Drucksache Nr. 2348/2017 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der CDU-Fraktion zur Einrichtung eines "Trinkraums"
in der Ratssitzung am 28.09.2017, TOP 2.5.

Inhalt der Drucksache:

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2348/2017 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der CDU-Fraktion zur Einrichtung eines "Trinkraums"
in der Ratssitzung am 28.09.2017, TOP 2.5.

In der Drucksache ,,Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum" (DS 1611/2017) stellt
die Verwaltung fest, dass:,,Trinkräume" mit unterschiedlichsten Konzepten in anderen
Städten bereits erprobt werden.
In der Drucksache heißt es unter anderem konkret zum "Trinkraum" ,,...Für Hannover ist
geplant, dass mitgebrachter Alkohol (Bier und Wein) konsumiert werden darf und nicht alkoholische Getränke bereit gestellt werden. Die sozialarbeiterische Betreuung wird von der Diakonie übernommen, die einen Pool von insgesamt fünf Mitarbeitern/innen aufbaut, um die Sozialarbeit im "Trinkraum" und am Raschplatz zu leisten. Die Sozialarbeiter stehen bei Bedarf dem Sicherheitsdienst als professionelle Ansprechpartner zur Verfügung..."

Die Stadt München hat im Umfeld des Hauptbahnhofes eine Kontakt- und Begegnungsstätte eingerichtet, die sich als "soziale Dienstleistung" versteht und Menschen mit Alkoholproblemen helfen möchte. Die Begegnungsstätte soll eine "fachliche Antwort" auf Probleme geben und dem ordnungsrechtlichen Vorgehen gegen Alkoholabhängige sowie deren Vertreibung nicht allein das Feld überlassen.

Im Gegensatz zu Hannover versteht sich die Beratungsstelle in München als niedrigschwellige Einrichtung: wer kommt, muss nicht nüchtern sein, auch wenn in den Räumen der Einrichtung kein Alkohol konsumiert werden darf. Man versucht Menschen, die überwiegend über eine Wohnung verfügen, tagsüber ein Angebot zu machen. Hierzu gibt es einen Aufenthaltsraum mit Esstischen, eine Küche, einen Raum für Einzelgespräche sowie eine Werkstatt im Keller. Dazu gehören auch eine Waschmaschine und Dusche.Die Angebote richten sich sehr an den unterschiedlichen Fähigkeiten der Besucher aus, deren Querschnitt vom Berufslosen bis hin zum IT-Techniker reicht.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
1. Wie beurteilt die Verwaltung das oben beschriebene Angebot für Alkoholabhängige in der Stadt München?
2. Kann sich die Verwaltung vorstellen, die Betreuung der alkoholabhängigen Menschen in dem am hinteren Raschplatz geplanten "Trinkraum" um die Angebote, wie sie in der Stadt München gemacht werden, zu erweitern? Wenn nein, was steht dem entgegen?
3. Gibt es weitere Überlegungen seitens der Verwaltung, wie und in welcher Weise insbesondere die schwierig zu erreichende Trinkerklientel rund um den Bahnhof beraten und/oder betreut werden kann? wenn ja, welche sind das? Wenn nein, weshalb nicht?

Jens Seidel
Vorsitzender

Text der Antwort


Frage 1.: Wie beurteilt die Verwaltung das oben beschriebene Angebot für Alkoholabhängige in der Stadt München?

Das hier beschriebene Angebot einer Kontakt- und Begegnungsstätte für Menschen mit Alkoholproblemen in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs ist nach Auskunft des Trägers Soziale Dienste Psychiatrie gemeinnützige GmbH noch nicht eingerichtet.
Von Frau Dr. Auspurg, die das Konzept für diese Anlaufstelle erstellt hat, haben wir Informationen über den aktuellen Sachstand und die Inhalte dieses Projektes erfahren. Danach befindet sich dieses Angebot, nach einer mehrjährigen Planungsphase, noch in der Anbahnung. Die Räume in der Lindwurmstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs werden derzeit umgebaut und sollen zunächst Platz für 10 Personen bieten. Eine Erweiterung auf 20 Plätze soll dann im zweiten Schritt erfolgen. Aufgrund der aktuellen Umbaufortschritte wird mit dem Start der Kontakt- und Begegnungsstätte frühestens zum 01.12.2017 bzw. zum 01.01.2018 gerechnet.

Im Gegensatz zu den Planungen für den Trinkraum „Kompass“ sind diese Räumlichkeiten nicht als Konsumraum konzipiert. Gleichwohl ist es möglich, dass die Besucherinnen und Besucher, trotz vorherigen Alkoholkonsums, die Kontakt- und Begegnungsstätte aufsuchen können.

Neben einer niedrigschwelligen sozialpädagogischen Betreuung und Beratung mit drei halben Stellen, der Möglichkeit zu duschen und Wäsche zu waschen, sollen u.a. auch alkoholfreie Getränke ausgeschenkt und ein kostengünstiger Mittagstisch angeboten werden. Die Idee hierbei ist, dass Besucherinnen und Besucher bei der Zubereitung des Essens helfen dürfen.
Im Zuge der Erweiterung ist die Besetzung einer Ergotherapiestelle geplant, um tagesstrukturierte Angebote wie z. B. Gartenarbeiten oder Fahrradreparaturen anbieten zu können.

Mit dem Stadtratsantrag 14-20/A03338, vom 23.08.2017, den zwei CSU-Ratsherren gestellt haben, wird der Stadtrat gebeten, die Prüfung weiterer finanzieller und räumlicher Unterstützungsmöglichkeiten zu beschließen. Hierzu liegt noch keine abschließende Entscheidung vor.

Die Inhalte dieses geplanten Angebots ähneln in vielen Punkten dem Konzept für den Trinkraum „Kompass“ und sind darüber hinaus auch positiv zu bewerten. Da der grundlegende Ansatz jedoch ein anderer ist, erscheint ein direkter Vergleich der beiden Angebote nicht angebracht.


Frage 2.: Kann sich die Verwaltung vorstellen, die Betreuung der alkoholabhängigen Menschen in dem am hinteren Raschplatz geplanten „Trinkraum“ um die Angebote, wie sie in der Stadt München gemacht werden, zu erweitern? Wenn nein, was steht dem entgegen?

Im Konzept des Trinkraums „Kompass“ ist die Betreuung, Beratung und Vermittlung an individuell passende Hilfs- und Unterstützungsangebote diverser Einrichtungen in Hannover ebenfalls verankert. Dafür steht im Trinkraum „Kompass“ sozialpädagogisches Fachpersonal in einem breitgefächerten Zeitfenster zur Verfügung. Ein separater Beratungsraum als auch Aufenthaltsräume mit Tischen und Sitzgelegenheiten mit rund 25 Plätzen sowie eine kleine Teeküche sind vorhanden.
Die Ausweitung dieses Angebots für z.B. Werkstattkeller, Küche und Duschen ist aufgrund der räumlichen Gegebenheiten leider nicht möglich. Allerdings handelt es sich beim Trinkraum in Hannover zunächst um ein zeitlich befristetes Pilotprojekt. Innerhalb dieses Zeitraums soll auch geprüft werden, ob das Angebot des Trinkraums „Kompass“ an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer ggf. angepasst oder auch verändert werden sollte.

Darüber hinaus bestehen in der Landeshauptstadt Hannover bereits zahlreiche Angebote, auf die in Ihrer Anfrage Bezug genommen wird. Um nur einige zu nennen:

Der Kontaktladen „Mecki“ am Raschplatz bietet eine Kombination aus Anlaufstelle, Straßensozialarbeit und medizinischer Grundversorgung.

Das "SOS-Bistro" ist Teil der Beratungsstelle des Neuen Landes. Hier werden zu Selbstkostenpreisen Speisen und Getränke angeboten und es besteht die Möglichkeit, zu duschen und Wäsche zu waschen. Zudem unterhält das SOS-Bistro eine Kleiderkammer.

Der Tagestreff „Nordbahnhof“ bietet bedürftigen Menschen jeden Tag, auch an Sonn- und Feiertagen, eine Vielzahl von Angeboten wie z.B. Mittagstisch, Wäsche waschen und trocknen, duschen, Zeitung lesen, Schreibarbeiten erledigen, auch am Computer, spielen, andere Menschen treffen, Freizeitgestaltung und Jahresfeste feiern.

Der Trinkraum in Hannover ist ein niedrigschwelliges Angebot und soll gerade für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten ein spezielles Angebot schaffen, um Schwellenängste abzubauen. Dazu gehört auch die Beratung und Entwicklung einer Lebensperspektive. Die dort beschäftigten sozialpädagogischen Fachkräfte informieren zudem über das regionale Hilfesystem. Dazu werden auch Broschüren und Faltblätter anderer Einrichtungen zur Verfügung stehen, so dass ggf. eine individuelle Beratung oder Vermittlung an passende Einrichtungen erfolgen kann.
Hervorzuheben ist, dass jeder Besucher und jede Besucherin im Trinkraum „Kompass“ willkommen ist. Eine Darstellung der eigenen Probleme ist freiwillig. Das Beratungsangebot für die Nutzer und Nutzerinnen ist kostenfrei.

Frage 3.: Gibt es weitere Überlegungen seitens der Verwaltung, wie und in welcher Weise insbesondere die schwierig zu erreichende Trinkerklientel rund um den Bahnhof beraten und/oder betreut werden kann? Wenn ja, welche sind dies? Wenn nein, weshalb nicht?

Die Beratung und Betreuung des „Trinkerklientels“ rund um den Hauptbahnhof ist im Konzept des Projektes „Kompass“ vorgesehen und verankert. So sollen nicht nur Beratung und Betreuung vor Ort in den Räumlichkeiten des Trinkraums stattfinden, sondern ausdrücklich auch rund um den Hauptbahnhof, in erster Linie am Raschplatz. Dazu werden regelmäßige Straßengänge von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung „Kompass“ stattfinden. Das Diakonische Werk Hannover e.V. konnte bei der befristeten Besetzung der Stellen auch die Mehrsprachigkeit des Klientels berücksichtigen. Eine Sozialarbeiterin spricht polnisch, ein Sozialarbeiter spricht russisch.