Antrag Nr. 2333/2018:
Antrag von Ratsherrn Tobias Braune zur Änderung der Entschädigungssatzung

Informationen:

Beratungsverlauf:

  • 25.10.2018: Ratsversammlung: Eingebracht und verwiesen: Geschäftsornungskommission Verwaltungsausschuss Ratsversammlung
  • 06.12.2018: Geschäftsordnungskommission: Ablehnung empfohlen
  • 20.12.2018: Verwaltungsausschuss: 0 Stimmen dafür, 11 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen
  • 20.12.2018: Ratsversammlung: Einstimmig abgelehnt

Antragsteller(in):

Ratsherr Tobias Braune

Inhalt der Drucksache:

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Antrag von Ratsherrn Tobias Braune zur Änderung der Entschädigungssatzung

Antrag zu beschießen

Änderung der Satzung über die Entschädigung der Ratsfrauen, Ratsherren, Stadtbezirksratsmitglieder, der nicht dem Rat angehörenden Ausschussmitglieder und der ehrenamtlichen Tätigen der Landeshauptstadt Hannover vom 15. Februar 2001 in § 2 Abs. 2, Abs. 4 und §3 Abs. 1 und Abs. 2 zum 01.01.2019

§ 2 soll wie folgt geändert werden: in Abs. 2 wird der Höchstbetrag für Ratsmitglieder bei Verdienstausfall auf ein Maximum von 4200,- € angehoben. In Abs. 4 wird der Höchstbetrag für Ratsmitglieder auf 4200,- monatlich begrenzt.

§ 3 soll wie folgt geändert werden: Abs. 1 wird die Aufwandsentschädigung auf 1530,- € mtl. erhöht. Abs. 2 wird die Aufwandsentschädigung auf 3825,- € zum 01.01.2019 angehoben.

Begründung

Hannover gehört zu den 15 größten Städten in Deutschland. Hannover wächst zudem in den letzten Jahren sehr schnell, die Verwaltung hat in vielen Bereichen Schwierigkeiten den Bedürfnissen der Bürger gerecht zu werden. Erst dieses Jahr hat der Betriebsrat 100te neue Stellen gefordert. Das Bauamt ist bei Bauanträgen hoffnungslos überlastet. Geeignete Experten sind momentan auf dem Arbeitsmarkt sehr umkämpft.

Die Ratsmitglieder werden durch die Kommunalwahl in den Rat gewählt. Die Ratsarbeit ist dadurch traditionell ein Ehrenamt. Diese Praxis hat sich in den ersten Jahren bewährt. Mit steigender Einwohnerzahl und auch steigender Verantwortung ist diese Aufgabe durch ein reines Ehrenamt nicht mehr zu leisten. 1960 hatte Hannover zu Spitzenzeiten 570.000 Einwohner, allerdings auch 25% weniger Gesetze und Verordnungen. 2012 stellt Kirchhof fest, muss die Wirtschaft rund 10.000 Vorschriften beachten, diese Vorschriften verursachen in Deutschland einen Verwaltungsaufwand von 47 Mrd. €.*
Die Kommunalpolitik kann im Hobbymodus auf Dauer nicht mehr Schritt halten. Wir haben in Deutschland ca. 50.000 Bundesgesetze, 3200 Verordnungen mit 40.000 Einzelvorschriften. Hinzu kommen Landesgesetze und EU Regelungen wie wir anhand der aktuellen Dieseldiskussion deutlich sehen können. So kommen wir auf ca. 150.000 Vorschriften. Jedes Jahr sind tausende DIN A4 Seiten Drucksachen von den Ratsmitgliedern durchzuarbeiten. Zum Vergleich: Das Alte Testament hat 613 Gesetze. Juraprofessor Karpen konstatiert: „Der Gedanke, ein Bürger könne aufgrund der Kenntnis all dieser Gesetze rechtstreu sein, ist eine reine Fiktion. Ob der Bürger will oder nicht: Er kann gar nicht in Gänze rechtstreu sein."

Wenn wir die politischen Realitäten nicht den Technokratischen anpassen, driften wir von einer Demokratie in eine Bürokratie ab. In der Bürokratie steuert und entscheidet die Verwaltung alles. Stärken wir den Bürgerwillen, stärken wir die Demokratie, indem wir den gewählten Bürgervertretern ihr- Engagement honorieren. Die Lokalpolitik hat keine Zeit mehr sich jedes Projekt genau anzuschauen und verkommt zur „Grußaugustina" oder verzögert über Monate Entscheidungen, weil sich eine Fraktion in das Thema erst „einlesen" muss. Aktuelle Beispiele gibt es reichlich: 18. "Gymnasium", Livestream der Ratsversammlung, IGS Linden, usw. Die Bürger sehen diese Probleme und wir sehen die Politikverdrossenheit anhand der Wahlergebnisse und der Wahlbeteiligung.

Wir müssen in Großstädten wie Hannover aus der ehrenamtlichen Tätigkeit einen professionelleren Ablauf gestalten. Nürnberg ist hier einen deutlichen Schritt weiter. Nürnberg ist u.a. Konkurrenz im Wettbewerb um die Kulturhauptstadt 2025. Die Verwaltung hat die Möglichkeit doppelt so schnell zu Arbeiten. Ratsmitglieder bekommen eine Aufwandsentschädigung von ca. 1500,- € im Monat und können sich Aufgrund ihrer Freistellung kommunalen Themen intensiver widmen. Nürnberg hat hier einen strategischen Vorteil gegenüber Hannover im Rennen um die Kulturhauptstadt 2025. Mit einer professionalisierten Ratsarbeit wird diese auch wieder für Nichtbeamte und Nichtselbständige attraktiv. Ein großer Teil der Kommunalpolitiker kommt aus genau diesen Arbeitswelten. Damit verhindern wir eine größere Vielfalt im Rat.

Darüber hinaus sind etliche Ehrenamtspolitiker als Berufspolitiker durch eine Bundestagsfraktion oder Landtagsfraktion angestellt. Ein Beispiel dazu folgt weiter unten in der Begründung. Sie können sich damit auf ihre Aufgabe im Rat exklusiv vorbereiten. Hingegen ein angestellter Dachdecker sich erst nach Feierabend in Drucksachen einlesen kann.
Durch die Erhöhung der Aufwandsentschädigung lassen sich auch die Sitzungen im Rat verdoppeln, der Rat kann also 14-tägig beraten. Die Verwaltung wird effizienter und besser mit der Lokalpolitik vernetzt, sie kann sich deutlich besser mit Fraktionen und Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen abstimmen.

Auch die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen kommen durch ihr Ehrenamt personell an ihre Grenzen. „Nebenbei" lässt sich diese Aufgabe realistisch nicht mehr ausfüllen. Einer der ehemaligen Bürgermeister, war offiziell in einem Beamtenverhältnis mit einem A14 Gehalt, einer Tätigkeit die, wenn er nach Anwesenheit bezahlt worden wäre wohl kaum bezahlt bekommen hätte. Eine surreale Freistellung.

Die Fraktion „Die Fraktion" hat die Problematik erkannt, dass die Aufgabe als Ratsmitglied ehrenamtlich nicht auszufüllen ist und hat sich selbst professionalisiert. Sie ist den meisten Mitgliedern im Rat in dieser Erkenntnis einen Schritt voraus.

In Köln hat die Oberbürgermeisterin Frau Reker erst dieses Jahr eine Diskussion über professionelle Ratsarbeit angestoßen. In Bremen hält man sich nur durch das professionell bezahlte Landesparlament noch über Wasser. Würde man eine Gleichbehandlung mit der deutlich größeren Stadt Köln fordern: Bremen könnte vermutlich nicht eigenständig arbeiten. München, eine weitere Stadt aus Bayern, honoriert das Ehrenamt mit ca. 2000,- mtl.
In München können sich Lokalpolitiker auf die Bedürfnisse der Stadt konzentrieren. Unsere Partnerstadt Bristol bezahlt ihren gewählten Abgeordneten 1400,- Pfund monatlich.

Westliche Städte weltweit sind mit der Herausforderung immer neuer Verordnungen konfrontiert, um hier nicht sämtliche Kontrolle der Verwaltung abzugeben ist es dringend nötig den gewählten Vertretern mehr Freiraum zu geben die Stadt aktiv mitzugestalten. Parteien die schon länger im Rat sitzen, versuchen eine Lösung durch die Hintertür: nehmen wir den sympathischen Lokalpolitiker Lars K.. Lars K. arbeitet seit Jahren für seine Partei in Vollzeit in einem Landesparlament. Er ist damit semiprofessionell für seine Arbeit im Rat freigestellt und bezahlt. Es ist eigentlich ein Eingeständnis, dass die Aufgabe im Rat einer Großstadt nur professionell oder semiprofessionell funktioniert. Abgeordnete und Abgeordnetinnen wie Lars. K. oder Patrick D. gibt es viele. Wäre Lars. K. angestellter Dachdecker müsste er sich nach Feierabend entscheiden, Zeit mit seiner Familie /Freunden zu verbringen oder Drucksachen zu lesen. Eine Freistellung während der Arbeitszeit wäre aufgrund der Auftragslage nicht möglich. Lars. K. braucht also den Rückhalt der Bevölkerung um seiner Ratsarbeit nach besten Gewissen nachzugehen. Politik muss ehrlicher und transparenter werden. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.

*Aus: Die Allgemeinheit des Gesetzes über einen notwendigen Garanten der Freiheit S. 46 Gregor Kirchhof

Tobias Braune

Ratsherr