Drucksache Nr. 1326/2021:
Vereinbarung für eine Wärmewende in Hannover. Vereinbarung der Landeshauptstadt Hannover mit dem Bürger*innenbegehren „hannover erneuerbar“ und enercity AG

Informationen:

Beratungsverlauf:

  • 07.06.2021: Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen: Auf Wunsch der AfD in die Fraktionen gezogen
  • Durch Neufassung erledigt: Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung
  • Durch Neufassung erledigt: Verwaltungsausschuss
  • Durch Neufassung erledigt: Ratsversammlung
  • Durch Neufassung erledigt: Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen

Nachrichtlich:

  • Stadtbezirksrat Herrenhausen Stöcken

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen
In den Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
An den Stadtbezirksrat Herrenhausen Stöcken (zur Kenntnis)
 
Nr.
Anzahl der Anlagen
Zu TOP
 
1326/2021
1
 

Vereinbarung für eine Wärmewende in Hannover. Vereinbarung der Landeshauptstadt Hannover mit dem Bürger*innenbegehren „hannover erneuerbar“ und enercity AG

Antrag:

Der Rat der Landeshauptstadt Hannover stimmt der vorgelegten Vereinbarung zwischen der enercity AG, der Initiative Bürger*innenbegehren „hannover erneuerbar“ und der Landeshauptstadt Hannover zu (Anlage).

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Aussagen zur Geschlechterdifferenzierung sind im Zusammenhang mit dieser Drucksache nicht relevant.

Kostentabelle

Die Finanzierung der Vereinbarung erfolgt seitens der Landeshauptstadt Hannover in drei Tranchen die sich wie nachfolgend dargestellt auf die Jahre 2022-24 verteilen:

· 2022: 10 Mio. Euro
· 2023: 5 Mio. Euro
· 2024: 2,5 Mio. Euro

Begründung des Antrages

Der Rat der Landeshauptstadt Hannover hat 2020 festgelegt, dass die Landeshauptstadt Hannover die Klimaneutralität bis 2035 anstrebt (DS 2469/2019). Ein wichtiger Baustein für die Klimaneutralität ist die Abschaltung des Kohlekraftwerks in Stöcken der hannoverschen enercity AG, das in deutlichem Umfang zu den CO2-Emissionen in Hannover beiträgt.

Seit Januar 2021 gibt es in Hannover das Bürger*innenbegehren „hannover erneuerbar“, das zum Ziel hat, dass in der Satzung der enercity AG festgelegt wird, dass das Kohlekraftwerk in Stöcken bereits 2026 stillgelegt und möglichst bald auch auf Gas als Energiequelle verzichtet wird. Der VA hat in seiner Sitzung am 21.01.2021 das Bürger*innenbegehren zugelassen (DS 0056/2021).

In den letzten Wochen haben der Oberbürgermeister, die Umweltdezernentin, der Finanzdezernent, die enercity AG und Vertreter*innen des Bürger*innenbegehrens „hannover erneuerbar“ intensiv und sehr konstruktiv gemeinsam beraten, wie der Kohleausstieg schnellstmöglich gelingen kann, ohne die Versorgung der hannöverschen Bevölkerung mit Fernwärme zu gefährden. Das Ergebnis der Gespräche ist eine gemeinsame Vereinbarung, die nun den politischen Gremien zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt wird.

Die Vereinbarung sieht vor:


- Die enercity AG verpflichtet sich, nachprüfbar so schnell es geht und nach Möglichkeit 2026 das Kohlekraftwerk Stöcken vollständig stillzulegen bzw. keine Kohle mehr einzusetzen und auch schnellstmöglich den Einsatz von Erdgas im eigenen Portfolio zu reduzieren. Dabei wird eine vorzeitige Stilllegung des ersten Blocks des Kraftwerks in Stöcken bereits in 2024 angestrebt. Die enercity AG strebt zudem an, nach Möglichkeit 2026 auch im zweiten Block des Kraftwerks Stöcken keine Kohle mehr einzusetzen.

- Um auf jeden Fall und verbindlich signifikante CO2-Einsparungen zu erreichen, werden zusätzlich flankierende Maßnahmen umgesetzt, die in Summe 0,8 Mio. Tonnen CO2 bis 2035 einsparen. Dies entspricht etwa der Hälfte des CO2-Ausstoßes für das Kohlekraftwerk in der bisher geplanten Laufzeit. Für diese Maßnahmen werden die LHH und die enercity AG gemeinsam zu je 50 % 20 Mio. Euro im Jahr 2021, 10 Mio. Euro im Jahr 2022 und 5 Mio. Euro im Jahr 2023 bereitstellen.



- Ab 2022 wird enercity regelmäßig über den Fortschritt und die Gründe für mögliche Verzögerungen Bericht erstatten. Dazu wird der Oberbürgermeister ab 2022 einen Beirat mit Teilnehmer*innen des Bürger*innenbegehrens einberufen. Dieser Beirat besteht aus drei Vertreter*innen des Bürger*innenbegehrens, dem Vorstand von enercity und drei Vertreter*innen der LHH (OB, Umwelt- und Wirtschaftsdezernat, Finanzdezernat) und dient zur Information über den Fortschritt und die Gründe für mögliche Verzögerungen bei der Schaffung von Ersatzkapazitäten für die Wärmeversorgung nach Abschaltung des Kohlekraftwerks. Zudem wird im Beirat über die Umsetzung der flankierenden Maßnahmen berichtet.
Die von der LHH und enercity zur Verfügung gestellten Mittel dienen als Anschubfinanzierung für die nachfolgend beschriebenen flankierenden Maßnahmen und decken die Umsetzung nicht in Gänze ab. Damit verbunden ist die Erwartung, dass neben den bestehenden Fördermitteln von Bund und ProKlima (die hinsichtlich der Förderung vom Ölheizungstausch um mind. 5 Jahre verlängert werden müssen) nach der Bundestagswahl und in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz weitere Förderungen beschlossen werden, sodass die Maßnahmen fortgeführt werden können. Die flankierenden Maßnahmen im Einzelnen sind:

- Ölheizungsoffensive: Ersatz von Ölheizungen durch Umstellung auf Fernwärme oder Wärmepumpe
- Erstellung einer Fernwärmesatzung: Einführung einer Anschluss- und Benutzungspflicht an die Fernwärme ab 2022 im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Stilllegung von Erdgasheizungen und Umrüstung von Anlagen auf Fernwärme
- Heizungseffizienz-Offensive: Durch intelligentes Heizen kann bis zu 20% des Energiebedarfs eingespart werden. Erhöhung der Heizungseffizienz durch hydraulischen Abgleich und smarte Steuerung
enercity hat bis zu 62 Quartiere in 32 Stadtteilen identifiziert, die für eine Fernwärmeverdichtung grundsätzlich geeignet sind. Beschließt der Rat die vorgeschlagene Anschluss- und Benutzungspflicht für Fernwärme, so ist in den noch auszuweisenden Gebieten ab 2022 der Einbau von Öl- oder Gasheizungen bei zu erneuernden Bestandsanlagen oder Neubauten nicht mehr möglich. Die Erschließung des Potentials für eine Fernwärmeverdichtung kann nach Einschätzung von enercity unter optimalen Bedingungen und mit maximaler Unterstützung der LHH in 9 Jahren erfolgen. Neben den notwendigen Investitionen wird der Gasabsatz bei enercity um 0,5 TWh sinken, was zu steigenden Gasnetzkosten bei den restlichen Kund*innen und Umsatzrückgängen in der Gassparte bei enercity führt.

Es besteht grundsätzlich für die Stadt die Möglichkeit, die Nutzung bestimmter Energieträger im Stadtgebiet vorzugeben, um damit den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Dies kann nach dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz nur durch die Festlegung einer kommunalen Satzung erfolgen und dann kann darin auch eine Verpflichtung zum Anschluss an das Nah- und Fernwärmenetz festgelegt werden. Grundlage für diese erforderliche Satzungsregelung wäre dann § 13 NKomVG. Insbesondere die Regelung in § 109 GEG als Nachfolgeregelung von § 16 EEWärmeG ermöglicht es der Landeshauptstadt Hannover, den Erlass einer Fernwärmesatzung mit Anschluss- und Benutzungszwang zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes zu begründen. Insoweit wirkt der § 109 GEG als bundesrechtliche Erweiterung der landesrechtlichen Vorschrift in § 13 NKomVG zur Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs aus Klimaschutzgründen. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz dient insgesamt dem Klimaschutz und der Ressourcenschonung (§ 1 Abs. 1 GEG). Es geht davon aus, dass dieser Zweck durch eine Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte gefördert wird (§ 1 Abs. 2 GEG). Die Eignung von Maßnahmen, welche zur Verbesserung des Klimaschutzes den Anteil Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte erhöhen, wird damit vom EEWärmeG selbst normativ vorgegeben; sie bedarf keines tatsächlichen Nachweises mehr und ist auch einer tatsächlichen Widerlegung nicht zugänglich. Der Bundesgesetzgeber hat damit über die Eignung der Erneuerbaren Energien zum (globalen) Klimaschutz mit diesem Gesetz selbst abschließend entschieden.

Für die Festlegung der Gebiete mit Anschluss- und Benutzungspflicht sind eine Reihe von Kriterien notwendig. Dazu zählen u.a.:


- Wärmedichte: Die Wärmedichte gibt an, wie groß der Wärmebedarf der Gebäude auf einer definierten Grundfläche ist. Damit kann die Erschließung der Gebäude durch das Fernwärmenetz möglichst effektiv erfolgen und die Wärmeverluste der Leitungen werden minimiert.
- Nähe zum vorhandenen Netz: Damit werden möglichst kurze Anschlusslängen zur Versorgung der Gebäude benötigt, was bei begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten eine größtmögliche Anschlussquote bedeutet.
- Gebäudetypen: Ein- und Zweifamilienhäuser mit kleiner Anschlussleistung eignen sich nur bedingt für die Erschließung mit Fernwärme, da der Anschlussaufwand bezogen auf den Wärmebedarf zu hoch ist. Bei Mehrfamilienhäuser und größeren Gewerbeobjekte ist das Verhältnis deutlich besser.
- Sanierungsstand des Gebäudes: Bei hochgedämmten Gebäuden, die den Wärmebedarf durch eine dezentrale emissionsfreie Heizungsanlage (z. B. Solarthermie, Wärmepumpe) decken können, ist ggf. eine Ausnahme von der Anschluss- und Benutzungspflicht möglich.
Die Details für die Festlegung der Gebiete und zu den Ausnahmen von der Anschluss- und Benutzungspflicht müssen in einer Satzung genau definiert werden.

Wie schnell enercity das Kohlekraftwerk stilllegen und damit die LHH aus der Kohle aussteigen kann, hängt auch davon ab, wie aufwändig die Grundstückssuche und die Genehmigungsverfahren für Ersatzanlagen sind und ob es absehbar finanzielle Unterstützung vom Bund oder vom Land für die Umstellung auf alternative Energien gibt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verdeutlicht die Dringlichkeit für ein beschleunigtes Handeln. Die Landeshauptstadt bekräftigt mit der Zustimmung zu dieser Vereinbarung, dass sie bereit ist, ihren Teil dazu beizutragen, Hannover ab 2035 klimaneutral zu machen.

Diese Vereinbarung steht unter der Voraussetzung, dass das Bürger*innenbegehren sich verpflichtet, die Unterschriftensammlung zu beenden und potentiell vorhandene Unterschriftenlisten nicht mehr bei der LHH einzureichen.



Wenn alle Beteiligten dieser Vereinbarung zustimmen, wird sie durch einen Vertrag zwischen der enercity AG und der LHH in einen rechtsverbindlichen Rahmen überführt.
Dez. V 
Hannover / 01.06.2021