Antrag Nr. 15-0251/2014:
Umbenennung Elkartallee

Inhalt der Drucksache:

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Umbenennung Elkartallee

Antrag

Umbenennung der Elkartallee


Der Bezirksrat möge beschließen:

1. Die Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover wird aufgefordert, die Elkartallee umzubenennen in Hilde-Schneider-Allee.

2. Den Anwohnerinnen und Anwohnern werden Postkarten zur Verfügung gestellt, um die Adressänderung Freunden, Bekannten oder Kunden mitzuteilen.

3. Die Verwaltung richtet in einer der anliegenden Alten- und Pflegeeinrichtungen eine vorübergehende Außenstelle des Ordnungsamtes ein, um notwendig werdende Ausweisänderungen vornehmen zu können.

Begründung

Nach den „Grundsätzen und Verfahren für die Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen“ in der Fassung vom 17.9.2009 heißt es unter Punkt 3.3:

„Umbenennungen sollen nur erfolgen ...

wenn eine Benennung einer Persönlichkeit im Nachhinein Bedenken auslöst, weil diese Person Ziele und Wertvorstellungen verkörpert, die im Widerspruch zu den Grundsätzen der Verfassung, der Menschenrechte bzw. einzelner für die Gesamtrechtsordnung wesentlicher Gesetze steht. Zusätzlich zu diesen Bedenken gegen die mit der Person verknüpften Ziele und Wertvorstellungen müssen der durch die Benennung geehrten Person schwerwiegende persönliche Handlungen (Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Rassismus, Kriegsverbrechen u.a.m.) oder die aktive Mitwirkung an einem Unrechtssystem zuzuschreiben sein.“

Diese Vorgaben treffen auf den ehemaligen Stadtbaurat Karl Elkart zu. Im Stadtlexikon Hannover, erschienen im Jahr 2009, schreibt der Bauhistoriker Helmut Knocke über Karl Elkart:

„Nach 1933 förderndes Mitglied der SS; Wiederwahl als Stadtbaurat, Eintritt in die NSDAP.“

„Im Krieg forcierte Elkart den Bau von Bunkern. Seit 1943 Mitglied in Albert Speers „Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte“

„Am 1.7.1945 entlassen (...)1946 formal rehabilitiert in Ruhestand versetzt.“

„“Die von Elkart geleitete Bauverwaltung beteiligt an der Arisierung von Grundstücken und verantwortlich für die Beschäftigung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen im II. Weltkrieg.“

Rüdiger Fleiter berichtet in seiner umfangreichen Studie „Stadtverwaltung im Dritten Reich“, dass Elkart es im Juni 1938 für zweckmäßig hielt, „darauf hinzuwirken, dass die Notare gleich bei der Parzellierung prüften, ob der Käufer Arier sei, damit unerwünschte Grundstücksgeschäfte gleich im Anfang vereitelt werden könnten“ (S. 146)

Auf S. 171 berichtet Fleiter, dass Karl Elkart im April 1940 einen Schrank für Aufbewahrung jenes Tafelsilbers anfertigen ließ, dass jüdische Mitbürger für niedrige Summen zwangsverkaufen mussten.

Auf S. 195 heißt es im Zusammenhang mit dem Enteignungsverfahren des Grundstücks Burgstraße 36 (Eigentümer: Benjamin Fiszel), „dass die Stadtverwaltung - allen voran Stadtbaurat Elkart - bewusst die Notlage ausnutzte, in der sich die polnischen Juden Hannovers nach der ersten Deportationswelle befanden, um billig an ihr Grundeigentum zu kommen. Es war nicht der einzige Falle, in dem Stadtbaurat Elkart als rücksichtsloser „Arisierer“ auffiel“

Maßgeblich beteiligt war Karl Elkart am Versuch, den alten jüdischen Friedhof in der Oberstraße eineben zu lassen. Fleiter schreibt auf S. 206: Elkart sah zwei Alternativen: „Den Kauf des Geländes (bzw. die Einleitung eines Enteignungsverfahrens) durch die Stadtverwaltung oder die Einebnung „ohne Berücksichtigung etwa bestehender rechtlicher Bedenken“. Er selbst sprach sich für die zweite Möglichkeit aus“.

Mitte 1941 notierte der NSDAP-Oberbürgermeister Henricus Haltenhoff über Karl Elkart:

„vor mehr als Jahresfrist (Ende 1940/Anfang 1941) machte mich der Stadtbaurat Professor Karl Elkart darauf aufmerksam, daß Rüdenberg, der früher eine Bettfedernfabrik betrieben habe, eine seltene und kostbare Sammlung alten chinesischen Porzellans und alter chinesischer Bronzen besitze und daß er, Stadtbaurat Elkart es für notwendig erachte, diese Sammlung in das Eigentum der Stadt zu überführen“.

Die Sammlung wurde von der Stadtgemeinde in Besitz genommen und ihrer Kostbarkeit wegen in einem Tresor verwahrt. Max und Margarethe Rüdenberg wurden am 23.7.1942 nach Theresienstadt verschleppt und dort umgebracht. 1951 musste die Stadt Hannover in einem Restitutionsverfahren die Sammlung an Erben zurückgeben.

Zusammenfassend schreibt Rüdiger Fleiter auf S. 362: „Stadtbaurat Elkart war als „Leiter der Sofortmaßnahmen“ eine der zentralen Figuren beim Kriegsgefangenen-Einsatz, sein Kompetenzen reichten weit über den Bereich der Stadtverwaltung hinaus“. Dabei allerdings zeigte er kein Interesse an Maßnahmen, die sich für die Stadt nichts auszahlten. „Die Stadtverwaltung Hannover wehrte sich dagegen tausende von Gefangenen zu entlausen, die nicht im Stadtgebiet verblieben“. Stadtbaurat Elkart vermittelte als verantwortlicher Dezernent auch nicht den Eindruck, „als empörten ihn die Verpflegungssätze der Wehrmacht für die Kriegsgefangenen. Seine Äußerungen über das „nicht schlechte Essen“ lassen eher vermuten, dass er dem Schicksal der Gefangenen gleichgültig gegenüberstand“.

Abschließend heißt es über die Stadtverwaltung und damit auch über deren hochrangigen Dezernenten Karl Elkart: „Die Kommunen und mit ihnen auch die Stadtverwaltung Hannover wirkten an den zentralen Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes mit. Es ist nicht möglich, den kommunalen Verwaltungsapparat vom nationalsozialistischen Unrechtsregime abzutrennen“.

In den Hannoverschen Geschichtsblättern, Neue Folge, Bd. 60 schreibt Rüdiger Fleiter über Stadtbaurat Karl Elkert und sine Beteiligung an der NS-Verfolgungspolitik auf S. 149: „Konnten sich Verwaltungsmitarbeiter der NS-Politik gegenüber verweigern? Die Untersuchung der Stadtverwaltung Hannover hat gezeigt, dass im Alltag immer wieder Handlungsspielräume für die Beamten, Angestellten und Arbeiter vorhanden waren. Auch Elkert - dies ist gezeigt worden - verfügte über diese Spielräume. Er nutzte sie erkennbar nicht im Sinne der Opfer, im Gegenteil: Er suchte jede Gelegenheit, jüdisches Eigentum in den Besitz der Stadt zu überführen; er beteiligte sich an Diskriminierungsmaßnahmen gegenüber Juden, die selbst durch die NS-Gesetze nicht gedeckt waren; er vertrat in der Diskussion um die Verpflegungssituation von schlecht ernährten Kriegsgefangenen eine härtere Linie als der NSDAP-Kreisleiter“.

All dies lässt nur einen Schluss zu: Trotz aller unzweifelhaften Verdienst um die städtebauliche Gestaltung der Stadt Hannover ist Karl Elkart nicht geeignet, als Namensgeber für eine Straße, einen Weg oder einen Platz in Hannover zu fungieren.

Der Rat der Landeshauptstadt Hannover wird daher aufgefordert, gemäß der Vorgabe, bei Umbenennungen, wenn die Straße nach einer Person benannt ist, vorrangig Frauen zu berücksichtigen, die Umbenennung der Elkartallee in Hilde-Schneider-Allee zu beschließen.

Hilde Schneider, eine evangelische Christin jüdischer Herkunft, geboren in Hannover am 12. November 1916, galt nach der Definition der Nazis als „Volljüdin“. Am 2. Januar 1935 trat Hilde Schneider ihren Dienst als Vorprobeschwester im Henriettenstift an. 1936 wurde sie nach der Probezeit als Novizin eingeführt. Wäre sie Novizin geblieben, hätte Hilde Schneider 1940 ihr Krankenschwesternexamen gemacht. Im Oktober 1940 begann Hilde Schneider ihre Ausbildung im Jüdischen Krankenhaus. Am 15. Dezember wurde Hilde Schneider mit tausend Jüdinnen und Juden aus Hannover nach Riga deportiert. Sie überlebte das Ghetto Riga und die Konzentrationslager Thorn und Kaiserwald, kehrte nach der Zerschlagung der Nazi-Herrschaft nach Deutschland zurück und studierte trotz haftbedingter gesundheitlicher Schäden Theologie und wirkte in ihrem Berufsleben als Seelsorgerin für so genannte Randgruppen, zuletzt als Gefängnisseelsorgerin.

Hilde Schneider ist im Januar 2008 gestorben.