Informationsdrucksache Nr. 1446/2011:
Inobhutnahmesystem

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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1446/2011
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Inobhutnahmesystem

Die Clearingstelle wird seit dem 15.09.2000 betrieben (DS 782/2000).
Nach Ablauf einer 3 ½jährigen Erprobungsphase wird sie seit April 2004 als Regeleinrichtung geführt.

Die Clearingstelle, zu der die Bereitschaftspflege seit 2009 gehört, ist organisatorisch dem Kommunalen Sozialdienst (KSD) im Fachbereich Jugend und Familie zugeordnet.
Die Clearingstelle ist rund-um-die-Uhr für Kinder, Jugendliche, Familien, Fachkräfte, Institutionen und die Polizei 365 Tage im Jahr erreichbar.
Durch eine Handlungs- und Entscheidungskompetenz können in Krisensituationen kurzfristig notwendige Hilfen eingeleitet werden.


Inobhutnahmesystem

Das Inobhutnahmesystem, in dem die unten aufgeführten Einrichtungen und Stellen zusammenarbeiten, handelt auf der Rechtsgrundlage der §§ 8a und 42 des SGB VIII.

Die Clearingstelle und die Bereitschaftspflege des KSD sowie bed by night (bbn) und die Notaufnahmegruppe des Heimverbundes arbeiten im Inobhutnahmesystem eng zusammen. Dies bedeutet, dass die erforderlichen Inobhutnahmen möglichst in städtische Trägerschaft vermittelt werden und nur bei deren Auslastung wird bei freien Trägern innerhalb und außerhalb Hannovers angefragt. Die Inobhutnahmeeinrichtungen tauschen sich im Rahmen von regelmäßigen Dienstbesprechungen aus und sind darüber hinaus im ständigen Kontakt bezüglich der aktuellen Belegungssituation.

Clearingstelle
24 Std. erreichbarer Krisendienst mit Rufbereitschaft (Außendienst),
zentrale Inobhutnahmestelle, Aufnahme für Jugendliche ab 14 Jahren



Bereitschaftspflege
51.26
Kinder von 0 – 6 Jahren

Bed by night
51.42
Jugendliche ab 14 Jahren

Notaufnahme
51.42
Kinder von 5 – 14 Jahren


1. Clearingstelle

Der Aufgabenbereich der Clearingstelle basiert auf fünf Säulen.

· Inobhutnahmeeinrichtung

Acht Plätze für Jugendliche, 24 Stunden Betreuung und Rundumversorgung.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Clearingstelle werden immer wieder mit sehr unterschiedlichen Problemlagen konfrontiert. Diese Problematiken reichen von der Pubertätskrise über Jugendliche, die von Zwangsheirat bedroht sind, Opfer von Gewalt, Bedrohung oder Menschenhandel sind, bis hin zu Sorgerechtsstreitigkeiten der Eltern.

· Rufbereitschaft (Außendienst am Ort des Geschehens)
Ständige Erreichbarkeit des Fachbereiches Jugend und Familie, Beratung von Kindern, Jugendlichen, Eltern, Bürgern, Ordnungsbehörden und Institutionen.
Die Fälle, in denen es vorrangig um allgemeine Beratungen und Hilfen in krisenhaften Situationen geht, sind in den letzten Jahren gestiegen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass jede Situation – ob der Hausbesuch in den Abend- und Nachtstunden, die Beratung in der Clearingstelle, der Einsatz im Krankenhaus oder das Gespräch auf dem Polizeirevier - schnelle, kompetente und bedarfgerechte Lösungen erfordert.
Die Gründe für ein Tätigwerden der Clearingstelle sind äußerst vielschichtig. Sie reichen von Gewalt, sexuellem Missbrauch, Androhung von Zwangsheirat, Drogenmissbrauch, Ausfall der Sorgeberechtigten, Kindeswohlgefährdungen, Delinquenz bis hin zum Herauswurf aus dem Elternhaus.

· Vermittlung aller Inobhutnahmen der Landeshauptstadt Hannover
Im Jahr 2010 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Clearingstelle 485 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen und 373 Beratungen durchgeführt. Die hohe Zahl der Beratungen macht deutlich, dass die Clearingstelle präventiv sowohl im pädagogischen als auch im wirtschaftlichen Sinne tätig ist.

· Zuständigkeit für Kinder und Jugendliche, die keinen Wohnsitz in Hannover haben, sich aber im Stadtgebiet aufhalten (Trebegänger/ Flüchtlinge)

Für Jugendliche, die sich in Hannover aufhalten, hier aber keinen Wohnsitz haben und in Obhut genommen werden müssen, wird je nach Bedarf zur weiteren Klärung die Rückführung zum Heimatjugendamt oder zu den Personensorgeberechtigten organisiert. Diese Jugendlichen benötigen in der Regel nur eine Unterkunft für die Nacht.
Ausländische Minderjährige, die ohne Personensorgeberechtigte illegal nach Deutschland einreisen und sich im hannoverschen Stadtgebiet aufhalten, müssen im Bedarfsfall in Obhut genommen werden.
In enger Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden und der Polizei wird die ordnungsrechtliche Legalisierung der Kinder und Jugendlichen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Clearingstelle eingeleitet.
Bis zur Klärung der Zuständigkeit und einer eventuellen Rückführung zum Heimatjugendamt wird die Fallverantwortung durch die Clearingstelle sichergestellt. Dies kann im Einzelfall bis zum 18. Lebensjahr andauern und beinhaltet in der Regel auch die familiengerichtlich angeordnete Vormundschaft. Bei minderjährigen Flüchtlingen, die Asyl begehren, wird diese Aufgabe von der Stelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) im KSD übernommen.

· Alkoholisierte Kinder und Jugendliche
Alkoholintoxikierte Kinder und Jugendliche in der Notfallversorgung hannoverscher Krankenhäuser und in anschließender Weiterversorgung durch die Clearingstelle

Der Fachbereich Jugend und Familie hat dazu mit den beteiligten Institutionen (Polizei, Kinderkrankenhaus auf der Bult - KKB) 2010 ein Verfahren erarbeitet, wie mit alkoholintoxikierten Kindern und Jugendlichen umgegangen wird. Ab Juli 2010 wurde nach diesen Absprachen verfahren und bis zum 31.12.2010 war der Träger STEP gGmbH beteiligt.

Wenn keine stationäre Versorgung notwendig ist, wird seit 01.01.2011 folgendes Verfahren angewandt:
· Innerhalb von 60 Minuten wird durch das KKB versucht, die Sorgeberechtigten telefonisch zu informieren, damit die Kinder/Jugendlichen abgeholt werden können.
· Sorgeberechtigte konnten erreicht werden, können aber eine Abholung nicht in den nächsten Stunden gewährleisten. Die Clearingstelle wird informiert, die Kinder/ Jugendlichen werden durch eine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter abgeholt und in der Clearingstelle versorgt.
· Die Sorgeberechtigten sind nicht erreichbar oder weigern sich, ihr Kind oder Jugendlichen abzuholen. Die Clearingstelle wird informiert und nimmt die Minderjährigen auf oder führt sie den Sorgeberechtigten zu.
Eine Entlassung aus dem Kinderkrankenhaus auf der Bult erfolgt auf der Grundlage des Naca-Score. Hiermit wird dokumentiert, dass eine weitere medizinische Versorgung nicht notwendig ist.
Nach diesem Verfahren arbeitet die Clearingstelle seit 01.01.2011.
Von Januar bis April 2011 wurde in 25 Fällen nach diesen Absprachen verfahren.

Die personelle Ausstattung in der Clearingstelle umfasst acht Stellen für Dipl. Sozial- pädagogen, eine Hauswirtschaftsstelle, eine Stelle für Dipl. Sozialpädagogen im Anerkennungsjahr und eine Leitungsstelle. Die Stellen der Dipl. Sozialpädagogen werden nach Möglichkeit paritätisch besetzt.


2. Bereitschaftspflege

Die Unterbringung von Kindern aus Krisensituationen erfolgt vorrangig bei Bereitschaftspflegefamilien.
Durch die Kolleginnen der Bereitschaftspflege werden durchschnittlich 30 Bereitschaftspflegekräfte betreut. Die Bereitschaftspflegekräfte betreuen Kleinkinder im Alter von 0 – 10 Jahren, die im Rahmen einer Inobhutnahme versorgt werden müssen. In Ausnahmefällen können auch ältere Geschwisterkinder aufgenommen werden.
Die Bereitschaftspflegekräfte sind vor Abschluss eines Pflegevertrages durch die Mitarbeiterinnen der Bereitschaftspflege überprüft worden und werden während der Betreuung eines Kindes eng begleitet.
Der Fachbereich Jugend und Familie bietet den Bereitschaftspflegekräften Schulungen, Beratung und Supervision an. Eine finanzielle Aufwandsentschädigung wird über einen Pflegevertrag geregelt.

Den Sorgeberechtigten werden durch die Mitarbeiterinnen der Bereitschaftspflege und durch die Bereitschaftspflegekräfte Besuchskontakte ermöglicht.
Wenn erforderlich, wird den Sorgeberechtigten die Möglichkeit gegeben, an einem Elterntraining teilzunehmen, damit eine Rückführung gewährleistet werden kann.
Das Elterntraining wird von einem freien Träger angeboten und durch den KSD finanziert.


Fazit

Das Konzept der Clearingstelle bzw. des Inobhutnahmesystems hat sich in den letzten Jahren etabliert und ist zu einem wichtigen Bestandteil in der Jugendhilfelandschaft Hannovers geworden. Neben den verbindlichen Qualitätsinstrumenten des Fachbereiches Jugend und Familie hat die Clearingstelle eigene Qualitätsstandards entwickelt, die den fachlichen Standard sichern. Diese werden regelmäßig überprüft und weiterentwickelt.
In der Clearingstelle wird u. a. eine detaillierte Statistik geführt. Die Erhebungen ermöglichen evidente Zahlen über das Leistungsprofil dieser spezialisierten Einrichtung und helfen, eine bedarfsgerechte Arbeit sicherzustellen. Die Zahlen geben darüber hinaus Aufschluss über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und ermöglichen eine konzeptionelle Anpassung der Einzelfallarbeit sowie der Qualifikation des Fachpersonals.
Zurzeit befindet sich die Clearingstelle auf „Wohnungssuche“! Der Mietvertrag läuft aus und soll auch nicht verlängert werden, da die Räumlichkeiten erheblich bauliche Mängel aufweisen, nicht durchgängig barrierefrei sind und somit auch der hohe Mietzins nicht mehr gerechtfertigt ist.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Genderkompetenz ist auch in der Clearingstelle ein zentrales Professionalitätsmerkmal. Das Team der Clearingstelle ist paritätisch besetzt und arbeitet nach dem Bezugsbetreuer- bzw. Bezugsbetreuerinnensystem. Gerade in der Krisenarbeit wird erkennbar, wie geschlechter- strukturelle Bedingungen Lebenschancen und –entwürfe bestimmen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.2 
Hannover / 11.07.2011