Informationsdrucksache Nr. 1875/2019:
Projekt "Babylotsen" in Trägerschaft der DIAKOVERE Krankenhaus gGmbH in Kooperation mit dem Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst

Inhalt der Drucksache:

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Projekt "Babylotsen" in Trägerschaft der DIAKOVERE Krankenhaus gGmbH in Kooperation mit dem Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst

Mit dieser Drucksache wird über das Projekt 'Babylotsen' der DIAKOVERE Krankenhaus gGmbH informiert, welches in Kooperation mit der Landeshauptstadt Hannover/Fachbereich Jugend und Familie an den beiden Geburtskliniken 'Friederikenstift' und 'Henriettenstift' durchgeführt wird. Vorläufig geplante Projektlaufzeit ist der 1. Juni 2019 bis 30. April 2020. Zum Projekt im Detail:

Projektbeschreibung "Babylotsen"
Das Lotsenprojekt 'Babylotsen' ist ein 'Social Franchising'-Projekt und wurde von der 'SeeYou'-Stiftung aus Hamburg 2007 begonnen. Das Marienkrankenhaus Hamburg war die erste Geburtsklinik, in der 'Babylotsen' eingesetzt wurden. Der Begriff 'Babylotsen' ist ein geschützter Begriff und das Programm lizenziert. Das Projekt wurde von der Universität Hamburg wissenschaftlich begleitet, die Wirksamkeit für die Klient*innen evaluiert und bestätigt. Inzwischen gibt es 'Babylotsen' in allen Hamburger Geburtskliniken sowie in Geburtskliniken in sechs Bundesländern (vgl. Jahres- und Wirkungsbericht 2017, SeeYou-Stiftung).

Zielgruppen:
Schwangere und werdende Eltern aus psychosozial hochbelasteten Familien. Grundsätzlich richtet sich das Beratungsangebot an alle Schwangeren und werdenden Eltern und ist freiwillig.

Projektfinanzierung
Die Kosten des Projektes für z.B. Overhead, Öffentlichkeitsarbeit, Beratungsräume und Arbeitsplatz, einschließlich der zu erwerbenden Lizenzen (Kennzeichen- und Softwarelizenzen), werden von DIAKOVERE getragen. Das Projekt wird von der SeeYou-Stiftung als Serviceleistung evaluiert, die Babylotsen sind zur Qualitätsentwicklung Mitglied im 'Qualitätsverbund Babylotsen' der Stiftung.

Der Fachbereich Jugend und Familie/Kommunale Sozialdienst finanziert zunächst für die Projektphase aus Experimentiermitteln eine Vollzeitkraft aufgeteilt auf die zwei Standorte zu je 0,52 VK in Höhe von 38.500 € im laufenden Haushaltsjahr 2019 und in Höhe von 22.000 € im Haushaltsjahr 2020. Zum Abschluss dieser Projektphase ist die weitere Finanzierung zu klären, sofern die angestrebten Zielsetzungen umgesetzt werden.

Praktische Umsetzung
Die Babylotsen beraten und vermitteln (Lotsenfunktion) innerhalb der Angebote Frühe Hilfen in der Landeshauptstadt Hannover. Generell steht das Beratungsangebot allen Familien offen, die in der Klinik über die Gesprächsmöglichkeit mit einer Babylotsin informiert werden. Auf Grundlage der Auswertung eines sogenannten 'Anhaltbogens', den alle werdenden Eltern bei der Aufnahme zu Geburt ausfüllen müssen, wird als erstes der Beratungs- und Hilfebedarf anhand beschriebener Risikofaktoren ermittelt. Die Annahme des darauffolgenden Beratungsangebotes ist für die Eltern freiwillig.

Babylotsen arbeiten eng mit den Angeboten der Frühen Hilfen des Fachbereichs Jugend und Familie zusammen und haben einen guten Überblick über die kommunalen Angebote. Zu diesem Zweck findet in den Netzwerken der Frühen Hilfen ein regelmäßiger Austausch zwischen den Babylotsen, den Angeboten Frühe Hilfen und dem Kinderschutz statt.

Beratungen und Informationen für die Eltern finden ausschließlich in der Klinik statt. Hausbesuche werden nicht angeboten. Ergibt sich in den Gesprächen ein Hilfebedarf und/oder der Kinderschutz muss einbezogen werden, wird an den Kommunalen Sozialdienst und/oder das Familienhebammenzentrum weitervermittelt. Zum Kinderschutz gibt es Vereinbarungen zwischen dem Projekt Babylotsen und dem Kommunalen Sozialdienst.

Kooperation und Netzwerk Frühe Hilfen in der Landeshauptstadt Hannover
Grundsätzliche sind Angebote der Frühen Hilfen im Fachbereich Jugend und Familie fest verankert. Zu den Angeboten gehören z.B. als Leuchtturmprojekt das Familienhebammenzentrum in Kooperation mit der Stiftung 'Eine Chance für Kinder', Gemeinsam-Wachsen-Gruppen in den Familienzentren, die Elterncafés (angesiedelt bei der Familienbildung 51. P). Als Bestandteil der Förderrichtlinien des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen zur Qualitätsentwicklung des 'Netzwerkes Frühe Hilfen' entwickelt der Fachbereich Jugend und Familie das kommunale Netzwerk Frühe Hilfen seit vielen Jahren weiter (s.a. Fachbericht 2012, Frühe Hilfen und Kinderschutz in Hannover, 2012).

Die Babylotsen arbeiten in diesen Netzwerken der Frühen Hilfen innerhalb der Landeshauptstadt Hannover eng mit dem Fachbereich Jugend und Familie zusammen, dazu gehören z.B. die Zusammenarbeit mit dem Familienhebammenzentrum und dem Arbeitskreis Familie und Sucht. Darüber hinaus sind sie beteiligt an dem Projekt Qualitätsdialoge des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen, das für die Landeshauptstadt Hannover federführend vom Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst organisiert wird.

Das Projekt Babylotsen ist eine qualitative Weiterentwicklung des Netzwerkes Frühe Hilfen in der Landeshauptstadt Hannover und schließt die Betreuungslücke zwischen Gesundheitssystem und Jugendhilfe. Nach Abschluss der Projektphase wird über die Ergebnisse informiert.

Allgemeine Informationen zu Lotsendiensten in Geburtskliniken
Lotsendienste sind ein Angebot der Frühen Hilfen und wirken an der Schnittstelle Gesundheitsschutz – Kinderschutz. 98 % der Kinder in Deutschland kommen in Geburtskliniken zur Welt. Damit sind Geburtskliniken Orte, an denen fast alle werdenden Eltern erreicht werden und über die kommunalen Angebote der Frühen Hilfen informiert und, wenn gewollt und notwendig, in Unterstützungsangebote vermittelt werden können.

Laut einer Repräsentativbefragung des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH), die im Rahmen des 'ZuFa-Monitoring – Gesundheit und Frühe Hilfen' durchgeführt wurde, sind zwei Drittel der in Geburtskliniken betreuten Familien psychosozial hoch belastet.

Die häufigsten Belastungen sind Verständigungsprobleme aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse (16,7 % der Mütter), Armut (11,8 %), ein Flüchtlings- oder Asylstatus (10,5 %) und eine psychische Erkrankung von Mutter oder Vater (7,5 %). Besonders hoch werden die Belastungen für die Familien, wenn mehrere dieser Risikofaktoren kumulieren. Weitere Risikofaktoren, die auch im Kinderschutz bewertet werden, sind junges Alter der Mutter, eigene Misshandlungen oder Vernachlässigung in der Lebensbiografie der Eltern, mangelnde Selbst- Gesundheitsfürsorge, Behinderungen oder chronische Erkrankungen (Kind/Eltern).

Lotsendienste sind präventiver Kinderschutz und verhindern Hilfen zur Erziehung. Frühe Hilfen vermindern die Gefahr von Kindesvernachlässigung und verbessern die Risikosituation, in der sich die Neugeborenen und Säuglinge befinden und fördern die gesunde Entwicklung der Kinder und der elterlichen Kompetenz.

Eine Auswertung des Einsatzes von Fachkräften 'Frühe Hilfen' für die Jahre 2011-2013 in 18 niedersächsischen Kommunen durch die Stiftung 'Eine Chance für Kinder' ergab, dass es 2013 in 76,8 % der betreuten Familien zu einer Problemlösung bzw. einer Verbesserung/Stabilisierung der Situation kam. Bei 14,8 % der Familien gab es keine Veränderungen der Problematik und nur in 8,4 % der Fälle kam es zu einer Verschlechterung, trotz der Betreuung durch eine Fachkraft 'Frühe Hilfen'.

Lotsenprojekte sind ein Angebot der Frühen Hilfen und vermitteln vor allem in weitere Angebote der Frühen Hilfen, die speziell die gesunde psychosoziale Entwicklung von Neugeborenen und Säuglingen fördern. Damit wird eine Betreuungslücke geschlossen und Eltern erhalten frühzeitig eine niedrigschwellige passgenaue Hilfe und Unterstützung. Teure und hochschwellige Hilfen zur Erziehung können so vermieden werden.

Lotsendienste sind eine Verbindung von Gesundheitsschutz – Kinderschutz. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft plädiert vor diesem Hintergrund für gegenseitige Kooperationsverpflichtungen zwischen Gesundheitsschutz und Kinderschutz. Nur mit vernetztem Denken und Handeln, mit dem Austausch von Informationen und verbindlichen Verknüpfungen der Bereiche Kinderschutz und Gesundheitssystem können die Hilfeangebote auch wirklich greifen. Vorhandene Regelungen und Angebote können genutzt werden, um diese Lotsendienste zu implementieren und weiterzuentwickeln. Der Fachbereich Jugend und Familie/Kommunale Sozialdienst hat daher ein Interesse, die Netzwerke Frühe Hilfen in der Landeshauptstadt Hannover in Zusammenarbeit zwischen Gesundheitssystem und Jugendhilfe weiterzuentwickeln.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Das Angebot richtet sich generell an alle Geschlechter. Geschlechtsspezifische Bedingungen von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Kinderschutzes werden fachlich in die Beratungen der Babylotsen, als auch bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung einbezogen. Barrieren werden durch die persönliche Beratung und Beteiligung der Mütter und Väter niedrigschwellig gehalten, so dass die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung am gesellschaftlichen Leben unabhängig von Alter, Geschlecht oder Nationalität ermöglicht wird.

Kostentabelle

Die Kosten stehen im Budget 36302 – Hilfen zur Erziehung – Experimentiermitteln zur Verfügung (Informationsdrucksache 1811/2012 - Experimentiermittel).

51.2 
Hannover / 26.07.2019