Informationsdrucksache Nr. 2030/2003:
Maßnahmen zur Minimierung des Phänomens "Schulschwänzen"

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Beratungsverlauf:

Inhalt der Drucksache:

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2030/2003
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Maßnahmen zur Minimierung des Phänomens "Schulschwänzen"

Informationsdrucksache

Ausgangslage

Mit der Drucksache 2074/2001 wurde die Verwaltung beauftragt, Vorschläge zur Minimierung des Phänomens “Schulschwänzen” zu erarbeiten und den entsprechenden Fachgremien vorzulegen.
Hiermit legt die Verwaltung das Ergebnis einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, die Interventionsstrategien und Kooperationsregeln zu dieser Thematik entwickelt hat, vor.

Zur Erarbeitung eines Konzeptes wurde eine Arbeitsgruppe “Schulabsentismus” unter Beteiligung von Ordnungsamt, Polizei, Schule, Jugendgerichtshilfe, Kommunalem Sozialdienst und Jugend- und Familienberatung des Fachbereichs Jugend und Familie eingerichtet.
Weiterhin wurden Fachkräfte aus nachstehenden Institutionen und Einrichtungen hinzugezogen: Schulamt, Jugendwerkstatt Vahrenheide, Anne-Frank-Schule, Ludolf-Wilhelm-Fricke-Schule/Stephansstift, Werk-statt-Schule, Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Hannover-Stadt e.V./Projekte “Glashütte” und “KonneX” sowie RAN (regionale Arbeitsstelle zur beruflichen Eingliederung junger Menschen).

Einleitung

Schulverweigerung entwickelt sich oft über mehrere Jahre hinweg – meist von einer passiven inneren Abkehr vom Unterricht bis hin zur aktiven Schulverweigerung, sporadisch, oft, dauernd. Dieses Problem weist möglicherweise auf schwierige Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen hin, die zu sozialen Desintegrationsprozessen führen können. Es gilt darüber hinaus als ein Risikomarker delinquenter Entwicklungen sowie ungünstiger Bildungsverläufe.
Erfahrungen zeigen, dass “Schulverweigerer” aus einer Vielzahl von Gründen nicht mehr in der Schule zurechtkommen. Dies können z.B. sein:
Probleme mit Lehrern/Lehrerinnen, schlechte Leistungen, Konflikte mit Mitschülern/Mitschülerinnen, gesundheitliche Probleme, belastende Situation im familiären Bereich oder in anderen Lebenszusammenhängen, Schulangst.

Kinder, die Probleme haben, sozial, familiär oder schulisch bedingt, reagieren häufig mit Verhaltensauffälligkeiten in der Schule und/oder mit schulvermeidendem Verhalten, das ein zentrales Desintegrationsmoment darstellt. Wichtig sind deshalb, eine frühzeitige Diagnostik auffälligen Verhaltens von Schülerinnen und Schülern und darauf aufbauende inner- und außerschulische Beratungs-, Förder-, Behandlungsmaßnahmen.
Diesem Ziel näher zu kommen, dienen die hier vorgestellten Handlungsstrategien zur Zusammenarbeit zwischen Schule und Kommunalem Sozialdienst sowie zu der gezielten Heranziehung von Kooperationspartnern je nach Situation bzw. Fallkonstellation zur Ermittlung ganzheitlicher Lösungsansätze. Der Unterschied zur bisherigen Praxis liegt in der Verbesserung eines gemeinsamen, aufeinander abgestimmten Vorgehens der Institutionen in den Hilfeprozessen.

1. Leitgedanken für die Entwicklung eines präventiven
Schulschwänzkonzeptes
In der Schule als Ort schulvermeidendem Verhalten können solche schleichenden Prozesse frühstmöglich aufgefangen werden. Hierzu bedarf es innerschulischer Absprachen und Regelungen, die als verbindliches Schulprogramm gelten. Da Ausmaß, Ursachen und Folgen von Schulabsentismus nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern auch von Schule zu Schule und in Abhängigkeit mit der Schulform variieren, ist es

erforderlich, dass an jeder Schule ein Konzept entwickelt wird, das den Ablauf der Handlungen im Umgang mit Schulabsentismus steuert. Zur Entwicklung eines solchen Schulkonzeptes wurden Leitpunkte erarbeitet, die der Anlage 5 der Kooperationsregeln zu entnehmen sind.

2. Einzelfallbezogene Kooperationsregeln zur Zusammenarbeit
von Schule und Kommunalem Sozialdienst (KSD)
Zur einzelfallbezogenen Zusammenarbeit zwischen Schule und KSD wurde ein “Regelwerk” zur Verbesserung der Qualität des Zusammenwirkens von Lehrkräften und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des KSD (siehe Anlage 1/1 ff.) entwickelt. Hauptkriterien darin sind die Benennung von Verantwortlichkeiten, Arbeitsabläufen, gegenseitigen Erwartungen und Leistungen, rechtlichen Möglichkeiten sowie eines Zeitrahmens für Rückkoppelungen unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen sowie die Forcierung einer gemeinsamen Elternarbeit. Mit den Kooperationsregeln kann ein systematisches und verbindliches Zusammenwirken von Schule und KSD erreicht werden.
Die Kooperationsregeln gehen über die spezielle Problematik des Schulabsentismus hinaus. Sie setzen ein, wenn Kinder in der Schule in der Weise auffallen, dass eine Intervention seitens der Lehrkraft/Schule für notwendig erachtet wird.
Je nach Fallkonstellation werden gemeinsam weitere Kooperationspartner hinzugezogen. Z.B. ist die Jugend- und Familienberatung gefragt, wenn die Ursachen von Auffälligkeiten undurchsichtig bleiben oder therapeutische Hilfen angezeigt erscheinen.


Im März d. J. wurden die “Kooperationsregeln” 147 Schulen in der LHH zugesandt. Zu den Schulen zählten alle allgemeinbildenden Schulen der LH Hannover sowie die Sonderschulen, die in die Region übergegangen sind. Außerdem die BBS 6, die Freie Waldorfschule und das Freie Gymnasium als Modellschulen des Nds. Landesprogramms zur Vermeidung von unentschuldigter Abwesenheit vom Unterricht. Veranlassung dafür war, dass die “Kooperationsregeln” Bestandteil des Programms der Nds. Landesregierung sind. Sie bilden die Grundlage für das zum Modellprojekt gehörende, vor Ort tätige Unterstützungsteam für die Schulen. Für dieses Modellprojekt der Landesregierung sind insgesamt 34 Schulen vorgesehen.
Von den 147 Schulen, die angeschrieben wurden, sind inzwischen 40 Schulen die Kooperation auf der Grundlage der Kooperationsregeln eingegangen (Stand Juni 2003). Weitere Schulen reagierten mit einem grundsätzlich positiven Tenor, mehrere Schulleitungen haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs Jugend und Familie zu Gesamtkonferenzen zur Vorstellung der Kooperationsregeln eingeladen, so dass davon ausgegangen wird, dass es zu weiteren Vereinbarungen mit Schulen kommt.
Eine vollständige Auswertung der Umsetzungserfahrungen ist für Ende 2004 vorgesehen.
Die “Kooperationsregeln” wurden von der Fachbereichsleiterin des FB Jugend und Familie beim 8. Deutschen Präventionstag im April 2003 in Hannover zum Thema: “Für eine bessere Schule – gegen Schulverweigerung und Schulschwänzen” vorgestellt.

Zwischenzeitlich zeigten mehrere Städte vor dem Hintergrund der Förderung von Koope- rationsprozessen zwischen Schule-Jugendhilfe-Polizei Interesse an den “Kooperationsregeln”.

3. Ordnungsamt / Jugendgerichtshilfe - zeitnaher Ablauf verschiedener
Maßnahmen
In den meisten Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Schulpflichtverletzungen kommt es zur Festsetzung eines Bußgeldes (Sanktion). Bei Jugendlichen oder Heranwachsenden, die das Bußgeld nicht zahlen wollen oder können, kann das Amtsgericht auf Antrag des Ordnungsamtes Arbeitsauflagen, die sogenannnten Hilfsdienste, ersatzweise anordnen, die die Jugendgerichtshilfe vermittelt und überwacht. Aufgrund einer bisher oft monatelangen Verfahrensdauer – manchmal bis zu einem Jahr – hatten die jungen Menschen bei der Umsetzung dieser Arbeitsauflagen den Bezug zum vorausgegangenen Anlass bereits oftmals verloren, so dass eine Verkürzung des Verfahrensweges geboten war. Dies kann nunmehr durch eine inzwischen veränderte Praxis dadurch erreicht werden, dass nach nicht erfolgter Bußgeldzahlung nur noch eine Mahnung erfolgt und auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen der Kämmerei verzichtet wird. Außerdem wird durch eine Merkmalsetzung (Nds. Schulgesetz / Schülerin, Schüler) dieser Forderungsvorgänge erreicht, dass sie schneller als zuvor gesichtet und weitergeleitet werden.


4. Präventionsprojekt der Polizei in der LHH
Dieses Projekt hat als Zielgruppe Minderjährige aller Altersstufen. Die sogenannte “Schulschwänzer-Kontrolle” wird in den Vormittagsstunden von Beamten in Uniform durchgeführt. Dabei werden bekannte Treffpunkte aufgesucht und Minderjährige angesprochen. In aller Regel machen die Schüler und Schülerinnen Angaben, weshalb sie nicht in der Schule sind. Soweit es möglich ist, werden die Angaben vor Ort überprüft und die Schüler und Schülerinnen, wenn es der Situation entspricht, aufgefordert, in die Schule zu gehen. Die Eltern werden über die Feststellungen telefonisch informiert, die Schule wird schriftlich benachrichtigt.
5. Alternative Lernorte / außerschulische Projekte für schulmüde Jugendliche

“Schulverweigerer, Schulverweigerinnen”


Zielsetzungen von alternativen Lernorten/Lernformen sind entweder die Reintegration in die Regelschule, der Erwerb eines Schulabschlusses oder den Weg in Ausbildung und Erwerbsarbeit vorzubereiten.

Jugendliche haben nach dem Nds. Schulgesetz die Möglichkeit, ihre Schulpflicht auch in Jugendwerkstätten bzw. in Ausnahmefällen durch den Besuch einer anderen Einrichtung zu erfüllen. In Hannover gibt es dafür ein breites Spektrum von Jugendwerkstätten sowie außerschulischen Projekten.


Beispiele:
· 16 Plätze zur Erfüllung der Schulpflicht für “Schulverweigerer” - Jugendliche, die in besonderem Maße der sozialpädagogischen Hilfe bedürfen – sind der “Werk- statt- Schule” zugeordnet und werden vom Land finanziell gefördert.

· In dem Projekt “Station Glashütte” der AWO gibt es 8 Plätze für “schulmüde” Jugendliche. Neben zwei Sozialarbeiterinnen und der Projektleitung kooperieren hier vier Hauptschulen miteinander. Die Schulen stellen Lehrkräfte sowie die Räume. Die Schulen bleiben weiterhin für ihre Schülerinnen und Schüler verantwortlich.

· Das AWO–Schulverweigerer–Projekt - KonneX - auf der Basis einer AB-Maßnahme seit 15.11.2000 mit zwei Mitarbeiterinnen - ist ein Kontakt- und Beratungsbüro mit aufsuchender Sozialarbeit für “schulmüde” Jugendliche im Alter von 15 – 18 Jahren. Das Büro hat zweimal in der Woche feste Sprechzeiten (9.00 – 12.00 Uhr und 14.00 bis 16.30 Uhr) sowie nach Vereinbarung. Kontakte erfolgen z.B. durch Zuweisung des KSD, der Schulen, insbesondere BBS, aufgrund von Eigeninitiativen der Jugendlichen, Eltern, Betreuer.

· Die Jugendwerkstatt Vahrenheide ist ein Schul- und Werkstattprojekt (Berufsvorbereitung und schulische Qualifizierung) mit sozialpädagogischem Ansatz für (arbeitslose) Jugendliche ohne Hauptschulabschluss. Jugendliche aus dem Stadtteil Vahrenheide/Sahlkamp zwischen 15 und 18 Jahren werden bevorzugt. Pro Kurs werden 24 Jugendliche aufgenommen, Beginn jeweils nach den Sommerferien, Dauer ein Jahr.

· RAN - ein Projekt zur beruflichen Eingliederung junger Menschen - erreicht eine Vielzahl junger Menschen in schwierigen Lebenslagen. Darunter befindet sich eine große Anzahl Jugendlicher, die die Schule nicht mehr oder nicht mehr regelmäßig besucht.



Die Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf hat der Erlass des Nds. Kultusministeriums “Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Stärkung der Hauptschule” (19.3.01) zum Ziel. Die Maßnahmen dieses Programms sollen Schüler und Schülerinnen gezielter auf den Übergang zum Beruf vorbereiten.
Im Sinne dieses Förderprogramms werden von den hannoverschen Hauptschulen folgende Zielsetzungen herausgestellt: Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit
Förderung sozial benachteiligter und
lernschwacher Schüler und Schülerinnen
Hilfen zur erfolgreichen Suche von Ausbildungsplätzen.

Dieses Projekt wird voraussichtlich bis Ende 2003 weitergeführt, es nehmen 12 der 14 Hauptschulen daran teil.

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Hannover / 22.09.2003