Informationsdrucksache Nr. 2068/2020:
Ambulante Hilfen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten
Projekte des Fachbereichs Soziales zur Aktivierung und Unterstützung

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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2068/2020
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Ambulante Hilfen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten
Projekte des Fachbereichs Soziales zur Aktivierung und Unterstützung

Rahmenbedingungen der Leistungen nach dem SGB XII für Personen in „besonderen sozialen Schwierigkeiten“
Das zwölfte Sozialgesetzbuch beinhaltet unterschiedlichste Hilfen für Menschen in „besonderen sozialen Schwierigkeiten“. Der Gesetzgeber beschreibt diese als Unterstützung für Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind und denen Leistungen zur Überwindung der Schwierigkeiten zu erbringen sind, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind.
Seit dem 01.01.2020 ist das Land Niedersachsen zuständig für die Leistungen für Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Region Hannover (im weiteren Text: „Region“) wurde zur Umsetzung herangezogen. Die Landeshauptstadt Hannover wurde wiederum von der Region mit der Bearbeitung der Einzelfallhilfe beauftragt. Dieses gilt für die ambulanten und stationären Hilfen. In den übrigen Kommunen ist die Region weiterhin für die stationären Hilfen zuständig und hat nur die Bearbeitung der ambulanten Leistungen an die Kommunen abgegeben.
Unterstützung für jüngere Menschen (unter 18 Jahren) ist grundsätzlich eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe und fällt nicht unter diese Hilfeform.
Die Leistungen nach § 67 SGB XII sind grundsätzlich einkommens- und vermögensunabhängig, jedoch sind nach § 23 SGB XII Ausländerinnen und Ausländer je nach Aufenthaltsstatus von den Leistungen gem. § 67 SGB XII ausgeschlossen. Insbesondere betroffen ist hier der Kreis der EU-Bürger*innen. Finden sie nach der Einreise keine Beschäftigung in Deutschland, verlieren sie in der Regel ihre Freizügigkeitsberechtigung. Auch wenn sie in besonderen sozialen Schwierigkeiten leben, haben Sie weder einen Anspruch auf die existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII und SGB II noch auf Unterstützungsangebote nach dem § 67 SGB XII.
Für die Landeshauptstadt Hannover ist die Inanspruchnahme der Unterstützung im Einzelfall kostenneutral, da die Leistungen im Auftrag der Region bewilligt und 1:1 erstattet werden.
Folgende Angebote sind insgesamt besonders für die Wohnungslosenproblematik interessant:

Stationäre Hilfen
Bei dieser Leistung wohnt die Person in einer Einrichtung und erhält dort eine sozialpädagogische Unterstützung.
Derzeit gibt es in Hannover 320 stationäre Plätze für Männer und 18 Plätze für Frauen. Weitere 12 Plätze werden geschlechtsunabhängig nach Bedarf belegt. Angebote für Familien gibt es derzeit nicht. Mit 50 Plätzen gibt es zudem ein „Heim“-Angebot für Männer, für die die Ziele der stationären § 67-Hilfe nicht mehr erreichbar sind und ein eigenständiges Wohnen nicht mehr möglich ist.

Ambulante Leistungen
In der Region Hannover werden aktuell drei Varianten angeboten, die in einer eigenen Wohnung, in einer Obdachlosenunterkunft oder auch ohne Wohnung genutzt werden können.
· Flächenorientierte Hilfe
Die flächenorientierte Hilfe richtet sich überwiegend an Personen ohne eigenen Wohnraum, welche die Beratungsstelle aufsuchen.
· Ambulant begleitetes Wohnen
Beim ambulant begleiteten Wohnen werden die Hilfesuchenden in ihrem Wohnraum aufgesucht und unterstützt.
· Pädagogisches Grundangebot
Das sozialpädagogische Grundangebot ist gekoppelt an die Bereitstellung von Wohnraum durch den Anbieter. Die Mieter werden langfristig durch den Anbieter in ihrem Wohnumfeld begleitet.
Diese inhaltliche Arbeit wird durch externe Träger*innen erbracht, die eine Leistungsvereinbarung mit der Region Hannover abgeschlossen haben. Wer konkret die Leistung erbringt, entscheiden die betroffenen Menschen selbst und suchen sich die entsprechenden Anbieter*innen aus. Nach der Beantragung der Hilfen wird jeweils der Umfang der erforderlichen Unterstützung ermittelt (Hilfeplanung) und in einem Bescheid festgelegt.
Der Fachbereich Soziales bearbeitet den Antrag auf Leistung, berät und unterstützt.

Wichtig sind folgende Punkte:
Die Leistung ist einkommensunabhängig und kann bei Vorliegen eines Unterstützungsbedarfs zum Beispiel auch dann gewährt werden, wenn auf Grund eines Renteneinkommens kein Anspruch auf Grundsicherung im Alter besteht.
Mit den Projekten kann das Angebot nur intensiv beworben werden und der Zugang erleichtert werden. Ob er / sie das Angebot annimmt und wie lange es genutzt wird, ist eine individuelle Entscheidung. Eine Umsetzung kann nur bei persönlicher Bereitschaft und Mitarbeit erfolgen.
Stand Juli 2020 wird das Angebot von 206 Personen genutzt. Es handelt sich um 51 Frauen und 155 Männer.
Der Fachbereich Soziales plant einen Ausbau der Nutzung dieser Hilfe. Betroffene Menschen haben einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Hilfe, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Der Fachbereich Soziales will bei der Realisierung dieses Anspruches unterstützen. Hierfür ist unter anderem eine stärkere Bewerbung und Information über das Angebot erforderlich. Gleichzeitig müssen Netzwerkstrukturen aufgebaut werden.
1. Projekt „Aktivierung in städtischen Unterkünften“
Menschen, die in Unterkünften der Stadt leben, nutzen in Einzelfällen bereits jetzt Unterstützung nach § 67 SGB XII. Dieses sind in der Regel Personen, die bereits an Beratungsstellen angebunden sind – teilweise bestand der Kontakt vor Eintritt der Obdachlosigkeit. Wer das etablierte Hilfesystem nicht kennt, ist oft über die Unterstützungsmöglichkeiten nicht informiert und nutzt es daher nicht.
Ambulante Unterstützung im Obdach kann Betroffenen dabei unterstützen, die individuelle Lebenssituation zu verbessern, Perspektiven zu entwickeln, konkrete Schritte „heraus aus dem Obdach“ zu planen und umzusetzen. Gelingt es eine Wohnung zu finden, kann ambulante Unterstützung helfen, sich in der neuen Umgebung / Situation zu orientieren, die eigene Lebenssituation zu stabilisieren und künftigen Wohnungsverlust präventiv zu vermeiden.
Der Fachbereich Soziales hat dieses Projekt entwickelt und wird es gemeinsam mit dem für die Unterbringung zuständigen Fachbereich Planen und Stadtentwicklung umsetzen. Die Hilfe nach § 67 soll dabei die bereits in vielen Unterkünften bestehende Arbeit der Betreiber*innen (siehe unten) um eine einzelfallorientierte fachliche Unterstützung einzelner Personen ergänzen.
Die Region Hannover als zuständiger Träger der Leistungen ist beteiligt worden und unterstützt dieses Vorhaben. Geplant ist eine Information der Anbieter*innen unter anderem über die regelmäßig tagende Arbeitsgruppe der Region Hannover („AG nach § 4 SGB XII“).
Ziel des Projektes ist:
· die Bewohner*innen der Unterkünfte über das Unterstützungsangebot zu informieren,
· sie zu Inanspruchnahme des Angebotes zu aktivieren,
· über die möglichen Anbieter*innen der Hilfe zu informieren und
· auf Wunsch bei der Beantragung zu unterstützten.
Auf Grund personeller Kapazitäten im Fachbereich Soziales erfolgt die Umsetzung in drei Stufen.
Stufe 1
Angebote für Bewohner*innen der Gemeinschaftsunterkünfte
Ziel ist die Beratung und Aktivierung über die sozialpädagogischen Mitarbeitenden der Betreiber*innen der Unterkünfte in Kooperation mit Mitarbeitenden der Verwaltung.
Besteht ein Interesse an der Nutzung des Angebotes erfolgt eine Information zu den o.g. Punkten.
Diese Projektstufe wird im August 2020 / September 2020 starten.

Stufe 2
Angebote für Bewohner*innen der Schlichtwohnungen / Wohnprojekte
Ziel ist eine Beratung und Aktivierung von (oft langjährigen) Bewohner*innen der Schlichtwohnungen (= Wohnungen als Obdachlosenunterbringung). Sozialpädagogisches Personal wird in dieser Form der Unterbringung vom Fachbereich Planen und Stadtentwicklung sukzessive aufgebaut und ist noch nicht überall eingesetzt. Allerdings gibt es in allen Gebieten städtische Mitarbeitende als Ansprechpartner*innen („Verwalter*innen“).
Wie eine gezielte Ansprache der betroffenen Personen gelingen kann, plant der Fachbereich Soziales gemeinsam mit dem Fachbereich Planen und Stadtentwicklung bis November 2020 zu entwickeln und im Anschluss umzusetzen.

Stufe 3
Gezielte Aktivierung und Ansprache bei Neubezug einer Unterkunft.
Ziel ist eine Beratung bei Neueinzug in eine Unterkunft. Im optimalen Fall gelingt es so, einen dauerhaften Einstieg in eine ordnungsrechtliche Unterbringung mit allen damit verbundenen sozialen und individuellen Folgen zu verhindern bzw. die Dauer der Unterbringung zu verkürzen.
Wie eine gezielte Ansprache der betroffenen Personen gelingen kann, plant der Fachbereich Soziales gemeinsam mit dem Fachbereich Planen und Stadtentwicklung im ersten Halbjahr 2021 zu entwickeln.

Spezielle frauenspezifische Angebote im Projekt „Aktivierung in städtischen Unterkünften“
Sowohl im Bereich der Anbieter der Hilfen als auch im Bereich der Unterbringung existieren frauenspezifische Angebote. Diese Gemeinschaftsunterkünfte für Frauen werden in das Projekt einbezogen. Frauen mit und ohne Partner*innen oder Kinder sind auch Bewohnerinnen von Schlichtwohnungen. Bei der Umsetzung von Schritt 2 sind daher frauenspezifische Belange besonders zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die 2021 geplante Umsetzung von Stufe 3.
Evaluation
Der Fachbereich Soziales wird die Projekte evaluieren und nach einem Jahr berichten.
2. Projekt zur Unterstützung bei Kündigung auf Grund von Mietschulden (MieZe)
Der Fachbereich Soziales hat im Juli 2020 ein Projekt zur zentralen Bearbeitung von Mietschulden im Rahmen der Leistungen nach dem SGB XII entwickelt (Mietschulden – zentrale Bearbeitung und Beratung). Inhalt ist, die Bearbeitung der Leistungen innerhalb des Fachbereiches zu optimieren und dort wo sinnvoll / erforderlich mit einer Aktivierung zur Nutzung der ambulanten Fachleistung zu verbinden.
Es gibt Situationen, in denen Mietschulden aus individuellen Gründen entstehen, die Mieter*innen aber – abgesehen von der finanziellen Problematik - in der Lage sind, ihr Mietverhältnis ohne externe Unterstützung auch langfristig zu halten. In diesen Fällen ist eine zusätzliche pädagogische Unterstützung nicht erforderlich, es handelt sich ausschließlich um eine wirtschaftliche Unterstützung.
Für alle Menschen, die laufende Leistungen der Grundsicherung / Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen, verbleibt die Bearbeitung von Mietschulden grundsätzlich im dafür zuständigen Bereich 50.1. Für die betroffenen Menschen findet kein Wechsel ihrer zuständigen Sachbearbeitung statt. Besteht der Eindruck, dass weitere pädagogische Unterstützung sinnvoll sein könnte, erfolgt eine Kontaktaufnahme und Beratung über die für die Hilfen nach § 67 SGB XII zuständigen Mitarbeitenden. Zum Beratungsumfang gehören grundsätzliche Informationen zur Hilfe, zu den Anbieter*innen im Hilfesystem und zum Antragsverfahren. Bei Bedarf wird Unterstützung zur Kontaktaufnahme geleistet.

Für erwerbsfähige Menschen mit einem Leistungsbezug nach dem SGB II ist das JobCenter für die Unterstützung bei Mietschulden zuständig. Es gibt aber Fallkonstellationen, in denen trotzdem ein Anspruch auf Mietschuldenübernahme nach dem SGB XII bestehen kann.
Für diese Fälle, in denen es außer der einmaligen Übernahme von Mietschulden zu keiner weiteren regelmäßigen Zahlung von Sozialhilfeleistungen kommt, wird die Bearbeitung zentralisiert. Auch hier besteht die Möglichkeit, ergänzend über pädagogische Unterstützung nach dem SGB XII zu informieren und zur Inanspruchnahme zu aktivieren.
Es ist derzeit nicht absehbar, ob es durch die Einkommenseinbußen im Rahmen der Coronakrise zu einer Zunahme von entsprechenden Fällen kommen wird. Auch dieses soll durch die neue zentrale Bearbeitung besser beobachtet und bearbeitet werden.
Es soll im Projekt erprobt werden, ob eine zentrale Bearbeitung mit einer Einbeziehung von ambulanten Leistungen nach § 67 SGB XII geeignet ist, betroffene Menschen besser dabei zu unterstützen, eine erneute Gefährdung der Wohnung zu verhindern.
Gleichzeitig soll ein Überblick über mögliche Fallkonstellationen gewonnen und mit den Erfahrungen aus dem Projekt geklärt werden, ob und wie in den nächsten Schritten auch andere Arbeitsgebiete im Fachbereich (z.B. Schuldnerberatung oder Wohngeld) und externe Partner*innen (z.B. der Fachbereich Senioren) einbezogen werden können.
Evaluation und Bezug zum Fachstellenkonzept
Der Fachbereich Soziales wird das Projekt evaluieren und nach einem Jahr berichten. Bei positiven Erfahrungen könnte das Projekt verstetigt und einen Baustein auf dem Weg hin zu einem künftigen Konzept einer Fachstelle (Kooperationsmodell in den bestehenden Organisationsstrukturen) bilden.
3. Konzept für ein neues Orientierungs- und Klärungsangebot in einer Unterkunft (Arbeitstitel „Plan B – OK“- Orientierungs- und Klärungsangebot für Wohnungslose)
Die Region Hannover entwickelt in Kooperation mit dem Fachbereich Soziales aktuell ein Konzept für ein neues Unterstützungsangebot, das eine temporäre Unterbringung mit einer intensiven pädagogischen Unterstützung verbindet. Ziel ist es, wohnungslose Menschen jeweils über einen begrenzten Zeitraum intensiv pädagogisch zu unterstützen und Perspektiven zu entwickeln (Therapie, Beschäftigung, Wohnen, Unterbringung).
Angedacht ist, in einer verkürzten Phase EU-Zuwanderer*innen mit ungeklärtem Status einzubeziehen. In diesen Fällen könnte der Aufenthalt vorrangig für die Klärung eventueller leistungsrechtlicher Ansprüche / des ausländerrechtlichen Status genutzt werden. Eine potentielle Realisierung in der Landeshauptstadt Hannover wird aktuell verwaltungsintern geklärt.
Im Gegensatz zu den vom Fachbereich Soziales umgesetzten Maßnahmen im Rahmen der Coronapandemie (Jugendherberge und zeitlich befristete Anschlussprojekte) soll es sich hierbei um ein reguläres Unterstützungs- und Unterbringungsangebot handeln, das in den bestehenden Regelstrukturen längerfristig umgesetzt werden kann.
Der Fachbereich Soziales wird hierzu weiter informieren.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das Angebot gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Wohnungslose Frauen sind im öffentlichen Raum weniger sichtbar als Männer. Der Anteil der Frauen, die ordnungsrechtlich untergebracht sind, ist entsprechend weitaus geringer als der Anteil der männlichen Personen. Frauen versuchen, ihre Wohnungslosigkeit oft so lange es geht, nicht öffentlich zu machen. So nutzen Frauen verstärkt Übernachtungsmöglichkeiten bei „Bekannten“ - mit allen damit unter Umständen verbundenen Abhängigkeiten, sexualisierter Gewalt etc.. Dadurch besteht gerade bei Frauen eine deutliche Diskrepanz zwischen „sichtbarer“ und „tatsächlicher“ Problemlage.

Frauen, die sich tatsächlich ordnungsrechtlich unterbringen lassen, befinden sich teilweise in besonders schwierigen Lebensumständen und benötigen eine besondere Form der Beratung / Unterstützung. Beratungsinhalte müssen frauenspezifische Themen und Problemlagen abdecken können und ein entsprechendes Beratungssetting bieten.

Diese Zielgruppenbetrachtung ist Bestandteil der in der Drucksache beschriebenen Projekte, denen sich der Fachbereich Soziales verstärkt widmen wird.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

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Hannover / 10.09.2020