Drucksache Nr. 1904/2022:
Integriertes Konzept zur Entwicklung einer zukunftsfähigen, resilienten Innenstadt

Informationen:

Beratungsverlauf:

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Stadtbezirksrat Mitte
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Ausschuss für Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Liegenschaftsangelegenheiten
In den Kulturausschuss
In den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen
In den Gleichstellungsausschuss
In den Jugendhilfeausschuss
In den Schul- und Bildungsausschuss
In den Sozialausschuss
In den Sportausschuss
In den Ausschuss für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss)
In den Ausschuss für Haushalt, Finanzen, Rechnungsprüfung, Feuerwehr und öffentliche Ordnung
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
 
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1904/2022
1
 

Integriertes Konzept zur Entwicklung einer zukunftsfähigen, resilienten Innenstadt

Antrag,

  1. die Erfahrungen und Ergebnisse des Innenstadtdialogs zur Kenntnis zu nehmen,
  2. das Integrierte Konzept als Rahmenplan und Richtschnur zur Entwicklung einer zukunftsfähigen, resilienten Innenstadt mit dem Zielhorizont 2035 anzuerkennen,
  3. die Verwaltung zu beauftragen, die aus dem Innenstadtkonzept abzuleitenden tiefergehenden Konzepte, Programme und Maßnahmen sukzessive auszuarbeiten und die entsprechenden Maßnahmen und Projekte in Abstimmung mit den jeweiligen Projektpartner*innen gemäß der Priorisierung in die Umsetzung zu bringen und
  4. über den Umsetzungsstand anlassbezogen – mindestens aber jährlich - einen Überblick in den zuständigen politischen Gremien zu geben und mit Blick auf auch zukünftig anstehende neue oder sich verändernde Herausforderungen die Aktualität des Innenstadtkonzepts und der Einzelmaßnahmen kontinuierlich zu überprüfen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das beschriebene Konzept „Mitte Neu Denken – Das Innenstadtkonzept 2035“ richtet sich an die Stadtgesellschaft in all ihren Ausprägungen und an die verschiedenen Nutzungsgruppen der Stadt. Es sind alle Geschlechter gleichermaßen berücksichtigt. Vor Ort wurden Dialog- und Beteiligungsformate unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse weitestgehend angepasst und ein geschlechtergerechter Einsatz der Ressourcen vorgenommen. Mit der Zielebene „Ein Recht auf Innenstadt“ des Konzepts ist die Stadtgesellschaft in all ihren Ausprägungen und verschiedenen Nutzungsgruppen in das Zukunftsbild der resilienten Innenstadtentwicklung integriert.

Kostentabelle

Mit der weiteren Ausarbeitung und Umsetzung der Maßnahmen und Projekte des integrierten Innenstadtkonzeptes „Mitte Neu Denken – Das Innenstadtkonzept 2035“ entstehen finanzielle Auswirkungen auf Seiten der Landeshauptstadt Hannover. Die Kosten für die umzusetzenden Projekte werden in separaten Drucksachen dargestellt. Diese werden den jeweiligen politischen Gremien zur Diskussion vorgestellt sowie in den Haushaltsberatungen finanziell unterlegt und unterliegen insofern dem Finanzierungsvorbehalt. Das Einbringen in die Haushaltsaufstellung obliegt den für die Umsetzung verantwortlichen Fachbereichen und Ausschüssen.

In der Beschlussdrucksache Nr. 0931/2022 „Bewerbung auf das Förderprogramm „Resiliente Innenstädte - Ein integriertes territoriales Instrument für nachhaltige Stadtentwicklung in Niedersachsen“ wurde bereits die Berücksichtigung eines Eigenanteils (als öffentliche Kofinanzierung) von bis zu 60% für die Projekte, die im Rahmen des Förderprogramms umgesetzt werden sollen, im städtischen Haushalt beschlossen. Der Innenstadtdialog bzw. das integrierte Innenstadtkonzept bilden dabei die Grundlage für die Projekte. Der Eigenanteil des mit dem Förderabruf beginnenden Haushaltsjahres 2022 muss aus bestehenden Haushaltsmitteln getragen werden und trägt zu den Zielen des Haushaltsbegleitantrags H-0419/2021 bei. Für die Folgejahre ist der Eigenanteil in der Haushaltsaufstellung durch die antragstellenden Fachbereiche zu berücksichtigen. Die Projekte werden dem Rat einzeln zur Beschlussfassung vorgelegt.

Begründung des Antrages

  1. Mit der Beschlussdrucksache Nr. 1995/2020 N1 und der zugehörigen Änderungsdrucksache 2988/2020 hat der Rat der Landeshauptstadt Hannover die Verwaltung beauftragt, ein integriertes Konzept zur Entwicklung einer zukunftsfähigen, resilienten Innenstadt zu erarbeiten und dem Rat zur Abstimmung vorzulegen. Als Grundlage für das Konzept hat die Verwaltung ab Sommer 2021 bis Mai 2022 einen intensiven Beteiligungsprozess („Innenstadtdialog“) durchgeführt, der von einem breit besetzten Beirat begleitet wurde. Zusätzlich berücksichtigt wurden die Erkenntnisse aus vorliegenden Plänen und Konzepten, die Ergebnisse der Repräsentativerhebung (siehe Drucksache 2666/2021) und der Befragung zur Wohnungslosigkeit sowie die Erkenntnisse und Erfahrungen der beiden „Experimentierräume“ in der Innenstadt. Hierbei standen besonders die Neuaufteilung und Umgestaltung des öffentlichen Raumes, alternative Aufenthaltsmöglichkeiten auch ohne Konsum und die Nutzung neu gewonnener Flächen und Angebote durch die Stadtgesellschaft im Fokus. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse wurden mit der Informationsdrucksache Nr. 2668/2021 veröffentlicht. Darüber hinaus wurden fünf Quartierswerkstätten und eine sich anschließende Konzeptwerkstatt durchgeführt, in denen mit Teilnehmer*innen des Beirats, Anlieger*innen und weiteren Akteur*innen der Stadtgesellschaft ganz konkret die verschiedenen Funktionen, die lokalen Bedarfe und Wünsche sowie Chancen und Perspektiven der Innenstadt und ihrer Teilräume diskutiert und bearbeitet wurden. Daraus haben sich auch mehrere Kooperationsangebote entwickelt, die im weiteren Prozess zur Innenstadtentwicklung unterstützend wirken wollen. Die Ergebnisse der Werkstätten sind ebenfalls in das integrierte Innenstadtkonzept eingeflossen.

  2. Das nun zu beschließende integrierte Innenstadtkonzept „Mitte Neu Denken – Das Innenstadtkonzept 2035“ (Anlage) fußt auf dem integrierten Entwicklungsansatz des Innenstadtdialogs. Unter dem Leitbild „bunt, bewegt, balanciert“ enthält es aufeinander abgestimmte strategische Ansätze. Einen Schwerpunkt bilden Maßnahmen zur Aufwertung der öffentlichen Räume, die verbesserte Rahmenbedingungen für eine funktionsgemischtere Innenstadt schaffen und die Anziehungskraft der Innenstadt für alle Nutzer*innen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen erhöhen sollen. Denn das Zentrum der europäischen Stadt war immer ein Ort des Handels, gleichzeitig aber auch ein Ort für Arbeiten und Wohnen, ein Raum für demokratische Willensbekundung und kulturelle Aktivitäten und damit auch das Gesicht der Stadt und Identifikationsort für die Stadtgesellschaft. Diese Funktionsvielfalt soll durch das Konzept befördert werden, wovon auch der Einkaufsstandort Innenstadt profitieren soll. Die gewachsenen, zum Teil historischen und wertvollen Strukturen im Bestand sind dabei die Basis, um die Stärken der Innenstadt auszubauen und erkannten Schwächen entgegenzutreten.


    • Beteiligung und Austausch: Zukunft der Innenstadt hängt vom guten Miteinander aller Akteur*innen ab
Stadt- bzw. Innenstadtentwicklung ist als dauerhafter Prozess zu verstehen. Mit dem integrierten Innenstadtkonzept kann und soll daher ein Rahmen für alle Beteiligten in diesem Prozess abgesteckt werden, der Orientierung gibt, gleichzeitig aber offen für zielgerichtetes Reagieren auf künftige, neue Herausforderungen in den kommenden Jahren ist.

Die Innenstadt ist kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Stadt und wirkt mit zahlreichen Funktionen für die Gesamtstadt, die Region und ein darüberhinausgehendes Einzugsgebiet. Zahlreiche Akteur*innen prägen die Innenstadt durch ihre täglichen Entscheidungen, ihr Verhalten und ihre Aktivitäten. Die Nutzer*innen haben an die Innenstadt und ihre Angebote vielfältige Ansprüche und Erwartungen.

Für einen erfolgreichen Entwicklungsprozess ist daher das gute Zusammenspiel aller maßgeblichen Kräfte von großer Bedeutung. Mit dem Innenstadtkonzept und den Projekten, z. B zur Aufwertung des öffentlichen Raumes, sollen auch private Investitionen in die Attraktivität und Funktionsmischung der Innenstadt initiiert werden. Private Projekte sollen von der gemeinsam entwickelten und politisch beschlossenen Strategie aber auch durch mögliche Synergieeffekte profitieren, im Sinne der Zielsetzung: Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile.

Für die Umsetzungsphase des Konzepts sind daher in der Stadtverwaltung verlässliche Strukturen für die Kooperation zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen geplant.

So steht z. B. der Umsetzung der Projekte im Rahmen des Förderprogramms „Resiliente Innenstädte“ eine interdisziplinär besetzte Steuerungsgruppe zur Seite. Für die langfristige Begleitung der Innenstadtentwicklung bzw. des weiteren Prozesses der Umsetzung des Innenstadtkonzepts soll ein so genannter Quartiersbeirat gebildet werden, der auch die Perspektiven seiner Institutionen und Netzwerke einbringen und als Multiplikator dienen soll (vgl. auch Beschlussdrucksache Nr. 0931/2022).







  • Mehr Grün und Freiraum zum Verweilen, für Spiel, Bewegung, Kultur und zur Klimaanpassung

Überall dort, wo Verkehrsflächen zu Stadtraum werden, entstehen auch neue Freiräume. Es werden sowohl dauerhafte Angebote geschaffen als auch Raum für temporäre Experimente bereitgestellt. Saisonale und ganzjährige Bewegungs-, Spiel-, Kultur-, Kunst- und Freizeitangebote finden neue Orte. Attraktive Sitzmöglichkeiten laden zum Aufenthalt ein. Vor dem Hintergrund notwendiger Klimafolgeanpassungsmaßnahmen sind ergänzende Baumpflanzungen vorzunehmen, Blühflächen und Entsiegelungsmaßnahmen umzusetzen, wo es bestehende Nutzungen und Bauwerke unter der Erde zulassen. Als weitere Maßnahmen auch im Sinne der Klimafolgenanpassung setzt die Stadt auf den Ausbau der blau-grünen Infrastruktur. Ein Beispiel dafür ist die Rückhaltung von Regenwasser, das den Pflanzen in Hitze- und Trockenperioden zur Verfügung steht. Aber auch Wasser in der Gestaltung und das Angebot von Schattenplätzen gehören dazu. Wichtig ist, dass öffentlicher Raum für alle Gruppen von Nutzer*innen multifunktional und nicht kommerziell nutzbar ist. Der Strukturwandel in der Innenstadt eröffnet die Chance, heute noch schwach ausgebildete Nutzungs- und Gestaltungsmerkmale deutlich zu stärken und so die Innenstadt insgesamt zu bereichern, als attraktives Zentrum mit vitalem Nutzungsmix. Beispielsweise wird durch eine Öffnung der großen Kulturhäuser in den öffentlichen Raum und das Schaffen offener Kulturangebote und zusätzlicher Kunst im öffentlichen Raum ein niedrigschwelliger Zugang ermöglicht und eine direkte Interaktion für bzw. mit den Nutzer*innen der Innenstadt erreicht.

  • Verbindungen schaffen: Erreichbarkeit der City sicherstellen und Barrieren reduzieren

Verkehrlich hat die Stadt eine Vision, eine Konzeptidee mit zahlreichen strukturgebenden Veränderungen entwickelt: Dabei steht die gute Erreichbarkeit oben an. Mit dem ÖPNV als zuverlässige Säule der Erreichbarkeit, die störungsfrei und emissionsfrei die Innenstadt erschließt. Eine konfliktfreie, direkte und qualitätsvolle Anbindung im Radverkehr, radial getragen vom Veloroutenkonzept und effizient verbunden über den aufgewerteten City-Radring. Die Innenstadt als barrierefreie einladende Flanier- und Aufenthaltszone des Zufußgehens. Trennende, mehrspurige Straßenräume gehören nicht mehr zum Zukunftsbild innerhalb des Cityrings und sollen deshalb umgestaltet werden. Wer notwendigerweise mit dem Auto in die City kommt, findet Parkraum in einem der vielen – derzeit nie vollständig ausgelasteten – Parkhäuser. Ausnahmen gibt es für Menschen mit Behinderung, für Taxen oder auch den Lieferverkehr. Ebenerdig und im Straßenraum soll der fließende und ruhende Verkehr nicht mehr das bestimmende Element des Stadtbilds sein. Deshalb wird oberirdisches Parken im öffentlichen Raum nach und nach reduziert und die Innenstadt zu einer Zone der Entschleunigung. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen fühlen sich sicher, da es keinen motorisierten Durchgangsverkehr mehr gibt. Der Blick auf die Stadt und damit die Sichtbarkeit der Menschen wird wieder möglich. Die Tunnel unter der Bahnstrecke erhalten klare verkehrliche Funktionen und sollen mit dem Ziel der Förderung des Fuß- und Radverkehrs, aber auch des Abbaus von Angsträumen umgestaltet werden.

3. Das Konzept selbst gliedert sich in folgende Kapitel:


1) Der Wunsch: Mitte neu Denken

2) Ein Gemeinschaftsprojekt: Der Innenstadtdialog

3) Unser Ausgangspunkt: Handlungsbedarf und Chancen

4) Der Zukunftsplan: Innenstadtkonzept 2035

5) Anpacken: Handlungsprogramm

6) Anlagen


Im Mittelpunkt des integrierten Innenstadtkonzepts steht das Leitbild „bunt, bewegt, balanciert“. Unter diesem Leitbild wurden sechs Zielkategorien klassifiziert. Allen Zielkategorien ist die „Kluge Kooperationen: Mehr als die Summe aller Teile“ vorangestellt:

  • Ein Recht auf Innenstadt: Inklusion und Teilhabe
  • Freiraumrevolution: Raumvielfalt schaffen
  • City im Wandel: Hin zu mehr Funktionsmischung und anpassbaren Räumen
  • Hin- und Ankommen: Mobilitätswende wahrmachen
  • Ein kühler Kopf: Klimaanpassung schafft Lebensräume
  • Gesichter der Stadt: Für die Schönheit der Innenstadt

Nach der Beschlussfassung wird das Innenstadtkonzept textlich aufbereitet (z. B. Broschüre) und veröffentlicht.

Aus Sicht der Verwaltung ist das Konzept geeignet, um die Weichen für die erforderliche Neuausrichtung der Innenstadt in Bezug auf Resilienz, Vielfalt und Offenheit zu stellen. Es dient damit nicht nur Politik und Verwaltung, sondern allen Innenstadtakteur*innen als verlässlicher Handlungsrahmen für deren (Richtungs-)Entscheidungen. Dabei ist es erforderlich, das Konzept bzw. die umzusetzenden Maßnahmen in regelmäßigen Abständen auf Aktualität und Übereinstimmung mit den sich immer wieder ändernden Herausforderungen aus Sicht der Stadtentwicklung, aber auch mit den Bedarfen der Innenstadtakteur*innen abzugleichen.


Anlage: Innenstadtkonzept „Mitte Neu Denken – Das Innenstadtkonzept 2035“ (wird als Tischvorlage nachgereicht)
Dez. VI 
Hannover / 21.06.2022