Informationsdrucksache Nr. 2259/2024:
Erster Bericht der Verfahrenslots*innen in der Landeshauptstadt Hannover

Inhalt der Drucksache:

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2259/2024
 

Erster Bericht der Verfahrenslots*innen in der Landeshauptstadt Hannover

Mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) zum Juni 2021 wurde die Funktion der Verfahrenslots*innen als Rechtsanspruch für Bürger*innen neu aufgenommen. Seit dem 01.01.2024 ist der Einsatz der Verfahrenslots*innen von den jeweiligen örtlichen Trägern der Kinder- und Jugendlichen verpflichtend umzusetzen.

Die Arbeit der Verfahrenslots*innen gliedert sich in zwei Ebenen auf: die einzelfallbezogene Ebene (§ 10b Abs. 1 SGB VIII) und die strukturelle Ebene (§ 10 Abs. 2 SGB VIII). Auf Grundlage des 2. Absatzes ist es Aufgabe der Verfahrenslots*innen, halbjährlich gegenüber dem Jugendhilfeausschuss zu berichten. Dies erfolgt mit Vorlage der Informationsdrucksache sowie einer persönlichen Vorstellung in der Jugendhilfeausschuss- Sitzung im November 2024 und stellt somit einen Auftakt für das zukünftige Berichtswesen der Verfahrenslots*innen der Landeshauptstadt Hannover dar.

Zum 01.05.2024 und zum 01.07.2024 sind die beiden ersten Verfahrenslots*innen Frau Zieb und Frau Kalle gestartet. Organisatorisch sind die beiden Stellen an den Stab der Fachbereichsleitung OE 51 angegliedert. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Leitung des Teams der Verfahrenslots*innen und dem Aufbau dieses neuen Arbeitsbereiches sowie der Unterstützung in der Umsetzung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe gemäß der SGB-VIII-Reform. Dieser Aufgabenbereich begründet sich auf § 10b Abs. 2 SGB VIII. Das Team der Verfahrenslots*innen konnte noch nicht besetzt werden.

Im Folgenden werden die Arbeit der Verfahrenslots*innen der Landeshauptstadt Hannover im Fachbereich Jugend und Familie anhand der gesetzlichen Grundlagen näher erläutert und erste Erfahrungen zu den Tätigkeiten berichtet.

Gesetzlicher Auftrag gem. § 10b Abs. 1 SGB VIII (Einzelfallebene):

„Junge Menschen, die Leistungen der Eingliederungshilfe wegen einer Behinderung oder wegen einer drohenden Behinderung geltend machen oder bei denen solche Leistungsansprüche in Betracht kommen, sowie ihre Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigten haben bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung dieser Leistungen Anspruch auf Unterstützung und Begleitung durch einen Verfahrenslotsen. Der Verfahrenslotse soll die Leistungsberechtigten bei der Verwirklichung von Ansprüchen auf Leistungen der Eingliederungshilfe unabhängig unterstützen sowie auf die Inanspruchnahme von Rechten hinwirken. Diese Leistung wird durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erbracht.* https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__10b.html

Erläuterung zu § 10b Abs. 1 SGB VIII:

Der erste Absatz beschreibt die Aufgaben der Verfahrenslots*innen auf der einzelfallbezogenen Ebene. Er definiert den Kreis der Anspruchsberechtigten. Der Schwerpunkt liegt hierbei in der unabhängigen Unterstützung und Begleitung von jungen Menschen mit (drohender) Behinderung und deren Familien oder Erziehungsberechtigten. Sie sollen den Betroffenen Hilfe bei der Orientierung im Leistungssystem geben und auf die Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe hinwirken. Anspruchsberechtigt sind hierbei junge Menschen bis Vollendung des 27. Lebensjahres sowie deren Eltern, Personensorgeberechtigen und Erziehungsberechtigten. Der Auftrag zur Begleitung und Unterstützung muss dabei durch die anspruchsberechtigten Personen kommen. Die Inanspruchnahme der Verfahrenslots*innen kann dabei zu jedem Zeitpunkt der Leistungsbeantragung oder -gewährung erfolgen, z. B. bevor eine Diagnostik gestellt wird oder wenn ein Antrag bereits abgelehnt wurde. Die Verfahrenslots*innen sind in ihrer Tätigkeit weisungsfrei. Eine Rechtsberatung kann über die Verfahrenslots*innen jedoch nicht erfolgen.

Tätigkeitsbericht und Erfahrungen der Verfahrenslots*innen in der Landeshauptstadt Hannover bzgl. der einzelfallbezogenen Ebene:

Beratungen sind immer einzelfallabhängig und lassen sich nur schwer clustern. In den bisherigen Beratungen sind jedoch erste Schwerpunkte deutlich erkennbar. So ist auffällig, dass besonders junge Volljährige einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf zeigen. Hier ist primär auf den Übergang zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe zu verweisen. Eine der auffälligeren Hintergründe zur Beratung ist der Umgang mit den Careleavern Erläuterung: Careleaver sind junge Erwachsene, die einen Teil ihres Lebens in der stationären Kinder- und Jugendhilfe verbracht haben und sich im Übergang in ein eigenständiges Leben befinden. und der nicht ausreichenden Beratung durch den öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Hier bedarf es mehr Sensibilisierung bei den Fachkräften und der Sicherstellung von Nachbetreuung, so wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Junge Volljährige sollen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Beendigung der Hilfe in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form beraten und unterstützt werden. Auch Sprachbarrieren und die damit einhergehenden Schwierigkeiten im Bereich der Antragsstellung und Antragsbearbeitung nehmen zu. Auffallend ist auch die zunehmende Beratung rund um das Thema Integrations-Kita-Plätze, Frühförderung und Kita-Assistenz. Viele Familien sind überfordert, da ihre Kinder vom Kindergarten suspendiert werden und erst mit entsprechender Begleitung zurückkommen dürfen oder die Kita gar nicht mehr aufnimmt. Die Wartelisten bei den Anbietern sind lang und es gibt auch nicht ausreichend Integrations-Kita-Plätze.

Wichtig ist, an dieser Stelle anzumerken, dass die Beratungstätigkeit der Verfahrenslots*innen aktuell sehr eingeschränkt stattfindet. Aufgrund der bisher weiterhin fehlenden Zustimmung zu den zu besetzenden Stellen, konnten die Öffentlichkeitsarbeit und das damit einhergehende Bekanntmachen der Funktion der Verfahrenslots*innen nur spärlich erfolgen. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass sobald ein Kontakt nach außen erfolgt, Beratungsanfragen folgen. Alle bisher aufgekommenen Beratungsanfragen wurden aufgenommen und bedient. Der Bedarf nach Beratung ist demnach als hoch einzuschätzen. Eine zeitnahe Klärung zur Besetzung der Stellen ist absehbar.

Gesetzlicher Auftrag gem. § 10b Abs.2 SGB VIII (strukturelle Ebene):

„Der Verfahrenslotse unterstützt den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen in dessen Zuständigkeit. Hierzu berichtet er gegenüber dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe halbjährlich insbesondere über Erfahrungen der strukturellen Zusammenarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, insbesondere mit anderen Rehabilitationsträgern.“ https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__10b.html

Erläuterung zu § 10b Abs. 2 SGB VIII:

Der zweite Absatz beschreibt den Aufgabenbereich der Verfahrenslots*innen auf der strukturellen Ebene. Zum 01.01.2028 sollen im Rahmen der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe alle Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit (drohender) Behinderung in die Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe überführt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der vorliegende Referentenentwurf zur SGB-VIII-Reform als Gesetz (das inklusive Kinder- und Jugendhilfegesetz) zum 01.01.2027 beschlossen wird. Aufgabe der Verfahrenslots*innen ist es hierbei, den öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu begleiten und zu unterstützen. Die Verfahrenslots*innen werden halbjährlich über den Fortschritt der inklusiven Kinder-und Jugendhilfe berichten. Im nächsten Bericht sollen zudem erste Fallzahlen der Beratungen, Beratungsschwerpunkte und Herausforderungen konkreter dargestellt werden.

Anbei übersenden wir zur Kenntnis des ersten Bericht der Verfahrenslots*innen gemäß Anlage 1.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

entfällt

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.P 
Hannover / Nov 14, 2024