Drucksache Nr. 2179/2022 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der FDP-Fraktion zum Umgang mit "Schrotträdern"
in der Ratssitzung am 29.09.2022, TOP 3.9.1.

Inhalt der Drucksache:

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2179/2022 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der FDP-Fraktion zum Umgang mit "Schrotträdern"
in der Ratssitzung am 29.09.2022, TOP 3.9.1.

Aha sammelt regelmäßig Räder im Straßenraum ein, die offensichtlich nicht mehr genutzt werden. Sie sind entweder so defekt, dass eine Nutzung ausgeschlossen werden kann, oder sie wurden trotz Aufforderung, sie zu entfernen, nicht bewegt. Dieses Vorgehen ist im Sinne der öffentlichen Ordnung sowie der Verkehrssicherung sinnvoll und in Anbetracht der wachsenden Zahl von Fahrrädern in der Stadt auch unbedingt erforderlich. AHA erklärt in der Pressemitteilung vom 26.7.2022 „Die Fahrräder werden dokumentiert (Hinweisgeber, Foto, Rahmengestell-Nummer, Farbe) und anschließend mit einem Presswagen verschrottet. Mit dieser Vorgehensweise wird sichergestellt, dass aha durch die Eigentümer weder strafrechtlich noch zivilrechtlich belangt werden kann.“
Im Sinne der Ressourcenschonung und Müllvermeidung ist dieses Vorgehen nicht zu begrüßen. Obgleich aha selbstverständlich rechtssicher handeln muss, stellt sich die Frage, ob es nicht rechtssichere und zugleich, im Sinne des Recyclings, vernünftigere Lösungen gibt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung
1. Auf welche Straf- und zivilrechtlichen Regelungen bezieht sich die Aussage von aha. Liegen dazu Urteile und Entscheidungen bundesdeutscher Gerichte vor? Wenn ja, wie lauten sie?

2. Lässt die rechtliche Einordnung als Müll eine andere Weiterverwertung als die Schrottpresse (mit anschließender Rohstoffverwertung) grundsätzlich zu, wodurch z.B. technische Aufbereitung und Wiedernutzbarmachung oder Weitergabe an Jugendinitiativen oder Flüchtlingsunterkünfte zur Wiedernutzbarmachung möglich wäre?

Text der Antwort

Frage 1: Auf welche Straf- und zivilrechtlichen Regelungen bezieht sich die Aussage von aha? Liegen dazu Urteile und Entscheidungen bundesdeutscher Gerichte vor? Wenn ja, wie lauten sie?

Der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) bearbeitet „Schrotträder“ auf Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.

Für die tatsächliche Handlung (Entfernung des Schrottrades) ist die Abfalldeklaration (§ 3 Abs. 1-3 KrWG) entscheidend. Trifft diese auf ein Fahrrad zu, ist es nach §§ 17, 20 KrWG in Verbindung mit § 4 der Verbandordnung dem öffentlichen Entsorgungsträger zu überlassen. Entscheidend ist, dass das Rad eindeutig als Abfall/Schrott zu deklarieren ist und nicht einfach nur als störend empfunden wird.

Zur Bestimmung der Abfalleigenschaft ist es nicht ausreichend, dass die Reifen platt sind oder das Rad nicht mehr neuwertig erscheint. Vielmehr prüfen die Abfallfahnder*innen unter anderem den Zustand der Kette, der Bremsen und natürlich auch den allgemeinen Eindruck. Stellen die Fahnder fest, dass das Rad sehr lange nicht mehr bewegt wurde, und dies auch nicht mit kleinem Aufwand zu bewerkstelligen ist, erhält das Rad einen Aufkleber. Auf diesem befindet sich das Datum, wann das Fahrrad entfernt wird (Zeitraum von 4 Wochen). Der/ die Besitzende hat dann den genannten Zeitraum, um zu dokumentieren, dass das Fahrrad nicht als Abfall anzusehen ist, indem er/sie den Aufkleber beseitigt und im besten Falle das Rad zwecks Instandsetzung aus dem öffentlichen Raum entfernt, bzw. mindestens an einen anderen Abstellort verbringt. Geschieht dies nicht, ist offenbar, dass Eigentümer*Innen das Fahrrad als Abfall ansieht. Aha wird nach Ablauf der Frist am benannten Tag tätig und entfernt das Rad, um dies zu verschrotten.

Sofern keine Abfalleigenschaft vorliegt, könnten Tatbestände des Straf- (insbes. Eigentumsdelikte wie Sachbeschädigung und Diebstahl StGB) oder des Zivilrechts (z.B. Schadensersatz nach § 823 BGB) durch die Entfernung des „Schrottrades“ verwirklicht werden. (vgl. AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 20.07.2012, AZ 23 C 9/12; BVerwG, Urteil vom 29.01.2004, Az: 3 C 29.03; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages WD 7-3000-108/20 vom 15.10.2020)

Frage 2: Lässt die rechtliche Einordnung als Müll eine andere Weiterverwertung als die Schrottpresse (mit anschließender Rohstoffverwertung) grundsätzlich zu, wodurch z.B. technische Aufbereitung und Wiedernutzbarmachung oder Weitergabe an Jugendinitiativen oder Flüchtlingsunterkünfte zur Wiedernutzbarmachung möglich wäre?

Bei dem Wiederinverkehrbringen von Schrottfahrrädern spielt zum einen die zuvor festgestellte Abfalleingenschaft eine entscheidende Rolle. Diese wird dann angenommen, wenn eine Instandsetzung technisch oder wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Eine Instandsetzung und Wiederverwendung ist nach dem Abfallrecht für Abfälle nicht vorgesehen. Ein bestehender Abfall ist zu recyceln, verwerten oder zu beseitigen. Aha ist als öffentlich-rechtlicher Entsorger nur für Abfälle zuständig. Da aha zertifizierter Entsorgungsbetrieb ist, dürfen Abfälle auch nur an zertifizierte Entsorgungsbetriebe weitergegeben werden.

Aha prüft, ob das bisherige Verfahren geändert werden kann, mit dem Ziel einer Wiedernutzbarmachung. Hierfür befindet man sich mit andere niedersächsischen Kommunen im Austausch. Im Anschluss daran wird aha mögliche neue Wege beraten.