Antrag Nr. 15-1687/2019:
Vermehrte Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit

Informationen:

verwandte Drucksachen:

15-1687/2019 (Originalvorlage)
 > 1. Entscheidung zur Originalvorlage

Beratungsverlauf:

  • 20.06.2019: Stadtbezirksrat Buchholz-Kleefeld: Frau Heine als Sachverständige gehört. Getrennte Abstimmung: Punkt 1) einstimmig Punkt 2) 3 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen Punkt 3) 3 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen Punkt 4) 11 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen

Antragsteller(in):

Bezirksratsherr Dr. Christopher Nils Carlson

Inhalt der Drucksache:

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Vermehrte Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit

Antrag

Der Bezirksrat möge beschließen:

1. Stadtrat und Verwaltung der LHH werden aufgefordert, die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit als dringliches und prioritäres Anliegen der Kommunalpolitik anzusehen und aktiv an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken(Unbeschadet der etwas sehr optimistischen Einschätzung der Stadtverwaltung, die sich in der Antwort einer Anfrage von mir aus der letzten Sitzung manifestiert (s. https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-1089-2019) derzufolge alles Erforderliche schon jetzt gemacht wird.).
2. Um das v.g. Ziel zu erreichen, sind alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen bzw. zu unterstützen bzw. zu beschleunigen. Hierzu zählen u.a.: sog. Little Homes, Housing First-Projekte, Umwidmung von nicht mehr benötigten Flüchtlingsunterkünften, der Bau von Sozialwohnungen, Aufkauf oder Enteignung von langfristig leerstehendem Wohnraum usw. (Die Aufzählung ist nicht erschöpfend.)
3. Sofern die derzeitige Rechtslage angeblich (oder tatsächlich) irgendwelchen zielführenden Maßnahmen entgegenstehen sollte, ist die Rechtslage umgehend den sachlichen Erfordernissen der Situation anzupassen.
4. Sofern die vorhandenen Etatmittel nicht ausreichen, sind Umwidmungen im laufenden Haushalt und/oder ein Nachtragshaushalt vorzusehen. Entsprechende Mittel sind im nächstmöglichen Haushalt in ausreichender Höhe zu verankern.

Begründung

Wir hatten im letzten Winter in Hannover mehrere Todesfälle unter Obdachlosen zu beklagen. Moralisch und rechtlich sind alle Menschen der Stadt – und ganz besonders Träger*innen kommunalpolitischer Verantwortung – in der Pflicht, derartiges in Zukunft zu verhindern. Da die Lage der Betroffenen selbst dramatisch und drastisch ist, ist auch dramatisches und drastisches Handeln vonnöten.
Die Schätzungen der Zahl der Obdachlosen/Wohnungslosen in unserer Stadt liegen zwischen 800 und 3000. Aus dieser Zahl wird ersichtlich, dass es vermutlich nicht möglich sein wird, alle Betroffenen kurzfristig mit einem angemessenen Wohnraum zu versorgen. Man wird daher vorübergehend auf bestimmte Vorstellungen hinsichtlich der Wohnqualität verzichten müssen, um das übergeordnete Ziel zu erreichen, alle betroffenen Menschen vor dem Schicksal zu bewahren, draußen auf der Straße zu leben – oder eben auch dort zu sterben (Daher ist die Antwort der Stadt auf eine Anfrage der Bezirksrätin Julia Grammel (Linkspartei) im Stadtbezirk Ahlem-Badenstedt-Davenstedt abzulehnen (s. https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-1165-2019).




Im Übrigen sei hier nochmals daran erinnert, dass Wohnen ein Menschenrecht ist. Hierzu zwei rezente Stellungnahmen:
Thomas Uhlen von der Caritas in Niedersachsen wies als Sprecher der Landesarmutskonferenz am 27.03.2019 darauf hin:
„Wohnungslosigkeit wird ein immer größeres Problem, für 2018 erwartet die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) circa 1,2 Millionen Wohnungslose in Deutschland. Dieses Jahr sind trotz des kurzen Winters wieder mindestens 11 Obdachlose auf der Straße erfroren, so zuletzt unter tragischen Umständen Jürgen Niemann am 12. Februar in Hannover.“ (Lt. einer gemeinsamen Pressemitteilung der LAK Niedersachsen und dem Caritas-Verband)
Und:
„Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V., anlässlich des ... Welttags der Sozialen Gerechtigkeit. „Und dieses Menschenrecht wird immer mehr Menschen, auch immer mehr Kindern, verweigert. Mehr als 50.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße. Fast eine Million Menschen haben keine eigene Wohnung, keinen Mietvertrag. Und immer mehr Menschen haben Angst davor, ihre Wohnung oder ihr Haus zu verlieren. Die Politik muss endlich wirksame Maßnahmen gegen die Wohnungsnot umsetzen. Eine Landeswohnungsbaugesellschaft wäre ein Anfang.“
[...]
"Wichtig ist, auch die Ärmsten im Blick zu behalten: Wohnungs- und Obdachlose haben ohne ein eigenes Dach über dem Kopf keine Perspektive. „Ob die sogenannten Tiny Houses da eine echte Hilfe sein können, ist fraglich. Aber angesichts der schieren Zahl der Hilfebedürftigen muss sich die Politik mit Hilfsorganisationen und Betroffenen an einen Tisch setzen, um tragfähige Lösungen zu finden. In diesem Winter sind bundesweit schon mindestens elf Obdachlose erfroren. Auch in Niedersachsen, selbst mitten in Hannover, gab es solche Fälle. Das muss aufhören.“ (Zitiert nach einer Pressemitteilung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hannover)
Ganz sicher ist der Stadtbezirksrat Buchholz-Kleefeld auch dieser Meinung.