Informationsdrucksache Nr. 2326/2020:
Sachstandsbericht der Verwaltung zu Drucksache Nr. 2247/2018 - Betonpfeilerbegrünung/vertikale Gärten

Inhalt der Drucksache:

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Sachstandsbericht der Verwaltung zu Drucksache Nr. 2247/2018 - Betonpfeilerbegrünung/vertikale Gärten

Mit der o. g. Drucksache haben die Ratsgremien den nachfolgenden Beschluss gefasst. Hiermit informiert die Verwaltung über das Ergebnis der Bearbeitung.

Beschluss

Die Verwaltung wird beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu erarbeiten, ob und wenn ja wie Bepflanzungen von Betonpfeilern („vertikale Gärten“) an Hochstraßen bzw. Überführungen stark befahrener Straßen ermöglicht werden können. Dazu sind auch die entstehenden einmaligen und wiederkehrenden Kosten darzulegen.

Bei den Überlegungen sollten insbesondere folgende Punkte beachtet werden:
- Die Bepflanzung soll so angebracht werden, dass eine voranschreitende Carbonatisierung bei Beton nicht verstärkt wird,
- keine selbstrankenden Pflanzen, um unkontrollierten Bewuchs zu verhindern,
- wintergrüne Bepflanzung (zumindest in Teilen).
Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie und ggf. eines Umsetzungsvorschlages legt die Verwaltung den Ratsgremien spätestens Ende des Jahres 2018 dar.

Begründung

Bepflanzte Betonpfeiler bzw. vertikale Gärten können die mikroklimatischen Verhältnisse verbessern, indem sie die Temperaturextreme im Jahresverlauf abmildern. Durch diesen positiven Einfluss auf das Stadtklima können sie einen Betrag zur Klimafolgenabschwächung in Städten leisten. Zudem stellen sie Lebensräume für die urbane Fauna bereit und tragen auch ästhetisch zur städtischen Lebensqualität bei.


Bepflanzte Betonpfeiler bzw. vertikale Gärten bieten sich in Hannover z.B. an der Raschplatzhochstraße, Bremer Damm, Messeschnellweg und der Friedrich-Ebert-Straße/Ritter-Brüning-Straße (Kaisergabel) an.

Ergebnis der Bearbeitung

1. Vorbemerkungen

Der Prüfauftrag zur Begrünung der vorgenannten Bauwerke an Hauptverkehrsstraßen erforderte umfangreiche Voruntersuchungen und Abstimmungen, die sich im Grundsatz an folgenden Kriterien orientieren:

- Art des aufragenden Bauwerks (z.B. Wand oder Pfeiler)
- Material (massiv oder mit Vorsatz, z.B. aus Klinkern)
- baulicher Zustand und ggfs. bauliche Schäden (z.B. Risse oder Zustand von Dehnungsfugen, bereits vorhandene Carbonatisierung)
- genauer Standort (z.B. Pfeiler mittig unter Brücke oder randlich, Wand einer Brücke oder eines Trogs)
- im Untergrund vorhandene Leitungen oder Unterbauung (z.B. auskragende Fundamente)
- zur Verfügung stehende Wandfläche und Raum direkt im ebenerdigen Anschluss
- direkt angrenzender Verkehrsraum (Fahrbahn oder Nebenanlage)
- Sicherheitsbestimmungen für den jeweiligen Ort
- klimatische Bedingungen im direkten Umfeld (s. dazu Punkt 3)
- Eigentumsverhältnisse

Weil im Rahmen dieser Arbeit nicht jedes einzelne Bauwerk oder Bauteil für das gesamte Stadtgebiet gutachterlich geprüft werden konnte, wird hier und im Folgenden nur auf die Grundsätze eingegangen. Bei den genannten Hauptverkehrsstraßen ist zu berücksichtigen, dass es sich zum überwiegenden Teil um Betonbauwerke handelt, die zum Teil Vorsätze aus Klinker oder anderen Materialien haben. Allen gemeinsam ist, dass die tragende Konstruktion eine innenliegende Stahlbewehrung hat, die durch Carbonatisierung angegriffen werden kann.

Carbonatisierung bedeutet, dass durch das Kohlendioxyd der Luft bei gleichzeitiger Einwirkung von Feuchtigkeit das Calciumhydroxid im Zementstein in Calciumcarbonat umgewandelt wird. Dadurch löst sich die hoch alkalische Lösung des Porenwassers (pH-Wert von ca. 13)auf, die für die schützende Passivschicht um den Betonstahl verantwortlich ist. Ist die Carbonatisierung im Beton bis zur Bewehrung vorgedrungen, so kommt es bei ausreichendem Sauerstoff- und Feuchteangebot zur Korrosion der Bewehrung.

Aus diesem Grund ist die regelmäßige Kontrolle der Verkehrssicherheit der jeweiligen Bauwerke zwingend erforderlich und wird durch eine Begrünung erschwert oder sogar verhindert. Inwieweit die Begrünung selbst zur Carbonatisierung beitragen kann, wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht recherchiert, weil es im Einzelfall standortbezogene Untersuchungen oder Simulationen erfordern würde. Aus der Fachliteratur sind der Verwaltung dazu keine Untersuchungen bekannt. Viel wichtiger ist jedoch, dass die Betonoberflächen für die Durchführung von Bauwerksprüfungen zugänglich bleiben müssen, um u.a. das Fortschreiten einer Carbonatisierung zu überprüfen und ggfs. Maßnahmen einleiten zu können.

Der überwiegende Teil der im Beschluss genannten Wände und Pfeiler war nach oberflächlicher Inaugenscheinnahme ohne genauere bautechnische Prüfung weitestgehend frei von Schäden, z.T. allerdings in einem gealterten Zustand. Ausnahme ist die Brücke Messeschnellweg am Weidetorkreisel, die grundlegenden Sanierungsbedarf hat.

Bei den meisten der Brücken stehen die tragenden Pfeiler mittig unter der Brücke, z.B. bei der Raschplatzhochstraße. Die aufkragenden Stützwände haben, sofern es neben der Fahrbahn keine Nebenanlage gibt, meist nur einen relativ schmalen befestigten Randstreifen von ca. 0,80-1,50 m Breite, von dem ein Teil jeweils noch zum Verkehrsraum neben der Bordanlage gehört und nicht verstellt werden darf, z.B. um Kollisionen mit seitlich überkragenden Aufbauten von Lkws zu vermeiden oder sogar als fußläufiger Fluchtweg bei Unfällen in Trogstrecken. Die notwendige Breite des Verkehrsraums sowie evtl. Fluchtwege wurden für die jeweiligen Orte ebenfalls nicht im Einzelnen geprüft. Ebenfalls nicht überprüft wurden evtl. vorhandene Leitungen.

Bei allen Bauwerken ist jedoch davon auszugehen, dass im Untergrund Fundamente vorhanden sind, die in der Mehrzahl der Fälle eine größere Breite haben als das oberirdisch sichtbare Bauwerk und in teilen auch weitere Unterbauungen, wie z.B. die Raschplatzhochstraße.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass etliche der Hauptverkehrsstraßen nicht im Eigentum der LHH, sondern der Straßenbauverwaltung sind, wie z.B. Messeschnellweg. Sowohl beim Fremdeigentum als auch bei den städtischen Bauwerken sind die Zustimmungen und technischen Erfordernisse zwingend zu berücksichtigen.


2. Grundsätzliche technische Voraussetzungen für eine Begrünung

Für die Begrünung können selbstklimmende oder rankende Pflanzen verwendet werden. Während sich die selbstklimmenden direkt mit Haftwurzeln an der Oberfläche festhalten, benötigen die rankenden eine Rankhilfe, z.b. Rankgerüste oder Verspannungen mit Stahlseilen. Alle Rankhilfen müssen an größeren Bauteilen nach vorheriger statischer Berechnung fest verankert werden, z.B. mit Dübeln oder Schwerlastankern, weil das Gewicht eines üppigen Bewuchses bei Nässe oder im Windsog eines vorüberfahrenden hohen Fahrzeugs nicht unterschätzt werden darf. Weil bei allen Verankerungen bereits durch die Bohrungen die innenliegende Bewehrung beschädigt werden könnte, sollten Rankhilfen im Idealfall bereits bei der Planung des Bauwerks mit vorgesehen werden. Ob Pflanzen unkontrolliert wachsen, wie oben im Beschluss erwähnt, richtet sich nicht nur nach der Eigenschaft des Selbstklimmens, sondern auch nach der Pflanzenart und günstigen Wachstumsbedingungen am jeweiligen Ort (s. 3. und 4.).

Aufgrund der oben erwähnten Auskragungen im Untergrund müssten für jede Art von Begrünung oberirdische Hochbeete bzw. Kübel als Wurzelraum errichtet werden, in denen die Pflanzen ohne Anschluss an den natürlichen Boden zurecht kommen müssen. Dies ist nur dort möglich, wo der Verkehrsraum oder evtl. Fluchtwege nicht unzulässig verschmälert würden. An den untersuchten Stellen steht dieser Raum neben der Fahrbahn nicht zur Verfügung.


3. Pflanzenauswahl und -ansprüche

Bei den geeigneten Pflanzen gibt es sowohl sommergrüne, d.h. im Herbst Laub abwerfende, als auch wintergrüne Arten. Die wintergrünen erneuern ihre Blätter im Jahresverlauf nach und nach kontinuierlich, und damit weniger auffällig. Anders als bei den Laub abwerfenden Pflanzen verdunsten sie aber auch im Winter mehr Wasser, was evtl. bei Frost im gefrorenen Kübel nicht zu Verfügung steht. Allen gemeinsam ist jedoch, dass die Größe des Wurzelraums und das zur Verfügung stehende Wasser- und Nährstoffangebot entscheidend für den Erfolg der Begrünung und dauerhaft üppiges Wachstum sind. Zum Vergleich: Bei der Neupflanzung von Straßenbäumen werden für jeden Baum 12 m² Wurzelraum zur Verfügung gestellt, was für einen befriedigenden Zuwachs im innerstädtischen Raum Voraussetzung ist.

Entscheidend ist außerdem die Pflanzenauswahl für den jeweiligen Ort, Besonnung und Beschattung, nächtliche Rückstrahlung von aufgeheizten Bauteilen und dadurch höherer Wasserverbrauch oder der vorhin erwähnte ständige Wind durch vorbeifahrende Lkws und evtl. einer zusätzlichen Wirkung als Windschneise in einer Trogstrecke. Der Windsog kann sogar dazu führen, dass Blätter dadurch beschädigt oder abgerissen werden. Je größer und weicher die Blätter der jeweiligen Art sind, desto größer ist die Gefahr von Blattschäden. Zusätzlicher Stress für die Pflanzen ist z.B. auch Staub auf den Blättern, was zu eingeschränkter Photosynthese und damit zu Wachstumshemmung führt.

Weiterhin benötigen die Pflanzen für die Photosynthese ausreichend Tageslicht, um zu wachsen. Bei den mittig stehenden Brückenpfeilern ist das an den geprüften Standorten bei weitem nicht ausreichend. Ohne eine künstliche Beleuchtung mit dem benötigten Lichtspektrum können die Pflanzen dort nicht gedeihen.

Klettergehölze, die eine Rankhilfe benötigen, sind z.B. die folgenden Arten:
  • Aristrolochia macrophylla (Pfeifenwinde), großes Blatt, windempfindlich
  • Akebia quinata (Akebie), wächst in Sonne oder Halbschatten, benötigt aber ausreichend Feuchtigkeit, für schlecht erreichbare Tröge nicht gut geeignet
  • Lonicera caprifolium (Echtes Geißblatt), wird ohne regelmäßigen, jährlichen Schnitt unten kahl, bildet oben dickes Paket und hängt in Verkehrsraum über
  • Lonicera henryi (Immergrünes Geißblatt), Staub muss abgewaschen werden können, bei günstigen Standortbedingungen jährlicher Rückschnitt erforderlich, wird sonst unten kahl und hängt in Verkehrsraum über
  • Parthenocissus quinquefolia (Wilder Wein), starkes Wachstum nur bei guten Standortbedingungen, dann häufiger Rückschnitt erforderlich
  • Wisteria (Blauregen, Glycinie), bei guten Bedingungen starkes Wachstum, falls eingeschränkter Raum jährlicher Rückschnitt erforderlich, bildet sonst dicke Polster
  • Polygonum aubertii (Schlingknöterisch), kommt mit fast allen Standorten zurecht, benötigt zum Wachstum aber sehr viel Licht, muss dann mehrfach jährlich geschnitten werden, dünne Ranken können durch dicht vorbeifahrende Fahrzeuge leicht losgerissen werden und sich verfangen, bei eingeschränktem Verkehrsraum nicht zu empfehlen


4. Notwendige Pflegemaßnahmen

Die erforderliche Pflege umfasst bei Begrünungen "im Blumentopf" nicht nur gelegentliche Rückschnitte, sondern auch regelmäßiges Gießen, z.B. mit Hilfe von Gießwagen. Selbst bei ausreichenden Niederschlägen sind die Tröge oft im Regenschatten von Wänden oder Laub, so dass auf das Gießen nicht verzichtet werden könnte. Bei Hauptverkehrsstraßen bedeutet dies häufige "Wanderbaustellen" mit partiellen Fahrbahnsperrungen, weil die Gießwagen halten müssen, um den jeweiligen Kübel ausreichend bewässern zu können.

Auch für die jeweiligen Rückschnitte, die an hohen Wänden z. T. mit Hubsteigern von der Fahrbahn aus gemacht werden müssten, sind die erforderlichen Einzelgenehmigungen mit genauer Terminierung in Form von "Wanderbaustellen" erforderlich.



5. Kosten

Die Investitions- und Folgekosten konnten zwar nicht ermittelt werden, sind aber aufgrund der Gegebenheiten immens und würden das vorhandene Budget des Fachbereichs Umwelt- und Stadtgrün sowohl bei den Personal- als auch bei den Sachkosten deutlich überschreiten.


6. Gesamtbeurteilung

Aus Sicht der Verwaltung gibt es an diesen Extremstandorten mit Stützwänden und Pfeilern so viele Erschwernisse, dass eine zufriedenstellende Begrünung nur mit immensem personellen und finanziellen Aufwand möglich wäre. Des weiteren ist von einer erschwerten Verkehrssicherheitskontrolle im Hinblick auf mögliche Bauschäden und folglich einem höheren Haftungsrisiko für die Eigentümer auszugehen. Weil die meisten Schnellwege bereits an vielen Stellen durchs Grüne führen oder von Grünzügen begleitet werden, z.B. auch die Kaisergabel und der Messeschnellweg, erscheint der Verwaltung die grundsätzlich wünschenswerte Umsetzung der Begrünungen angesichts der Haushaltslage der LHH und des hohen Erfolgsrisikos wirtschaftlich nicht vertretbar.

Kostentabelle

Durch diese Drucksache entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

67.21 
Hannover / 09.10.2020