Informationen:
Beratungsverlauf:
- 22.02.2021: Stadtbezirksrat Mitte: Auf Wunsch der CDU in die Fraktionen gezogen
- 22.03.2021: Stadtbezirksrat Mitte: 10 Stimmen dafür, 7 Stimmen dagegen, 1 Enthaltung Für namentliche Abstimmung siehe Anhang
Beschlussdrucksache | ||||||||||
In den Stadtbezirksrat Mitte |
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Loebensteinstraße.
Übersichtskarte siehe Anlage 1.
Bezeichnung |
Einzahlungen | Auszahlungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Produkt 51103 | sondtige Leistungen Geoinformation |
Angaben pro Jahr | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ordentliche Erträge | Ordentliche Aufwendungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Bisheriger Verfahrensablauf
In seiner Sitzung vom 20.08.2018 hat der Stadtbezirksrat Mitte die Einleitung des Verfahrens zur Umbenennung der Hindenburgstraße mehrheitlich beschlossen, Drucksache (DS) Nr. 15-1464/2018. Die darin enthaltene Bürgerbeteiligung zur Findung eines neuen Straßennamens konkretisierte das Gremium durch den Beschluss des Antrags DS Nr. 15-0948/2019 am 25.03.2019. In der Folge wurden die von einer Adressänderung betroffenen Anlieger*innen mit Schreiben vom 30.04.2019 sowie die Öffentlichkeit durch eine zeitgleiche Pressemitteilung gebeten, sich mit Vorschlägen für einen neuen Straßennamen bis zum 31.05.2019 am Verfahren zu beteiligen.
Im Rahmen dieser Beteiligung haben sich 298 Personen für die Beibehaltung des bisherigen Straßennamens ausgesprochen. Inklusive Mehrfachnennungen sind 247 Namensvorschläge eingegangen, die auf ihre Eignung für die Straßenbenennung geprüft wurden. Von besonderem Belang war dabei der Aspekt der Gefahrenabwehr, um eine eindeutige Auffindbarkeit der Anlieger*innen in Notsituationen zu erreichen, sowie der jeweiligen Biographie der vorgeschlagenen Persönlichkeiten. Insgesamt konnten 150 Vorschläge für eine Benennung herangezogen werden. Aus diesen geeigneten Namensanregungen wählten die Fraktionen des Stadtbezirksrates Mitte entsprechend des Beschlusses zur Konkretisierung des Beteiligungsverfahrens (DS Nr. 15-0948/2019) die beiden Vorschläge Loebensteinstraße sowie Zooallee aus und brachten ferner die Beibehaltung des bisherigen Namens Hindenburgstraße ein. Mit der Beschlussfassung zur DS Nr. 15-1514/2020 N1 sprach sich der Stadtbezirksrat Mitte am 09.11.2020 mehrheitlich für die Weiterführung des Umbenennungsverfahrens mit Lotte-Lore Loebenstein als neuer Namensgeberin aus.
Lotte-Lore Loebenstein wurde am 25.07.1932 in Hannover geboren und lebte in der Hindenburgstraße 34. Anfang August 1937 flüchteten die Eltern Herbert und Gertrud Loebenstein mit ihrer Tochter vor dem Naziregime nach Amsterdam. Aus den besetzten Niederlanden wurde die Familie im Mai 1943 nach Sobibor deportiert und dort ermordet. Lotte-Lore wurde nur 10 Jahre alt und ist damit wohl die jüngste Anwohnerin der Hindenburgstraße, die Opfer des Holocausts wurde.
Zur Anhörung
In Folge des Beschlusses vom 09.11.2020 wurden 333 von einer Adressänderung betroffenen Anlieger*innen der Hindenburgstraße gemäß der Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) am weiteren Verfahren beteiligt. Mit Schreiben vom 13.11.2020 wurde über die Hintergründe informiert und zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen bis zum 18.12.2020 aufgefordert. Mit 39 unzustellbaren Postrückläufen konnten 11,7 % der Anlieger*innen nicht erreicht werden. Insgesamt sind bei der Verwaltung 110 Rückmeldungen eingegangen, was einer Beteiligung von 33,0 % der ortsansässigen Anwohner*innen, Eigentümer*innen, Gewerbetreibenden und Institutionen entspricht. Mehrfachnennungen wurden dabei nur einmal berücksichtigt.
Eine Rückmeldung begrüßt die Umbenennung ausdrücklich, drei Rückmeldende äußerten sich neutral zur beabsichtigten Namensänderung. Die überwiegende Anzahl von 106 Rückmeldungen, damit 31,8 % der Anlieger*innen der Hindenburgstraße, sprechen sich gegen die Umbenennung aus. Ebenso äußerte sich eine Institution aus der näheren Umgebung, die keine Anliegerin ist.
Auch nach Würdigung der dargelegten Vorbehalte gegen die Namensänderung rät die Verwaltung dazu, der Beiratsempfehlung zu folgen und aufgrund der vorangegangenen Begründung sowie der vorangegangenen Beschlüsse DS Nr. 15-1464/2018 und DS Nr. 15-0948/2019 an der Umbenennung der Hindenburgstraße in Loebensteinstraße festzuhalten.
Zu den geäußerten Bedenken
1.) Kosten
Der Großteil der Anlieger*innen, die sich die Beibehaltung des bisherigen Straßennamens wünschen, nutzten einen Vordruckentwurf der Bürgerinitiative Hindenburgstraße, die sich aus Anlieger*innen und interessierten Bürger*innen zusammensetzt und sich gegen die Straßennamensänderung wendet. Dieser Vordruck nennt „erhebliche Kosten und Unannehmlichkeiten“.
Durch die bei Adressänderungen vorgeschriebene Übergangszeit sowie der Bekanntgabe an vielfältige Institutionen durch die Landeshauptstadt Hannover werden die Belastungen reduziert und bewegen sich in einem zumutbaren Rahmen. Bei einer Änderung der Grundstücksbezeichnung (Straße und Hausnummer) ist eine Übergangszeit von mindestens einem Jahr vorgeschrieben. Während dieser Zeit bleibt die alte Bezeichnung neben der neuen Bezeichnung bestehen. Die Änderungen bei der Stelle für Gewerbemeldungen sowie von Ausweisen und Zulassungsbescheinigungen bei den Bürgerämtern erfolgt während der Übergangszeit gebührenfrei. Die Verwaltung teilt die Änderungen auch Institutionen wie Grundbuchamt, Finanzamt, Deutsche Post, Citipost, enercity und Weiteren mit. Hier werden ebenfalls keine Gebühren erhoben. Die Betroffenen müssen allerdings auf eigene Kosten die Namensänderung in ihrem Geschäfts- bzw. Privatbereich mitteilen und ggf. Briefköpfe, Dokumente u.a. ändern bzw. ändern lassen. Insgesamt lässt sich eine Kostenbelastung der Betroffenen insofern nicht vollkommen vermeiden, wird durch die genannten Maßnahmen jedoch reduziert.
2.) Gründe für die Umbenennung
Des Weiteren verweist die Vorlage der Initiative auf „keineswegs zwingende Gründe“, die für eine Umbenennung der Hindenburgstraße sprächen.
Mit der Umbenennung möchte sich der Stadtbezirksrat Mitte öffentlich erkennbar von Paul von Hindenburg als Namensgeber abwenden. Dies kann nur mit dem Wegfall des Straßennamens Hindenburgstraße gelingen. Damit soll deutlich gemacht werden, dass nach den heutigen demokratischen Grundwerten eine Straßenbenennung nach Paul von Hindenburg fragwürdig ist und sich das Gremium mit den Handlungen dieser umstrittenen Persönlichkeit nicht identifiziert.
Im Rahmen der Anhörung wurde mehrfach eingebracht, dass die Tilgung eines Straßennamens keinen Anlass mehr böte, sich kritisch mit dem Namensgeber auseinanderzusetzen und daher abzulehnen sei. Im Gegensatz dazu sei die Installation einer Informationstafel, zum Beispiel unterhalb des Straßennamensschildes, die über Paul von Hindenburg aufklärt und sich kritisch mit seiner Person auseinandersetzt, ein geeigneteres Mittel des geschichtlichen Umgangs als die beabsichtigte Umbenennung.
Grundstücksbezeichnungen dienen zunächst der Ordnungsfunktion, da sie das Auffinden von Anlieger*innen ermöglichen. Darüber hinaus sind sie auch historische Quellen, mit denen eine Ehrung der Namensgeber*innen verbunden ist. Allein durch die begrenzte Anzahl der für eine Benennung zur Verfügung stehenden Örtlichkeiten ist mit einem Straßennamen eine besondere, dauerhafte Würdigung der Person verbunden und stellt gleichzeitig auch einen Akt der politischen Identitätsstiftung dar. Diese Würdigung hält der Stadtbezirksrat Mitte wie der städtische Beirat für die Person Paul von Hindenburgs in der heutigen Zeit für nicht mehr angemessen und identifiziert sich nicht mit dessen politischen Handlungen. Daraus resultiert der Wunsch nach der Abkehr von Paul von Hindenburg. Dieses Verlangen wiegt schwerer als die Bedeutung eines Straßennamens als historische Quelle. Vielmehr kann auch gerade eine vollzogene Umbenennung Anlass dazu sein, dass sich Menschen intensiver damit auseinandersetzen, aus welchen Gründen eine Person nicht mehr als Namensgeber*in geeignet ist. Auch um dieses Interesse zu fördern, wird die Benennungshistorie der einzelnen Straßen auf https://www.hannover-gis.de dokumentiert. Darüber hinaus stehen über die Person und das Wirken Hindenburgs zahlreiche weitere Möglichkeiten, sich über das Schulwissen hinaus zu informieren, allgemein zur Verfügung.
4.) Gutachterliche Stellungnahme und Quellenauswertung
Angeführt wird die von der Bürgerinitiative beigebrachte gutachterliche Stellungnahme aus dem September 2019 zum Abschlussberichts des Beirats. Aus dieser wird geschlossen, dass sich aus dem Stand der Forschung zur Person des Paul von Hindenburg keine Begründung für eine Straßenumbenennung ergibt. Ferner wird angemerkt, dass der nicht öffentlich zur Verfügung stehende Nachlass Paul von Hindenburgs nicht in die Meinungsbildung zur Straßenumbenennung eingeflossen ist.
Die gutachterliche Stellungnahme war bereits im Dezember 2019 Gegenstand einer Anfrage im Stadtbezirksrat Mitte, DS Nr. 15-3198/2019. Bislang unbekannte Fakten konnten ihr jedoch nicht entnommen werden. Die Beiratsempfehlung wurde insoweit auch unter Berücksichtigung der vermeintlich entlastenden Handlungen Hindenburgs getroffen. Für den Straßennamen war daher gemäß der Kriterien des Beirats bereits anhand der vorliegenden Quellenlage die Umbenennung zu empfehlen. Insofern ist auch die nicht erfolgte Veröffentlichung des Nachlasses Paul von Hindenburgs nicht von Belang.
5.) Auftaktverfahren für weitere Namensänderungen
Problematisch empfinden einige Anlieger*innen die potenzielle Möglichkeit, dass diese Namensänderung als Anlass für weitere Umbenennungen in Hannover und darüber hinaus herangezogen werden könnte.
Grundsätzlich kann nie ausgeschlossen werden, dass zuständige Gremien Namensänderungen in Erwägung ziehen und letztendlich positiv darüber befinden. Um einen einheitlichen Umgang mit Straßenumbenennungen im Stadtgebiet zu ermöglichen, hat sich der Rat der Landeshauptstadt Hannover diesbezüglich Grundsätze gegeben, die auf Namensgebungen in seinem Zuständigkeitsbereich anzuwenden sind. Der städtische Beirat zum Projekt „Wissenschaftliche Betrachtung namensgebender Persönlichkeiten“ hat entsprechend seines Auftrags für Personen in Hannover, die zwischen 1933 und 1945 gewirkt haben, eine Beurteilung nach diesen Richtlinien vorgenommen, um einen gesamtstädtischen Umgang mit den Namensgeber*innen zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund sind die ausgesprochenen Empfehlungen auch an die jeweils zuständigen Stadtbezirksräte gerichtet, für die die Ratsgrundsätze nicht bindend sind. Hieran wird das Bestreben der Landeshauptstadt Hannover deutlich, Namensänderungen entgegen der geäußerten Annahmen nicht willkürlich betreiben zu wollen. Darüber hinaus haben Änderungen des Namens von nach Hindenburg benannten Örtlichkeiten zu verschiedenen Zeiten bereits in zahlreichen anderen Städten, wie beispielsweise Münster, Berlin, Frankfurt am Main u.a., stattgefunden. Insofern nimmt die hiesige Straßenumbenennung auch nicht die zugesprochene Vorreiterrolle ein, vielmehr handelt es sich um einen Teilaspekt einer bereits vorhandenen Betrachtungsänderung zur Person Hindenburgs.
6.) Geeignetheit der neuen Namensgeberin
Ebenfalls von einigen Anlieger*innen wird die Ehrung Lotte-Lore Loebensteins im Rahmen einer Straßenbenennung als nicht geeignet angesehen. Die grundsätzliche Ehrbarkeit wird hierbei nicht in Zweifel gezogen, lediglich wird die Form der Würdigung mittels eines Stolpersteines, einer Informationstafel oder Plakette gegenüber einer Straßennamensgebung favorisiert. Die Begründungen hierfür liegen einmal in der Auswahl einer Einzelperson aus der Vielzahl von Opfern des Nationalsozialismus, welche als willkürlich wahrgenommen wird. Darüber hinaus wird die Ehrung eines Kindes aufgrund des geringen Lebensalters und der damit verbundenen eingeschränkten Möglichkeiten seines Wirkens als problematisch empfunden. Zum anderen wird ein neutraler Name ohne konkreten Personenbezug gewünscht. Genannt wurden explizit die Zooallee, -straße sowie die Eilenriedeallee. Dies mag mit den ebenfalls genannten Begründungen korrespondieren, dass der bisherige Name Hindenburgstraße als besonders namhaft, seriös und prestigeträchtig empfunden wird.
Lotte-Lore Loebenstein steht exemplarisch für die Menschen, die unter dem nationalsozialistischen Regime gelitten haben und dessen Opfer geworden sind. Zu dieser Personengruppe zählen auch zahlreiche Kinder, deren Schicksale durch eine Würdigung im öffentlichen Raum im Vergleich zu anderen NS-Opfern verhältnismäßig wenig präsent sind. Der besondere Bezugspunkt zum vorliegenden Verfahren ergibt sich durch die Adresse Hindenburgstraße 34, welche die letzte Adresse der Familie vor der Flucht, Deportation und Ermordung war. Eine Straßenbenennung steht zudem einer weiteren Erinnerung in den genannten Formen nicht entgegen.
7.) Berücksichtigung der Anlieger*inneninteressen
Abschließend wird sowohl bemängelt, dass die Interessen der Bevölkerung nicht angemessen berücksichtigt worden seien bzw. wird angeregt, das Verfahren im Sinne der Bürger*innen zu betreiben.
Auf Grundlage des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind die Personen am Verfahren zu beteiligen, die in ihren Rechten beschwert werden. Bei einer Straßenumbenennung sind das die von einer damit verbundenen Adressänderung betroffenen Anwohner*innen, Eigentümer*innen, Gewerbetreibenden und Institutionen. Im Rahmen der ersten Bitte, sich durch das Einbringen von Namensvorschlägen an der Umbenennung zu beteiligen, hat sich die Mehrheit für die Beibehaltung des Namens Hindenburgstraße ausgesprochen. Es handelte sich dabei um einen öffentlichen Aufruf, bei dem alle Rückmeldungen ungeachtet ihres Bezugs zu der mit der Umbenennung verbunden Adressänderung berücksichtigt worden sind. Für das Verwaltungsverfahren ist jedoch das Meinungsbild der betroffenen Anlieger*innen maßgeblich. Dieses hat die Verwaltung mit Schreiben vom 13.11.2020 eingeholt, um die Anregungen und Bedenken der Anlieger*innen prüfen und würdigen zu können.