Drucksache Nr. 1367/2016:
Mietvertragsverhandlungen zum Ihme-Zentrum

Informationen:

Beratungsverlauf:

Nachrichtlich:

  • Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
  • Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Stadtbezirksrat Linden-Limmer
In den Ausschuss für Angelegenheiten des Geschäftsbereiches des Oberbürgermeisters
In den Ausschuss für Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Liegenschaftsangelegenheiten
An den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss (zur Kenntnis)
An den Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung (zur Kenntnis)
In den Verwaltungsausschuss
 
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1367/2016
1
 
BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Mietvertragsverhandlungen zum Ihme-Zentrum

Antrag,

die Verwaltung zu beauftragen,

1. die Mietvertragsverhandlungen mit der Projekt Steglitzer Kreisel Berlin Grundstücks GmbH fortzuführen, aber gleichzeitig alternative Standorte für die im Ihme-Zentrum untergebrachten städtischen Dienststellen zu prüfen;

2. bis Dezember 2016 einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen vorzulegen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender-Aspekte sind nicht berührt.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Begründung des Antrages

I. Verlauf der Vertragsverhandlungen

Im Februar vergangenen Jahres hat die Projekt Steglitzer Kreisel Berlin Grundstücks GmbH (im Folgenden: Investor) im Wege der Zwangsversteigerung ca. 75 % der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten des Ihme-Zentrums erworben, auf die etwa 83 % der Stimmanteile entfallen. Seither führt die Verwaltung mit dem Investor Verhandlungen über eine Verlängerung der Verträge zu den von der Landeshauptstadt angemieteten Flächen. Nach anfänglichen Zusagen, umgehend die in den von der Landeshauptstadt Hannover gemieteten Büroräumen bestehenden Mängel zu beheben, hat der Investor im Sommer des letzten Jahres die Mängelbeseitigung zunächst von einer Verlängerung des Mietvertrags mit der Landeshauptstadt abhängig gemacht, bis die durch den Investor beauftragte Projektsteuerung Anfang April dieses Jahres erstmals behauptet hat, die von der Landeshauptstadt gemieteten Büroflächen seien mangelfrei.

Darauf hat der Oberbürgermeister in einem Gespräch mit dem Investor am 11.05.2016 das Verhandlungsergebnis wie folgt zusammengefasst:

1. Die Landeshauptstadt ist nach wie vor bereit, als Ankermieterin dazu beizutragen, dass das Ihme-Zentrum für einen Investor wirtschaftlich tragbar ist. Voraussetzung dafür ist allerdings zum einen, dass in den Gebäuden, in denen die städtischen Dienststellen untergebracht sind, durch eine umfassende Sanierung angemessene Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Zum anderen ist das Ihme-Zentrum insgesamt so herzurichten, dass es für Menschen, die dort arbeiten, wohnen oder ein Geschäft, einen Besuch oder eben auch einen Behördengang zu erledigen haben, ansprechend ist.


Bei der ersten Forderung - die Sanierung der städtisch genutzten Flächen - konnte zwar eine Annäherung erzielt werden, auch wenn der Investor tatsächlich eine Beseitigung der erheblichsten Mängel nach wie vor vermissen lässt. Bei der zweiten Forderung - die Sanierung des Ihme-Zentrums insgesamt - besteht hingegen nicht einmal der Ansatz einer Verständigung. In der Besprechung am 11.05. wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Landeshauptstadt einen konkreten Plan zu den baulichen Maßnahmen und ihrer zeitlichen Umsetzung erwartet. Einen Plan, der so konkret ist, dass er rechtlich als Grundlage für die Mietvertragsverlängerung gelten kann. Vorgelegt wurden bislang aber nur drei Zeichenstudien zur Fassadengestaltung und eine anonymisierte Liste von Einzelhändlern, mit denen der Investor nach eigenen Angaben in Verhandlung steht. Ein weiter ausgearbeitetes Konzept hat der Investor in den seit rund 16 Monaten andauernden Vertragsverhandlungen nicht vorgelegt.

2. In dem Gespräch am 11.05. wurde dem Investor auch verdeutlicht, dass sein geschäftliches Handeln Grund zur Beanstandung bietet:

a. Die Mängel in den Büroräumen, die die Landeshauptstadt angemietet hat, sind so erheblich, dass die Landeshauptstadt die Miete um ein Fünftel mindert. Trotz mehrfacher Aufforderungen hat der Investor keine nennenswerte Mängelbeseitigung betrieben.

b. Die Projektsteuerung (Sitz in Berlin) ist mit den konkreten Problemen nicht vertraut und hat zu dem Vorhaben keinen erkennbaren Bezug entwickelt.

c. Hausgeldforderungen der Eigentümergemeinschaft werden nur mit Säumnis erfüllt.


Unmittelbar nach dem Gespräch hat der Investor Maßnahmen eingeleitet, die der vorgebrachten Kritik Rechnung tragen sollen:

· In Abstimmung mit der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde ein örtlicher Architekt beauftragt, die Sanierung des Ihme-Zentrums zu planen.

· Die Mängelbeseitigung bei den städtischen Büroräumen wurde nach Angaben des Investors in Auftrag gegeben.

· Die Organisation der Projektsteuerung wurde nach Angaben des Investors geändert und offene Forderungen beglichen.

Wie diese jüngste Entwicklung zu bewerten ist, kann noch nicht gesagt werden. Bei Abwägung aller Umstände schlägt die Verwaltung vor, die Verhandlungen nicht abzubrechen. Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Investor ist es allerdings geboten, andere Immobilien für die städtischen Dienststellen in Betracht zu ziehen. Da der Mietvertrag über das Gebäude am Ihmeplatz 5 Ende 2017 ausläuft, ist bis zum Dezember 2016 zu entscheiden, ob die Landeshauptstadt weiterhin Ankermieterin bleibt.

Die Fachbereiche Gebäudemanagement, Finanzen, Planen und Stadtentwicklung, Recht und Büro Oberbürgermeisterstehen in der Ausschusssitzung für nähere Erläuterungen zur Verfügung.

Die Unterlagen zu den Vertragsverhandlungen mit dem Investor können im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters eingesehen werden.

II. Hintergrundinformationen

Die Abwägungen der Verwaltung zum weiteren Vorgehen beruhen insbesondere auch auf einer Untersuchung, die im Jahr 2014 unternommen wurde. Ziel dieser Untersuchung war, die Handlungsmöglichkeiten der Landeshauptstadt im Zusammenhang mit dem Ihme-Zentrum aufzuzeigen. Betrachtet wurden Szenarien von einem Auszug der Landeshauptstadt aus dem Ihme-Zentrum über eine Fortsetzung oder Erweiterung bestehender Mietverhältnisse bis zu einem Erwerb der zu Beginn des Jahres 2015 versteigerten Wohnungs- und Teileigentumseinheiten durch eine von der Landeshauptstadt zu gründende Gesellschaft samt weitgehender Umgestaltung des Objektes unter (Teil-)Abriss der brachliegenden Gewerbeflächen. Zu diesem Zweck wurde in der Stadtverwaltung im Februar 2014 eine dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet. In der Arbeitsgruppe waren der Fachbereich Personal und Organisation, der Fachbereich Gebäudemanagement, der Fachbereich Finanzen, der Fachbereich Wirtschaft und der Fachbereich Planen und Stadtentwicklung vertreten. Die Federführung hatte der Fachbereich Büro Oberbürgermeister.

Die Arbeitsgruppe hat bei ihren Prüfungen und Erwägungen die Stadtwerke Hannover AG und die Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover mbH (GBH) beteiligt. In wirtschaftlichen Fragen hat sich die Arbeitsgruppe von der Firma Ernst & Young Real Estate GmbH, in wohnungseigentumsrechtlichen Fragen von der Kanzlei Lauenroth und Partner und in baulichen Fragen von dem Büro gmp Architekten beraten lassen.

Im Ergebnis gelangte die Untersuchung zu folgenden Feststellungen:

Die bisherigen Konzepte für das Ihme-Zentrum, die einen Betrieb großflächiger Einzelhandelsflächen vorsehen, sind angesichts des großen Einzelhandelsangebots im näheren und weiteren Umfeld des Ihme-Zentrums problematisch. Für künftige handelsgewerbliche Nutzungen wird allenfalls die Ansiedlung von im Wesentlichen den Anrainern des Ihme-Zentrums selbst dienenden Nahversorgern in Betracht zu ziehen sein. Die den aus den 1960er Jahren stammenden Konzepten zugrunde liegende Erwartung, von einem großflächigen, in dem Ihme-Zentrum angesiedelten Einzelhandel könne gleichsam eine sternförmige Anziehungskraft auf Kunden aus dem gesamten Stadtgebiet sowie dem Umland ausgehen, erscheint heute in Anbetracht der guten Einzelhandelsstruktur im näheren Umfeld des Ihme-Zentrums, wie etwa in der Limmerstraße, der Innenstadt und der Ernst-August-Galerie, sowie in den gut ausgeprägten Einzelhandelsangeboten im Umfeld Hannovers, wie etwa in Garbsen und Langenhagen, überholt.

Ein ernsthaftes Engagement als Investor birgt erhebliche rechtliche Schwierigkeiten sowie große wirtschaftliche Risiken, auch wenn es im Verbund mit städtischen Tochtergesellschaften erfolgt. So sind ohne eine vorherige Änderung der rechtlichen Struktur jegliche Vorhaben, die eine grundlegende Verbesserung der baulichen Situation vorsehen, immer einem Anfechtungsrisiko ausgesetzt.

Eine die Kosten der Landeshauptstadt deckende Umbauvariante ist nicht realistisch darstellbar. Vielmehr müsste die Landeshauptstadt über einen Zeitraum von 30 Jahren fortlaufend jährliche Liquiditätslücken in Höhe von € -5,5 Mio. bis € -10,1 Mio. decken. Hinzu kämen noch die Risiken, binnen relativ kurzer Zeit circa € 50 Mio. für die notwendigsten Instandsetzungs- und Verkehrssicherungsmaßnahmen aufbringen zu müssen sowie – jedenfalls bis zur Beendigung der geplanten Umbauarbeiten – für den laufenden Betrieb des Ihme-Zentrums jährlich weitere € 3,1 Mio. mit steigender Tendenz.

Ferner gestaltete sich der laufende Betrieb des Ihme-Zentrums selbst nach einem erfolgreichen Abschluss der erwogenen Umbauarbeiten als sehr schwierig, da die nach wie vor unveränderte Teilungserklärung mit den dann geschaffenen tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr übereinstimmte. Dies könnte nicht nur regelmäßige Anfechtungen von Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlungen zur Folge haben, die sich schon darauf stützen ließen, dass infolge des Abrisses des überwiegenden Teils der Einzelhandelsflächen nicht mehr die in der Teilungserklärung vorgesehen Quoren für Abstimmungen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft bestehen.

Darüber hinaus erscheint es unwahrscheinlich, dass die sanierten Flächen in Anbetracht der unklaren eigentumsrechtlichen Struktur des Ihme-Zentrums künftig zu einem beachtlichen Kaufpreis veräußert werden könnten, der es der Landeshauptstadt ermöglichte, die durch das Engagement im Ihme-Zentrum erlittenen Verluste nennenswert zu reduzieren.

Sollte sich die Landeshauptstadt aus dem Ihme-Zentrum zurückziehen, droht ein signifikanter Anstieg der auf die Wohnungs- und Teileigentümer entfallenden Lasten. Reihenweise Privatinsolvenzen bis hin zum Verfall des Ihme-Zentrums sind ein denkbares Szenario. Ferner wäre ein starker Anstieg der auf die Landeshauptstadt entfallenden Hausgeldzahlungen zu erwarten.

Im Ihme-Zentrum verbleiben kann die Landeshauptstadt aber nur dann, wenn eine Sanierung der Bürogebäude und des Umfeldes absehbar und gesichert ist. Hierfür ist ein leistungsfähiger und leistungsbereiter privater Investor zwingende Voraussetzung.

Der Sachstandsbericht zum Ihme-Zentrum ist dieser Drucksache als Anlage beigefügt.

OB 
Hannover / 31.05.2016