Drucksache Nr. 2161/2003:


Konzept zur Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Informationen:

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2161/2003 (Originalvorlage)

Beratungsverlauf:

Nachrichtlich:

  • Stadtbezirksrat Herrenhausen-Stöcken

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Sozialausschuss
In den Jugendhilfeausschuss
In den Migrationsausschuss
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
An den Stadtbezirksrat Herrenhausen-Stöcken (zur Kenntnis)
 
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2161/2003
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BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt



Konzept zur Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Antrag,

die Umsetzung des folgenden Konzeptes zu beschließen :

- Die Jugendlichen werden in der Gemeinschaftsunterkunft Haltenhoffstr. 181 und in einer Wohngruppe untergebracht,

- die bis zum 14.10.2003 durch EU-Mittel finanzierte zusätzliche Betreuung wird für die Zeit danach nicht durch städtische Zusatzleistungen ausgeglichen.

Begründung

1.1 Ausgangslage

Mit der Drucksache Nr. 1680/2001 ”Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen” wurde die Verwaltung aufgefordert, in Zusammenarbeit mit Mitgliedern des "Runden Tisches für ein interkulturelles Hannover - gegen Rassismus, Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit" sowie dem Referat für Interkulturelle Angelegenheiten ein Belegungskonzept für Flüchtlingswohnheime sowie eine


Weiterentwicklung des Konzeptes zur Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (im Folgenden UMF ) zu erstellen.
Das Konzept zur Unterbringung ausländischer Flüchtlinge ist mittlerweile beschlossen worden (Beschlussdrucksache Nr. 0693/2002 ), wobei die Entwicklung des Konzeptes zur Unterbringung von UMF bewusst zurück gestellt wurde.

Definition und Verfahren

Bei UMF handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Eltern ins Exilland eingereist und dort auf sich alleine gestellt sind. Auch bei Anwesenheit von Verwandten gelten sie als unbegleitet.


”Die Gründe, die dazu führen, dass Minderjährige allein auf den Weg in die Bundesrepublik geschickt werden, sind vielschichtig. Sie spiegeln das ganze Drama der weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen wider – Krieg, politische Repressionen, Diskriminierung von Minderheiten oder unerträgliche Armut und Perspektivlosigkeit sind als Fluchtursachen zu nennen.” (aus ”Allein im Exil”, herausgegeben von der Bundesbeauftragten für die Belange der Ausländer).
Die Notwendigkeit eines besonderen Verfahrens mit UMF wird auch im ”Integrationsplan” des Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, u. a. in: ”Leitlinien und Selbstverständnis der Landesregierung im Integrationsprozess” deutlich: ”Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind generell Zielgruppe von Integrationsmaßnahmen und – bemühungen unabhängig von ihrer Nationalität, der Herkunft der Eltern, dem eigenen oder elterlichen ausländer- oder asylrechtlichen Status. Dem Bedarf und Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf Förderung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung ist Rechnung zu tragen.”




Im Einzelnen wird folgendes veranlasst:
Vom Fachbereich Jugend und Familie wird die Einrichtung einer Vormundschaft beim Amtsgericht (Privat- oder Amtsvormund) beantragt.

Kinder und Jugendliche, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden in Jugendhilfeeinrichtungen oder, wenn möglich, bei Ihrem Vormund untergebracht.

Gemäß § 12 Asylverfahrensgesetz sind Ausländer, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig (asylmündig).


Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen nach § 53 (1) AsylVfG in der Regel in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch die Belange des Ausländers zu berücksichtigen. Um die Belange der über 16-jährigen UMF zu berücksichtigen, wird bei jedem UMF ein Bedarf an erzieherischen Hilfen gem. SGB VIII durch den Fachbereich Jugend und Familie geprüft und ggf. umgesetzt.

1.3 Bisherige Entwicklung

In den Jahren 1997/1998 wurden die Grundsätze über den Betrieb von Flüchtlingswohnheimen neu überarbeitet. An der Überarbeitung der Grundsätze wurden auch die Mitglieder des "Runden Tisches für ein interkulturelles Hannover - gegen Rassismus, Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit" beteiligt. Dabei stellte sich heraus, dass es hinsichtlich der UMF noch einige Fragen zu klären gab. Daher wurde im Jahr 1998 zur weiteren Bearbeitung der deutlich gewordenen Problematiken eine gesonderte Arbeitsgruppe gebildet, die sich aus Mitgliedern des
o. g. Runden Tisches, des Kommunalen Sozialen Dienstes des Fachbereiches Jugend und Familie sowie des Fachbereiches Planen und Stadtentwicklung zusammensetzt.



In dieser Arbeitsgruppe wurde ein Konzept zur Unterbringung derjenigen UMF entwickelt, die in einer Gemeinschaftsunterkunft mit Wohnraum versorgt werden. Ergebnis war, die Unterbringung dieser UMF vorrangig zusammen in einer Gemeinschaftsunterkunft vorzusehen und außerdem eine Wohngruppe einzurichten.





Die Wohngruppe bietet Platz für 4 UMF bzw. junge Erwachsene und wird derzeit stundenweise durch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) sowie dem Diakonischen Werk betreut. Voraussetzung für eine Unterbringung in der Wohngruppe ist ein gewisses Maß an Selbständigkeit, da hier nur eine stundenweise Betreuung stattfindet.

Als Gemeinschaftsunterkunft wurde das Wohnheim Davenstedter Str. 109 bis zu seiner Schließung zum 30.06.2003 genutzt.
Seit dem 01.07.2003 sind die UMF in dem Wohnheim Haltenhoffstr. 181/183 untergebracht. Hier werden derzeit insgesamt bis zu 120 ausländische Flüchtlinge sowie Aussiedler betreut. Das Wohnheim setzt sich zusammen aus 2 Gebäuden mit jeweils 5 Etagen. Pro Etage bieten 12 der Zimmer Platz für 1 Person, 2 Zimmer Platz für 2 Personen sowie ein Zimmer Platz für 3 Personen. Des Weiteren sind eine Gemeinschaftsküche, Gemeinschaftsduschen und Gemeinschaftstoiletten vorhanden.

Die erforderlichen Plätze für die Unterbringung von UMF werden auf einer eigenen Etage vorgesehen. Durch diese Einteilung hat jeder Jugendliche ein eigenes Zimmer zur Verfügung. Ein größeres Zimmer pro Flur ist als Gemeinschaftsraum eingerichtet. Ein bis zwei Zimmer sind jeweils für die Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen gedacht, so dass hier auch Einzelgespräche mit den UMF geführt werden können.

Die im Flur frei bleibenden Zimmer können zur Unterbringung der volljährig gewordenen UMF genutzt werden, so dass der Kontakt und die Betreuung nicht mit Vollendung des 18. Lebensjahres abrupt für den jungen Erwachsenen abbrechen.

Um eine den Bedürfnissen der Jugendlichen - im Jahr 2002 erfolgte eine Unterbringung von durchschnittlich 17 UMF - entsprechende Betreuung sicher zu stellen, wurden sie anfangs durch 2 ABM-Kräfte betreut. Im Jahr 2000 wurde nur noch eine Stelle vom Arbeitsamt bewilligt. Die AB-Maßnahme im Wohnheim Davenstedter Str. 109 ist zum 14.10.2002 ausgelaufen.

Seit dem 15.10.2002 unterstützt der Europäische Flüchtlingsfonds die Beratung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge u. a. durch die Finanzierung einer Personalstelle.



Da die Finanzhilfe durch den Europäischen Flüchtlingsfonds bis zum 14.10.2003 befristet ist, stellt sich die Frage, wie die Betreuung der UMF künftig organisiert werden kann.

1.4 Derzeitiger Sachstand (11.09.2003) / Entwicklung der UMF-Zahlen

In der Wohngruppe sind derzeit 3 junge Erwachsene sowie 1 UMF untergebracht und im Wohnheim Haltenhoffstr. 181/183 leben gegenwärtig 10 Personen.



Die Zahlen der unterzubringenden UMF waren im letzten halben Jahr deutlich rückläufig. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der unterzubringenden UMF regelmäßig schwanken wird. Mussten in den Jahren 2001 und 2002 zeitweise 18 bis 22 UMF betreut werden, rechnen wir momentan mit einer Unterbringung von 10 bis 12 UMF.

2. Zukünftige Unterbringung

Vom Fachbereich Jugend und Familie wird innerhalb der ersten Woche nach Zuweisung nach Hannover geprüft, ob ein erzieherischer Bedarf vorliegt.


UMF, die der Hilfe zur Erziehung bedürfen, werden in Einrichtungen oder Maßnahmen der Jugendhilfe betreut.

Für die UMF, für die bei der Erstüberprüfung kein Bedarf an Hilfe zur Erziehung gem. SGB VIII (Sozialgesetzbuch) festgestellt wurde und die auf Grund von ausländerrechtlichen Auflagen oder anderen Gründen nicht privat untergebracht werden können, ist eine Unterbringung in einer speziellen Gemeinschaftsunterkunft mit zusätzlicher sozialpädagogischer Betreuung vorgesehen. Auch bei Nichtfeststellen eines Bedarfs nach SGB VIII ist in jedem Fall ein Betreuungsbedarf vorhanden, der sich aus der besonderen Lebenssituation der UMF begründet.

Die gemeinsame Unterbringung und sozialpädagogische Betreuung erleichtert dem UMF seine besondere Lebenssituation und ermöglicht einen engen Kontakt zwischen den zuständigen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern des Fachbereiches Jugend und Familie, den (Amts-)Vormündern und den Jugendlichen. Zwischen dem Fachbereich Jugend und Familie, dem Vormund, dem UMF und den Betreuerinnen/Betreuern findet ein regelmäßiger



Austausch über den Entwicklungsstand, Aufenthalts-, Gesundheits-, Sozialhilfefragen etc. den UMF betreffend statt. Wenn sich daraus neue Hilfebedarfe ergeben, sind die notwendigen Schritte bzw. Maßnahmen einzuleiten.

Darüber hinaus muss diese intensive Betreuung als Präventivmaßnahme gesehen werden. Die Gefahr, dass die Jugendlichen in die Straffälligkeit abrutschen oder anderweitig auffällig werden, wird deutlich gemindert und somit werden Mehrkosten in der Jugendhilfe vermieden.

Eine Unterbringung in der Wohngruppe kommt erst in Betracht, wenn der Jugendliche gezeigt hat, dass er über ein gewisses Maß an Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein verfügt.

Um eine eingehendere und kontinuierlichere Betreuung der Jugendlichen sicherstellen zu können, wäre nach dem 14.10.2003 (Ablauf der EU-Mittel) eine feste Stelle zu schaffen. Dies würde Kosten von 47.000 € jährlich verursachen.

Die Forderung des Runden Tisches ist es, in jedem Falle eine Betreuung abzusichern. Angesichts der Finanzlage kann jedoch eine Deckung von Seiten der Verwaltung nicht angeboten werden.

Die Wohngruppe soll in ihrer jetzigen Form bestehen bleiben. Die Einrichtung einer weiteren Wohngruppe kommt derzeit nicht in Betracht, weil gegenwärtig keine ausreichende Anzahl an Jugendlichen vorhanden ist, die für diese Unterbringungsform geeignet sind.

Die Tragfähigkeit des Unterbringungskonzeptes wird von den Vertreterinnen des Runden Tisches und der Verwaltung kontinuierlich beobachtet, ggf. modifiziert und fortgeschrieben.
 61.4
Hannover / 13.10.2003