Informationsdrucksache Nr. 1345/2022:

Evaluation Eisfabrik

Inhalt der Drucksache:

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1345/2022
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Evaluation Eisfabrik

Der Spielstättenvertrag in der Laufzeit 2019 bis 2022, den der Rat der Landeshauptstadt Hannover mit dem Verein Eisfabrik im Jahr 2019 geschlossen hat, sieht unter § 6 vor: „Im Vertragszeitraum findet eine Evaluation, gegebenenfalls unter Einbindung von externen Expert*innen, zu Beginn des dritten Laufjahres (Januar/Februar 2021) statt“ (vgl. DS Nr. 0926/2019). Die Evaluation bietet die Möglichkeit, über den jährlichen Verwendungsnachweis hinaus, vertiefende Kenntnisse über die Aktivitäten der Spielstätte zu gewinnen.

A. Grundlage der Evaluation

Mit Verspätung – bedingt durch die Corona-Krise – wurde Ulrike Seybold, Geschäftsführerin des NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste und ehemalige Geschäftsführerin des Landesverbands Freier Theater in Niedersachsen, mit der Evaluation beauftragt. Im Zeitraum vom 03.09. bis 31.10.2021 überprüfte Frau Seybold die Ziele gemäß der Zielvereinbarung, die den Spielstättenvertrag 2019-2022 ergänzt.

Die Zielvereinbarung umfasst im Wesentlichen folgende Zuwendungsziele:
1. Profilentwicklung der Eisfabrik durch eine entsprechende Programmgestaltung unter Berücksichtigung des Profils Tanz, Theater und Performance, dazu zählen auch Angebote für Kinder in diesem Programmsegment, tanz- und theaterpädagogische Angebote und Vermittlungsformate, der Aufbau eines Beratungsgremiums für die künstlerische Entwicklung der Eisfabrik, eine Ausweitung der Vernetzung und Kooperationstätigkeit mit anderen produzierenden Spielstätten und Gastspielhäusern sowie die Konzeption von Veranstaltungen im Bereich der Bildenden Kunst für die Weiße Halle
2. Stabilität als Kulturakteurin durch Auslastung der Räume im Rahmen einer strategischen Spielplanentwicklung mit eigenen Aufführungen und Aufführungen der Freien Theater und Produktionsgemeinschaften, Gastspielaufführungen und Koproduktionen mit Theater- und Tanzensembles außerhalb von Hannover sowie Ausstellungen in der Weißen Halle, darüber hinaus Auslastung der Räume durch Vermietung des Theaterraums, des Foyers und des Probenraums
3. Verantwortlicher Umgang mit Ressourcen und Förderung einer Kultur der Teilhabe
4. Drittmittelakquise
5. Professionelle Geschäftsführung, Betriebsorganisation und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Vgl. Anlage 1: Zielvereinbarung des Zuwendungsvertrags Eisfabrik e.V. 2019-2022

Um Aussagen über die Zielerreichung treffen zu können, führte Ulrike Seybold im Evaluationszeitraum Gespräche mit den Leitern der Eisfabrik, Peter Piontek und Wolfgang A. Piontek, dem Kulturmanager Achim Bernsee, der Mitarbeiterin für Buchhaltung und Organisation, Judith Elbeshausen, den Choreograf*innen Felix Landerer und Mónica Garcia Vicente, der Geschäftsführerin des Landesverbands Freier Theater in Niedersachsen, Martina von Bargen, der Leiterin des Teams Kultur der Region Hannover, Stefani Schulz, der Projektmanagerin der S-Hannover Stiftung und der Stiftung Kulturregion Hannover, Friederike Kohn, der Kulturjournalistin Kerstin Hergt und den Tanzproduzentinnen Mechthild Tellmann und Alexandra Schmidt aus Nordrhein-Westfalen.

Durch die Verwendungsnachweise 2019 und 2020 erhielt die Evaluatorin Einblick in die wirtschaftliche Situation der Spielstätte und deren Spielbetrieb während der Corona-Pandemie. Geplante Programmlinien für die Jahre 2020 und 2021 konnten durch die pandemiebedingten Auflagen nur sehr eingeschränkt verwirklicht werden. Digitale Tanz- und Theater-Angebote fanden statt.

B. Ausgangssituation der Eisfabrik

Die Eisfabrik in der Südstadt ist ein kulturelles Zentrum für Theater, Tanz, Musik und Bildende Kunst. Die Spielstätte Eisfabrik, die vorher vom Verein Commedia Futura betrieben wurde, ist im Jahr 2019 vom Verein Eisfabrik übernommen worden. Der Verein Eisfabrik ist der Eigentümer und Vermieter der Veranstaltungshallen und Arbeitsräume. Auf dem ca. 5.000 Quadratmeter großen Gelände befinden sich die Theatersäle Zentralhalle und Schwarzer Saal, die Ausstellungsräume Blaue Halle und Weiße Halle sowie Lebens- und Arbeitsräume (acht Musikübungsräume, zwei Tonstudios, eine Musikschule und sechs Künstler*innenateliers). Das Personal, das zur Gestaltung und Verwaltung des Geländes eingesetzt wird, besteht aus fünf Teilzeitmitarbeiter*innen, zwei Mini-Jobbern und einem Medi-Jobber. (vgl. Anlage 2: Personalstruktur Eisfabrik)

Die Eisfabrik zeigt Eigenproduktionen des Haustheaters Commedia Futura sowie nationale und internationale Gastspiele und Kooperationen aus dem Bereich Tanz und Theater. Seit 2019 ergänzt eine Kindertheater-Reihe mit dem Figurentheater Neumond das Programm. Für Jugendliche und Erwachsene werden zwei fortlaufende Angebote im tanz- und theaterpädagogischen Bereich durchgeführt.

Durch den Ausbau der Sparte Tanz hat sich die Eisfabrik inzwischen als Spielort etabliert, an dem in Hannover regelmäßig Tanz zu sehen ist. Dazu trug das in 2017 gegründete Festival tanzOFFensive wesentlich bei, auf dem jährlich nationale und internationale, zum Teil preisgekrönte Tanztheater-Gastspiele gezeigt werden. Das im Jahr 2020 neu konzipierte Tanzfestival NEO:tanz:Offensive von und mit Kindern und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung der Stadt musste pandemiebedingt weitgehend ausfallen.

Die Eisfabrik erhielt im Jahr 2019 eine Zuwendung in Höhe von 180.670 EUR.
Durch die Dynamisierung der Personalkosten erhöhte sich die Zuwendung im Jahr 2020 auf 183.726 EUR und im Jahr 2021 auf 184.836 EUR. Darüber hinaus erhielt die Eisfabrik bzw. Commedia Futura Projektfördermittel, die über die Tanzjury zur Vergabe empfohlen wurden (2020: 14.500 EUR, 3.000 EUR aus dem Recherchefonds und 2021: 14.260 EUR) und im Jahr 2020 Mittel aus dem Stabilitätspaket in Höhe von 4.000 EUR.

C. Ergebnisse der Evaluation gemäß der Zuwendungsziele

1. Profilentwicklung der Eisfabrik

Die Eisfabrik hat sich laut Evaluatorin zunehmend zu einem Zentrum des Tanzes und der körperorientierten Performance entwickelt. Durch die regelmäßigen Auftritte des Tänzers und Choreografen Felix Landerer seit dem Jahr 2010 lag ohnehin schon ein Schwerpunkt auf der Sparte Tanz, der durch die Gründung und Verstetigung des Festivals tanzOFFensive im Jahr 2017 noch verstärkt wurde.

Die tanzOFFensive, die ursprünglich als ein Festival über einen Zeitraum von vier Wochen geplant war, musste – bedingt durch die Corona-Krise − in den Jahren 2020 und 2021 auf das gesamte Jahr ausgedehnt werden. Durch die Ergänzung des Programms durch eigene Tanztheater-Produktionen und -Gastspiele ist es der Eisfabrik, laut Evaluatorin, gelungen, das ganze Jahr über qualitativ-hochwertige Tanztheater-Produktionen zu zeigen. Die Evaluatorin folgert, dass die Kontinuität in der öffentlichen Wahrnehmung sehr zur Profilbildung des Hauses beigetragen hat.

Die Programmgestaltung des Festivals obliegt den Leitern der Eisfabrik Peter Piontek und Wolfgang A. Piontek. Die Auswahl der Produktionen wird auf Grundlage einer, wie die Evaluatorin zitiert, „sehr speziellen und eigenen Expertise“ getroffen und geht aus einer jahrzehntelangen Netzwerkarbeit zu einzelnen Tanzproduzent*innen hervor.

Die sehr erfolgreichen Eigenproduktionen „Two“ und „Zero“ aus den Jahren 2020/2021 sind ebenfalls Tanzproduktionen und wurden zum Teil international gezeigt. Die Evaluatorin stellt außerdem fest, dass sich mit den deutsch-japanischen Tänzerinnen Minako Seki und Yumiko Yoshioka zunehmend ein Profilschwerpunkt mit älteren Tänzer*innen entwickelt.

Die Evaluatorin betont, dass auch eine Hinwendung durch verschiedene Formate und Angebote zu einer jüngeren Zielgruppe stattfindet. Die geplante Einführung des Festivals NEO:tanz:Offensive für Kinder und Jugendliche im Jahr 2020 nennt sie als gelungenes Beispiel. Das Programm, das sich aus nationalen und internationalen Gastspielen, Workshops und Fortbildungen für Lehrende aus dem Bereich Darstellendes Spiel zusammensetzte, musste in den Jahren 2020 und 2021 coronabedingt leider abgesagt werden. Auch die tanz- und theaterpädagogischen Angebote für Jugendliche unter dem Label futura 2.0 und die Amateurtheatergruppe Gören und Rabauken entwickeln sich nach Einschätzung der Evaluatorin positiv. Die Kooperation mit dem Figurentheater Neumond bewertet sie als geeignete Ergänzung des Profils.

Durch die neu eingeführte Tanzförderung der Landeshauptstadt Hannover im Jahr 2019 und durch Kooperationen mit dem Tanznetzwerk Tanzpunkt e.V. aus Hannover und der Tanzwerkstatt artblau in Braunschweig hat die Eisfabrik, die geeignete Proben- und Aufführungsräume für Tanzproduktionen bietet, an Bedeutung gewonnen. Ungewollt nimmt die Leitung dabei eine ‚Gatekeeper‘-Funktion ein, insbesondere im Hinblick auf die Tanzfördermittel der Landeshauptstadt Hannover, für deren Beantragung ein Spielstättennachweis Voraussetzung ist. Weil die Anzahl der Proben- und Aufführungsräume für Tanzproduktionen in der Landeshauptstadt Hannover überschaubar ist, erhält die Eisfabrik in der Regel mehr Anfragen von Tänzer*innen und Compagnien, als sie gewähren kann. Durch die positiven Entwicklungen im Bereich Tanz ist die ohnehin schon hohe Nachfrage sogar noch gestiegen.

Die Evaluatorin berichtet, dass die Leitung bei der Entscheidung, mit welchen Tänzer*innen und/oder Compagnien sie eine Raumnutzung vereinbart, diejenigen vorzieht, zu denen eine über die Jahre gewachsene wertschätzende, stabile Bindung besteht und die wenig personelle Kapazitäten benötigen. Die Kenntnisse der vertrauten Künstler*innen über die spezifischen Bedingungen der Eisfabrik (mögliche Anzahl der Tänzer*innen, Akustik, technische Einrichtung) erleichtern die Zusammenarbeit und erfordern wenig Ressourcen. Gerade in der Zeit der Pandemie hätte sich die Eisfabrik gegenüber den vertrauten Künstler*innen sehr verantwortlich gefühlt, ergänzt die Evaluatorin.

Zugleich wünschen sich noch eher unbekannte Tänzer*innen und Compagnien ebenfalls Zutritt zur Eisfabrik, die mit dem Team und den Gegebenheiten noch nicht vertraut sind und entsprechend mehr Personal beanspruchen, erläutert die Evaluatorin. Entsprechend schwieriger gestaltet sich für sie der Zutritt. Grundsätzlich sei die Eisfabrik offen für neue Künstler*innen und Formate. Aber, fügt die Evaluatorin hinzu, die Entscheidung der Leitung darüber, wer den Spielort nutzen darf, sei für anfragende Künstler*innen oft nicht transparent.

Die Evaluatorin zeigt darüber hinaus auf, dass für ein künstlerisches Experimentieren, besonders mit noch unbekannten Tänzer*innen und Compagnien, zu wenig Budget zur Verfügung steht.

Den Freien Theatern und Produktionsgemeinschaften, die von der Landeshauptstadt gefördert werden, steht die Eisfabrik – sofern es die eigene Disposition zulässt – mietfrei für Proben und Aufführungen zur Verfügung. Davon haben seit dem Jahr 2019 Mónica Garcia Vicente, Liliana Barros und Tiago Manquinho profitiert.

Die Eisfabrik kommt der Aufgabe der Vernetzung auf verschiedenen Ebenen nach. Ein stabiles Netzwerk, so beschreibt es die Evaluatorin, besteht zu den zum Teil seit Jahren eingeladenen Tänzer*innen und Compagnien. Ergänzt wird es durch weitere Kontakte aus Stadt und Region Hannover, die Achim Bernsee – an der Schnittstelle zwischen seiner Position als Kulturmanager und als designierter Geschäftsführer der Eisfabrik – geknüpft hat. Darüber hinaus ist die Eisfabrik in der Interessengemeinschaft Freie Theater Hannover (IG FTH) und im Landesverband Freie Theater in Niedersachsen (LaFT) organisiert. Peter Piontek war über mehrere Jahre im Vorstand des Verbands und in dessen Spielstätten-AG aktiv. Aus diesen Netzwerken entwickeln sich durchaus gemeinsame künstlerische Ideen, die aber, so fasst es die Evaluatorin zusammen, aus organisatorischen Gründen (z.B. durch unterschiedliche Förderperioden) schwierig umzusetzen sind.

Der Ausbau des Netzwerks mit dem Tanztausch-Festival aus Nordrhein-Westfalen stagniert leider, weil sich die künstlerische Leitung des Festivals in einem Umstrukturierungsprozess befindet, begründet die Evaluatorin.

Für weitere Netzwerkarbeit ist laut Aussagen des Teams der Eisfabrik keine Kapazität in der jetzigen Personalstruktur vorhanden. Die Evaluatorin zitiert, dass es kein grundsätzliches Desinteresse sei, dass die Eisfabrik nicht in den sich verstärkt bildenden überregionalen Netzwerken wie Netzwerk Freier Theater, flausen + und anderen Zusammenschlüssen, die durch das Bundesprogramm ‚Verbindungen fördern‘ gefördert werden, vertreten ist – es fehlt die Kapazität für weitere Netzwerkarbeit.

Der unter Punkt 1 der Zielvereinbarungen genannte Aufbau des Beratungsgremiums ist durch die Pandemie ins Stocken geraten. Nach der ersten Zusammenkunft wurde bislang kein weiteres Treffen einberufen.

Da die Evaluatorin über keine ausgeprägten Kenntnisse im Bereich Bildende Kunst verfügt, sind die Aussagen über die Qualität und Entwicklung des Ausstellungsorts Weiße Halle nicht erschöpfend. In der öffentlichen Wahrnehmung, sowohl seitens der Besucher*innen als auch der Künstler*innen, scheint der Ort jedoch sehr präsent zu sein. Eine Verbindung zwischen Bildender und Darstellender Kunst kommt selten zustande.

2. Stabilität als Kulturakteur durch Auslastung der Räume

Im Jahr 2019 zeigte die Eisfabrik laut Verwendungsnachweis 75 Vorstellungen (Eigenproduktionen, Gastspiele, Vorstellungen des Figurentheater Neumond, Konzerte und Gastveranstaltungen) und erreichte damit insgesamt 4.380 Zuschauer*innen. Im Jahr 2020 verringerte sich durch die Schließungen, bedingt durch die Corona-Pandemie, die Auslastung deutlich. 1.427 Zuschauer*innen sahen insgesamt 29 Vorstellungen. (vgl. Anlage 3: Besucherstatistik Eisfabrik)

Die Evaluatorin bezeichnet die Auslastung der Eisfabrik als sehr gut. Als einen Grund dafür nennt sie die enge Bindung der Zuschauer*innen an das Haus. In Gesprächen mit ihren Interviewpartner*innen hat sie erfahren, dass es der Leitung gelungen sei, ein Stammpublikum mit einer beeindruckend breiten Altersstruktur aufzubauen. Die Eisfabrik wird sowohl durch ihr Programm als auch durch die Architektur, die Geschichte des Ortes und dem Aufbau des Geländes als einzigartiger Kulturort wahrgenommen. Die Zuschauer*innen stammen aus der Stadt und Region Hannover, bei den Kindertheatervorstellungen und den theaterpädagogischen Angeboten wird aber auch deutlich, dass die Eisfabrik eine deutliche Verankerung im eigenen Stadtteil Südstadt hat.

3. Verantwortlicher Umgang mit Ressourcen und Förderung einer Kultur der Teilhabe

Die Evaluatorin fasst zusammen, dass zwar kein dokumentiertes Nachhaltigkeitskonzept vorliegt, aber die Leitung glaubhaft eine Grundhaltung darlegt, die auf Ressourcenschonung setzt. Die Technik wurde, so weit wie möglich, auf energiesparende LED umgerüstet, das Catering ist seit Jahren vegetarisch und nach Möglichkeit werden öffentliche Verkehrsmittel genutzt.

Als Beispiel für eine Kultur der Teilhabe nennt die Evaluatorin die internationalen Gastspiele und die Eigenproduktionen unter Beteiligung von nicht deutschsprachigen Mitwirkenden, denen das Leitungsteam individuelle Unterstützung bei Behördengängen und der weiteren Jobsuche bietet. Die Evaluatorin betont weiterhin, dass die Eisfabrik durch die Mitwirkung älterer Tänzer*innen auch einen wertvollen Beitrag zum Thema Altersdiversität leistet.

Als weiteres Beispiel für eine Kultur der Teilhabe führt die Evaluatorin einen Techniker an, der über den zweiten Arbeitsmarkt akquiriert wurde und in der Eisfabrik beschäftigt ist.

4. Drittmittelakquise

Die Leitung hat Fördermittel aus dem Zukunftsprogramm der Bundesregierung Neustart Kultur für ihre technische Ausstattung beantragt und erhalten. Die Evaluatorin zählt auf, dass auch weitere Förderprogramme wie #TakeNote und #TakeHeart zur Beantragung in Betracht gekommen seien, die Leitung aber von der Beantragung absah, weil Unsicherheit darüber bestand, ob sie die Förderkriterien tatsächlich erfüllen.

Der im Spielstättenvertrag vereinbarte Kofinanzierungsanteil wurde während der Laufzeit durch das Land Niedersachsen gewährleistet.

5. Professionelle Geschäftsführung, Betriebsorganisation und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Geschäftsführung

Die Übertragung der Trägerschaft von Commedia Futura auf den Verein Eisfabrik im Jahr 2019 hat, so fasst es die Evaluatorin zusammen, mehr Klarheit und Transparenz bewirkt. Ein begleitendes Coaching des Kernteams hat darüber hinaus dazu geführt, eine Personalstruktur aufzubauen, die die Arbeitsbereiche genauer abgrenzt. Die Arbeitsbelastung insgesamt sei jedoch zu groß und lässt sich laut Aussage der Evaluatorin nur bewältigen, weil alle Beteiligten eine hohe persönliche Bindung an das Haus haben und es mehr als einen ganzheitlichen Lebensort denn als reine Arbeitsstätte betrachten. Vor diesem Hintergrund akzeptieren alle Mitarbeiter*innen eine Unterbezahlung. Die Eingruppierungen, verglichen dem TVöD Kommunen, bewegen sich mehrheitlich im Bereich E2 bis maximal E7 (vgl. Anlage 2: Personalstruktur Eisfabrik). Die unzureichende Personalausstattung macht es aber unmöglich, dass professionelle Mindeststandards immer eingehalten werden können, betont die Evaluatorin.

Die Presseresonanz über die Eigenproduktionen und Gastspiele der Eisfabrik ist mäßig, berichtet die Evaluatorin. Sie betont, dass der Grund dafür nicht in einer unzureichenden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu suchen sei, sondern an den inhaltlichen Entscheidungen, die in den personell eng besetzen Kulturredaktionen getroffen werden. Vorzugsweise werden Premieren besetzt, so dass über Gastspiele, die in der Regel nur wenige Male gezeigt werden, nicht berichtet wird. Darüber hinaus werden Produktionen der Freien Tanz- und Theaterszene ohnehin seltener besprochen als die der Staatstheater. Überregional erhält die Eisfabrik nahezu keine Resonanz. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzt klassische PR-Instrumente wie Flyer und Plakate, eine aktuelle Webseite sowie den Versand eines Newsletters, um ihre Bezugsgruppen zu informieren. Auch Soziale Medien wie Facebook und Instagram werden eingesetzt, deren kontinuierliche Nutzung aber zum Teil noch ausbaufähig sei, wie die Evaluatorin ergänzt. In diesem Zusammenhang informiert die Evaluatorin darüber, dass die Aufgaben der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Grafik maßgeblich vom Leitungsteam zusätzlich zu ihren Kernaufgaben übernommen werden. Der Prozess sei aber personalbedingt nicht systematisiert und abschließend professionalisiert, auch wenn Achim Bernsee sie als Kulturmanager unterstützt.

D. Mittelfristige Perspektive für die Entwicklung der Eisfabrik

Die Evaluatorin stellt fest, dass die mittelfristige Zukunft der Eisfabrik und der damit verbundene Generationenwechsel Themen sind, mit denen sich Peter Piontek und Wolfgang A. Piontek proaktiv beschäftigen. Beide haben bereits das Eintrittsalter für den Ruhestand erreicht. Sie betrachten den Ausbau des Geländes und die Entwicklung des Kulturorts Eisfabrik zu Recht als ihr Lebenswerk. Eine Übergabe an eine neue Leitung, die sich mit dem Ort – der zugleich auch ihr Wohnort ist – nicht verbunden fühlt, erscheint ihnen schwierig, beschreibt die Evaluatorin. Peter Piontek möchte sich gern zunehmend zurückziehen, sobald er eine/n entsprechend qualifizierte/n Nachfolger*in gefunden hat. Eine Teilübergabe seiner Aufgaben an Achim Bernsee ist zwar auch schon erfolgt, ist aber für Herrn Bernsee keine Option auf Dauer, wenn es bei der Höhe des derzeit möglichen Gehalts/Honorars bleibt. Wolfang A. Piontek sieht seinen Rückzug erst mittelfristig. In dem Zusammenhang berichtet die Evaluatorin über den starken Wunsch, dass der Betrieb an eine Leitung übergeben wird, die die Bereitschaft hat, eine Bindung zu dem Spielort aufzubauen und die Übergabe der Strukturen organisch erfolgen kann.

Das Beratungsgremium, berichtet die Evaluatorin weiter, zeigt eine große Offenheit, sich mit dem Thema Change-Prozess, evtl. unter Einbindung externer Expert*innen, erneut auseinanderzusetzen. Ein Teil des Veränderungsprozesses wurde bereits durch die Trennung Eisfabrik e.V. und Commedia Futura e.V. umgesetzt. Durch die ineinandergreifenden Besitzverhältnisse der Technik ist die Trennung allerdings nicht in allen Bereichen durchsetzbar.

Ein weiteres Thema für den Spielstättenvertrag ab 2023 ist die kulturelle Nutzungsbindung der Eisfabrik, die mit der Förderung beim Kauf des Geländes vereinbart wurde. „Im Jahr 2024 läuft die mit dem Land Niedersachen und der Landeshauptstadt im Rahmen des Kaufs der Eisfabrik im Jahr 1999 vertraglich vereinbarte Bindung einer kulturellen Nutzung der Immobilie aus. Der Verein sichert eine kulturelle Nutzung der Immobilie auch für die Jahre nach 2024 zu. Im Vertragszeitraum 2019-2022 wird eine Vereinbarung zwischen beiden Vertragsparteien zur Fortführung der kulturellen Nutzung der Eisfabrik über das Jahr 2024 hinaus getroffen, die wiederum die Grundlage für einen Folgevertrag ab dem Jahr 2023 bilden wird. (Vgl. DS 0926/2019_Anlage 1.0., 4.)

Um die Spielstätte langfristig als Kulturstandort zu erhalten, plant die Leitung die Gründung einer Stiftung, die einen Teil des Eigentums des Vereins Eisfabrik übernimmt. Damit wäre der langfristige Erhalt des Kulturorts gesichert.

E. Handlungsempfehlungen und Fazit

Die Evaluatorin fasst noch einmal zusammen, dass die Eisfabrik ein einmaliger Ort für das Kulturleben in Hannover ist, der sich vor allem ein Profil im Bereich Tanz und Performance erarbeitet hat. Im Rahmen der Gesamtentwicklung der Sparte Tanz im Land Niedersachsen hat sich die Eisfabrik zu einem Spielort mit überregionaler Strahlkraft entwickelt, der, um diese Position erhalten und ausbauen zu können, eine besondere Förderung verdient.

o Das Gelände als interdisziplinärer Ort, an dem verschiedene Sparten und vor allem auch Wohnen und Arbeiten von Künstler*innen miteinander kombiniert werden, bietet einzigartige Möglichkeiten für Synergien, die weiterentwickelt werden sollten.
o Besonders die Möglichkeiten für Projekte aus den Sparten Bildende und Darstellende Kunst sollten erforscht und ausgebaut werden.
o Die Profilentwicklung der Eisfabrik ergibt sich aus dem gewachsenen persönlichen Netzwerk von Peter Piontek und Wolfgang A. Piontek. Es empfiehlt sich darüber hinaus, das Netzwerk durch neue Impulse zu erweitern und dazu entsprechende Formate zu entwickeln wie zum Beispiel Abende für junge Choreograf*innen.
o Um die Zugangsvoraussetzungen zum Spielort Eisfabrik für unbekannte Tänzer*innen und Compagnien transparent zu machen, sollte das Profil und die Zutrittsbedingungen formalisiert und veröffentlicht werden.
o Die bereits begonnene Arbeit zum Thema Altersdiversität sollte fortgesetzt werden, um den Beitrag, den diese Arbeit in der Gesellschaft leistet, weiter auszubauen.
o Um den Change-Prozess weiter voranzutreiben, die Leitungspositionen für mögliche Nachfolger*innen attraktiv zu machen und um eine mittelfristige Perspektive für die Eisfabrik entwickeln zu können, ist eine Erweiterung der Personalausstattung notwendig.
o Um der wachsenden Nachfrage nach Produktions- und Auftrittsmöglichkeiten im Bereich Tanz gerecht zu werden, muss die Personalsituation verbessert werden. Die Spielstätte benötigt eine technische Leitung, eine technische Assistenz und eine/n PR-Expert*in.
o Der Change-Prozess sollte mit dem Ziel fortgeführt werden, eine mittelfristige Übergabe vorzubereiten, die von der Leitung aktiv gestaltet wird. Das genannte Beratungsgremium sollte diesen Prozess wirksam begleiten.
o Eine geeignete Start-Maßnahme im Change-Prozess ist die Übertragung der Verantwortung der Leitung an eine geeignete Person zur Konzeption einer eigenen Programmreihe.
o Der Ort bietet sowohl durch die räumlichen Gegebenheiten als auch durch die persönliche Betreuung geeignete Voraussetzungen für laborhaftes Arbeiten und Experimentieren. Künstlerische Forschungsvorhaben und Residenzen sind denkbare Formate, um die Arbeitsweise zu professionalisieren.
o Das Nachhaltigkeitskonzept sollte verschriftlicht und für die Einhaltung der Maßnahmen ein Verfahren entwickelt werden.
o Der Kontakt zu regionalen und überregionalen Netzwerken der Tanzszene, insbesondere dem Choreograf*innen Netzwerk Braunschweig-Hannover sollte gestärkt werden. Um das Netzwerk in der Eisfabrik sichtbar zu machen, ist ein fester Termin in der Programmplanung eine geeignete Maßnahme.
o Auch der Ausbau von Kooperationen mit anderen Spielstätten kann noch weiter intensiviert werden, für die ggf. sogar Bundesmittel eingeworben werden können.

Der Entwurf eines Wirtschaftsplans begleitet die Handlungsempfehlungen der Evaluatorin. Für eine entsprechende Umsetzung ist eine Erhöhung der Mittel erforderlich, insbesondere im Bereich der Personalkosten sowie für Gastspiele und Koproduktionen. (vgl. Anlage 4: Weiterentwicklung Budget)

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender Aspekte werden nicht berührt.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

41.1 
Hannover / 11.05.2022