Informationsdrucksache Nr. 1450/2011:
Evaluation des Angebotes der Stiftung "Eine Chance für Kinder"

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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1450/2011
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Evaluation des Angebotes der Stiftung "Eine Chance für Kinder"


Gemäß des Haushaltbegleitantrages Nr. 1583/2010 N 1 zum Haushalt 2011 wird eine Evaluation des Angebotes Familienhebammen der Stiftung "Eine Chance für Kinder" in Hannover vorgelegt
.
Die Geburt eines Kindes stellt für eine Familie eine grundsätzliche Umbruchsituation dar. In der Zeitspanne unmittelbar vor bzw. nach der Geburt besteht die größte Herausforderung für die Familie, sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Vor allem in Familien, die zusätzlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sind, liegen die Gefahr möglicher Kindeswohlverletzungen und die Chance bzw. die Bereitschaft für annehmende Hilfsangebote häufig dicht beieinander.
Familienhebammen stellen ein gutes aufsuchendes Angebot für junge Schwangere, junge Mütter und Familien dar, die in der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder bis zum ersten Lebensjahr eine ganzheitliche medizinische und psychosoziale Unterstützung benötigen.

1. Projektphase (2005 - 2007)
In der Informationsdrucksache Nr. 1350/2005 wurde erstmalig zur Entstehung und Umsetzung dieser Hilfeform informiert.

Zwischen der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ und der Landeshauptstadt Hannover wurde Anfang 2005 eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Die Umsetzung begann am 1.5.2005 und war zunächst bis 30.3.2007 befristet. Auf Seiten der Landeshauptstadt Hannover war der Kommunale Sozialdienst (KSD) des Fachbereiches Jugend und Familie beteiligt. Im Einzelfall kommen Träger der freien Jugendhilfe dazu, die eine ambulante Hilfe zur Erziehung nach § 31 SGB VIII leisten.

Das Projekt war zunächst auf den Stadtbezirk 9 Ricklingen begrenzt. Im Laufe der Jahre wurde es auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet.

Ziele und Zielgruppe
Ziel ist die Unterstützung von jungen Frauen bzw. Familien in schwierigen materiellen und psychosozialen Lebenslagen durch ein Kombinationsangebot von Familienhebamme (u.a. für die medizinische Betreuung) und Sozialarbeiter/in des KSD (vor allem für die psychosoziale Betreuung). Ziel der Kooperation ist die Verbesserung der Lebensbedingungen von sozial benachteiligten Familien (vor allem von jungen schwangeren Frauen und ihren meist kleinen Kindern), um eine möglicherweise drohende Kindeswohlgefährdung zu verhindern.
Der Fokus beim Einsatz einer Familienhebamme liegt auf der Diagnostik des Entwicklungsstandes des Babys, dem Erkennen von Bindungsstörungen oder Entwicklungsdefiziten sowie in der Vermittlung eines notwendigen Pflege- bzw. Versorgungswissens an die Kindesmutter bzw. -eltern.
Die Frauen erhalten eine umfassende Beratungs- und Unterstützungsleistung in gesundheitlicher und psychosozialer Hinsicht, um die Voraussetzung für eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt zu schaffen sowie die Bedingungen für eine positive Einstellung dem Kind gegenüber zu verbessern. Entwicklungsdefizite von Kindern sollen möglichst früh erkannt werden und die Inanspruchnahme der Schwangerenvorsorge und der Untersuchungen der Kinder zur Früherkennung von Krankheiten erhöht werden, um geeignete Maßnahmen einleiten zu können.
Angestrebt wird eine frühzeitige Kontaktaufnahme bereits in der Schwangerschaft, direkt nach der Entbindung oder im Anschluss an die Wochenbettbetreuung. Im Einzelfall findet eine Vernetzung aller Dienste statt, die im Bereich der gesundheitlichen, sozialen, psychischen und materiellen Versorgung beteiligt sind.
Darüber hinaus wird durch die frühzeitige Einbeziehung einer Familienhebamme die Hemmschwelle gesenkt, sich Hilfe suchend an den Kommunalen Sozialdienst (KSD) des Fachbereichs Jugend und Familie zu wenden. Über eine Kooperation mit der Stiftung „Eine Chance für Kinder“, die über weitere erfolgreiche Modellprojekte in anderen Kommunen Niedersachsens verfügt, erfolgt eine sinnvolle Ergänzung der Angebotspalette der Jugendhilfe um ein Angebot, das auch eine medizinische Betreuung (Gesundheitsförderung und -erhaltung) beinhaltet.

Auswertung nach einem Jahr Zusammenarbeit
2006 fand eine erste Auswertung der Zusammenarbeit statt. Die Kooperation zwischen den Familienhebammen und dem KSD hatte sich positiv bewährt.

Neben der individuellen Hilfe gelang es in Einzelfällen, junge Mütter in bestehende Mutter-Kind-Gruppen bzw. ähnliche Angebote zu vermitteln. Dabei war eine anfängliche Begleitung durch die Familienhebammen erforderlich, um die Hemmschwelle einer neuen Gruppe gegenüber zu überwinden. Es zeigte sich, dass durch den Austausch mit anderen jungen Müttern die neue Lebenssituation besser angenommen werden konnte und hierdurch auch eine Veränderung im Verhältnis zum eigenen Kind feststellbar war.
In der ersten Projektphase bis Juli 2006 konnten insgesamt 30 junge Mütter und Familien mit ihren Kindern betreut werden. Die Finanzierung wurde sowohl aus Stiftungsmitteln als auch aus Experimentiermitteln ermöglicht.
In der Drucksache 0778/2006 wurde zum Antrag der beiden Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen ergänzend berichtet.
Der Antrag der Fraktionen beinhaltete im Umfang mit bis zu 100 jungen Müttern und Familien einen Ausbau des Betreuungskontingentes über den Projektzeitraum hinaus.

2. Schaffung eines Regelangebotes (ab 2007)
Ab August 2007 wurde die Kooperation zwischen der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ und der Landeshauptstadt Hannover neu geregelt und die ‚Kooperationsvereinbarung für eine aufsuchende Familienhilfe durch Familienhebammen’ überarbeitet.
Die Kooperationsvereinbarung beschreibt auf der Grundlage der beschriebenen Ziele die Umsetzung im Einzelfall.
Die Verfahrensverantwortung liegt beim KSD. Die Durchführungsverantwortung liegt beim Träger. Die zentrale Organisation bzw. Zuordnung der Familienhebammen erfolgt grundsätzlich durch den KSD.
Zwischen der Koordinationsstelle und den Familienhebammen erfolgt 14-tägig eine Beratung zu den laufenden Einsätzen und zu den freien Betreuungskapazitäten.
Der Einsatz einer Familienhebamme wird grundsätzlich im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII geregelt. Im Einzelfall ist eine ‚anonyme Betreuung’ ohne Beteiligung des KSD für einen Zeitraum von 3 Monaten möglich. Es erfolgt eine Einschätzung der Familienhebamme, ob die Betreuung innerhalb dieses Zeitrahmens abgeschlossen werden kann und ob kein Gefährdungsfall vorliegt.
Kommt es darüber hinaus zu einer Hilfe zur Erziehung nach § 31 SGB VIII (Sozialpädagogische Familienhilfe), erfolgt eine gemeinsame Hilfeplanung für alle Hilfen, die es in der Familie gibt.
Die Stiftung stellt im Rahmen einer zertifizierten Fortbildung qualifizierte Familienhebammen bereit. Neben einer regelmäßigen Supervision werden Verfahren und Materialien zur Qualitätssicherung und Dokumentation der Arbeit entwickelt und fortgeschrieben (Evaluation).

Der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung gilt auch für die eingesetzten Familienhebammen. Er basiert grundsätzlich auf der entsprechenden Rahmenvereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII, die die Landeshauptstadt Hannover mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten abgeschlossen hat, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen.
Die Rahmenvereinbarung ist Bestandteil der Kooperationsvereinbarung. Im Rahmen der Hilfeplanung ist ggf. ein Schutzkonzept für die betroffenen Kinder zu erstellen. Im Einzelfall erfolgt eine enge Abstimmung mit dem/der zuständigen Mitarbeiter/in der Bezirkssozialarbeit bzw. mit der Koordinationsstelle im KSD zur Klärung der weiteren Handlungsschritte.
Grundsätzlich gilt: Je jünger die Kinder sind und je mehr die Basisversorgung nicht gewährleistet ist, desto größer ist das Gefährdungsrisiko.
Die Finanzierung erfolgt nach § 16 SGB VIII. Der vereinbarte Stundensatz stieg von 38,- € im Jahr 2007 über 41,75 € im Jahr 2008 auf aktuell 44,55 € seit Anfang diesen Jahres. Er beinhaltet sämtliche Aufwendungen.
2010 wurde die Kooperationsvereinbarung überarbeitet und u.a. die Betreuungszeiten der Familienhebammen erhöht.
Exkurs: Familienfreizeiten
Neben der einzelfallorientierten Hilfe wurden in Kooperation mit der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ sowie mit finanzieller Unterstützung durch weitere Sponsoren Familienfreizeiten für jeweils 3 - 5 Tage durchgeführt. Teilgenommen haben daran insgesamt 60 Erwachsene und 36 Kinder.
Ziele der Maßnahme sind:
- Austausch mit anderen Eltern in der zunächst für alle neuen Lebenssituation
- Aufbau von einem ‚kleinen Netzwerk’ für die betreuten Familien
- Ermöglichung von Zugängen zu spezifischen Angeboten wie ‚Step-Elternkurs’ oder ‚Fun-Baby-Kurs’
- Wahrnehmung der Bedürfnisse des Kindes und der eigenen Bedürfnisse
- in Einklang bringen der eigenen Bedürfnisse mit dem Gruppengeschehen
Es zeigte sich, dass im Laufe der Familienfreizeit ein hohes Maß an Vertrauen und Wertschätzung aufgebaut wurde, so dass die Mütter und Väter in der Reflexion die Maßnahme positiv bewerten.
Aufgrund der neu geschaffenen Netzwerke und der gegenseitigen Unterstützung der Familien konnte die Familienhebammenbetreuung in Einzelfällen schneller beendet werden.

3. Fallzahlen
Die Übersicht der Entwicklung der Fallzahlen und Ausgaben ist am Ende beigefügt.
In den Jahren 2007 - 2010 wurden insgesamt 150 Familien betreut; davon zur Hälfte alleinerziehende Frauen. In 1/3 aller Fälle gab es einen Migrationshintergrund. 1/3 der betreuten Familien erhielten zeitgleich bzw. im Anschluss an die Betreuung durch eine Familienhebamme eine Hilfe zur Erziehung (HzE) nach § 31 SGB VIII Sozialpädagogische Familienhilfe. 60 % der Familien erhielten keine zusätzliche HzE, hier war das Angebot der Familienhebamme ausreichend. In 93 % aller Fälle konnten die Kinder in der Familie verbleiben. In 10 Fällen kam es zu einer Inobhutnahme bzw. Unterbringung in einer Vollzeitpflegestelle.
Hinzu kommen 62 ‚anonym’ betreute Familien. Insgesamt wurden im Gesamtzeitraum damit 212 Familien betreut.

4. Bewertung und Ausblick
Wer Kinder vor Armut, Vernachlässigung oder Gewalt schützen will, muss grundsätzlich früh anfangen - am besten schon vor der Geburt. Im Kontext der Entwicklung Früher Hilfen stellen Familienhebammen eine wichtige Brücke zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitshilfe dar.
Das Ziel, Eltern besonders in den Anfängen der Familiengründungsphase umfassend zu unterstützen und eine Stabilisierung der Familien mit ihren Kindern zu bewirken, wurde erreicht. Gerade sozial stark belastete Familien, die in der Regel eine Häufung psychosozialer Belastungsfaktoren aufweisen, finden noch zu selten den Weg zu einer Hebamme. Hier konnten die eingesetzten Familienhebammen einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Eltern und zum Schutz der Kinder leisten.
Die Betreuung durch Familienhebammen statt bzw. in Ergänzung einer erzieherischen Hilfe hat sich bestätigt. Es ist gelungen, eine hohe Zahl von Familien mit diesem Angebot zu erreichen, bei denen 6 Monate nach Betreuungsende eine darüber hinausgehende Hilfe nicht erforderlich war.
Das Angebot stellt damit auch in Zukunft einen wichtigen Baustein in der Kooperation der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Gesundheitswesen dar. Dies wird auch darin deutlich, dass im Rahmen des geplanten Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG; voraussichtlich ab 2012) die Familienhebammen gestärkt werden und der Aus- und Aufbau entsprechender Angebote unterstützt werden soll.

Allerdings soll - nach bisherigem Stand - ein Bundesmodell auf vier Jahre befristet sein, sodass eine dauerhafte Abstimmung/Koordination z.Zt. noch nicht beurteilt werden kann.


Stiftung "Eine Chance für Kinder" seit 01.09.2007

Ausgaben
Hj. 2007
Hj. 2008
Hj. 2009
Hj. 2010
12.578 €
237.398 €
139.568 €
230.383 €

Fallzahlen zuzügl. anonym
Neufälle 2007
Neufälle 2008
Neufälle 2009
Neufälle 2010
23
54
42
31

Laufende Fälle (monatlicher Mittelwert)
Mittelwert 2007
Mittelwert 2008
Mittelwert 2009
Mittelwert 2010
14
31
19
26

Betreuung durch Stiftung „Eine Chance für Kinder“




*Hilfebeginn innerhalb von 6 Monaten nach Betreuung durch „Eine Chance für Kinder“


Berücksichtigung von Gender-Aspekten
Das Angebot richtet sich vornehmlich an Frauen, kann im Familienzusammenhang aber auch von Männern mitgenutzt werden.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.2 
Hannover / 28.07.2011