Informationsdrucksache Nr. 2036/2021:
Wohnungslosigkeit in Hannover

Informationen:

Beratungsverlauf:

Nachrichtlich:

  • Gleichstellungsausschuss
  • Ratsversammlung

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
In den Sozialausschuss
In den Ausschuss für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss)
In den Jugendhilfeausschuss
In den Verwaltungsausschuss
An den Gleichstellungsausschuss (zur Kenntnis)
An die Ratsversammlung (zur Kenntnis)
 
Nr.
Anzahl der Anlagen
Zu TOP
 
2036/2021
2 (nur online)
 
BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Wohnungslosigkeit in Hannover

1. Zielsetzung und Vorgehensweise

Die Online-Umfrage und das Bürger*innenpanel zum Thema Wohnungslosigkeit zielen darauf ab, ein aktuelles Meinungs- und Stimmungsbild aus unterschiedlichen Perspektiven einzuholen. Die beiden Umfragen begreifen sich als weiteres Beteiligungsinstrument in Ergänzung des „Runden Tisches Wohnungslosigkeit“.

Ziele der beiden Umfragen


· Beteiligung und Dialog befördern, auch als Baustein des „Innenstadtdialogs“

· Wissen aller Bevölkerungsgruppen (mit und ohne festen Wohnsitz) und unterschiedliche Perspektiven einbeziehen

· Vielfalt der Lebenslagen wohnungsloser Menschen besser verstehen

· Darauf basierend: passgenaue Unterstützungsangebote weiterentwickeln und für Planungszwecke nutzen.


Fragestellungen: Wo halten sich Wohnungslose auf, bei Tag und bei Nacht, insbesondere auch außerhalb der Innenstadt? Welche Hilfs- und Unterstützungsangebote in Hannover werden genutzt – welche nicht? Wie groß ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich für wohnungslose Menschen zu engagieren? Wie informieren sich Menschen und über welche Kanäle? Zum Online-Fragebogen siehe den Anhang der Anlage 1 (Ergebnisse aus der Online-Umfrage).

Adressat*innen: Mitmachen konnten alle Menschen, die in Hannover leben oder Zeit verbringen (z.B. auch Berufspendler*innen), darunter neben der Wohnbevölkerung explizit auch wohnungslose Menschen, im weiteren Sinne: Menschen ohne festen Wohnsitz. Zum Begriff „Wohnungslosigkeit“ siehe Anlage 1.

Methoden: Methodenmix aus nicht repräsentativem Meinungsbild von Menschen mit und ohne festen Wohnsitz (Online-Umfrage) sowie repräsentativem Meinungsbild der Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung im Stadtgebiet (Bürger*innenpanel). Zur Repräsentativität siehe Anlagen 1 und 2 (Ergebnisse aus dem Bürger*innenpanel).


Vorgehensweise:

Bürger*innenpanel: Nach dem Neuaufbau des Bürgerpanels Ende Juni 2021 konnten im Juli 1.575 Teilnehmer*innen mit dem Fragebogen zum Thema Wohnungslosigkeit angeschrieben werden, darunter mehr als 90 Prozent per E-Mail. 1.003 Personen haben an der siebten Befragung des Bürger*innen-Panels teilgenommen. Die Rücklaufquote liegt somit bei 64 Prozent. Das Bürger*innen-Panel ist hinsichtlich Altersgruppen und Geschlecht repräsentativ für die Einwohner*innen der Landeshauptstadt Hannover ab 16 Jahren.

Online-Umfrage: In Ergänzung zum Bürger*innenpanel musste ein Instrument gefunden werden, das


eine Beteiligung unter Pandemiebedingungen ermöglicht und wohnungslose Menschen ausdrücklich aktiv einbezieht. Die Wahl fiel auf das Online-Befragungs-Tool „limesurvey“, das eine Mitwirkung mit dem Smartphone und via W-LAN oder Mobile Daten ermöglicht. Auf diese Weise konnten Menschen unterwegs und „auf der Straße“ mitmachen.

Um auch Menschen ohne Smartphone die Mitwirkung zu ermöglichen, waren im Rahmen einer Aktionswoche vom 19. bis 25. April 2021 16 Interviewer*innen an über 20 Standorten vor Unterkünften, Notschlafstellen, Tagesaufenthalten und auf innenstadtnahen Plätzen zu unterschiedlichen Tageszeiten im Stadtgebiet unterwegs. Mit insgesamt 8 Tablets begleiteten Dolmetscher*innen die Fragebogenaktion und übersetzten bei Bedarf ins Polnische, Russische, Rumänische, Bulgarische, Englische oder Spanische. Auf diese Weise konnten auch nichtdeutschsprachige Eingewanderte mitmachen. Näheres zur Aktionswoche, dem Datenschutz, der Teilnahmebereitschaft siehe Anlage 1.



2. Zusammenfassung mit Kernaussagen

2.1 Aus Sicht der Bevölkerung ohne festem Wohnsitz

Teilnehmende: 331 wohnungslose Menschen haben an der Befragung teilgenommen. Darunter sind 211 Männer, 59 Frauen und 4 Menschen diversen Geschlechts. Die Teilnehmenden sind überwiegend im Alter von Mitte / Ende 20 bis 55 Jahren. Es handelt sich dabei zum großen Teil um Alleinlebende, aber auch um Paare oder Familien mit minderjährigen Kindern, bzw. um wohnungslose Menschen mit Kind(ern). 16 Prozent der Teilnehmenden geben an, minderjährige Kinder zu haben, aber nur 4,3 Prozent der Teilnehmenden leben als Familie, weil das Kind / die Kinder „beim anderen Elternteil“ lebt/leben. Teilnehmende Männer sind deutlich häufiger alleinlebend als Frauen. Frauen leben häufiger als Paar oder als Familie. Frauen haben häufiger Kinder unter 18 Jahren als Männer. Menschen diversen Geschlechts oder Befragte, die ihr Geschlecht nicht nennen, machen zur Frage nach Kindern sowie zu vielen anderen Fragen häufiger keine Angabe.



Jeweils die Hälfte der Befragten, die Auskunft darüber gibt, ist selbst eingewandert oder entstammt einer Einwanderungsfamilie. Die Teilnehmenden sprechen im Schnitt 1,7 Sprachen, Eingewanderte im Schnitt 2,2 Sprachen. 71 Prozent der Teilnehmenden geben an, Deutsch zu sprechen, unter den Eingewanderten sprechen 69 Prozent Deutsch. Insgesamt sprechen 27 Prozent (Schul-) Englisch, 20 Prozent Polnisch und 12 Prozent Russisch.

Das Alters- und Einwanderungsprofil teilnehmender Männer und Frauen ist ähnlich. Nach Einschätzung der Fachverwaltung entspricht die Struktur der Teilnehmenden in etwa der geschätzten soziodemografischen Struktur derjenigen wohnungslosen Menschen in Hannover, die das Hilfesystem in Anspruch nehmen und für die Fachverwaltung erkennbar wohnungslos sind.

Befragungsergebnisse:
Fast drei Viertel (73 Prozent) der wohnungslosen Menschen sucht eine Wohnung, darunter alle teilnehmenden Familien. Die am häufigsten genannten Probleme bei der Wohnungssuche sind der Preis („zu teuer“), Schulden- oder Schufa-Einträge oder „das schaffe ich nicht alleine“ (jeweils über 40 Prozent der Nennungen, Mehrfachnennungen möglich). Auch die Antwort „Vermieter*innen wollen mich nicht“ wird von über einem Drittel als Problem angegeben. Fast ein Fünftel der Befragten insgesamt gibt an, dass sie keinen Anspruch auf eine Wohnung in Hannover haben. Unter den Eingewanderten sind es rund ein Viertel. Eingewanderte nennen häufiger: „das schaffe ich nicht alleine“, „keine passende Wohnung“, „kein Anspruch in Hannover“ und „sonstige Gründe“. Nicht-Eingewanderte nennen häufiger „Wohnung zu teuer“, „Schulden, Schufaeinträge“. Männer geben im Schnitt 2,7 hauptsächliche Probleme an, Frauen im Schnitt 2,3 Probleme.

Jeweils fast zwei Drittel antwortet auf die Frage „Brauchen /möchten Sie Unterstützung bei der Wohnungssuche?“ mit „ja, jemand, der sucht“ oder „ja, jemand der begleitet“. Fast ein Viertel gibt an, dass „sprachliche Hilfen“ zur Unterstützung bei der Wohnungssuche benötigt werden (Mehrfachnennungen möglich). Frauen wollen häufiger keine Hilfe bei der Wohnungssuche als Männer. Männer nennen häufiger: „jemand der sucht“, und „sonstige Unterstützung“. Frauen nennen häufiger: „jemand der begleitet“ und „sprachliche Hilfen“.

Befragt nach den Aufenthaltsorten tagsüber geben 46 Prozent an „irgendwo draußen“, ein knappes Viertel nutzt eine Unterkunft, rund 18 Prozent halten sich bei Freunden und Bekannten auf. Etwa 27 Prozent der Antwortenden sucht nachts eine Notunterkunft auf. Jeweils rund ein Viertel gibt an, sich auch nachts „irgendwo draußen“ aufzuhalten oder in einer „festen Unterkunft für wohnungslose Menschen“. Etwa 15 Prozent geben an, sich nachts bei „Freunden oder Bekannten“ aufzuhalten oder „das möchte ich nicht sagen“. Insgesamt halten sich Frauen tags wie nachts seltener in der Innenstadt und häufiger in anderen Stadtteilen auf als Männer. Antwortende Frauen halten sich tagsüber in einer „Unterkunft“ (39 %), „irgendwo draußen (20 %), in einer Notunterkunft (18 %) auf. Je 12 Prozent der teilnehmenden Frauen möchten dazu nichts sagen, halten sich im „Frauenhaus“ oder bei „Freunden/Bekannten“ auf (Mehrfachnennungen waren möglich). Teilnehmende Männer nennen in erster Linie Notunterkünfte (33 %) und „Orte irgendwo draußen“ (29 %) sowie feste Unterkünfte (22 %) als nächtliche Aufenthaltsorte.

Fast die Hälfe der Antwortenden nutzt den Tagesaufenthalt „Meckiladen“, rund ein Viertel den „Kompass“, das Stellwerk und den „DüK“. Wie häufig die genannten Einrichtungen genutzt werden, hängt wesentlich damit zusammen, an welchen Standorten im Laufe der Aktionswoche die Interviews durchgeführt wurden. Frauen nutzen im Durchschnitt 1,8 der aufgeführten Einrichtungen, Männer im Schnitt 2,7 der Einrichtungen.

Auf die Frage nach Hilfen in der aktuellen Situation, entfallen die meisten Antworten - abgesehen von einer „eigenen Wohnung“ (73 Prozent), auf Soziale Arbeit (51 Prozent), medizinische Versorgung (44 Prozent), Unterkünfte mit Einzelzimmer (42 Prozent) sowie „Sonstiges“ (35 Prozent), Information und Beratung (32 Prozent), Essensausgaben / Tafeln (32 Prozent) und / oder Therapieplätze (z.B. Sucht- oder Psychotherapie) (31 Prozent Prozent).

Männer nennen (z.T. deutlich) häufiger eine „eigene Wohnung“, „Soziale Arbeit“, „medizinische Versorgung“ oder „Unterkunft mit Einzelzimmer“ und „Sonstiges“. Frauen nennen häufiger spezielle Unterkunftsformen, wie „Unterkunft für Paare“, „Unterkunft, Hunde erlaubt“, „Unterkunft für Familie“
oder „mit Pflege“.

Die Schlussfrage: "Hier können Sie uns noch etwas mitteilen" ist eine offene Frage, die von 134 Teilnehmenden (rund 40 Prozent aller Teilnehmenden) beantwortet wurde. 42 Prozent der offenen Mitteilungen enthalten konkrete Maßnahmenvorschläge zu unterschiedlichen Handlungsfeldern. Als Maßnahmen, die die individuelle Situation verbessern würden, wird am häufigsten der Wunsch nach deutlich mehr bezahlbarem Wohnraum im Stadtgebiet geäußert. Aber auch der Bedarf an mehrsprachiger Unterstützung und Beratung oder nach einer „Arbeit“, oft gepaart mit gesundheitsbezogenen Angeboten, wird formuliert. Ein gutes Viertel der Teilnehmenden nutzt die Frage für konkrete Erfahrungsberichte. Vereinzelt gibt es Hinweise auf Gewalterfahrungen innerhalb und außerhalb von Unterkünften oder Rassismuserfahrungen, auch auf dem Mietwohnungsmarkt. Etwa ein Fünftel der Antwortenden nutzt die offen gestellte Frage für Appelle, Hinweise oder Kritik an der Stadtverwaltung, an der Politik oder an der Stadtgesellschaft.

2.2 Aus Sicht der Bevölkerung mit festem Wohnsitz (Online-Umfrage und Panelbefragung)

Online-Befragung

· Die Teilnehmende sind mehrheitlich weiblich, zwischen 25 und 64 Jahre alt und haben überwiegend keinen Migrationshintergrund. Nahezu alle sprechen deutsch, gefolgt von (Schul-)Englisch.

· Drei Viertel der Befragten wohnt in der Stadt Hannover, darunter sind die Stadtteile Linden, List und Südstadt am häufigsten genannt worden.

· Nahezu alle Befragten nehmen wahr, dass es Wohnungslosigkeit in Hannover gibt, unabhängig von Geschlecht, Alter und Migrationshintergrund.

· Mit Abstand am Häufigsten werden wohnungslose Menschen im Stadtteil Mitte wahrgenommen. Es folgen die Stadtteile Linden (zusammengefasst), List und Oststadt.

· Die Befragten nennen als konkreten Ort, an dem sie wohnungslose Menschen wahrnehmen, am Häufigsten einen Ort in der Innenstadt, aber auch in fast 300 Fällen einen Ort außerhalb der Innenstadt.

· Wohnungslose Menschen werden von den Befragten überwiegend täglich, im ganzen Jahr, den ganzen Tag am konkreten Ort wahrgenommen. Es handelt sich dabei überwiegend um Männer.

· Mehr als zwei Drittel der Befragten ist es sehr wichtig, dass es Hilfen und Unterstützung für wohnungslose Menschen gibt. Frauen, eingewanderten und jüngeren Befragten ist es häufiger sehr wichtig.

· Jede*r sechste Befragte engagiert sich bereits für wohnungslose Menschen. Gut ein Viertel kann sich dies vorstellen. Vier von zehn Befragungsteilnehmer*innen steht nicht für ein Engagement zur Verfügung. Frauen, eingewanderte und jüngere Befragte zeigen mehr Bereitschaft für Engagement.

· Mehr als die Hälfte der Befragten bevorzugt ein wohnortnahes Engagement, vor allem eingewanderte Befragte wollen häufiger „unbedingt vor Ort“ tätig sein. Frauen, Kinder und Jugendliche werden am Häufigsten als Ziel von Engagement genannt.

· Die Vorstellung, dass es in der Nachbarschaft ein neues Hilfsangebot für wohnungslose geben könnte, finden zwei Drittel der Befragten gut. Jede*r Fünfte würde sich dort auch engagieren wollen. Ebenfalls jede*r Fünfte befürchtet Probleme in der Nachbarschaft. Frauen, eingewanderte Befragte und jüngere Befragten sind positiver eingestellt und sorgen sich seltener um Probleme in der Nachbarschaft.

· 301 Personen hatten Mitteilungen jeglicher Art. Auffallend häufig gab es ausführliche Textbeiträge, die sich über mehre Textzeilen bis zu halber Textseite erstrecken. Das Thema hat für alle Menschen, die diese offene Frage beantworteten, einen hohen Stellenwert. Die Beiträge sind teils sachlich, teils besorgt, teils sehr emotional. Es gibt auch Unmut oder Ratlosigkeit über zurückliegende oder gegenwärtige Wohnungslosenpolitik. Oft finden sich Statements oder politische / gesellschaftliche Botschaft, teils gepaart mit Appellen an Menschenwürde und Solidarität.

Bürger*innenpanel

· Nach dem Neuaufbau des Bürgerpanels Ende Juni 2021 konnten im Juli 1.575 Teilnehmer*innen mit dem Fragebogen zum Thema Wohnungslosigkeit angeschrieben werden, davon mehr als 90 Prozent per E-Mail. 1.003 Personen haben an der Befragung der siebten Befragung des Bürger*innen-Panels teilgenommen. Die Rücklaufquote liegt somit bei 64 Prozent. Das Bürger*innen-Panel ist hinsichtlich Altersgruppen und Geschlecht repräsentativ für die Einwohner*innen Hannover.

· 90 Prozent der Befragten erkennen im Stadtbild, dass es wohnungslose Menschen in Hannover gibt, mehr als die Hälfte nimmt Wohnungslosigkeit über die Medien wahr. Weniger als 1 Prozent der Befragten nehmen nicht wahr, dass es wohnungslose Menschen gibt. Mehr als einem Drittel sind Einrichtungen bekannt, die von wohnungslosen Menschen genutzt werden. Je 7 Prozent kennen wohnungslose Menschen persönlich und/oder haben im beruflichen Umfeld mit ihnen zu tun. Die Wege der Wahrnehmung unterscheiden sich im Hinblick auf die Altersgruppen: Je älter die Befragten, desto höher ist die Wahrnehmung von Wohnungslosigkeit über die Medien. Die Wahrnehmung über das Stadtbild sinkt dagegen mit zunehmendem Alter.

· Ebenfalls 90 Prozent der Befragten nehmen Wohnungslosigkeit im Stadtteil Mitte wahr, rund ein Viertel in der List, ein Fünftel in der Oststadt, jeweils rund ein Zehntel in der Nordstadt, Linden-Mitte und Linden-Nord. In 34 von 46 genannten Stadtteilen wird Wohnungslosigkeit von weniger als 3 Prozent wahrgenommen.

· Auf die Frage an welchen konkreten Orten, Plätzen, Quartieren wohnungslose Menschen wahrgenommen werden, gaben die Befragten insgesamt 1.657 Antworten. 63 Prozent der Befragten nannten Orte in der Innenstadt (Stadtteil Mitte und angrenzende Orte, wie Weiße-Kreuz-Platz, Pavillon), gut ein Drittel einen Ort in einem anderem Stadtteil Hannovers. Knapp 3 Prozent der Ortsangaben ließen sich nicht konkret zuordnen (unter Brücken, Parks, vor Supermärkten, in der Straßenbahn, u.a.).

· Wohnungslose Menschen werden von den Befragten überwiegend täglich (51 Prozent), den ganzen Tag (78 Prozent), im ganzen Jahr (88 Prozent) am konkreten Ort wahrgenommen. Wahrgenommen werden überwiegend Männer (48 Prozent), aber von knapp einem Drittel (30 Prozent) auch Frauen. Senior*innen und Jugendliche oder junge Erwachsene werden von rund einem Zehntel wahrgenommen.

· Die Tatsache, dass es Hilfen und Unterstützung für wohnungslose Menschen gibt, finden über 90 Prozent der Befragten sehr wichtig oder wichtig. Weniger als 2 Prozent finden das nicht so wichtig oder überhaupt nicht wichtig. Frauen (94 Prozent) ist es häufiger sehr wichtig/wichtig als Männern (89 Prozent). Je jünger die Befragten sind, desto häufiger ist dies ihnen wichtig oder sehr wichtig.

· Ein Drittel der Befragten wüsste, an wen Sie sich bei Mietschulden oder drohendem Wohnungsverlust wenden oder sich informieren könnten. Über zwei Drittel wüssten das nicht und kennen keine Ansprechpartner*innen. Hier gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Mit steigendem Alter nimmt die Kenntnis von Ansprechpartner*innen kontinuierlich zu, um im Alter von 75 und älter wieder deutlich abzunehmen.

· Knapp 80 Prozent der Befragten würden sich Rat und Unterstützung im Internet suchen, mehr als 60 Prozent über persönliche Beratung. Mehr als ein Drittel würde sich eine telefonische Beratung (Telefonhotline) wünschen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der Nennung des Internets für Rat und Unterstützung ab, während der Bedarf nach persönlicher Beratung steigt.

· 88 Prozent der Befragten finden es wichtig oder sehr wichtig, dass die Stadtverwaltung zum Thema Mietschulden und drohendem Wohnungsverlust berät und informiert. Frauen ist dies mit 93 Prozent noch wichtiger als Männern (84 Prozent).

· 44 Prozent der Befragten kann es sich vorstellen, sich in der Wohnungslosenhilfe zu engagieren, 3 Prozent engagieren sich bereits. Mehr als die Hälfte der Befragungsteilnehmenden kann sich dies nicht vorstellen (keine Zeit, 30 Prozent, kein Interesse, 23 Prozent). Am häufigsten (60 Prozent) kann sich die Altersgruppe der 16 bis 24-Jährigen ein Engagement vorstellen, am seltensten die Altersgruppe der 25 bis 34-Jährigen (39 Prozent). Bei der Ablehnung von Engagement dominiert bei den 25 bis 64-Jährigen als Grund der Zeitmangel. Frauen können sich etwas häufiger als Männer vorstellen sich in der Wohnungslosenhilfe zu engagieren.

· Von denen, die sich ein Engagement vorstellen können oder sich bereits engagieren, nennen 60 Prozent Sachspenden und 35 Prozent Geldspenden. Die Hälfte der Befragten Zeitspenden bzw. ehrenamtliches Engagement. Doppelt so viele Frauen wie Männer nennen mehr als eine Art des Engagements. Während beim Geldspenden und zeitlichem Engagement kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, geben Frauen häufiger Sachspenden an als Männer. Die Bereitschaft zum Zeitspenden bzw. ehrenamtlichen Engagements ist bei den 16 bis 24-Jährigen am höchsten (60 Prozent) und bei den 75-Jährigen und älteren am niedrigsten (33 Prozent) ausgeprägt.

· Die fünf meistgenannten Arbeitsfelder, in denen sich Befragte Engagement vorstellen können, sind „Essens- und Kleiderausgaben“ (57 Prozent), „Nachbarschaftshilfe“ (38 Prozent), „Begleitung zu Ämtern oder Ärzt*innen“ (30 Prozent), „organisatorische Unterstützung im Rahmen von Vereinen/Initiativen“ (30 Prozent) sowie „persönliche Hilfestellung“ (25 Prozent).

· Knapp 60 Prozent der Befragten möchte sich möglichst oder unbedingt vor Ort engagieren, einem Drittel ist der Ort des Engagements egal. Weniger als 10 Prozent der Befragten möchte sich keinesfalls vor Ort, sondern weiter weg engagieren. Die Altersgruppe ab 65 Jahren präferiert deutlich häufiger ein Engagement vor Ort.

· Die sechs am häufigsten genannten Zielgruppen des Engagements sind Kinder und Jugendliche (62 Prozent der Befragten), Familien/Eltern (59 Prozent), Frauen (34 Prozent), LSBTIQ (25 Prozent), Männer (17 Prozent) und psychisch Kranke (16 Prozent). Diese sechs am häufigsten genannten Zielgruppen sind bei Männern und Frauen gleich, wobei Frauen mehr als doppelt so häufige „Frauen“ als Zielgruppe nennen. Männer nennen „psychisch Kranke“ fast doppelt so häufig als Zielgruppe wie Frauen.

· Drei Viertel der Befragten informieren sich über soziale Themen und Sozialpolitik über die lokalen Tageszeitungen, fast ein Drittel über „www.hannover.de“. Jeweils rund ein Viertel informiert sich über andere Internetseiten, lokale Wochenblätter oder Social Media-Kanäle, z.B. Twitter.

· Fast zwei Drittel der Befragten wünschen sich mehr Informationen (Öffentlichkeitsarbeit) der Stadtverwaltung zum Thema Wohnungslosigkeit, zum Beispiel strategische Ziele, Haltungen und Angebote. Mit zunehmendem Alter sinkt der Bedarf nach Informationen zu diesen Themen. Frauen wünschen sich nur geringfügig häufiger als Männer mehr Informationen seitens der Stadtverwaltung hierzu.

3. Erste fachliche Einschätzungen / Schlussfolgerungen

Das Thema Wohnungslosigkeit berührt sehr viele verschiedene Fachlichkeiten innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung. Allein innerhalb der Stadtverwaltung sind dies unter anderem die Bereiche Soziale Hilfen in Wohnungslosigkeit, Unterbringung, Kommunaler Sozialdienst, Familienmanagement, Migration/Integration sowie Bürgerschaftliches Engagement und soziale Stadtteilentwicklung.

Im Nachgang der Veröffentlichung dieser Informationsdrucksache werden die Ergebnisse allen Fachlichkeiten zur Verfügung gestellt, insbesondere die zahlreichen Maßnahmenvorschläge betroffener und befragter Personen, um gemeinsam mit dem „Runden Tisch Wohnungslosigkeit“, der Region Hannover und weiteren Akteur*innen in der Wohnungslosenhilfe Handlungsempfehlungen und weitere Schritte zu erarbeiten. Im Folgenden werden erste Einschätzungen und Schlussfolgerungen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen formuliert:

Fachbereich Soziales, Bereich Soziale Hilfen in Wohnungslosigkeit (OE 50.7.)

Das Sozialdezernat und der Fachbereich Soziales haben in den letzten Jahren auf unterschiedlichen Wegen die Maßnahmen zur Unterstützung wohnungsloser Menschen an die gestiegenen und veränderten Bedarfe angepasst. Dieses umfasst neue Organisationsstrukturen innerhalb der Verwaltung (z.B. die Bildung eines eigenen Bereiches „Soziale Hilfen in Wohnungslosigkeit“), den Auf- und Ausbau von Kapazitäten zur Koordination der einzelfallübergreifenden Hilfen, den Ausbau von Straßensozialarbeit (aktuell mit dem neuen Baustein „Straßensozialarbeit für wohnungslose Frauen“). Der „Runde Tisch Wohnungslosigkeit“ wurde als Gremium in neuer Zusammensetzung und unter Beteiligung von Betroffenen bzw. Vertreter*innen von Wohnungslosigkeit betroffener Menschen etabliert.

Die Coronapandemie und die damit verbundenen Einschränkungen und neuen Bedarfen haben alle Akteur*innen im Themenfeld, aber ganz besonders die direkt von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen stark getroffen. Gemeinsam mit allen Partner*innen mussten kurzfristig Angebote angepasst oder neu entwickelt werden. Hierbei war auch die Region Hannover als zuständiger Trägerin eine wichtige Partnerin.

Parallel hat die Verwaltung die in dieser Drucksache vorgestellte Umfrage durchgeführt und ausgewertet. Die Umfrageergebnisse sollen genutzt werden, um bereits in Bearbeitung befindliche Themen weiter zu konkretisieren bzw. neue Handlungsfelder zu identifizieren. Aspekte sind dabei unter anderem:


· sprachliche Barrieren im Beratungskontext,

· Bedarfe an Unterstützung durch Straßensozialarbeit außerhalb der Innenstadt,

· die Lebenslage wohnungsloser Menschen in der Innenstadt,

· die Bedarfe an medizinischer Versorgung und / oder therapeutischer Unterstützung,

· die Einbeziehung von ehrenamtlichem Engagement,

· die künftige Information der Zivilgesellschaft zum Thema Wohnungslosigkeit bzw. die Kommunikation zum Engagement der Stadtverwaltung im Themenfeld Wohnungslosigkeit.


Die Umfrageergebnisse weisen eine hohe Schnittmenge mit den durch die Stadtverwaltung bereits umgesetzten bzw. in Planung befindlichen Maßnahmen auf. Auch wenn noch große Herausforderungen zu lösen sind, bestätigt dieses die bisherigen Planungen und neuen Maßnahmen.

In der Regel werden weitere Angebote nur mit zusätzlichem Personalaufwand, Finanzmitteln oder durch andere Prioritätensetzung umsetzbar sein. Ob und in welchem Umfang diese zu realisieren sind, ist Teil des weiteren Bearbeitungsprozesses.

Bei der Forderung nach einer Unterstützung der zugewanderten Menschen aus Osteuropa ist die bundesweite Problematik des fehlenden Zugangs zum Sozialleistungssystem (der in dieser Form vom Gesetzgeber sozialhilferechtlich gewollt und vorgegeben ist) eine hohe Hürde für ein Engagement der Stadtverwaltung im Themenfeld.

Alle wünschenswerten und sinnvollen neuen Anregungen und Forderungen werden daher nicht kurzfristig umzusetzen sein. Ziel der Verwaltung ist – teilweise dezernatsübergreifend und mit den externen Partner*innen im Hilfesystem - alle in der Umfrage identifizierten Themen zeitnah weiter zu bearbeiten und die jeweiligen Ergebnisse beim „Runden Tisch Wohnungslosigkeit“ und in den zuständigen Gremien der Stadt vorzustellen.

Bürgerschaftliches Engagement und soziale Stadtteilentwicklung (OE 50.5.)

Die Umfrage zeigt das Potential in Hannover für ehrenamtliches Engagement in der Wohnungslosenhilfe: Kleider-, andere Sach- und Geldspenden werden gerne geleistet, auch die Mithilfe bei Essenausgaben, Kleiderkammern, in der Nachbarschaftshilfe und/oder in unterstützenden Vereinen und Initiativen werden dabei favorisiert. Dieses Potential gilt es zu nutzen und mit den Wünschen der Betroffenen nach Unterstützung und Begleitung zusammenzuführen. Dazu braucht es professionelle Strukturen, die Ehrenamtliche über die Lebensrealität von Wohnungslosen/Obdachlosen aufklären, ihnen ihre Ängste nehmen und Zugangsbarrieren für den direkten Kontakt abbauen.

In der Quartiers- und Gemeinwesenarbeit der OE 50.5 liegt schon jetzt ein Fokus darauf, Bewohner*innen in Miet- und Ämterangelegenheiten zu unterstützen, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden. Dieser präventive Ansatz kann durch wohnortnahen Einsatz Ehrenamtlicher noch intensiviert werden.

Fachbereich Jugend und Familie, Familienmanagement (OE 51.F.)

Die Teilnahme der 12 wohnungslosen Familien ist im Wesentlichen auf die Netzwerkkontakte einer einzelnen Interviewerin zurückzuführen. Das geschilderte Stimmungsbild und die vorliegenden Ergebnisse der befragten Familien können nicht generell auf andere wohnungslose Familien übertragen werden.

Zum Stichtag 25.08.2021 leben in den Gemeinschaftsunterkünften für Familien 198 Erwachsene mit 326 Kindern, in den Gemeinschaftsunterkünften für Frauen und Kinder leben 79 Frauen mit 15 Kindern und in den Wohnprojekten 98 Erwachsene mit 39 Kindern. In den Unterkünften leben demnach insgesamt 380 Kinder (Stand 25.08.2021, Quelle: 61.62). Um sich ein genaueres Bild zur vorhandenen Bandbreite wohnungsloser Familien zu machen, regt die Fachverwaltung (hier: 51.F. Familienmanagement) eine Vertiefungsbefragung / Beteiligung speziell dieser Gruppe an.

Gleichstellungsbeauftragte

Frauen im Wohnungsnotfall gehören laut »Istanbul-Konvention« zu den besonders verletzlichen Personengruppen. Ein Schutzsystem, das allen Frauen, die von Gewalt betroffen sind, zugänglich sein soll, muss demnach gerade auch wohnungslose Frauen mit und ohne Kinder in den Blick nehmen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass viele der Frauen aus gewaltgeprägten Lebensumständen kommen und damit einen erschwerten Zugang zur geschlechtergemischt arbeitenden Wohnungsnotfallhilfe haben, in der männliche Dominanz und männliches Gewaltpotenzial vorhanden sind. Diese Frauen brauchen aufgrund ihrer Erfahrungen eigene Schutzräume, in denen ihre Themen Platz haben.

Aus dieser Perspektive stechen folgende Ergebnisse aus der Online-Umfrage besonders hervor:

· Wohnungslose Frauen benennen das Frauenhaus als ein Angebot, das ihnen helfen würde.

· Der Zugang zur Schwangerschaftsvorsorge wird von Frauen ebenfalls als Angebot benannt, das helfen würde.

Mit dem Ausbau der Frauenhauslandschaft, der in den vergangenen Jahren von Politik, Verwaltung und Frauenhäusern vorangetrieben wurde, wurde viel erreicht. Sobald alle Bausteine umgesetzt werden konnten und wenn weitere Einrichtungen wie zum Beispiel das Projekt Berta der Johann-Jobst-Wagenerschen Stiftung realisiert wurden, wird sich zeigen, ob sich die Lage auch für wohnungslose Frauen entspannt. Sollte dies nicht der Fall sein, muss ggf. über gesonderte Angebote an der Schnittstelle zwischen Wohnungslosenhilfe und Frauenschutz nachgedacht werden. Darüber hinaus bedarf es insgesamt einer besseren Vernetzung zwischen Angeboten der Wohnungslosenhilfe und den Frauenunterstützungseinrichtungen. Durch diese bessere Vernetzung können ggf. Barrieren vor denen die Frauen stehen, wie zum Beispiel dem Zugang zur Schwangerschaftsvorsorge, auf kurzem Wege gelöst werden.

Letztendlich gilt: Um allen Zielgruppen einen gleichberechtigten Zugang zu den Schutz- und Hilfestrukturen der Wohnungslosenhilfe zu ermöglichen, reicht es nicht aus, sie quantitativ auszubauen. Erforderlich ist auch eine qualitative Weiterentwicklung der Angebote, um Frauen mit ihrem besonderen Unterstützungsbedarf – mit und ohne Kindern – gerecht zu werden.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Die Wohnungslosigkeit betrifft alle Geschlechter gleichermaßen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Dez. III / Sozialplanung
Hannover / 09.09.2021