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Angesichts des fortwährenden völkerrechtswidrigen Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine hat einerseits eine große Fluchtbewegung sowohl innerhalb der Ukraine als auch über die westlichen Nachbarstaaten hinweg eingesetzt, die die kommunalen Infrastrukturen in den Ankunftsorten stark herausfordert. Andererseits befinden sich noch zahlreiche ukrainische Zivilisten in umkämpften Gebieten, wo die humanitäre Lage höchst dramatische Dimensionen erreicht hat.
Als Lead City im weltweiten Friedensbündnis „Mayors for Peace“ hat die Landehauptstadt Hannover den Menschen in der Ukraine ihre volle Solidarität zugesichert und diese durch gemeinsame Aktionen der rund 800 deutschen Mitgliedsstädte zum Ausdruck gebracht.
Zugleich ist Hannover Drehkreuz und Aufnahmeort für die schutzsuchenden ukrainischen Frauen, Kinder und Familien. Mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle wurde in Hannover eine Einheit geschaffen, um zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement zu bündeln und bei der Vermittlung von Wohnungen zu helfen. Für die Unterbringung, Betreuung und Begleitung von Geflüchteten aus der Ukraine in der Landeshauptstadt Hannover hat der Rat zuletzt mit der Drucksache 0689/2022
sowie 0910/2022N1
überplanmäßige Mittel von bislang 20 Mio. € bereitgestellt.
Darüber hinaus werden aktuell die europäischen partnerschaftlichen Verbindungen der LHH zu Städten wie Poznañ genutzt, um die aufnahmebereiten Anrainerstaaten mit Hilfsgütern zu versorgen.
Die derzeitigen Bemühungen sind allerdings im Hinblick auf die Notsituation in der Ukraine bei weitem nicht ausreichend. Die humanitäre Lage vor Ort erfordert weitere Hilfsanstrengungen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft – aber auch seitens der öffentlichen Hand, auch wenn eine vollumfängliche finanzielle Unterstützung angesichts angespannter Haushaltssituationen in den Kommunen nur bedingt möglich ist. Deshalb wird gleichzeitig angestrebt, für ein umfassendes Engagement insbesondere des Bundes und der EU zu werben.
Zu 1:
a.) Zusammenarbeit mit betroffenen hannoverschen Partnerstädten
Die hannoversche Partnerstadt Poznañ leistet als Zufluchtsort in einem Anrainerstaat der Ukraine einen außerordentlich hohen Beitrag bei der Bewältigung der Folgen der durch den Krieg ausgelösten humanitären Krise. Als Partnerstadt der ukrainischen Stadt Charkiw umfasst dieser Beitrag nicht nur die Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine, sondern schließt die Vororthilfe für die ukrainische Partnerstadt mit ein.
Hannovers Partnerstädte zu stärken, die wiederum ihre ukrainischen Partner*innen unterstützen, ist nicht nur ein übergreifender solidarischer, sondern auch besonders effektiver Weg, um dort bestehende Kontakte und Verbindungen – vor allem auf der zivilgesellschaftlichen Ebene - für einen zielgerichteten und reibungslosen Ablauf der Hilfeleistungen zu nutzen.
Die Landeshauptstadt Hannover hat die Stadt Poznañ auf Anfrage des Stadtpräsidenten bereits durch Hilfslieferungen unterstützt. Soweit dabei eigene Mittel eingesetzt worden sind, werden diese auf den o.g. städtischen Finanzierungsanteil angerechnet.
b.) Etablierung und Umsetzung einer Solidaritätspartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Mykolajiw
Im Zeichen der Solidarität ist es der Landeshauptstadt Hannover aber auch ein wichtiges Anliegen, dass sich die Unterstützungsleistungen nicht nur auf bisherige Verbindungen und kurzfristige bzw. vorübergehende Maßnahmen beschränken, sondern auf einer langfristig ausgerichteten freundschaftlichen Beziehung mit der Ukraine aufgebaut werden. Dies schließt perspektivisch auch Maßnahmen ein, die im Zuge des Wiederaufbaus gebraucht werden könnten.
Um diese partnerschaftlichen Verbindungen zur Ukraine auf einer längerfristigen Basis zu entwickeln, wird vorgeschlagen, eine Solidaritätspartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Mykolajiw einzugehen.
Der Begriff der Solidaritätspartnerschaft wurde durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bzw. der Servicestelle für Kommunen der Einen Welt (SKEW) geprägt. Es handelt sich dabei um eine Städtekooperation mit der Absicht, zielgerichtete und bedarfsorientierte Hilfe in einer ukrainischen Kommune zu leisten. Die SKEW unterstützt im Auftrag des BMZ die Kommunen bei der Auswahl der Partnerkommunen, stellt Kontakte her und stellt einen Kleinprojektfonds (s.u. Zu 2) zur finanziellen Unterstützung der Projekte in Aussicht.
Im Gegensatz zu einer Städtepartnerschaft, die traditionell auf Völkerverständigung abzielt, ein substanzielles zivilgesellschaftliches Engagement voraussetzt und auf einem breiten inhaltlichen Themenspektrum aufbaut, ist die Solidaritätspartnerschaft zunächst auf die praktische und solidarische Unterstützung in der Notsituation der Ukraine ausgerichtet, ohne dabei eine spätere Verfestigung auszuschließen. Kommunalrechtlich muss die Partnerschaft dazu bestimmt sein, das Wohl der Einwohner*innen der Landeshauptstadt Hannover zu fördern. Im Rahmen der partnerschaftlichen Beziehungen bzw. des verfestigten Kontaktes können dann auch bestimmte Maßnahmen der Entwicklungshilfe als zulässig angesehen werden (vgl. Thiele, § 5 NKomVG, Rn. 7).
Die Verwaltung hat daher Gespräche, u.a. mit der Generalkonsulin der Ukraine, der SKEW, dem Ukrainischen Verein in Niedersachen e.V. und dem Verein Hannover Helps e.V. geführt und Aspekte wie die Zahl der Einwohner*innen, Wirtschaftsfaktoren, Bezug zu Hannover, vorhandene Kooperations- und Partnerstädte und Institutionen einbezogen.
Die Stadt Mykolajiw wurde Hannover als Stadt mit großem Hilfsbedarf sowohl von der ukrainischen Generalkonsulin als auch von der SKEW vorgeschlagen. Die Stadt in der südlichen Ukraine ist mit ihren ca. 480.000 Einwohner*innen in einer vergleichbaren Größenordnung wie Hannover und hat noch keine Partnerschaft mit einer deutschen Stadt. Sie ist ein Industriezentrum mit Maschinenbau für die Landwirtschaft und die Baubranche, Leicht- und Nahrungsmittelindustrie sowie maritimes Zentrum mit mehreren Großwerften.
Der ukrainische Verein schickt regelmäßig Hilfstransporte Richtung Mykolajiw, um dringend benötigte Hilfsgüter wie beispielsweise Lebensmittel und Hygieneartikel zu übergeben.
Mit dem Eingehen einer Solidaritätspartnerschaft wird die Landeshauptstadt Hannover auch ihrem Anspruch gerecht, den sich vollziehenden Wandel in der Stadtgesellschaft im Zuge der kriegsbedingten Zuwanderung aus der Ukraine in ihren internationalen Beziehungen abzubilden und im Auftrag des Rates die Möglichkeit haben, ihrer ukrainischen Partnerkommune gezielt Hilfsangebote zukommen zu lassen.
c.) Projektbezogene Zuwendungen an zivilgesellschaftliche Organisationen zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in Hannover
Seit Ausbruch des Krieges leisten zivilgesellschaftliche Organisationen einen außerordentlich hohen Beitrag bei der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Betreuung geflüchteter Menschen aus der Ukraine. Auch beim Transport und bei der Lieferung von Hilfsgütern übernehmen sie eine herausragende Rolle.
Die Zuwendungen sollen sich deshalb gezielt an diejenigen Organisationen in Hannover richten, die sich für Unterstützungsleistung vor Ort in der Ukraine einsetzen – beispielsweise in Form der Organisation und Durchführung von Hilfsgütertransporten, die in Hannover vorbereitet und wofür u.a. Lagerkapazitäten benötigt werden. Die Zuwendungen sind als Projektförderung zu verstehen, die für Einzelvorhaben oder als Anschubfinanzierung gewährt werden können. Der Zugang zu den Fördermöglichkeiten soll möglichst unkompliziert gestaltet werden.
Zu 2:
Fördermöglichkeiten
Es ist zu erwarten, dass Fördermittel der EU, des Bundes und des Landes Niedersachsen für die genannten Vorhaben bereitgestellt werden, die nach Möglichkeit zur (Re-) Finanzierung des Budgets genutzt werden sollten.
Im Hinblick auf Bundesmittel eröffnet die bilaterale Zusammenarbeit mit einer ukrainischen Partnerkommune einen Weg für niederschwellige Förderinstrumente, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Unterstützung ukrainischer Kommunen kürzlich auf den Weg gebracht hat. So ist im Rahmen des Kleinprojektefonds der Servicestelle für Kommunen der Einen Welt (SKEW) die Möglichkeit einer Vielzahl von Projektanträgen mit einer max. Fördersumme von je 50.000 € gegeben, worüber ein Großteil der Kosten der Sachleistungen finanziert werden könnte.