Drucksache Nr. 1897/2022 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion Die PARTEI & Volt zum Umgang mit Essens-Überschuss in den Kantinen der Hansestadt Hannover
in der Ratssitzung am 29.09.2022, TOP 3.5.

Inhalt der Drucksache:

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1897/2022 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion Die PARTEI & Volt zum Umgang mit Essens-Überschuss in den Kantinen der Hansestadt Hannover
in der Ratssitzung am 29.09.2022, TOP 3.5.

Die aktuelle Verbraucher*innenpreise sind deutschlandweit stark gestiegen. Trotz diverser Vereine oder privater Initiativen gibt es zusätzlich Inflationsbedingt immer mehr Menschen, die sich eine ausreichende Versorgung mit (gesunden) Lebensmitteln kaum noch leisten können, sodass auch diese Initiativen die Nachfrage nicht mehr decken können.
Demgegenüber gibt es in ganz Hannover Kantinen, die selbst bei der besten vorausgegangen Planung zubereitetes Essen wegwerfen müssen. Verschiedene Gesetze und Vorschriften, die eigentlich der Lebensmittelsicherheit dienen sollen, sorgen bei Kantinenbetreiber*innen für Hemmnisse oder Skrupel, Wege zu suchen, das Essen nicht wegwerfen zu müssen, da bereits zubereitetes und somit einmal erwärmtes Essen aus lebensmittelschutztechnischen Gründen üblicherweise weggeworfen werden muss.

Neben den Kantinen in städtischen Gebäuden (und auch dem Gartensaat) gibt es sicher in unzähligen hannoverschen Betrieben Kantinen - zum Beispiel Firmen mit städtischer Beteiligung oder Ganztagsschulen -, die an einem Konzept zur Vermeidung von Essensverschwendung bzw. einer Spende von bereits zubereiteten Speisen interessiert wären.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1. Was passiert mit dem Essen, welches täglich in allen Kantinen in städtischen Gebäuden

(wie Rathaus, Gartensaal, Ganztagsschuten und einzelnen Veranstaltungen) übrig bleibt, welche Bestrebungen gibt es bereits, um Essensverschwendung zu reduzieren?

2. Sieht die LHH generell Möglichkeiten dafür,
a) bereits erwärmtes / zubereitetes Essen
b) Kalte Speisen (Salate, Schnittchen etc.)
an Vereine oder Organisationen abzugeben und wenn ja: unter welchen Bedingungen bzw. welche finanziellen Aufwendungen kämen auf die Kantinen/Betriebe zu (Investition in Warmhalteboxen, Logistik zwecks Abholung der Speisen usw.), und wenn nein: wird die LHH ggf. mithilfe des Städtetages auf eine Gesetzesänderung hinarbeiten, die die Bedingungen zugunsten einer Weiterverwertung von Essen ermöglichen würde?

3. Wie hoch sind die Entsorgungskosten Für das weggeworfene Essen von
Veranstaltungen bzw. aus der Kantine, (wie viel) würde die Stadt an dieser Stelle sparen, wenn das Essen unentgeltlich von Organisationen abgeholt werden würde?


Juli Klippert
Fraktionsvorsitz

Text der Antwort

3

Grundlage für die Zubereitung von Speisen ist die Einhaltung des Lebensmittelrechts, welches mit der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) das gewerbsmäßige Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln und zubereiteten Speisen regelt.

Trotz aller Planung und Kalkulation lassen sich in den Essensausgaben und bei Veranstaltungen (HCC, Gartensaal) geringe Restmengen, die aufgrund der langen Stand- und Warmhaltezeit entsorgt werden müssen und nicht weiterverwendet werden dürfen, nicht gänzlich vermeiden. Entsprechend der Verordnung EG 852/2004 der LMHV müsse warme Speisen grundsätzlich nach zwei Stunden entsorgt werden. Zubereitete, kalte und verpackte Speisen dürfen unter Berücksichtigung geltenden Verordnungen an Dritte weitergegeben werden.

In Schulen, Kitas, den städtischen Alten- und Pflegezentren und anderen Betreuungseinrichtungen der LHH wird durch ein personenbezogenes Bestellsystem bedarfsgerecht bestellt und zubereitet, es entstehen lediglich Essensreste auf den Tellern der Nutzer*innen dieser Einrichtungen.

Sämtliche Speisereste müssen nach den gesetzlichen Vorschriften von anderen Abfällen getrennt entsorgt, gekühlt und von speziellen Entsorgungsbetrieben abgeholt werden. Aus diesen Speiseabfällen entstehen in Biogasanlagen Strom, Wärme und organischer Dünger.


Die Verwaltung unternimmt bereits zahlreiche Maßnahmen, um die Menge an Essensresten zu verringern. Durch das Küchenmanagement wird bereits im Vorfeld dafür Sorge getragen, dass möglichst wenig Essensreste anfallen, u.a. durch
- einen bedarfsgerechten Einkauf (tägliche Lieferung der Frischeprodukte wie Obst/ Gemüse, Fisch, Fleisch)
- das Anbieten eines kleinen, täglich wechselnden Menüangebotes in Form einzeln wählbarer Komponenten
- eine wunschgerechte Ausgabe der Portionsmengen
- einer Entkopplung von Produktion und Ausgabe: nur die Speisen erhitzen, die für die Ausgabe benötigt werden (chargenweise erwärmen)
- eine Evaluation der Verkaufsmengen mit den kalkulierten Mengen anhand des Warenwirtschaftssystems
- eine zielgerichtete Schulung des Personals auf das Essensausgabesystem
- eine Analyse der Abfallmengen (Reste von den Tellern der Gäste und Reste aus der Essensausgabe)
- eine Produktion immer nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
- eine Bedarfsanalyse durch gezielte Gästebefragung
- eine „Just in time“ Produktion

Frage 2: Sieht die LHH generell Möglichkeiten dafür a) bereits erwärmtes/ zubereitetes Essen b) kalte Speisen (Salate, Schnittchen etc.) an Vereine oder Organisationen abzugeben und wenn ja: unter welchen Bedingungen bzw. welche finanziellen Aufwendungen kämen auf die Kantinen/ Betriebe zu (Investition in Warmhalteboxen, Logistik zwecks Abholung der Speisen usw.) und wenn nein: wird die LHH mithilfe des Städtetages auf eine Gesetzesänderung hinarbeiten, die die Bedingungen zugunsten einer Weiterverwertung von Essen ermöglichen würde?


Bei allen Überlegungen zur möglichen weiteren Verwendung der Essensreste steht der Schutz und die Gesundheit der Endverbraucher*innen im Vordergrund, die rechtlichen Vorgaben sind darauf ausgerichtet und schränken weitere Verwendungsmöglichkeiten für Speisereste stark ein. Die Verwaltung sieht daher nur bedingt Möglichkeiten, zubereitetes Essen an Dritte abzugeben.

a) Eine Abgabe von bereits erhitzten Speisen an Dritte darf auf Grund der gesetzlichen Hygienerichtlinien nicht erfolgen.

b) Grundsätzlich möglich wäre die Weitergabe von verarbeiteten, durchgängig gekühlten („Kühlkette“) Lebensmitteln (kalte Speisen wie belegte und unbelegte Brötchen, Kuchen, Desserts). Zur Sicherstellung der Einhaltung der Kühlkette zwischen Abgabe und Weiterverwendung wäre die Anschaffung von Thermo-Kühlboxen erforderlich (Stückpreis etwa 600,00 € netto).


In einigen städtischen Einrichtungen gibt es bereits Kooperationen mit gemeinnützigen Tafeln und Organisationen, die abgabefähige Speisen zur Weitergabe abholen lassen. Allerdings ist die Menge an übrig gebliebenen Speisen nicht planbar und meist so gering, dass eine Abgabe an gemeinnützige Organisationen oft nicht lohnenswert ist.

Die Logistik und Koordination mit den gemeinnützigen Organisationen wie Tafeln und ökumenischen Essensausgaben ist zudem schwierig, da diese ehrenamtlich arbeiten und eine tägliche Abholung der Essensreste nicht gewährleisten können. Lt. Auskunft der Hannoverschen Tafel sind die Logistikkosten und der Verbrauch an personellen Ressourcen für diese Einrichtungen bei der geringen Menge an übrig gebliebenen Speisen, die wir zur Verfügung stellen können, in der Regel zu hoch.

In einigen städtischen Betrieben (HCC, Kantine des Fachbereichs 51) kommen bereits Systeme zur Lebensmittelrettung über die Nutzung verschiedener Apps („to good to go“, „foodsharing“) zum Einsatz. Dabei werden die abgabefähigen Restbestände täglich in der jeweiligen App angeboten und direkt von Endverbraucher*innen abgeholt.

Weiterhin ist bei allen Überlegungen zur Weitergabe von zubereiteten Lebensmitteln auch immer das Produkthaftungsgesetz zu beachten: Jeder Betrieb, der Speisen zubereitet, haftet für die einwandfreie Qualität der abgegebenen Speisen. Werden Speisen an Dritte abgegeben, bleibt die Haftung bestehen, eine Freizeichnung ist nach §14 ProdhaftG nicht möglich.



Frage 3: Wie hoch sind die Entsorgungskosten für das weggeworfene Essen von Veranstaltungen bzw. aus der Kantine, wieviel würde die Stadt an dieser Stelle sparen, wenn das Essen unentgeltlich von Organisationen abgeholt werden würde?

Die Entsorgungskosten der Speisereste in den städtischen Einrichtungen und bei Veranstaltungen sind sehr unterschiedlich und jeweils der spezifischen Situation vor Ort geschuldet. Beispielsweise belaufen sich diese in der Rathauskantine und dem Gartensaal auf jeweils ca. 500,00 € p.a.
Einsparpotentiale sind höchstens im geringen Umfang gegeben, da Reste von gekochten Speisen aufgrund der rechtlichen Vorgaben fachgerecht entsorgt werden müssen.