Informationsdrucksache Nr. 2116/2013:
Netzwerk Demenz;
- Perspektiven im Kommunalen Seniorenservice Hannover (KSH) im Hinblick auf das auslaufende Projekt Bürgerarbeit

Inhalt der Drucksache:

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2116/2013
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Netzwerk Demenz;
- Perspektiven im Kommunalen Seniorenservice Hannover (KSH) im Hinblick auf das auslaufende Projekt Bürgerarbeit

Mit den Informationsdrucksachen Nr. 0499/2011 N1 und Nr. 2552/2012 hatte die Verwaltung zur Bürgerarbeit und zum Einsatz der Bürgerarbeit im Netzwerk Demenz berichtet. Mit Haushaltsbegleitantrag (Drucksache Nr. 0312/2013) wurde die Verwaltung zudem aufgefordert, ein Konzept „Unterstützung für Familien mit dementen Angehörigen“ insbesondere im Hinblick auf die auslaufende Bürgerarbeit zu erstellen.

Die Beschäftigung von Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeitern auf dem Feld der Betreuung von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, ist nicht das einzige Element im „Netzwerk Demenz“ im Fachbereich Senioren. Zu nennen wären insbesondere noch die Gruppen- und Einzelangebote im Kompetenzzentrum Demenz Heinemanhof wie auch die Begleitung von Einzelpersonen im Rahmen ehrenamtlichen Engagements. Die Bürgerarbeit ist aber zum wichtigen Glied im Netzwerk Demenz geworden. Da die Bürgerarbeit seitens der Arbeitsverwaltung als dreijähriges gefördertes Modellprojekt angelegt ist, ein gleichartiges oder wenigstens ähnliches Nachfolgemodell noch nicht ersichtlich ist, ist die auslaufende Bürgerarbeit im Netzwerk Demenz nicht ohne weiteres zu kompensieren.


1. Stand der Bürgerarbeit im KSH

Seit dem 01.10.2011 sind im KSH 14 Bürgerarbeitsplätze für die Betreuung in der privaten Häuslichkeit eingerichtet, um Seniorinnen und Senioren in der Alltagsbewältigung zu unterstützen. Begleitet werden Menschen mit einer leichten Demenz oder jene, die sonst erheblich gesundheitlich eingeschränkt sind. Gleichzeitig unterstützen die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter Haushalte mit Mangelsituationen (kognitive Einschränkungen, fehlende Zuwendung u. a.). Rund zwei Drittel der Einsätze gehen auf Impulse der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der mobilen Einzelfallhilfe des KSH als Krisenintervention zurück. Weitere Einsätze erfolgen auf Veranlassung der Pflegebegutachterinnen im KSH, der Akteure außerhalb des Fachbereichs Senioren oder erfolgen auch nach Selbstmeldung. Die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter werden entsprechend den Vorgaben des Bundesverwaltungsamtes eingesetzt. Mit der aktivierenden Unterstützung und Begleitung wird in vielen Fällen erreicht, dass ältere Menschen weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben können.

Im Juni 2013 wurden 120 Seniorinnen und Senioren in Hannover bei der Alltagsbewältigung durch die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter unterstützt.

Im dritten Quartal 2013 war die Weiterbeschäftigung von acht Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeitern leider nicht mehr möglich. Aus Rechtsgründen war eine nochmalige befristete Verlängerung der Beschäftigungsverhältnisse in Bürgerarbeit bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu Projektbeginn noch nicht das 53. Lebensjahr erreicht hatten, nicht möglich.

Die Bürgerarbeitsplätze als solche könnten zwar für die Restlaufzeit des Projektes mit anderen Personen besetzt werden, es hat sich aber als schwierig herausgestellt, Ersatz für die ausgeschiedenen Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter zu finden. Lediglich zehn vom Jobcenter aktivierte Arbeitssuchende meldeten sich für Vorstellungsgespräche an. Davon erschienen nur sieben. Von den sieben Arbeitssuchenden, die sich vorgestellt hatten, waren letztlich noch zwei Arbeitssuchende am Projekt des KSH interessiert. Einer der beiden hat sich nach Hospitationen sowohl im KSH als auch im Bereich der Alten- und Pflegezentren schließlich für eine Tätigkeit im KSH entschieden.

Es stehen demzufolge dem KSH augenblicklich insgesamt nur noch sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Bürgerarbeit (längstens bis zum Projektende mit dem September 2014) zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund war es notwendig, alle begleiteten Haushalte über drohende Einschnitte in der Betreuung zu informieren. Ferner mussten Dienste angepasst werden.


2. Bewertung der Bürgerarbeit im Aufgabenfeld Demenz

Die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen im Aufgabenfeld Demenz war zuvor nicht erprobt. Aus fachlicher Sicht ist auch nicht jede Person geeignet, im Rahmen der Bürgerarbeit erfolgreich wirken zu können. Aus diesem Grunde wurde bereits zu Beginn besondere Sorgfalt auf die Personalauswahl gelegt.

Nachdem Anfangsschwierigkeiten überwunden waren, haben sich die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter sehr bewährt; Bürgerarbeit hat sich zu einem wichtigen Dienst und wertvollen Beitrag im Netzwerk Demenz entwickelt. Die Verwaltung hat dazu bereits mit Drucksache 2552/2012 berichtet.

Wie die Bürgerarbeit von den Seniorinnen und den Senioren selbst erlebt wird und wie Hauptamtliche den Dienst beurteilen, möge ergänzend die kleine Auswahl an Rückmeldungen belegen, welche in der Anlage aufgelistet ist.


3. Fazit

Die Einführung von Bürgerarbeit im KSH hat gezeigt, dass es einen hohen Bedarf an diesem niedrigschwelligen Angebot gibt. Die Anfragen stiegen kontinuierlich an. Im September 2012 waren es 81 betreute Haushalte, zu Beginn des dritten Quartals 2013 nahmen indes bereits 120 Seniorinnen und Senioren Unterstützung in Anspruch.

Die Bürgerarbeit kann insbesondere auch solche Haushalte unterstützen, bei denen die Voraussetzungen des § 45 b SGB XI – anerkanntes Angebot zur niedrigschwelligen Betreuung - nicht (oder noch nicht) vorliegen. Begleitung und Unterstützung im Alltag benötigen allerdings, und dies zeigen die Zahlenanstiege bei der Nachfrage deutlich, auch diejenigen Seniorinnen und Senioren, denen Immobilität und Einschränkungen im Alter zusetzen oder die mit erheblichen finanziellen Einschränkungen leben müssen, wobei solche Situationen auch immer Auswirkungen auf das soziale Leben und den gesundheitlichen Zustand haben.

Die Bürgerarbeit kann in solchen Fällen unbürokratisch und flexibel, sehr niedrigschwellig sowie ohne Kosteneinforderung Hilfe und Unterstützung – auch zur Selbsthilfe - anbieten. Es genügt die Einschätzung hauptamtlicher Pflegekräfte und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die Einblick in die häusliche Situation haben. Bei Selbstmeldern entscheidet die Koordinatorin für die Bürgerarbeit nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls.

Die recht unbürokratische Arbeitsweise sorgt insbesondere bei drohender oder bereits vorhandener Armut, prekären Lebensverhältnissen und Mangelsituationen (kognitive Einschränkungen, fehlender Zuwendung u. a.) für eine schnelle Entlastung.

Als weiterer Leitgedanke des Modellvorhabens „Bürgerarbeit“ gilt neben dem generellen gesellschaftlichen Nutzen der Bürgerarbeit, individuell Langzeit-Arbeitsuchende über die Bürgerarbeit wieder in das Arbeitsleben zu integrieren.

Im Arbeitsfeld des KSH – Begleitung von Menschen mit Demenz - hat allerdings nur eine Person den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt geschafft, obwohl sich einige Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter, die Koordinatorin der Bürgerarbeit im KSH sowie der Sozialarbeiter der Beschäftigungsförderung im Fachbereich Soziales sehr um diese Entwicklung bemüht hatten. Die übrigen sehr gut geschulten und inzwischen auch praktisch versierten ehemals Langzeit-Arbeitssuchenden im Projekt Bürgerarbeit mussten trotz der sehr guten Arbeit und der positiven Erfahrungen aus den bereits erwähnten Gründen wieder in die Arbeitssuche entlassen werden.


4. Perspektiven nach Auslauf des Modellvorhabens Bürgerarbeit im KSH

Ohne Folgeprogramm für Bürgerarbeit wird es nicht leicht sein, die Lücke zu schließen, welche der Wegfall der Bürgerarbeit zu hinterlassen droht.

Die Einrichtung einer entsprechenden Anzahl von nicht geförderten Dauerarbeitsplätzen zur Betreuung von an Demenz erkrankten Personen dürfte schon wegen Fehlens eines zuständigen Kostenträgers ausscheiden.

Größere Chancen sieht die Verwaltung in einer Nutzung des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ), des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) und des ehrenamtlichen Engagements.

Neben dem Problem der Gewinnung einer ausreichenden Zahl von interessierten Geeigneten, benötigen ehrenamtlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zudem Betreuung und Begleitung; ohne weitere hauptamtliche Unterstützung sind auch hier die Kapazitäten begrenzt.

Erste Schritte zur Schließung der sich abzeichnenden Lücken hat die Verwaltung bereits unternommen:


- FSJ:
Nach Vorüberlegungen und Sondierungsgesprächen bereits im November 2012 eröffnet der KSH nun erstmals jungen Menschen, die sich in der beruflichen Orientierung befinden, die Möglichkeit eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). Der Fachbereich Senioren ist insoweit Kooperationspartner der Türkischen Gemeinde Niedersachsen e. V., die auch Trägerin des FSJ ist. Über die Trägerin werden Freiwillige gewonnen und zugleich wird dort die Personalverwaltung sichergestellt. Ihr obliegt auch die Gestaltung der über das gesamte Jahr verteilten 25 Bildungs- und Orientierungstage, die Teil des FSJ-Programms sind.

Zwei 19-jährige Frauen mit Zuwanderungsgeschichte haben am 01.09.2013 ihr Vollzeitengagement im KSH angetreten. Der KSH stellt Einsatzmöglichkeiten für die jungen Frauen bereit, die sich zu einem großen Teil mit den Dienstleistungen der Bürgerarbeit decken. Darauf werden sie – wie bereits die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter – in der DUO-Schulung zur Alltagsbegleitung vorbereitet.

Pro FSJ-Platz entstehen dem FB Senioren bei einem Vollzeitengagement Kosten in Höhe von monatlich 684,55 € (zum Vergleich: Der Netto-Aufwand der LHH für Bürgerarbeit beträgt ohne Berücksichtigung der Anleitungskosten durchschnittlich pro Platz knapp 250 € monatlich).


- BFD:
Der Wegfall des Zivildienstes hat nicht zu einem sofortigen Ansturm auf die Tätigkeitsfelder des KSH durch Interessierte geführt, es musste wohl auch erst bekannt werden, dass dieser Dienst nicht nur jungen Menschen offen steht.

Erstmals starteten zwei in der Alltagsbegleitung bereits geschulte und lebenserfahrene Frauen (30-jährig und 61-jährig) zeitgleich mit den Ehrenamtlichen im FSJ ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) in Teilzeit (21 Stunden/Woche). Beide Mitarbeiterinnen im BFD werden in der Alltagsbegleitung nach Krisenintervention eingesetzt. Erste Einsätze wurden bereits eigenständig übernommen. Zum 1.10.13 konnte ein weiterer Freiwilliger im Rahmen des BFD gewonnen werden - ein 52-jähriger Mann, der aufgrund seines beruflichen Hintergrundes vor allem im Bereich der anstehenden Projekte „Lokale Allianzen für Demenz“ und „Besser leben im Alter durch Technik“ eingesetzt werden wird. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zahlt bei lebensälteren Freiwilligen einen nahezu kostendeckenden Zuschuss. Die Plätze im BFD sind allerdings kontingentiert. Eine Aufnahme von Freiwilligen in das Programm bedarf einer entsprechenden Kostenzusage des Bundes.

- Ehrenamtliches / Freiwilliges Engagement:
Um dem stetig ansteigenden Bedarf an Alltagsbegleitung weiterhin gerecht werden zu können, ist insbesondere daran gedacht, weitere Freiwillige für dieses Aufgabengebiet zu gewinnen.
Dafür sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich:

Die schon in der Alltagsbegleitung engagierten Ehrenamtlichen (insgesamt 16 Personen) übernehmen in der Regel einen Einsatz pro Woche. Das hieße, um den Wegfall der Bürgerarbeit vollständig zu kompensieren, müssten etwa weitere 100 Ehrenamtliche in dieses Engagement einsteigen, was illusorisch erscheint. Hinzu kommt, dass das freiwillige Engagement auch die Anbindung an ein Hauptamt benötigt. Die Koordinierung von über 100 Ehrenamtlichen ist im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen von einer halben Stelle nicht zu leisten. Dennoch stehen die drei genannten Rekrutierungsfelder - in Abhängigkeit von den jeweiligen Ressourcen - grundsätzlich zum Auffang des Fortfalls der bisherigen Bürgerarbeitsplätze im Themenfeld Demenz zur Verfügung.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das Netzwerk Demenz kommt prinzipiell beiden Geschlechtern zu Gute.

Kostentabelle

Mit dieser Information ist keine Entscheidung über Haushaltsmittel verknüpft.

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Hannover / 10.10.2013