Drucksache Nr. 15-0372/2020 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage Energiegewinnung aus Geothermie
Sitzung des Stadtbezirksrates Mitte am 24.02.2020
TOP 8.1.5.

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverDrucksachen-Zeichen
An den Stadtbezirksrat Mitte (zur Kenntnis)
 
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15-0372/2020 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage Energiegewinnung aus Geothermie
Sitzung des Stadtbezirksrates Mitte am 24.02.2020
TOP 8.1.5.

Aktuell wird der Wärmebedarf in Gebäuden vorwiegend durch Verbrennen fossiler Energieträger gedeckt. Mit geothermischer Energie kann Wärme und elektrische Energie erzeugt werden. Die Technologien für die Nutzung sind vorhanden und stehen bereit. In Deutschland gibt es zurzeit 37 Geothermiekraftwerke, z.B. in München.
Gut geeignete Bedingungen für die Nutzung von Geothermie soll es auch in Hannover, Hamburg und Stuttgart geben. Eine klimafreundliche Energieversorgung wäre so machbar.

Wir fragen die Verwaltung:

1) Gibt es seitens der Landeshauptstadt Initiativen/ Maßnahmen, um die Möglichkeiten der Geothermie auch in Hannover zu nutzen?

2) Wenn nein, warum wurde seitens der Landeshauptstadt diese Möglichkeit der klimafreundlichen Energieversorgung vernachlässigt bzw. nicht verfolgt?

Die Verwaltung beantwortet die Anfrage wie folgt:

Zu 1) Die oberflächennahe Geothermie nutzt, im Vergleich zur tiefen Geothermie, den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25°C.
a) Oberflächennahe Geothermie
Als wichtige Maßnahme zur Ausweitung der oberflächennahen Geothermie kann die Bezuschussung von Wärmepumpenheizungen durch proKlima, dem (von der Stadt mitfinanzierten) regionalen Förderfonds, genannt werden.

Zudem wird in der Bauleitplanung der Landeshauptstadt Hannover die Verfügbarkeit und die Auslastung bestehender nachhaltiger Versorgungssysteme berücksichtigt. Es wird z.T. durch Anforderung an bauseitige Wärmestandards oder durch Standards an die Wärmeversorgung ein Rahmen gesetzt, der den Einsatz von Wärme- und Kältesystemen aus oberflächennaher Geothermie attraktiv machen kann.

In der Anwendung wägen die Investor*innen die verschiedenen Wärmeversorgungskonzepte gegeneinander ab: Geothermie versus Fernwärme versus Gasversorgung etc.
Auch vom BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) stehen Fördermittel für Wärmepumpenheizungen zur Verfügung. Da durch die zukünftige Bepreisung des CO2-Ausstoßes eine Wärmeversorgung mit fossilen Energieträgern teurer werden wird, wird erwartet, dass in Zukunft Wärmepumpenheizungen zunehmend zum Einsatz kommen.

Als Beispiel sei genannt, dass im Baugebiet Herzkamp in Hannover-Bothfeld einige Baufelder mit Geothermie versorgt werden. Auch einzelne Großprojekte wurden und werden seitens der beauftragten Projektentwickler mittels oberflächennaher geothermischer Sondenfelder unter dem Aspekt der Wärmegewinnung, aber auch der sommerlichen Klimatisierung, realisiert.

Beispiele:

· Verwaltungsgebäude Region Hannover, Hildesheimer Straße
· Schloss Herrenhausen
· HDI-Bürokomplex, Hannover-Lahe
· Krankenhaus Siloah (teilweise)
b) Tiefengeothermie
Die Versorgung von Objekten oder Quartieren mit Tiefenwärme ist ein hochkomplexes, risikobehaftetes und kostenintensives Unterfangen.

Das hannoversche Stadtgebiet liegt auf einem geothermisch bevorzugten Untergrund mit trockenem, erwärmten bzw. heißem Gestein, hat aber keine Heißwasser-führenden Schichten wie in Süddeutschland. Letztere vereinfachen die Nutzung der tiefen Erdwärme deutlich und erlauben teilweise auch eine effiziente Stromerzeugung.
Der Verwaltung bekannte Projekte in der Region sind nicht über eine Planungsphase bzw. eine Machbarkeitsstudie hinausgekommen:
· Flughafen Hannover-Langenhagen, Dublette zur Injektion von Kaltwasser und Förderung des erwärmten Wassers
· Fliegerhorst Wunstorf, Dublette, in Verbindung mit einer Wohngebietsversorgung
· Geozentrum Hannover, Ein-Loch-Bohrung, Vor- und Rücklauf über eine innovative, doppelwandige Verrohrung (Forschungsprojekt GeneSys)
Grundsätzlich steht die Landeshauptstadt geothermischen Versorgungssystemen offen gegenüber.

Durch die enercity AG werden seit Ende 2019 Maßnahmen der oberflächennahen Geothermie, angeboten. Die enercity AG übernimmt die Montage und den Betrieb einer Wärmepumpe und damit die Lieferung von Wärme für 10 oder 15 Jahre. Das Angebot richtet sich an Eigentümer von Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie Eigentümer von Gewerbeimmobilien. Die ersten Projekte befinden sich derzeit in der Akquise und Planung. Insbesondere Neubauprojekte stellen eine interessante Zielgruppe dar. Im Gebäudebestand ist häufig eine gasbasierte Wärmeversorgung anzutreffen, die in der Regel auf höhere Vorlauftemperaturen als in Neubauobjekten ausgelegt wurde. Daher ist hierbei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Umstellung auf Erd-Wärmepumpen technisch und wirtschaftlich vorteilhaft ist. Weiterhin ist die lokale Verfügbarkeit von Wärmequellen zu prüfen und kann insbesondere im dicht bebauten Stadtgebiet eingeschränkt sein. Die Prüfung und Beratung zu diesen Aspekten ist im Angebot von enercity enthalten.

Zu 2) Die geothermischen Versorgungsalternativen wurden und werden von der Landeshauptstadt nicht vernachlässigt.
Zur Verbreitung der Kenntnisse dieser Versorgungsalternativen hat hannoverimpuls (Wirtschaftsförderungsgesellschaft von Landeshauptstadt und Region Hannover) gemeinsam mit dem Geozentrum Hannover 2008 die Tagungsreihe „Norddeutsche Geothermietagung/Hotspot Hannover“ ins Leben gerufen, die 2020 zum zwölften Mal durchgeführt wird. Die hiesige Wohnungsbauwirtschaft, Objektentwickler*innen, Planer*innen und Spezialunternehmen, die Wissenschaft und die Energieversorgungswirtschaft besuchen diese Veranstaltung regelmäßig. Die nächste Veranstaltung findet am 13.05.2020 statt (https://www.norddeutsche-geothermietagung.de/ – dort findet sich auch die Historie der Veranstaltung bzw. verfügbare Präsentationen).

Das Geozentrum – namentlich das Landesamt für Bergbau Energie und Geologie mit seinem Tiefengeothermiezentrum – wie auch hannoverimpuls, haben ein großes Interesse an geeigneten Projekten, um grundlastfähige Geothermie als für die Wirtschaft und das Klima interessante Alternative zu realisieren.


Da sich Hannover im sog. Norddeutschen Becken befindet, welches sich geographisch stark von z.B. dem Molassebecken oder dem Oberrheingraben im süddeutschen Bereich unterscheidet, verfolgen weder die Landeshauptstadt Hannover noch die enercity AG die Nutzung der tiefen Geothermie zur Erzeugung von Wärme/Strom.

Dies auch aus Risikogründen sowie aufgrund der derzeit fehlenden wirtschaftlichen Darstellbarkeit. Denn die Kombination aus der Notwendigkeit relativ tiefe Bohrungen durchführen zu müssen, um entsprechend auf hohe Temperaturen/Leistungen stoßen zu können, die Höhe der Bohr- und Zusatzkosten sowie die hohen Fündigkeitsrisiken in Form von Durchlässigkeiten, Temperaturen und Förderraten, hat die Landeshauptstadt und die enercity AG dazu bewogen der Tiefengeothermie keine hohe Attraktivität zuzusprechen. Anders ist die geographische Voraussetzung z.B. in München, wo für die Wärmegewinnung relativ einfach hydrothermale Systeme genutzt werden können.
Die enercity AG setzt zukünftig auf eine klimafreundliche Fernwärmeversorgung. Ein wichtiger Baustein ist zum Beispiel die Anschließung der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Hannover Lahe.