihnen allen sollte es offen stehen, ob sie denn mitmachen wollen. Nur so kann man davon ausgehen, dass man am Ende eines Projektes ein repräsentatives Ergebnis der Kinder und Jugendlichen in der jeweiligen Gemeinde hat, zu dem letztendlich auch alle einen Bezug haben. Dies bedeutet gleichzeitig, dass immer nach den geeigneten Methoden zur Umsetzung der jeweiligen Projekte zu suchen ist.

Expertenschaft von Kindern und Jugendlichen:
Kinder und Jugendliche sind Experten für ihre Umwelt. Sie wissen besser als die erwachsenen „Experten“, was gut für sie ist und wo Verbesserungsmöglichkeiten, etwa ihr Wohnumfeld betreffend, angebracht sind. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen kann kommunale Planungsprozesse sicherlich aufgrund der diskursiven Vorgehensweise verlangsamen. „Sie machen sie aber auch treffsicherer hinsichtlich der Nutzergruppen und hilft teure Fehler zu vermeiden. Sie macht Planung also letztlich effektiver.“

Wandelbarkeit und Lebendigkeit:
Bei Planungen, die das Wohnumfeld betreffen, sollte berücksichtigt werden, dass Kinder und Jugendliche sich entwickeln und mit ihnen ihre Bedürfnisse. Deshalb geht es darum veränderbare Umwelten zu schaffen, die die Kinder und Jugendlichen ihren Bedürfnissen entsprechend umgestalten können und dürfen.

Echter Mitbestimmungscharakter:
Mit dem Begriff der Partizipation können verschiedene Stufen der Beteiligung gemeint sein. So muss man sich von vornherein darüber im Klaren sein, ob es sich bei dem jeweiligen Projekt auch tatsächlich um Mitbestimmung handelt oder eine „Scheinbarkeit“ erzeugt wird.

Qualifizierte Partizipation kostet:
Dass Erwachsene den Kindern und Jugendlichen beratend, helfend und fördernd zur Seite stehen sollten, wenn Projekte initiiert bzw. durchgeführt werden, ist selbstverständlich. Neben den qualifizierten Erwachsenen (z. B. in der Moderationstechnik ausgebildete SozialarbeiterInnen/-pädagogInnen), sind außerdem Räumlichkeiten und diverses Material erforderlich, um ein Projekt umzusetzen. Dies macht klar, dass partizipative Projekte immer auch mit Kosten verbunden sind. Allerdings: Sind sie gut umgesetzt und auch wirklich realisiert worden, hilft dies weitere (soziale) Kosten einzusparen.
51.5 
Hannover / 09.10.2007