Informationen:
Beratungsverlauf:
- 05.07.2023: Stadtentwicklungs- und Bauausschuss: Einstimmig
- 31.08.2023: Verwaltungsausschuss: Einstimmig
- 31.08.2023: Ratsversammlung: Einstimmig
Beschlussdrucksache | ||||||||||
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss In den Verwaltungsausschuss In die Ratsversammlung |
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Bezeichnung |
Einzahlungen | Auszahlungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Produkt 51101 | städtebauliche Planung |
Angaben pro Jahr | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ordentliche Erträge | Ordentliche Aufwendungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Baukultur – von der Schönheit der Stadt zum harten Standortfaktor
Was sind Gründe, warum Menschen sich mit „ihrer Stadt“ identifizieren, sich dort wohlfühlen, die Stadt wertschätzen oder sogar lieben? Was begeistert uns an fremden Städten und welche positiven Erfahrungen bringen wir von unseren Urlaubsreisen und Besuchen aus Paris, Florenz, Stockholm oder aus anderen Städten mit?
Zunächst sind es die Menschen selbst, die sozialen Kontakte und Netzwerke, die kulturellen Besonderheiten, ganz allgemein eine gute Infrastrukturausstattung und die guten Lebensbedingungen. Ganz weit vorne in der Beurteilung steht jedoch auch das, was unter dem Begriff der Baukultur subsummiert wird, nämlich der qualitätsvolle Umgang mit öffentlichen Räumen und Plätzen, mit Parks und Freianlagen, mit Architektur und baulichen Ensembles.
Eine „gute Baukultur“ prägt die Stadt nachhaltig im positiven Sinne, indem sie die Eigenart und Schönheit der Stadt im Großen und Kleinen durch einen behutsamen, manchmal auch radikalen, immer aber ortsangepassten Einsatz von städtebaulichen Qualitätssicherungsinstrumenten bewahrt, ausbaut und stärkt. Dabei umfasst Baukultur nicht nur das gebaute Ergebnis, sondern den gesamten Prozess des Planens, Errichtens, Benutzens, Bewirtschaftens und Unterhaltens.
Die positiven Auswirkungen einer guten Baukultur auf die Stadt, ihre Bewohner*innen und Besucher*innen sind schwierig wirtschaftlich zu erfassen. Baukultur „rechnet sich“ aber. Denn der „immaterielle Reichtum einer Stadt“ trägt wesentlich dazu bei, Menschen an ihre Stadt zu binden oder von außen anzuziehen. Und dieser Aspekt zählt in der Zeit des Fachkräftemangels umso mehr, da die Städte und Regionen u.a. im Werben um kluge Köpfe miteinander in Konkurrenz stehen.
Eine gute Baukultur ist also keineswegs ein „add on“, also das, was man macht, wenn noch Geld oder andere Ressourcen übrig sind. Baukultur ist vielmehr ein gewichtiger Standortfaktor bei der Entscheidung von Menschen, Betrieben und Institutionen für einen Ort, für eine Stadt. Das räumliche Umfeld hat zunehmend Gewicht, gerade wenn die Funktionen Arbeiten und Wohnen immer weiter miteinander verschwimmen.
Und nicht zuletzt ist Baukultur auch ein bedeutender Aspekt in der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzdebatte, geht es am Ende doch ganz wesentlich um Fragen der Werthaltigkeit, des regionalen Bauens, des bewussten Einsatzes von Baustoffen und um das Erzielen langlebiger, robuster und anpassungsfähiger Strukturen. Baukultur ist damit eine Daueraufgabe für jede Stadt und auch für Hannover. Seit Mitte 2022 ist die LHH dementsprechend Mitglied im Netzwerk Baukultur Niedersachsen https://www.baukultur-niedersachsen.de/.
Baukultur in Hannover – gute Ausgangsposition und potenzieller Imagefaktor
Hannover startet nicht bei Null, im Gegenteil: die Ausgangsposition ist sehr gut. Die Stadtstruktur mit ihren unterschiedlichen Stadtteilen und quirligen Stadtteilzentren, die Vielfalt und Mischung der Quartiere, eine vorbildlich erhaltene Bausubstanz in historischen Blockstrukturen und viele ausgezeichnete zeitgemäße Architekturobjekte, die belebten urbanen Stadträume und die zusammenhängenden Grünanlagen, Parks und Freiräume – das, aber auch das große Interesse der Menschen vor Ort für Themen der Stadtentwicklung und „ihr“ Hannover zeichnet diese Stadt aus.
Und doch ist das Außenbild ein anderes: die LHH wird – zum Teil mit Augenzwinkern - oftmals als profillos wahrgenommen oder dargestellt. Wer die Stadt aber näher kennenlernt, sieht sie differenzierter und nimmt deren Qualitäten, auch die Vielfalt auf überschaubarem Raum, ganz anders wahr.
„Stärken stärken“ – das ist eines der Zielbilder im neuen Innenstadtkonzept, in dem die Bedeutung der Baukultur ebenfalls thematisiert wird. Genau wie im Innenstadtkonzept bedarf es für das übergreifende Thema der Baukultur eines auf diesem Zielbild aufbauenden Vorgehens und eines integrierten inhaltlichen Rahmens.
Methoden, Verfahren und Instrumente der Qualitätssicherung im Städtebau
Seit vielen Jahren nutzt die Bauverwaltung der LHH die ihr zu Verfügung stehenden unterschiedlichen Werkzeuge und Verfahren bei ihren Planungsmaßnahmen oder Planungen Dritter im Stadtgebiet. Dabei findet entsprechend der Aufgabenstellung und Problemlage die ganze Palette an Instrumenten von der vorbereitenden Stadtentwicklung und der Partizipation der Bürger*innen über Rahmenplanungen, kooperative und konkurrierende Verfahren oder Wettbewerbe bis hin zur Bauleitplanung und Schaffung von Satzungsrecht, auch in Kombination mit städtebaulichen Verträgen, Anwendung. Schon in 2012 stellte das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im immer noch aktuellen Handbuch „Kommunale Kompetenz Baukultur | Werkzeugkasten der Qualitätssicherung“ [https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/ministerien/bmvbs/sonderveroeffentlichungen/2012/KommunaleKompetenzBaukultur.html ] die Bandbreite der planerischen Möglichkeiten zusammen. Ein entscheidendes Instrument dieses Werkzeugkastens, der Gestaltungsbeirat, wird in Hannover allerdings bislang nicht genutzt.
Während Gestaltungsbeiräte im Westen und Süden Deutschlands breit verteilt sind und in Baden-Württemberg sogar durch das Land gefördert werden [https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/land-foerdert-gestaltungsbeiraete], sind es in nördlichen Bundesländern weniger. In Niedersachsen wenden u.a. die Städte Wolfsburg, Oldenburg, Wolfenbüttel, Göttingen und Braunschweig dieses Instrument bereits an.
Funktion und Organisation des Gestaltungsbeirates
Vor etwa 10 Jahren wurde die Arbeit des sogenannten „Kollegialkreises“ Hannover, der sich aus engagierten örtlichen Architekt*innen und Planer*innen zusammensetzte und mit der Bauverwaltung aktuelle Fragestellungen sowie Bauprojekte rund um Stadtplanung und Architektur diskutierte, ersatzlos eingestellt. Daran anknüpfend hat der jetzt vorgeschlagene Gestaltungsbeirat allerdings ein etwas anderes Aufgabenspektrum und eine andere Organisationsstruktur. Beides basiert auf den Erfahrungswerten langjähriger Anwenderstädte [https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/sonderveroeffentlichungen/2017/gestaltungsbeiraete-dl-v1b.pdf;jsessionid=7E868FB7B05174C12CD0F323F9826DB9.live11313?__blob=publicationFile&v=1 https://www.aknw.de/baukultur/gestaltungsbeiraete] und den Empfehlungen des BDA [https://www.bda-bund.de/wp-content/uploads/2016/03/Gestaltungsbeiraete_Publikation_BDA.pdf] und ist in der dieser Drucksache als Anlage beigefügten Geschäftsordnung genau definiert.
Die wesentlichen Eckpunkte für die Einrichtung des Gestaltungsbeirates, die in der Geschäftsordnung ausführlich dargestellt werden, sind folgende:
- Aufgabe: Der Beirat berät Verwaltung und Politik in schwierigen und bedeutenden städtebaulichen und stadtgestalterischen Fragestellungen bei privaten und öffentlichen Bauvorhaben, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bspw. über ein Wettbewerbsverfahren oder ein anderes Qualifizierungsverfahren geklärt werden können.
- Organisation: Eine in der Bauverwaltung installierte Geschäftsstelle unterstützt die Arbeit des Beirates in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der etwa vier Sitzungen pro Jahr. Die Sitzungen finden in der Regel nichtöffentlich statt.
- Mitglieder: Der Beirat setzt sich zusammen aus fünf externen und unabhängigen Fachleuten verschiedener Disziplinen, die jeweils auf Zeit durch den Rat der LHH berufen und auch honoriert werden; dazu kommen bis zu drei Mitglieder aus dem Stadtentwicklungs- und Bauausschuss sowie die Leitungen des Dezernates für Stadtentwicklung und Bauen und des Fachbereiches Planen und Stadtentwicklung.
Ebenso sind die aktuellen Träger*innen des Nachwuchsförderpreises des BDA Hannover (#BDA_Preis_Master_H) des jeweiligen Semesters für ein Jahr (4 Sitzungen) eingeladen teilzunehmen (ohne Stimmrecht). Damit sollen junge Architekt*innen und Planer*innen praxisnah an das Themenfeld Baukultur herangeführt werden.
Vorteile und Wirkungen eines Gestaltungsbeirates auf kommunaler Ebene
Aus Sicht des Baudezernates ist es bei stadtentwicklungsplanerischen, städtebaulichen, stadtgestalterischen und architektonischen Projekten und Fragen sehr wichtig, die in der Verwaltung vorhandenen vielfältigen fachlichen Qualifikationen zu nutzen, sie aber auch um den fachlichen Blick von außen zu ergänzen. Genau das ist der Grund für die Durchführung und den Erfolg von konkurrierenden Verfahren wie Architekturwettbewerben, die in Hannover eine bis ins vorletzte Jahrhundert zurückgehende Tradition haben.
Immer wieder aber gibt es Situationen, die Wettbewerbe ausschließen oder als nicht besonders geeignetes Instrument für die konkrete Planungsaufgabe erscheinen lassen. Um diese Lücke zu füllen, soll das Instrument des Gestaltungsbeirates als fachliche Beratung der Planer*innen auf Augenhöhe zukünftig eine weitere Option darstellen. Maßgeblich für den Erfolg dieses Instrument ist eine klare Aufgaben- und Organisationsstruktur, aber auch die frühzeitige Beratung der Projekte (also zu einem Zeitpunkt, zu dem Grundsätze definiert und Änderungen noch einfließen können).
Die Arbeit des Gestaltungsbeirates steht nicht im Widerspruch zu anderen Beteiligungs- und Partizipationsverfahren und ersetzt diese auch nicht. Der Gestaltungsbeirat ist ein Instrument, das in speziellen Fällen zusätzlich zu anderen Methoden und Verfahren eingesetzt werden kann und soll.
Grundlagen und Prinzipien als Erfolgsgaranten für die Arbeit des Gestaltungsbeirates
Aus den Erfahrungen der langjährigen Arbeit mit Gestaltungsbeiräten, insb. im Süden und Westen der Republik, ist folgendes abzuleiten:
Dass Architekt*innen und Planer*innen, die in Hannover ansässig sind bzw. in den vergangenen zwei Jahren in Hannover an Projekten mitgewirkt haben, nicht Mitglied des Beirates werden können, hat überhaupt nichts mit der Qualifikation, sondern ausschließlich mit der gewünschten Unabhängigkeit und Neutralität zu tun. Dabei wird durch die Verwaltung und Politik dennoch sichergestellt, dass der lokale Blick und die Ortskenntnis jeweils mit in die Beratungen einfließen.
Unter Einbindung der Architektenkammer Niedersachsen, des BDA und der Bundesstiftung Baukultur [https://www.aknds.de/; https://www.bda-niedersachsen.de/; https://www.bundesstiftung-baukultur.de/] beabsichtigt die Verwaltung daher, Expert*innen verschiedener Fachrichtungen als mögliche Beiratsmitglieder zu identifizieren und anzusprechen, ob sie zur Mitarbeit bereit seien. Die vorgeschlagenen Fachleute müssen aufgrund ihrer jeweiligen Vita und beruflichen Erfahrungen ohne Zweifel geeignet, aber auch motiviert sein mitzuwirken.
Einen entsprechenden Besetzungsvorschlag, der neben der fachlichen Breite und Qualität selbstverständlich auch Gender-Aspekte berücksichtigt, wird die Verwaltung vorlegen, sobald der Grundsatzbeschluss zur Einrichtung des Beirates erfolgt ist. Die Entsandten aus dem Stadtentwicklungs- und Bauausschuss sollen parallel dazu in einer der Ausschusssitzungen für die Dauer der Ratsperiode nominiert werden.
Weiteres Vorgehen
Nach Beschluss des Rates zur Einrichtung des Gestaltungsbeirates und der Berufung der externen Mitglieder soll die Arbeit zeitnah aufgenommen werden, da bereits verschiedene Projekte auf der Warteliste der zu beratenden Planung stehen.
Nach einem Jahr bzw. den ersten vier Sitzungen ist ein erster Erfahrungsbericht im Stadtentwicklungs- und Bauausschuss vorgesehen.